Autor Thema: Was erwartet ihr von einem modernen, phantastischen Kartenspiel?  (Gelesen 3234 mal)

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Offline Crenshaw

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Hi,

ich wollte mal horchen, wir ihr die Sache mit den CCGs in unserer heutigen turbulenten Spiele-Zeit so seht.

Mitte der 90er waren CCGs der Oberburner schlechthin, egal, ob eigenständiges, innovatives Spiel (Kult, Mythos, Netrunner, Vampire:tES) oder reinster Magic-Abklatsch (Dragon Wrath, Ultimate Combat). Ein ähnlicher Erfolg würde mir nur beim Durchbruch der ersten World of Darkness einfallen, mitsamt der anschließenden Hysterie um die Dream/Death/Strike/Nightmare/War/Legend : the Darkening/Rising/Happening/Killing/Opening/Losing- RPG-Titel. Dieser Hype ist zurückgegangen, aber die CCGs sind seit dem großen Boom nicht wieder von der Bildschirmfläche verschwunden, im Gegenteil.

Verteilung und Verfügbarkeit/ Kosten für Spieleinstieg

Mittlerweile sind Kartenspiele nicht nur im "Katze im Sack"-Verfahren erhältlich, sondern auch als Living Card Game. Mit dem fährt Fantasy Flight Games große Erfolge ein und baut die entsprechende Palette ständig weiter aus (Warhammer: Invasion; Call of Cthulhu, Lord of the Rings, nun ist Star Wars hinzugekommen...Star Trek wird als großes Nerd-Franchise wohl irgendwann auch dazu stoßen). das LCG-Verfahren halte ich für sehr fair und ausgewogen. Es ermöglicht nicht nur Turnierspiele mit getrimmten Decks, Casual-Spiele mit Themendecks, sondern auch simples unkompliziertes Sammeln von schicken Karten. Ich kann das Spiel sowohl mit einem Starter-Set als auch mit allen Erweiterungen spielen, dazwischen stehen mir alle Stufen zur Verfügung - Leute mit viel Geld können die Gelegenheitsspieler dadurch nicht dominieren. Als Beispiel dazu fällt mir die alte Decipher-Krankheit ein: alle Main Characters, sei es nun Star Trek oder Star Wars, sind rar und im Spiel sehr mächtig. Für ein halbwegs spielstarkes Dark Side Deck brauche ich z.B. Darth Vader, Grand Moff Tarkin, Boba Fett, Emperor Palpatine und alle ihre Raumschiffe/und/oder persönliche Waffen.

Das LCG-Format ist demnach schon etwas zeitgemäßes und faires.Wenn ich Vader und Palpatine brauche, hole ich mir einfach die entsprechenden Booster packs, und habe sie sooft wie benötigt.

Nun...etwas zum Spieldesign an sich.

Meistens besitzen CCGs eine Art Resource, die durch bestimmte Basiskarten dargestellt wird (Länder bei Magic, Feng Shui Sites bei Shadowfist, Supportkarten bei Battletech, Zauberlektionen bei Harry Potter, etc.). Diese Basiskarten werfen etwas ab, was der Spieler nutzt, um weitere Karten (Charaktere, Monster, Zaubersprüche) ausspielen zu können. In den 90ern hatten viele Spiele das Problem, dass man nichts ausspielen konnte, sofern man eine bestimmte Art Ressource nicht rechtzeitig ziehen konnte und damit dem Zufall komplett ausgeliefert war. Seit World of Warcraft gibt es die Mechanik, dass man beliebige Karten als Ressourcen nutzen kann, womit das Thema des "Schlecht-Ziehens" vom Tisch wäre. Seitdem nutzen es viele Kartenspiele (VS System fällt mir spontan ein) um den Frustgrad niedrig zu halten. Auch das halte ich für einen großen Fortschritt.

Was ist für euch als Fantasy/Sci-Fi-Fans das Wichtige am Spieldesign eines CCGs  - jetzt, anno 2012?
Was erwartet ihr von einem modernen Spiel mit vielen bunten Kärtchen ? Macht das Kartengewand Sinn oder sollte man daraus lieber ein geschlossenes Brettspiel mit Expansions machen?

Würdet ihr euch bspw. ein DSA-oder Midgard-Kartenspiel kaufen ? Oder Degenesis oder Opus Anima?

Sind es Spielelemente wie

das Thema hinter dem Spiel (Middle-Earth : the Wizards*)

die sich entwickelnde Storyline (Legend of the 5 Rings)

die interessante, ungewöhnliche Materie, die sich vom Anime-und Fantasy-Einerlei abhebt (7th Sea, Netrunner) oder ein

Gameplay-Element, das es sonst nirgendwo gibt (Pokerblattziehen in Doomtown) oder die

soziale Interaktion zwischen den Spielern (V:tES)?

die euch reizen würden?

