*Raise Thread*
Ich bin gerade dabei, das ganze an einem "Worked Example" durchzuexerzieren, nämlich für mein D&D Crusader-Setting.
Da haben wir als wichtigste Nation die Tetrarchie, welche einen straff und effizient organisierten Staat nach Art des Byzantinischen Reiches darstellt, allerdings etwa so groß wie das Römische Reich zu Zeiten Trajans. Es gibt also kein Feudal- oder Lehenswesen im Europäischen Sinne.
Natürlich nehme ich auch hier wieder Vereinfachungen vor, ist ja schließlich keine Doktorarbeit. Das ganze ist etwas idealisiert und abstrahiert, kommt aber ohne Magie aus.
Ich hab mir dazu ein Spreadsheet gebastelt.
Also gehen wir mal alles von oben nach unten durch. Zunächst die Versorgung mit Nahrungsmitteln:
Die Bevölkerung der Tetrarchie umfasst etwa 100 Millionen Einwohner. (Wenn ich im folgenden gelegentlich "Menschen" schreibe, ist das nur Gewohnheit; es gibt freilich auch Zwerge und Elfen etc).
Ich lege erstmal fest, dass 85% der Bevölkerung Bauern sind. Die durchschnittliche Bauernfamilie habe 5 Mitglieder.
Daraus ergibt sich, dass es in den Grenzen der Tetrarchie 17 Millionen Bauernhöfe gibt. Jeder Hof stellt eine Hufe dar, also soviel Ackerland, wie diese Familie selbst bearbeiten kann.
Eine Hufe entspreche 45 Morgen Ackerland, da Pferde flächendeckend als Arbeitstiere verwendet werden. Jede Familie verfügt im Durchschnitt über 1 E/A Pferd. Ein Morgen sei im Durchschnitt 4500m² groß, was also insgesamt 20 Hektar pro Hufe ergibt. Nicht mit eingerechnet sind nochmal 22,5 Morgen Brach- und Weideland (Dreifelderwirtschaft).
Bei 4dz/ha Getreideertrag ergibt das pro Jahr landesweit 138 Millionen Tonnen Getreide.
Davon gehen erstmal weg:
- 1 Pfund Getreide pro Einwohner und Tag für den Grundbedarf (entspricht 1500kcal) = ca. 18 Mio t.
- Kraftfutter für die Arbeitspferde, 16dz pro Stück, macht 27 Mio t.
- der Rest ist Überschuss: ca. 93 Mio t. Davon geht erstmal eine 10%ige Getreideabgabe weg, die vom Staat als Reserve verwaltet wird; außerdem werden hieraus die Streitkräfte sowie Bedürftige versorgt (also sozusagen die Sozialversicherung).
Der verbleibende Überschuss wird zur Milch- und Fleischproduktion genutzt:
Jeder Hof soll 2 Kühe besitzen. Die Kühe geben genügend Milch, um neben der Aufzucht ihrer Kälber noch etwa 4 Liter Überschuss pro Stück und Tag zu produzieren. Dafür erhält jede Kuh neben Grünfutter auch 6kg Getreide pro Tag = 2 Tonnen pro Jahr;
also insgesamt 68 Mio t Kraftfutter für die Rinder- und Milchwirtschaft.
Dafür kann der Hof jedes Jahr ein 2jähriges Rind schlachten (ca. 350kg Fleisch), was landesweit ca. 5 Mio t Rindfleisch entspricht.
Etwa die gleiche Menge, 5 Mio t, kann an Käse erzeugt werden.
Es verbleiben ca. 15 Mio t. von der Jahresernte an Getreide. Diese fließen in die Geflügelzucht. Da man etwa 2,8kg Getreide für 1kg Hühnerfleisch benötigt, fallen auf diese Weise etwa abermals 5 Mio t Hühnerfleisch pro Jahr ab.
Die Ernährungslage sieht also bis hierhin so aus: Jeder Einwohner erhält pro Woche:
- 7 Pfund Getreide
- 2 Pfund Käse
- 2 Pfund Rindfleisch
- 2 Pfund Hühnerfleisch
Noch nicht berücksichtigt sind Gemüse und Früchte, die quasi "nebenbei" produziert werden, ebenso Schweine- und Schafzucht, da diese kein Kraftfutter bekommen. Diese Aufwertungen kommen also alle noch dazu.
Nochmal zur Erinnerung, 85% der Bevölkerung sind Selbstversorger; die restlichen 15% sind z.B. Stadtbewohner (oder Bergarbeiter, oder Bauarbeiter...), die dem Landvolk seine Überschüsse abkaufen, gegen klingende Münze.
Das bringt mich wiederum zum Staatshaushalt:
Zusätzlich zur vorgenannten 10%igen Getreideabgabe kann der Staat vom Landvolk nochmal 10% der Einnahmen aus dem Verkauf der Überschüsse abschöpfen.
Die restlichen 15% leben sowieso in Geldwirtschaft, und können direkt mit 20% besteuert werden.
Damit sind dann auch alle Verpflichtungen abgegolten; es ist also nicht so wie im feudalen Mittelalter, wo der Bauer erst drei Tage pro Woche für den Lehnsherrn fronen musste und dann von den Erträgen der anderen drei Tage noch drei verschiedene Zehent abdrücken musste, was also insgesamt einer Abgabenlast von 2/3 gleichkam.
