Einige von euch erinnern sich vielleicht noch, dass ich vor knapp 2 Jahren mal im Brainstorming einen Thread zu den klassischen griechischen Sagen als Rollenspiel aufgemacht habe. (
http://tanelorn.net/index.php/topic,53675.0.html)
Inzwischen ist die Sache so weit gediehen, dass ich den derzeitigen Stand meiner Bastelei hier vorstellen möchte und um Feedback bitte. Dabei geht es mir zum Einen allgemein um die Spielbarkeit der Regeln, soweit ich sie ausführe, und zum Anderen, wieweit das eurer Meinung nach zum Setting passt. (Details zum Setting kommen in einem separaten Thread; wer mit den griechischen Sagen einigermaßen vertraut ist, müsste eigentlich aus so ein Urteil fällen können)
1. CharaktereJeder Charakter ist einem bestimmten Archetype nachempfunden; ich dachte da an etwas gröbere allgemeine Archetypen, etwa wie die Grundklassen in d20 Modern, die man noch weiter spezialisieren kann. Also wer z.B. einen Starken Helden als Grund-Archetyp wählt, kann ihn zum Kraftprotz (Vorbild: Herakles) oder zum Olympischen Athleten spezialisieren - wobei man beim Olympischen Athleten wohl auch über den Geschickten Helden oder Schnellen Helden landen kann, je nach Disziplin, in der man als Athlet.
(Anmerkung: Ja, ich weiß, die Olympischen Spiele gab es erst lange nach der Ära der klassischen Heldensagen, aber ich habe mir mein Setting auch munter aus allem Möglichen zwischen 1200 und 500 v. Chr. zusammengemischt)
Ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob die Grund-Archetypen wirklich vollwertige Archetypen sind, zu denen die Spezialisierungen dann quasi als Prestigeklassen dienen, oder ob sie nur Oberbegriffe für spezialisiertere Archetypen sind.
Wie schon z.B. bei Earthdawn gibt es sowohl ganz normale Fertigkeiten als auch Talente, die nicht unbedingt magisch sein müssen, die aber untrennbar mit dem Archetyp und dem Schutzgott des Charakters zusammenhängen. Kraftprotz und Philosoph zum Beispiel können beide dieselben Fertigkeiten erlernen, aber nicht dieselben Talente - allerdings gibt es bei ähnlichen Klassen durchaus Überschneidungen bei den Talenten, z. B. zwischen Kraftprotz und Myrmidone. Anders als bei Earthdawn haben Zauberkundige keine gesonderte Zauberspruchliste, sondern ihre Talente sind die Zauberkräfte; ein Elementalist hätte also z.B. ein Talent "Feuerball".
Fertigkeiten kann, wie gesagt, jeder lernen, allerdings ist jede Fertigkeit für einige Archetypen leichter zu erlernen als für andere - der Kraftprotz erlernt "Gesundheit" um Einiges leichter als etwa der Philosoph.
Eine weiterer wichtiger Aspekt des Charakters sind seine Bestimmung, sein Schicksal und seine Gunst.
Die Bestimmung ist das, was die Götter für den Charakter vorsehen - das muss nicht unbedingt so konkret sein wie "Ödipus tötet seinen Vater und heiratet dann seine Mutter", sondern eher etwas allgemeiner. Die Bestimmung eines Charakters, der dem mythischen Ödipus entspricht, könnte es z.B. sein, in Unwissenheit tragische Fehler zu begehen. Idealerweise sollte eine Bestimmung aber auch immer sowohl positive als auch negative Elemente haben (Ödipus etwa wurde wegen seines tragischen Fehlers ja auch König).
