Autor Thema: Regel für dynamische Bedürfnisse  (Gelesen 1416 mal)

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Offline Beral

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Regel für dynamische Bedürfnisse
« am: 26.02.2012 | 19:52 »
Ein Projekt, an dem ich schon sehr lange brüte, sind Regeln für dynamische Bedürfnisse. Es hapert an der Operationalisierung.

Nehmen wir als Beispiel das Bedürfnis nach Energie. Unser Körper braucht Energie und wir geben sie ihm in Form von Nahrung. Wir kennen alle die Dynamik dieses Prozesses: Futtern befriedigt das Bedürfnis, dann ist es eine Zeitlang still, dann meldet es sich wieder und drängt uns dazu, wieder zu futtern. Und so weiter, ein Leben lang. :)

Nehmen wir stark vereinfacht an, dieses Bedürfnis orientiert sich am Blutzuckerspiegel. 4-5 Zuckerwürfel im Blutkreislauf seien optimal. Das ist der Soll-Wert. Solange 4-5 Zuckerwürfel durch unser Blut schwimmen, ist das Bedürfnis still. Nehmen wir an, gerade haben wir 4 Zuckerwürfel intus. Das ist der Ist-Wert. Solange Soll-Wert und Ist-Wert übereinastimmen, ist alles in Butter. Das ist gerade der Fall. Wir gehen unseren Aufgaben nach, tüdelü, trallala. Drei Stunden vergehen, wir haben Energie verbraucht, im Blut schwimmen nur noch 3 Zuckerwürfel. Der Ist-Wert entspricht jetzt nicht mehr dem Soll-Wert. Das Bedürfnis meldet sich jetzt zu Wort, indem es uns ein Hungergefühl beschert. Je größer die Diskrepanz zwischen Soll- und Ist-Wert, desto lauter schreit das Bedürfnis nach Befriedigung. Gut, wir spüren Hunger und reagieren darauf, indem wir etwas futtern. Unser Blutzuckerspiegel steigt auf 5, das Bedürfnis schweigt wieder. Wenn wir uns den Wanst vollschlagen und der Blutzuckerspiegel über 5 klettert, meldet sich das Bedürfnis erneut zu Wort, diesmal mit einem Völlegefühl, das uns signalisiert: Hör jetzt auf, du Arsch.

Was macht also ein Bedürfnis aus? 1) Es gibt einen festen Soll-Wert, der zeigt, was uns gut tut. 2) Es gibt einen Ist-Wert, der leider vergänglich ist. Wenn der Ist-Wert höher oder tiefer als der Soll-Wert ist, ist das nicht gut für uns.

Der fixe Soll-Wert und die Vergänglichkeit des Ist-Werts sorgen für eine Dynamik, die niemals endet. Setzt man Bedürfnisse nach diesem Modell als Charaktereigenschaften ein, entsteht für den Charakter aus den Soll-Ist-Diskrepanzen eine Motivation. Genau das reizt mich daran - die Regeln geben dem Charakter eine direkte Motivation.

Stellen wir uns ein Rollenspiel vor, bei dem wir Löwen in der afrikanischen Savanne spielen. Da passt mein Beispiel mit dem Nahrungsbedürfnis thematisch gut rein. :)

10-15 kg Fleisch im Magendarmtrakt des Löwen sind ideal. Das sei der Soll-Wert. Weniger ist schlecht, da macht sich das Hungergefühl bemerkbar. Mehr ist auch nicht gut, da tut der Magen weh. Eine der Aufgaben des Löwenlebens besteht nun darin, den Ist-Wert möglichst im Soll-Bereich zu halten.

Mein Problem: Wie bringe ich die Zeit ins Regelwerk? Der Ist-Wert verändert sich über die Zeit und das muss irgendwie abgebildet werden.

Mögliche Lösung: Wir legen die Rate des Aufbrauchens in Einheiten pro Zeit fest. Zum Beispiel 3 kg pro Tag.
Folge: Im Spiel muss man für jeden neu angefangenen Tag den Regler des Ist-Werts um 3 nach unten schieben.
Nachteil?: Die Regel verlangt nach einer zeitchronologischen Spielweise im immergleichen Rhytmus.

