Vielleicht kranken Sandbox und PE auch ein bißchen daran, dass sie bei einem der aktivsten Spieler am Tisch sagen: So, und du hältst dich jetzt zurück.
Das versucht man dann vielleicht auch, aber letzten Endes will man ja am Tisch auch irgendwas machen, und nicht nur Würfel rumschieben und reagieren.
Ich persönlich frage mich schon länger, warum Bass-Playing manchmal als rein reaktiv dargestellt wird. (Die Diskussion deckt sich übrigens mit keiner mir berichteten, konkreten Spielerfahrung.) Mag das daran liegen, dass das Impossible-Thing-Before-Breakfast schon beim Einkaufen der Brötchen gar nicht so unmöglich war?
Genauer: die Erkenntnis, dass Handlung in Erzählung aus der Handlung des/der Helden entsteht, diese von den Spielern geleitet wird und die Spieler damit Erzähler sind, ist ja richtig (und wichtig). Aber daraus zu schließen, dass Spielleiten als Erzählen unmöglich ist, unterstellt Handlungen die im luftleeren Raum entstehen - sprich: die nur aus der Entscheidungsfreiheit der Spieler erwachsen.
Handlung ist aber (in Realität und Spiel) kein einseitiges Konzept, sondern sie entsteht an Umständen, Herausforderungen und situativen Handlungsräumen (alles SL Hoheiten). Tatsächlich ist Kreativität ein Instrument der Problemlösung und der Creative Constraint ist wirksamer als das weiße Blatt.
Somit sind Spieler und Esel gemeinsam Schöpfer, Erzähler und Publikum der gleichen Geschichte. (Oder von n Geschichten mit n = Spielerzahl + 1). Das Possible-Thing-Before-Brunch. Das ist weder aufregend noch neu, sondern Spielrealität seit gefühlter Jung-Steinzeit.
Aber: Mein Bassplaying (so ich denn die Frechheit habe, es trotz Infragestellung der Grundannahme so zu bezeichnen), fühlt sich für mich genau SO an. Pro- und Reaktiv, mal zurückhaltend und mal solierend, immer aber auch strukturgebend. (Übrigens im RSP wie auch in der Musik.) Ich glaube unzähligen anderen SL geht es genau so, egal ob sie das Tiefton-Gleichnis verwenden oder nicht.
Ergänzt wird der Freiheitswillen vom "Ja-Sagen", dass Keith Johnstone für's Improtheater prägte - und das meines Wissens von dort übernommen wurde. Allerdings galt es für Improvisierer ohne Spielleiter.
Der Hintergedanke des Ja-Sagens ist das Vermeiden einer Entwertung von Handlungen. Statt "Ja-Aber" genügt häufig ein "...-Aber", dass klar macht, dass die Handlung der SC Konsequenzen hat. Es ist eben kein Freibrief zum Fakten schaffen.
Ich glaube also: Spielerunfreiheit ist erlaubt und sogar wünschenswert. Dazu muss sie allerdings, als unverschuldete Unfreiheit, den SC Raum zur Reaktion bieten. Will heißen die Unfreiheit besteht in der Fiktion, ist den SC bewusst und unterstellt ihnen keine vorangegangene Handlung, die die Spieler nicht beschrieben haben. So bietet die Unfreiheit genau den Funken, an dem sich die Handlung (der Helden und der Erzählung) entzünden kann.
(Ich weiß übrigens, dass dies nicht meine Entdeckung oder gar mein erfundener Stil ist.)
Mein großes ABER TROTZDEM:
Ich verdanke dem Umfeld der Theorie verschiedenste praktische Methoden. (Offenes Aussprechen von Flags, klares Strukturieren von Bangs, C-/R-Maps, niedrigeren Erwartungsdruck.) Diese sind für mich konkret nutzbar - und sie helfen mir nicht nur bei der Vorbereitung, sondern sie sind einsetzbar um die ergebnisoffene Geschichte strukturgebend wachsen zu lassen. Alle Spieler sind improvisierende Dramatiker (naja, zumindest fast), der SL setzt sich durch die Aufgabe des improvisierenden Dramaturgen davon ab.
HAFTUNGSAUSSCHLUSS
Angesichts der Menge an Worten, der Kürze der Zeit und des Grades an Schlafmangel, möchte ich jede Verantwortung für Formulierung oder gar Orthographie von mir weisen.