Das Schicksal ist ein Zahlenwert, der misst, wieviel Aufmerksamkeit die Götter dem Charakter schenken; alle Charakter haben ein Schicksal von mindestens 1, während die allermeisten normalsterblichen NSCs ein Schicksal von 0 haben. Zum einen bedeutet ein höherer Wert hier, dass die Götter eher zuhören, wenn man mit ihnen redet, und zumindest der eigene Schutzgott und dessen Verbündete eher bereit sind, Hilfe zu leisten. Andererseits kommt man dann aber auch um so weniger damit durch, *nicht* zu tun, was die Götter von einem wollen, oder gar irgendwelche Frevel zu begehen. Ich hatte mir das auch so vorgestellt, dass je höher der Schicksalswert ist, die Bestimmung des Charakters um so größere Auswirkungen hat. Genau wie die Ehre des Charakters wird das Schicksal in der Regel steigen und nur in Ausnahmefällen auch einmal sinken - vielleicht immer dann, wenn die Bestimmung des Charakters sich mal wieder erfüllt hat, oder wenn der Charakter getan hat, was die Götter von ihm wollen, und er anfängt, sie zu langweilen.
Die Gunst - genauer gesagt, die Gunst der Götter, in welcher der Charakter steht - hat eine ähnliche Funktion wie z.B. Karma bei Earthdawn, also Boni auf Proben, eventuell Proben wiederholen, bestimmte Talente verbrauchen etwas Gunst etc etc. Die maximale Summe an Gunst, die ein Charakter haben kann, entspricht dabei dem Schicksalswert. Ein Charakter kann Gunst erlangen bzw. verspielen, indem er die Götter, insbesondere seinen Schutzgott, günstig oder ungünstig stimmt. Das können Opfergaben im Tempel sein, Teilnahme an religiösen Ritualen, Heldentaten im Sinne des Schutzgotts, bzw. umgekehrt Dinge, die der Schutzgott überhaupt nicht leiden kann - eine Heldin, die Artemis zur Schutzgöttin auswählt, sollte sich etwa besser nicht mit einem Mann einlassen. Genauso kann man in Schwierigkeiten kommen, wenn man jemandem etwas antut, der selbst einen hohen Schicksalswert hat; dessen Schutzgott wird das gar nicht gern sehen (es sei denn, er denkt, derjenige hat es verdient...).
2. CharakterentwicklungDie alten Griechen hatten das Konzept der "Arete", grob gesagt "das, wofür man bekannt ist" (also Stärke und Jähzorn für Herakles, List für Odysseus, Schönheit für Helena, oder auch die scharfe Klinge für ein Messer), und "Time", oder Ehre, die man erwirbt, indem man seiner "Arete" gerecht wird.
Entsprechend hat jeder Charakter mehrere Aspekte der Arete, teils durch seinen Archetyp (jeder Kraftprotz hat z.B. Stärke als Aspekt), teils wählbar durch den Spieler. Tut man Dinge, mit denen man einem Aspekt der Arete gerecht wird, oder erlangt man sonst irgendwie Berühmtheit, dann nimmt die eigene Ehre zu - und diese Ehre übernimmt hier im Regelwerk die Rolle von Erfahrungspunkten. Es gibt sehr wahrscheinlich auch Stufen, allerdings nur als allgemeines Maß der Bekanntheit des Charakters und als Obergrenze für Talent- und Fertigkeitsränge, nicht als direkter Parameter in der Spielmechanik.
Ein Charakter gewinnt Ehre sowohl dadurch, dass er seiner Arete gerecht wird, als auch dadurch, dass er an anderweitig berühmten Taten teilnimmt. Die Griechen z.B., die sich im Trojanischen Pferd versteckt haben, bekommen mehr Ehre als die anderen, die "nur" allgemein am Trojanischen Krieg teilgenommen haben - und Odysseus bekommt nochmal zusätzlich Ehre, weil das mit Pferd seine Idee war und Listenreichtum zu seiner Arete gehört.
Ehre bestimmt zum Einen wie erwähnt die Stufe des Charakters, und damit die Obergrenze seiner Talenten und Fertigkeiten. Zum Anderen kann man mit Ehre auch Steigerungen der Talente und Fertigkeiten sowie von Attributen "kaufen".
3. SpielmechanikHier tendiere ich zu 1w20+Attributsbonus+Fertigkeit. Attribute sind bei normalen Sterblichen im üblichen Bereich von 3-18; der Attributsbonus ist Wert minus 10.