Könnt ihr soweit noch folgen?
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Offline blut_und_glas

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Re: Regel für dynamische Bedürfnisse
« Antwort #1 am: 26.02.2012 | 20:09 »
Wie bringe ich die Zeit ins Regelwerk? Der Ist-Wert verändert sich über die Zeit und das muss irgendwie abgebildet werden.

Wenn du beim Blutzucker/Mageninhalt/Futter/... als Beispiel bleibst, warum die starre Zeit nicht durch "energieintensive" Tätigkeiten ersetzen? (Sehr einfach und anschaulich ließe sich das ja in einem Poolsystem realisieren... jeder Zuckerwürfel sei ein weißer W6 - wenn der gewürfelt wird (zum Beispiel bei der Probe auf "Gazelle reißen") dann ist er weg (und dann gibt es noch ein paar rote W6, die im Muskel stecken, dann können wir auch gleich noch abmagern...).)

Nachteil ist natürlich, dass durch Stillsitzen die ganze Dynamik ausgehebelt wird...

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Online 1of3

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Re: Regel für dynamische Bedürfnisse
« Antwort #2 am: 26.02.2012 | 20:10 »
Zitat
Mögliche Lösung: Wir legen die Rate des Aufbrauchens in Einheiten pro Zeit fest. Zum Beispiel 3 kg pro Tag.

Das ist dann Vampire, wobei der Wert das Blut-Level da eigentlich nie zu hoch sein kann.

Offline Edvard Elch

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Re: Regel für dynamische Bedürfnisse
« Antwort #3 am: 26.02.2012 | 20:19 »
Grundsätzlich kann ich folgen. Das ganze klingt aber nach einem recht hohen Verwaltungsaufwand.

Für das Beispiel des Löwen in der Savanne würde ich wohl eine Ressource einführen. Nennen wir sie der Einfachheit halber "Fleisch". Die Ressource liegt auf einer Skala, die, je nachdem, wie feingliedrig man das ganze gestalten will, in Einheiten unterteilt ist (Gramm, Unzen, Pfund, Kilo...). Es gibt eine Tabelle, aus der abgelesen werden kann, wie viel welche Tätigkeit für welchen Zeitraum verbraucht (z.B. eine halbe Stunde Zebrajagd mit Anpirschen und allem drum und dran meinetwegen ein halbes Pfund, ein Tag Marsch zweieinhalb Kilo1). Das wird dann vom Fleischwert des Löwen abgezogen. Gerissene Tiere bringen dem Löwen Fleisch.

Die Fleisch-Skala des Löwen hat zwei Grenzwerte (Hunger und Völle), die die jeweiligen Grenzen des Idealbereichs angeben. Sinkt der Fleisch-Wert darunter oder steigt er darüber, erhält der Löwe einen Malus für alle Aktionen, der mit der Entfernung zum Idealbereich steigt. Eventuell könnte der Hungertrieb einen Bonus auf die Essensbeschaffung verleihen. Außerdem könnte man noch bedürfnisabhängige Motivationen einführen, um das Bonus- und Malus-System weiter verfeinern (Der Fleisch-Wert liegt ein Kilo unter der Hunger-Grenze, also steigt die Motivation "Fressen" um zwei Punkte, während "Fortpflanzung" und "Revier behaupten" um jeweils einen Punkt sinken; jeder Löwe enthält entsprechend seiner Motivationen Boniauf Aktionen).

Soweit meine wirren Gedanken zu dem Thema.

EDIT: Wenn über längere Zeit nichts außergewöhnliches passiert (der Löwe lebt unbehelligt in seinem Savannenrevier), bleibt der Fleischwert stabil.

1Alle Angaben sind frei aus der Luft gegriffen und entbehren jeglichen Realitätsbezugs.
« Letzte Änderung: 26.02.2012 | 20:21 von Edvard Elch »
Kants kategorischer Imperativ, leicht modernisierte Fassung: „Sei kein Arschloch.“

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Offline Trichter

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Re: Regel für dynamische Bedürfnisse
« Antwort #4 am: 26.02.2012 | 20:32 »
Stark vereinfacht gibt es das ja in diversen Systemen als Lebenserhaltungskosten.
Das Beispiel mit dem Löwen passt da zwar nicht mehr, aber wenn man seinen Lebensstandard verliert weil man seine monatlichen Kosten (z. B. 5000 Nuyen für den Mittelschichtslebensstil in Shadowrun) nicht mehr decken kann, ist das imho eine gute Motivation für den SC mal wieder einen Job an Land zu ziehen.

