Naga, wenn du schon so vehement auf dem Thema rumreitest, dann sag mir doch wenigstens in mehr als einem Satz, wie du dir so ein Abenteuer jenseits von Linearität und Freiheit vorstellst. Sind diese kategorien unbedeutend? Wenn das so ist, dann mach ruhig, aber ohne mich, weil für mich sind sie zentral.
Diese Kategorien sind untauglich. Sowohl generell, aber insbesondere für DSA.
Die ganze Rollenspieltheorie zum Thema "Spielleiterwillkür/Spielerfreiheit" taugt gerade mal dazu, die beiden Extremfälle Railroading (rein Spielleiter-bestimmter Handlungsverlauf) und Sandbox (rein Spieler-bestimmter Handlungsverlauf) voneinander abzugrenzen. Und selbst die Extremfälle sind schon so schwammig, dass man sich da ewige um Definition streiten kann.
Über das große Mittelfeld wird schlicht nichts ausgesagt. Je nach Anlaß bestimmt hier das Bauchgefühl oder die Schwurbelschlacht.
Dein Werkzeug ist also schon Mist.
Damit wirst du nur Aussagen über reine Railroading-Abenteuer und reine Sandbox-Abenteuer treffen können. Da diese aber nur einen Bruchteil der DSA-Publikationen ausmachen wirst du anhand dessen keine bedeutenden Aussagen machen können.
Was es also bräuchte, wären Mittel, um den "Freiheitsgrad" der Abenteuer in diesem großen Mittelfeld beschreiben zu können. Viel Spaß: daran ist bisher noch jede Forendiskussion zum Thema gescheitert.
Und das DSA-Umfeld ist hinsichtlicher der "Freiheitsdefinition" da aus diversen Gründen besonders "schwierig":
- Zum einen wird das DSA-Erlebnis (so mein Eindruck) deutlich stärker von der Situation und Wahrnehmung am Spieltisch bestimmt, denn von der vorherigen Ausarbeitung. Das liegt teils schon in der Natur des "Illusionismus", geht über "Würfelschummelei des Spielleiters" bis zu deutlichen Abweichung vom Abenteuer (zumindest wird das von Nicht-DSAlern immer mal wieder bemerkt). Aus den Publikationen auf das Geschehen am Spieltisch zu schließen ist also schon schwer. Aber am "tatsächlich gespielte DSA" vorbeizutheoretisieren vergrätzt hingegen viele DSAler (imho zu Recht
).
- Zum anderen haben "die DSAler" anscheinend einen recht eigenen "Freiheitsbegriff" (sehr ähnlich dem von Shadowrunnern), und auch ein besonderes Verhältnis zu "Spielleiterwillkür": Setz "dem D&Dler" ein posiges, unbesiegbares Übermonster vor, und er wird dir was von wegen fairem Wettkampf und Balancing und Regelbiegen vorjammern. Setz "dem Sandbox-Junkie" ein posiges, unbesiegbares Übermonster vor, und er wird jammern, dass jemand ihm sein Spotlight klaut, und sich die Welt nicht mehr allein nach ihm richtet. Setz "dem Shadowrunner" ein posiges, unbesiegbares Übermonster vor, und er wird sich freuen, dass die Welt so hart ist und er einen Grund mehr hat paranoid zu sein. Und "der DSAler" ? Der freut sich erstmal über die "lebendige Spielwelt" die nicht nur macht was er will. Außerdem erhofft er sich von einem solchen Überwesen auch viele neue Ereignisse - also Story und Action. Ist das Überwesen dann noch in diversen Abenteuern vorbereitet worden, oder entdeckt man rückwirkend Hinweise in der aventurischen Mythologie - holla! Und wenn man dann noch am Sturz dieses Über-Promis mitwirken kann, und sich so seinen grandiosen Platz in der aventurischen Geschichte erstreitet? Bingo! Eben deshalb sind Borbarad und seine Abenteuer so beliebt, auch wenn er darin die Helden durch fast ganz Aventurien treibt.
Aber wehe - wehe! - ein Spielleiter wagt es, das Charisma eines Helden um zwei Punkte zu senken. Dann ist Schluß mit lustig, und die Todfeindschaft der Barbiespieler ist dir gewiß.
Solltest du dich tatsächlich mit dem Freiheitsbegriff befassen wollen, dann hilft es dann auch wenig, dass du anzunehmen scheinst, dass "linear" und "frei" Gegensätze seien. Das gibt nichtmal die Railroading-Sandbox-Theorie her. (Auch wenn Railroading linear und die Sandbox frei ist.
)
Und um das nochmal zu verdeutlich, eine kurze Betrachtung des beliebtesten DSA-Abenteuertyps: "Forscher / Entdeckungsabenteuer".
Da gibt es etwas, das entdeckt werden soll (auch wenn man nicht unbedingt weiß, was/wo das ist). Diesen Wunsch haben die Spieler, und diesen Wunsch hat der Spielleiter. Es gibt also einen Endzustand, auf den alle Beteiligten zustreben. Ob man das jetzt "linear" oder "gerichtet" nennt hängt wohl am ehsten von der handwerklichen Umsetzung ab (und vielleicht dem Gemütszustand des bezeichnenden Theoretikers.
)
Dabei mag es "der DSAler" durchaus, frei über die Handlung seines Charakters zu entscheiden, Hinweisen nachzugehen und generell das zu tun was er für schlau oder charaktertypisch hält. Er will also "frei" spielen, und in der Regel kann er das auch. Die meisten DSA-Spielleiter werden eben bei unerwarteten Spieleransätzen diese aufgreifen und weiterimprovisieren. Letztlich will man ja eh aufs gleiche hinaus - gerade "gespieltes DSA" ist da oft ein kumpelhaftes Miteinander, und keine Wettkampf-Simulation.
Der DSA-Spieler wird also da hinkommen wo er hinwollte, ohne dass er sich dabei "unfrei" gefühlt hat.
Diesen Freiheits-Ansatz greifst du halt gar nicht auf.
Letztlich schreibst du halt am Gros der DSA-Abenteuer und dem Gros der DSA-Spieler vorbei.