Aus diesen Überlegungen kann man nun ein relatives Preisgefüge errechnen – ich schaue dazu bewusst nicht auf irgendwelche Preislisten, sondern ermittle die Preise quasi „bottom up“:
Lediglich für das Basisverhältnis greife ich auf die Englische Preisliste zurück: 8 Pfund Getreide = 1 Denar (wenn ich mich da richtig erinnere, ansonsten setze ich das jetzt einfach so fest).
Die Produktion der tierischen Produkte verschlingt (im Wortsinn) knapp fünfmal soviel Getreide wie die zum Verzehr bestimmte Getreideration. Der Bauer will auch noch was daran verdienen, und muss ja auch Steuern zahlen, also klatscht er da nochmal 20% drauf. Daraus ergibt sich, 1 Pfund Käse, Rind- oder Hühnerfleisch kostet ab Erzeuger soviel wie 6 Pfund Getreide.
Eine Wochenration entspricht folglich 6*6 + 7 Pfund = dem Wert von 43 Pfund Getreide.
Nehmen wir nun an, dass eine durchschnittliche Städterfamilie drei vollen Essern entspricht (Kinder essen ja weniger) und anderthalb Einkommen erwirtschaftet. Sie verbraucht also effektiv pro Woche mindestens 130 Pfund Getreide, also 16 Denar. Sagen wir weiterhin, dass das Essen die Hälfte der Lebenshaltungskosten ausmachen darf, damit klettert der Bedarf auf 32 Denar pro Woche. Der Städter will außerdem auch eine Rücklage anlegen, also sagen wir, Nettoeinkommen pro Familie 36 Denar. Sie muss 20% Steuern zahlen, also brutto 45 Denar.
Da wir vorhin gesagt haben, dass das anderthalb Einkommen sind, ergibt sich daraus ein durchschnittlicher Tageslohn von etwa 6 Denar.
In dieses Muster fallen wie gesagt 15% der Gesamtbevölkerung, also 15 Millionen. Nehmen wir an, das sind 4 Millionen Haushalte, von denen jeder 9 Denar Steuern pro Woche zahlt. Macht also im Jahr 1,8 Milliarden Denar Steueraufkommen durch die Städte direkt.
Gleichzeitig fließen wie gesagt 16 Denar pro Stadtfamilie für Lebensmittel aufs Land, macht also pro Jahr 3,2 Milliarden Denar. Davon muss der Bauer einen Zehent zahlen, also 320 Mio Denar (die anderen 10% fallen ja bargeldlos an).
Insgesamt hat die Tetrarchie also 2,1 Milliarden Denar als Staatshaushalt zur Verfügung.
Setzen wir 1 Denar = 1SP, entspricht das also 210 Millionen Goldmünzen.
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Und jetzt wird’s spannend: reicht das? Betrachten wir erstmal die Militärausgaben.
Ich will, dass die Tetrarchie ein stehendes Heer von 150.000 Mann unterhält, hervorragend ausgerüstet, mit ca. 25% Kavallerieanteil. Dienstzeit 10 Jahre, Ausrüstung bleibt beim Veteranen, also müssen jedes Jahr 15000 Soldaten neu ausgerüstet werden. Dazu 10 Denar Sold pro Tag, und so weiter und so fort bis hin zu genügend Schiffen, um die Truppen schnell verlegen zu können – nach D&D-Preisliste komme ich da summa summarum auf 166 Millionen GP. Das verschlingt also satte ¾ des Gesamthaushalts. Allerdings kann es da sein, dass man nach der Historischen Preisliste billiger wegkommt, habe ich jetzt nicht überprüft.
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Dass wir uns nicht falsch verstehen: wie man oben sehen kann, ist das schon ein ziemlich hoher Lebensstandard; man kann wohl getrost vergessen, dass sich das durchschnittliche historisch-mittelalterliche Landei durch 6 Pfund Fleisch und Käse pro Woche baggern durfte. Deswegen sage ich ja: idealisiert. Ist ja schließlich Fantasy, und die Tetrarchen sind Die Guten. ^^
Man kann auch noch an den Stellschrauben was drehen; wenn z.B. nur 80% der Bevölkerung Landwirtschaft betreiben, schrumpfen die Rationen an tierischen Produkten um 10% (also jeweils von 2 metrischen auf 2 englische Pfund pro Woche), was eine kaum spürbare Verminderung darstellt; dafür steigen die Steuereinnahmen von den Städtern um ein ganzes Drittel auf 240 Mio GM. Das Steueraufkommen der Ländler hängt von der Entwicklung der Lebensmittelpreise ab. Klingt eigentlich insgesamt nach einem guten Deal.
Wenn hingegen die Herrscher auf die Lebensqualität ihrer Untertanen scheißen würden, könnten sie auch bis zu 60% der Bevölkerung in die Industrie stecken, vorausgesetzt es gibt genügend Pferde als Zugtiere. Dann gibt es eben keine Milch- und Fleischprodukte für das gemeine Volk, sondern alle Tage Gerstengrütze, aber es muss immer noch niemand Hunger leiden und die Produktionskapazität wird verdreifacht.
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So... also insgesamt bin ich mit dem Modell jetzt recht zufrieden. ^^