...oder hat das alles in Deutschland eh keine Zukunft?

Immerhin ist das recht interessante, in Deutschland entwickelte Behind CCG, das Sammelkarten mit Tabletop-Element mischte, ja recht rasch untergegangen...und auch clevere, einfallsreiche Spiele wie Allegiance: War of Factions und The Spoils sind in der Versenkung verschwunden...

Wie seht ihr das?

__________

*verdammt...wieder diese "Trenne Titel durch Doppelpunkt und mache daraus zwei nichtssagende Nomen"-Krankheit aus den 90ern, fällt mir gerade auf... ;D
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Offline Don Kamillo

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Neue Spiele an sich haben erstmal das Problem, das sie sich eine Fanbase schaffen müssen.
Da sind vorhandene franchise-sachen natürlich schon mal super, sieht man an Yu-Gi-Oh und Pokemon, die schon genug Zielgruppe haben, genauso wie das WoW-TCG, das zusätzlich ja noch mit Belohnungen im Computerspiel lockt, die man über Codes auf Karten freischalten kann. Die drei zusammen mit Magic (  L5R sehe ich unter ferner liefen hier in deutschland, in Amiland gibt es einen harten spielerkern, aber jetzt auch nicht soooo viele Spieler ) sind halt der Markt hier.

The Spoils hat versucht, da reinzukommen mit einem guten Spiel und Messeständen usw. ( da kenne ich ein paar Leute ), aber es ist leider schwer, was aus dem Boden zu stampfen, da sich vor allem genug Leute finden müssen, die auch gemeinsam zocken können und wollen.
Ich selber spiele ( wieder ) Magic, habe aber auch Spoils gespiwelt, aber keine wirklichen Mitspieler und auch zu wenig Zeit investiert, weil es mir nicht wichtig genug war, ich Magic-Leute an der Hand habe und 2 TCG's auf Dauer zu teuer werden würden!

Erstmal meine ersten Gedanken.

Was ich derzeit sehe sind vor allem Kartenspiele mit Kartenpool wie Ascension oder Dominion, die erweiterbar sind, wo aber alle aus einem stapel schöpfen o.ä. und keiner mehr Erfolg hat, weil er mehr investiert wie bei Magic ( wobei Wizards da auch dran arbeitet und ich habe auch schon "billige" Decks richtig rocken sehen! )

Zukunft ist prinzipiell vorhanden, es muß aber was dahinterstehen wie Comics, ne Serie, erfolgreiche Bücher oder wasauchimmer, damit es Erfolg haben kann, sich rumspricht, mehr Leute es probieren und akzeptieren. Dazu muß es ne entsprechende Zielgruppe haben ( die unterscheidet sich schon teilweise sehr - Pokemon Kiddies, Yu-Gi-Og Jugendliche und eher junge Erwachsene, Magic-Spieler sind inzwischen etwas älter, es kommen aber jüngere nach... hier wandern die Talentierten dann zum Pokern ab, da kann man noch mehr verdienen.

Von einem TCG würde ich erwarten, daß es genug Werte gibt usw. damit einfach genug unterschiedliche Karten rauskommen können. Dazu sollte es sich nicht ewig hinziehen.
LCG's finde ich spannend, habe aber keins, kann da also nix zu sagen.
Awesomeness ist eine Krankheit, bei mir chronisch!
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Der Don zockt gerade: nWoD Crossover, D&D5e Homebrew mit Monsterrassen, D&D5e Wildemount, D&D5e Moonshaes, D&D 5e Hoard of the Dragon Queen & Conan 2D20

Offline Ghostrider

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Ich würde mich über ein LCG zu Star Trek freuen, dass den Spielspaß bietet, den ich damals beim Spielen der ersten Edition vom ST CCG hatte, also mit der Edition, in der so lustige Editionen wie "Rules of Acquisition" oder "First Contact" rauskamen...

Das Spiel hat auf sehr clevere Weise die Tropen von ST eingefangen, egal ob es die Andersartigkeit der Borg war, die Kriegerattitüde der Klingonen, oder die Finanzkraft und Korruptionskraft der Ferengi. Das ging sogar so weit, dass man die nicht-Borg-Charaktere und -Raumschiffe der Mitspieler assimilieren konnte, und man auch so lustige Gadgets wie TransWarp-Netzwerke hatte, und Borg-Kuben waren im direkten Kampf kaum zu knacken, selbst als Dominion-Spieler brauchte man mehrere Battleships, um einen Kubus zu erledigen, was dadurch nicht leichter wurde, dass Borg auch beim CCG durch Schilde beamen, und dann kurz die Mannschaft(en) assimilieren konnten, qua entsprechenden Interruptkarten.

