Wo ziehst Du da dir Grenze?
Konstituiert es schon einen "Luschencharaktere", wenn man als 'Klasse' Diplomat, Kurtisane oder Gelehrter wählt?
@Luschencharaktere:
Das hat eigentlich nur am Rande mit dem Thread zu tun. Tatsächlich gehe ich erstmal davon aus, dass man sich zum Rollenspielen trifft, weil man ein "Abenteuer" spielen will, also die Spieler die Gruppe der Hauptprotagonisten in ihrer Auseinandersetzung mit einer gefährlichen, nicht alltäglichen Situation spielen will - und das Konsens ist, dass man die Situation zu einer für Spieler und Charaktere positiven Auflösung führen will, die aber nicht garantiert ist.
Natürlich kann man auch andere Vorlieben haben. Wenn man sich trifft, um z.B. den Alltag in einer Fantasywelt zu simulieren und nur begrenzt Außergewöhnliches einbringen will ("Bauer Alriks Kuh ist krank"), gibt es natürlich kein Problem mit Luschencharakteren, sondern eher mit Heldencharakteren. Wenn man eine Tragödie spielen will, die in einer Katastrophe ändert, um als Spieler in die Psyche des von der Situation überforderten Hauptprotagonisten abzutauchen (was eigentlich Thema der Horrorliteratur ist und in jedem Horrorrollenspiel der Fall sein sollte), stören Luschencharaktere auch nicht, sondern sind quasi Vorraussetzung für das Gelingen eines solchen Rollenspiels.
Aber beide Varianten finde ich für das regelmäßige Spiel eher uninteressant, aber mein Geschmack ist da bedeutungslos. Die Frage ist vielmehr, ob solche Spielweisen Regeln für nicht-tödliche Kämpfe brauchen? Im ersten Fall gleube ich, dass Kämpfe sowieso nicht vorkommen, weil Kämpfe in unserer modernen welt als etwas nicht-alltägliches wahrgenommen werden (und selbst in historischen Kriegen spielte sich das Alltägliche nicht an der Front ab, sondern eben im Hinterland), weswegen ein Alltagsrollenspiel keine Kampfregeln braucht. Ein Rollenspiel ums Scheitern der Hauptcharaktere muss auch nicht sonderlich viel Hirnschmalz in Kampfregeln investieren, weil das Kämpfen nicht Hauptgegenstand des Spiels ist (außer vielleicht beim Survival Horror).
Ich verstehe nicht, warum der Ritter-Spieler in einem Ritter-ungeeigneten Setting den Anspruch auf's Ritter-Spielen aufrechthalten darf, der Nicht-Kombattanten-Spieler hingegen nicht eimal in einem 'normalen' Setting den Anspruch darauf, einen Zuschauer/Wasserträger im Kampf zu spielen.
Für Leute, die den Wasserträger spielen wollen, gibt es doch DSA. (-scnr-)
Wirklich SPIELEN kann man in jedem Rollenspiel nur das, wofür es Regeln gibt (selbst wenn das lose Absprachen ohne Würfel usw. sind). Alles andere muss mit Hilfsregeln "analog" zu den Regeln gelöst werden oder ist einfach nicht
spielbar. Darum wehre ich mich so sehr dagegen, alles mit realistischen Regeln zuzupflastern, denn dann wird nur noch eine Realitätssimulation spielbar sein, und wir kommen bei "Büros und Bürokraten" an.
Du impliziertst hier, daß es automatisch eine Mehrheit gibt, die Kampforientiert spielen möchte.
Halte ich erstmal so pauschal für Unfug.
Es können sich oft auh alle darauf eingen, daß man Coming of Age oder, Wilderness Survival, Detektiv, höfische Intrigen oder Gauner und Diebe als Thema hat.
Ich impliziere, dass es eine Mehrheit gibt, die nicht-alltägliche Ereignisse spielen wollen. Alle deine Beispiele können (mit oder ohne Kampf) spannend gespielt werden - alle brauchen zum
Spielen Regeln, sonst sitzt man nur am Tisch, futtert Chips und lässt sich vom SL berieseln (was einige SLs auch allzugerne machen)*. In allen Varianten kann Kampf vorkommen, und in allen wird er genretypisch unterschiedlich behandelt - und dafür braucht es eben passende Kampfregeln. Natürlich gehen auch alle Varianten ohne Kampf - dann legt das Spiel wert auf andere Schwerpunkte.
Und in allen Spielen kann man auch
unabhängig vom Kampf Luschencharaktere bauen. Ein Luschencharakter ist ein Charakter, der als Antiheld, als gescheiterter Charakter vom Spieler dazu konzipiert ist, die Probleme/Herausforderungen/Hindernisse des Abenteuers
nicht zu bewältigen, eine positive Auflösung also komplett zu
sabotieren (oder vom SL eine "göttliche Intervention" zu erzwingen). Und das ist meiner Meinung nach nur dann zulässig, wenn es das Ziel der gesamten Gruppe ist, ihren Charakteren beim Scheitern zuzusehen. Persönlich habe ich so einen Wunsch nach der Katastrophe noch nie im Rollenspiel erlebt. Vielleicht gibts das bei DSA - aber ich bin mir selbst da nicht sicher und nehme als Arbeitshypothese an, dass es nicht der übliche Wunsch der Spieler ist.
Mein persönlicher Geschmack ist ein Rollenspiel, in dem Kämpfe vorkommen, in einem Genre, in dem häufige Kämpfe passen und in dem die Protagonisten nicht einfach so wegsterben. Genau das habe ich in der Regel im Fantasyrollenspiel vorgefunden. Und für diese Spielweise suche ich nun nach Möglichkeiten, Kämpfe auch jenseits der Alternative "Sieg oder Tod" spielbar zu machen. Dabei interessiert es mich folglich überhaupt nicht, was Leute wollen, die sowieso lieber Rollenspiele ohne Kämpfe spielen möchten (wobei ich mich auch für ein System zum Spielen rein verbaler Konflikte und zum spielerischen Abwickeln einer komplexen Aktion interessiere, aber das ist Gegenstand anderer Threads).
* Erzählorientierte Spiele (ptA, Inspectres) haben auch Regeln, die Erzählzeit und "Erzähleinfluss" verhandeln. Theoretisch genügt zum Spielen ein Regelkorsett, in dem festgelegt wird, dass derjenige Entwicklung und Ausgang einer Situation bestimmen und die Folgesituation ansagen darf, der die höchste Zahl würfelt, das lange Streichholz zieht, mit einem Kinderreim ausgezählt oder von allen am Tisch nach langer Kandidatur gewählt wird.