Oder willst du gerade die grundlegenden Bedürfnisse (Hunger, Schlaf, ...) simulieren?

Offline Nørdmännchen

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Re: Regel für dynamische Bedürfnisse
« Antwort #5 am: 26.02.2012 | 20:35 »
Ich würde mit der Frage beginnen, warum die dynamischen Werte im Sinne des Spiels einen Teil der Regeln darstellen. Bilden sie nur ein reines Bedürfnis (z.B. Hunger) ab oder besteht die Möglichkeit, dass sie im Sinne einer Resource Boni bringen können?

  • Erstere Variante ist ein regelmäßiger Anlass zur Stillung des Bedürfnisses. Ich persönlich würde solch einen Mechanismus nicht in erzählter Zeit messen wollen. Stattdessen würde ich auf eine Einheit der Erzählzeit (Szenen, Kapitel etc.) zurück greifen. Das hat aber viel mit meinem persönlichen Geschmack zu tun. Notfalls würde ich mich auf einen regelmäßigen (jetzt in erzählter Zeit) Wurf einlassen, der mich im Falle eines Scheiterns in Bedrängnis bringt. Grundsätzlich halte ich den Ansätz höchstens dann für sinnvoll, wenn ich die Bedrohung durch Extremsituationen ausdrücken möchte (z.B. Wüste).
  • Der Wert als Resource wäre an den Einsatz im Spiel gekoppelt. Im Beispiel: Blutzuckerverbrauch durch körperliche Aktionen. Damit erledigt sich ein gewisser Teil des Zeitmessens. Ob man das möchte sei auch dahingestellt. Im Falle von magischen Energien (oder meinetwegen Blutpunkten) könnte es sich durchaus lohnen.

Ein weiterer Ansatz wäre die Darstellung dieser Werte als "Schaden". (Siehe z.B. den Hunger-Track im DFRPG.) "Ihr habt also nicht mehr genügend Lebensmittel und wandert den ganzen Tag durch diese Gegend. - Dann macht einen Schadenswurf auf XY."

Grüße, Henning
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El God

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Re: Regel für dynamische Bedürfnisse
« Antwort #6 am: 26.02.2012 | 20:36 »
Interessant fände ich solche Regeln nur, wenn wie bei Vampire tatsächlich Relevanz besteht. Noch ein Ansatz, um Rollenspiel "realistischer" zu machen, endet da nur in sinnloser Bürokratie. Jedem Charakter maximal ein oder zwei solcher Werte (die, bestes Vorbild: Barbaren!) dann auch noch im Widerspruch zueinander stehen und einander bedingen, und man hat einen schönen Ressourcenkreislauf...

Offline Beral

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Re: Regel für dynamische Bedürfnisse
« Antwort #7 am: 26.02.2012 | 22:57 »
Das ist dann Vampire, wobei der Wert das Blut-Level da eigentlich nie zu hoch sein kann.
Wie gut funktioniert das bei Vampire?

Ich würde mit der Frage beginnen, warum die dynamischen Werte im Sinne des Spiels einen Teil der Regeln darstellen. Bilden sie nur ein reines Bedürfnis (z.B. Hunger) ab oder besteht die Möglichkeit, dass sie im Sinne einer Resource Boni bringen können?
Sie verpassen dem Char eine Motivation und beeinflussen somit die thematischen Inhalte des Spiels. Darüber hinaus sollen die Bedürfnisse mit anderen Regelmechanismen vernetzt sein, so dass ihre Befriedigung auf verschiedenen Ebenen positiv ist und ihre Vernachlässigung zu Nachteilen führt. Mehr dazu bei einem der nächsten Beiträge.

Interessant fände ich solche Regeln nur, wenn wie bei Vampire tatsächlich Relevanz besteht. Noch ein Ansatz, um Rollenspiel "realistischer" zu machen, endet da nur in sinnloser Bürokratie. Jedem Charakter maximal ein oder zwei solcher Werte (die, bestes Vorbild: Barbaren!) dann auch noch im Widerspruch zueinander stehen und einander bedingen, und man hat einen schönen Ressourcenkreislauf...
Drei Bedürfnisse sind geplant, die untereinander verschränkt sind, einander ergänzend oder zueinander in Widerspruch stehend.
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Offline Nørdmännchen

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Re: Regel für dynamische Bedürfnisse
« Antwort #8 am: 26.02.2012 | 23:00 »
Deine Überlegungen klingen auf jeden Fall spannend Beral. Ich bin gespannt auf Deine weiteren Ausführungen.