Das Coole war halt, dass man zwar das gleiche Spiel spielte, aber jede Fraktion hatte ein anderes Setup, was die Strategie angeht.
Ich hatte mal ein sehr cooles Dominion-Deck, aber leider kein gutes Seed-Deck dazu, weil mir die passenden Missionskarten fehlten, und mir ab und an die Gegner das Bajoran Wormhole geschlossen haben, und dann wars Essig, Nicht-Jem'Haddar ins Spiel zu bringen, da die restlichen Dominioncharaktere nur in den Gamma-Quadranten reporten durften. xD

Egal, das ST CCG war hammersgut, aber leider ging es dann mit Decipher den Weg alles Irdischen...
 

Offline D. M_Athair

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Immerhin ist das recht interessante, in Deutschland entwickelte Behind CCG, das Sammelkarten mit Tabletop-Element mischte, ja recht rasch untergegangen...und auch clevere, einfallsreiche Spiele wie Allegiance: War of Factions und The Spoils sind in der Versenkung verschwunden...
Das Problem ist: Der deutsche CCG-Markt ist an sich nicht soo groß.
Ohne richtig Werbung und/oder zugkräftiges Franchise läuft da nicht viel. Eine Fanbase, die das Spiel (finanziell) trägt ist unerlässlich.
Auf der anderen Seite haben alte Spiele (Behind, Eternal Sruggle, ...) immer noch eine starke - wenn auch sehr kleine Fanbase.
Dass diese Leute sich für ein neues CCG begeistern lassen, dafür ist richtig Überzeugungsarbeit nötig.

Oder: Was der Don schrieb.



Was CCG für den deutschen Markt leisten müssten:
  • Niedrige Einstiegsschwelle. (Verfügbarkeit + Kosten + Regeln)
  • Interessante Mechanismen.
  • Fesselnder Hintergrund. (Story + interessanter, nicht abgefahrener Twist + popkulturell beliebtes Thema)
  • Taktische Tiefe = skalierbar (Vgl. Magic: Goblindecks -> S/W-Farbwechsel-Deck)
  • Verschiedene Siegmöglichkeiten.
  • Spieldauer: nicht zu langev (30min - max. 90min)
  • Ressourcenkarten werden relativ zuverlässig gezogen. (Vgl. 2 Stapel in L5R oder keinen dauerhaften Abwurfstapel vgl. BEHIND

Für viele entscheidend: Stabile, bzw. sich stabil entwickelnde Spielerbasis.



Was ich derzeit sehe sind vor allem Kartenspiele mit Kartenpool wie Ascension oder Dominion, die erweiterbar sind, wo aber alle aus einem stapel schöpfen o.ä. und keiner mehr Erfolg hat, weil er mehr investiert wie bei Magic ( wobei Wizards da auch dran arbeitet und ich habe auch schon "billige" Decks richtig rocken sehen! )
Hmm. Für meine Begriffe wird da durchaus ein anderes Klientel bedient.

Als Vermarktungsstrategie würde ich mir eine Mischung aus zufälligen und nichtzufälligen Kartenpacks wünschen.
Warum? Ich möchte bei CCG den Überraschungsei-Effekt nicht missen. Den Wunsch (relativ) gezielt Karten kaufen zu können,
 kann ich nicht nur nachvollziehen, sondern ich teile ihn auch (bis zu einem gewissen Grad).
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Offline Crenshaw

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Erstmal ein dickes Dankeschön für eure fundierten Beiträge!

@Ghostrider:

meinst du das Star Trek TCG von Decipher als 1st oder 2nd Edition ? Das neue Spiel griff auch den letzten TNG-Film auf, "Nemesis", jedenfalls waren auf den Bildern jede Menge Picards und Shinzons zu sehen  ;)

Wieso ich das erzähle: Die erste Star Trek-Edition soll ja mit den ganzen Expansions und deren Ausnahme+/Extraregeln völlig zugemüllt, vermurkst und unspielbar geworden sein, so dass Decipher dann das zweite, simplere Spiel als 2nd Edition herausbrachte, das sich einer größeren Beliebtheit erfreute. Dieses zweite Spiel war nicht nur sammelfreundlicher, sondern setzte dann auf schnelle, eher simple Mechanismen als das alte Spiel von anno 1996 (und erinnerte mE an das alte Star Trek CCG von Fleer, bei dem ein Spieler mit seinen Mannen (die allesamt unterschiedliche Fähigkeiten haben) in den Weltraum-Einsatz geht und der andere gegen ihn Challenge-Karten spielt  ;) ).
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