Die Fertigkeiten sind: Stärke, Zähigkeit, Beweglichkeit, Geschicklichkeit, Intuition, Verstand, Wille, Charisma, Empathie, Status, Bildung, Talent.
Grundmechanik sind Konflikte, entweder zwischen Charakteren (oder Charakter versus NSC), oder zwischen Charakter und Umwelt. Ich denke, ich kann jede Art von Konflikt so darstellen, dass er wie ein Kampf mit Trefferwurf und Schaden abgehandelt werden kann. Streiten sich zum Beispiel zwei Philosophen um eine Theorie, dann bedeutet ein Treffer, das "Ziel" sieht ein, dass der "Angreifer" ein gutes Argument vorgebracht hat, und der Schaden zeigt an, wie sehr das die Überzeugung des Ziels ins Wanken bringt. Jeder Charakter hätte mehrere verschiedene Sätze von Trefferpunkten, etwa körperlich (Verletzungen), geistig (Wille), sozial (Meinung) und mythisch (Magiewiderstand), und jede Art von Angriff zielt auf eine andere Kategorie Trefferpunkte ab; Überreden zum Beispiel zielt auf soziale Trefferpunkte, Einschüchterung auf geistige Trefferpunkte und viele Arten von Magie auf mythische Trefferpunkte. Ich arbeite noch daran, was bei nicht-physischen Konflikten jeweils als Äquivalent zu Waffen und Rüstungen dienen könnte - bei dem Beispiel mit den Philosophen könnte z.B. der Angreifer als Waffe benutzen, dass er recht hat, und der Verteidiger nutzt seine Unbelehrbarkeit als Rüstung, oder sowas in der Art.
Das Schicksal eines Charakters soll auch seine Trefferpunkte erhöhen, so dass ein Charakter, auf den die Götter besonders achten, in jeder Beziehung mehr aushält als ein Normalsterblicher. Dabei soll dieser Bonus je nach Archetyp unterschiedlich hoch ausfallen - z.B. könnte ein Kraftprotz einen körperlichen Trefferpunkt pro 2 Schicksalspunkte und einen sozialen Trefferpunkt pro 10 Schicksalspunkte bekommen, und beim Philosophen ist es gerade umgekehrt.
4. ArchetypenDie Liste der Archetypen steht noch lange nicht fest, sieht aber provisorisch etwa so aus:
Grundtypen:
Stark (z.B. Herakles)
Zäh (z.B. ???)
Schnell (z.B. Atalanta)
Geschickt (z.B. Achilles)
Listig (z.B. Odysseus)
Weise (z.B. Chiron)
Entschlossen (z.B. ???)
Charismatisch (z.B. Circe)
Empathisch (z.B. ???)
Edel (z.B. Hektor)
Gebildet (z.B. Asklepios)
Begabt (z.B. Kassandra)
Spezialisierungen:
Amazone
Dieb
Elementalist
Feldherr
Heiler
Hexe
Jäger
Kraftprotz
Mänade
Musiker
Myrmidone
Olympischer Athlet
Philosoph
Priester
Seefahrer
Seher
Spartiat
FragenZunächst einmal: Welchen Eindruck machen diese Regeln (soweit sie bis jetzt feststehen) auf euch? Sind sie in sich stimmig? Klingen sie unnötig kompliziert oder zu einfach?
Dann: Denkt ihr, die Regeln passen zum Setting?
Wie erwähnt bin ich mir nicht sicher, ob ich die von Attributen abgeleiteten Grundtypen als vollwertige Archetypen nehme oder mehr als "Oberbegriffe" - wobei viele Spezialisierungen sich gar nicht eindeutig unter einen Oberbegriff einordnen ließen, z.B. können kriegerische Klassen wie Amazone oder Spartiat sowohl zu Stark als auch zu Geschickt zugeordnet werden. Oder soll ich die Grundtypen ganz weglassen?
Ich weiß auch noch nicht, ob ich die Attribute Zähigkeit, Wille und Empathie wirklich drinlasse, und wenn ja, ob ich für diese drei wirklich Grundtypen mit reinnehme - gerade weil mir für diese Grundtypen keine guten Beispiele aus den Mythen einfallen.