Grüße, Henning

EDIT: Wie wäre es mit einem sichtbaren Zeitcounter, den der eSeL zwischen den Szenen weiter setzt? Hast Du irgendeine Form von Pacing-Mechaniken?
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ErikErikson

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Re: Regel für dynamische Bedürfnisse
« Antwort #9 am: 26.02.2012 | 23:02 »
ich würde drüber nachdenken, dafür ein kleines Programm zu schrieben, das man dann auf dem Smartphone laufen lassen kann. Dann gäbs kein Prob mit feiner zeitlicher Auflösung, vielen Bedürfnissen usw.

Offline Beral

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Re: Regel für dynamische Bedürfnisse
« Antwort #10 am: 27.02.2012 | 09:14 »
EDIT: Wie wäre es mit einem sichtbaren Zeitcounter, den der eSeL zwischen den Szenen weiter setzt? Hast Du irgendeine Form von Pacing-Mechaniken?
Das erste klingt interessant. Was sind Pacing-Mechaniken?

Bisher habe ich nur eine streng chronologische Regelung ins Gespräch gebracht. Meine Gedanken gehen aber auch in andere Richtungen. Zum Beispiel kann die Stärke des Bedürfnisses festlegen, wie oft in der Spielsitzung das Bedürfnis befriedigt werden will. Eine Bedürfnisstärke von 1-5 gibt dann direkt an, wie häufig man sich am Spielabend darum kümmern sollte.

Gehen wir mal vom wenig spannenden Nahrungsbedürfnis weg und tasten uns an die Sachen ran, die mich mehr interessieren. Bleiben wir dabei ruhig bei unserem Löwen-Rollenspiel ("Großkatzen. Herrscher der Savanne." :D).

Löwen sind soziale Tiere. Ein Bedürfnis nach Vertrauten soll diesem Umstand Rechnung tragen. Es verlangt danach, die Mitglieder des eigenen Rudels aufzusuchen und ein wenig Zeit mit ihnen zu verbringen. Kuscheln, miteinander im Schatten chillen, was auch immer. Wichtig ist die Nähe. Nur Löwen des eigenen Rudels können dieses Bedürfnis befriedigen. Sie sind unterschiedlich gut dafür geeignet. Die eigene Mutter gibt die meiste Geborgenheit. Andere Mütter und der Vater etwas weniger. Löwenkinder noch weniger. Ich habe daran gedacht, diese Dreiteilung mit "Ladungen" gleichzusetzen. Die Mutter schiebt den Regler dieses Bedürfnisses um 3 nach oben, andere Weibchen und der Vater um 2, Löwenbabys um 1.

Löwen sind neugierig. Ein Bedürfnis nach Unvertrautem, nach Abenteuer, soll das umsetzen. Alles, was unbekannt, unvorhersehbar und unberechenbar ist, befriedigt dieses Bedürfnis. Fremde Löwen haben eine Ladung von 3, andere Großtiere eine Ladung von 2, Erkundung fremden Gebiets oder spielen für sich oder spielen mit eigenen Rudelgenossen gibt eine Ladung von 1. Die Regelumsetzung sollte so sein, dass die ruhigen Löwen ihre Abenteuerlust innerhalb des eigenen Rudels stillen können. Die besonders neugierigen sollten damit nicht klarkommen, so dass sie gezwungen sind, sich echte Abenteuer mit fremden Löwen und anderem Großgetier zu suchen. Wie kriegt man das hin?

Löwen müssen sich gegen Artgenossen durchsetzen. Im Rudel gibt es eine Rangordnung, die darüber entscheidet, wer als erster Zugang zu begehrten Ressourcen erhält, z.B. wer als erster von der Beute fressen darf. Außerdem konkurrieren Löwenrudel untereinander. Sie müssen ihre Reviere gegen die Nachbarn abgrenzen und verteidigen. Für all das ist das Bedürfnis nach Durchsetzung zuständig. Es verlangt, dass man möglichst vor allen anderen anwesenden Artgenossen dran ist. Bei den Männchen gibt die Stärke des Durchsetzungs-Bedürfnisses auch den Sexualtrieb an.

Es gibt Wechselwirkungen zwischen diesen Bedürfnissen.
1. Vertraute und Durchsetzen konkurrieren miteinander. Während das Bedürfnis nach Vertrauten friedliches Beisammen fordert, erzeugt das Bedürfnis nach Durchsetzung Konflikte. Beides gleichzeitig geht schlecht.
2. Vertraute und Abenteuer wirken entgegengesetzt. Vertraute sind bestens bekannt, ihre Reaktionen berechenbar. Laaangweilig - sagt das Bedürfnis nach Abenteuer. Und noch eine Sache: Wenn das Bedürfnis nach Vertrauten nicht befriedigt ist, wird das Bedürfnis nach Abenteuer automatisch stillgelegt. Das ist ein Schutzmechanismus, denn Sicherheit hat Priorität.
3. Abenteuer und Durchsetzung können parallel befriedigt werden, müssen aber nicht. Konflikte mit fremden Löwen befriedigen beides (wobei das Durchsetzungsbedürfnis auch enttäuscht werden kann, wenn man verliert!). Konflikte im eigenen Rudel befriedigen in erster Linie das Bedürfnis nach Durchsetzung. Abenteuer ohne Zusatz von fremden Löwen befriedigen nur das Bedürfnis nach Abenteuer.

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Achamanian

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Re: Regel für dynamische Bedürfnisse
« Antwort #11 am: 27.02.2012 | 10:07 »
Ich glaube, ich würde, um den Verwaltungsaufwand zu minimieren,

1. Entscheiden, welche Bedürfnisse für das Setting relevant sind,

2. Für die Regeln tendenziell davon ausgehen, dass Bedürfnisse und Versorgungslage sich in einem Gleichgewicht befinden, solange keine Faktoren auftreten, die das Bedürfnis verstärken oder die Versorgung verschlechtern. D.h. der "Hunger"-Wert eines Löwen ist beispielsweise im Normfall auf "0", wenn die Antilopen knapp werden, dann steigt gibt es vielleicht +1 oder +2 auf den Hungerweg, und der Löwe muss etwas unternehmen, um in wieder auf 0 zu senken. D.h. nur die Spitzen in der Statistik werden von den Regeln abgebildet, das normale Tagesgeschäft mit seinen ständigen Schwankungen wird einfach vorausgesetzt. Ich glaube, einige Einkommenssysteme bei Rollenspielen funktionieren im Prinzip so, z.B. das von "Der eine Ring".

Online 1of3

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Re: Regel für dynamische Bedürfnisse
« Antwort #12 am: 27.02.2012 | 11:02 »
Wie gut funktioniert das bei Vampire?

Also Vampire jagen, um Blut zu bekommen. Das auszuspielen ist üblicher Weise nicht so wirklich interessant, insofern macht man nach ein oder zwei ausgespielten Jagdszenen irgendwelche Würfe und ist damit durch.

Ob das nun gut oder nicht ist, muss wohl jeder selbst entscheiden.

Offline Nørdmännchen

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Re: Regel für dynamische Bedürfnisse
« Antwort #13 am: 27.02.2012 | 12:35 »
Das erste klingt interessant. Was sind Pacing-Mechaniken?

Auf die Schnelle:
Der Zeitcounter war erstmal ein Gedankenfetzen, vielleicht kann ich später ein bisserl mehr dazu überlegen. Mit Pacing-Mechaniken meine ich Regeln, die sich eher mit dem Ablauf des Handlungsbogens und der Montage als mit dem inhaltlichen Gegebenheiten der Fiktion (wäre dann Mise-en-scène) auseinandersetzen. Letztere sind traditionelle Rollenspielregeln (wie z.B. Fertigkeitsproben), ersteres sind üblicher Weise dramaturgisch motivierte Mechaniken.

EDIT, um Protesten vorzubeugen: es kann natürlich auch dramaturgisch motivierte Regeln der Mise-en-scène geben...

Den Begriff Pacing-Mechaniken habe ich aus diesem Masterplan Podcast übernommen.

Beim Überfliegen erinnerte mich Dein letztes Beispiel übrigens auch an die Reserven bzw. deren Auffrischungsszenen aus dem Solar System (bzw. TSoY).

Grüße, Henning
« Letzte Änderung: 27.02.2012 | 17:10 von Nørdmännchen »
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