Kein Problem, haette es nun auch nicht als Angriff gewertet.
Es freut mich eher das die kleine "Wall of Text" meinerseits gelesen wurde und interesse weckt.
Das heisst ich werde gerne versuchen die Fragen zu erklaeren.
Zunaechst sind das nicht nur die Gruende wieso ich nun V:tM gut finde, respektive die World of Darkness, sondern auch jene weshalb ich allgemein von Vampiren als (potentielle) Spielcharaktere sowie als Romanfiguren interessant finde. Wobei V:tM dort natuerlich einen praegenden Einfluss hat. Glaubt man der Darstellung White Wolf auch auf Werke wie True Blood.
Das Werk das ich dort ein Stueckweit aussen vorstellen waere Bram Stokers Dracula.
Der mir, basierend auf dem Konsum des Comics zum Buch, mit dem konsequenten Fokus auf die menschlichen Protagonisten welche sich gegen das Monster erwehren muessen, nicht als Spielerfigur geeignet erscheint.
[Das mag nicht auf Filme zutreffen die eine tiefergehende Charakterisierung der Figur Dracula vornehmen]
Warum muss ein Wesen seinen Charakter ändern, weil er zum Vampir wird?
Ich wuerde behaupten das sich weniger das Wesen des Charakters aendert als die Natur seiner Existenz.
Das heisst seine Existenz aendert sich von einem lebendigen Menschen hin zu einem untoten Menschen.
Es gibt Rahmen-Bedingungen, wie das der Charakter, je nach Setting ein Problem mit der Sonne hat, kein Wasser ueberqueren kann, vor geweihten Symbolen zurueckweichen muss, durch den untoten Zustand entsprechend entstellt ist und dergleichen mehr.
Hinzukommt das seine grundlegende Ernaehrung oftmals verlangt sich von Menschen zu ernaehren. Meistens in der Form von Blut, seltener durch Fleisch oder Essenzen. In fast jedem Fall wird etwas von Menschen genommen und verzehrt.
Wenn man betrachtet das bereits der normale Hormonwandel bei Kindern in die Pubertaet fuehrt und es einer Selbstfindung zum Erwachsen werden bedarf denke ich das der Wandel zum Vampir hin zu einer aehnlichen Notwendigkeit zur Selbstfindung fuehrt.
Dazu das man sich mit beziehungsweise in dem neuen Koeper zurecht findet, mit den eigenen Beduerfnissen klar kommt und erwachsen wird. Eben das klassische Thema von Bildungsgeschichten.
Das Thema des Wandels wird, meines Erachtens, in V:tM auch nur recht oberflaechlich respektive eher schnell abgehandelt, betrachtet man die Aussage das der SL das Praelidium, also das werden, mit dem Spieler vor der Runde abhandeln kann.
Wenn man keine Vampire spielen mag die noch in der Wandlung drin stecken bietet sich als Spielbezogene Erklaerung an das sie es entweder schon hinter sich haben, entsprechend langsam herangefuehrt wurde oder - mein persoenlicher Favourit - aus einer hinreichend korrumpierten Familie stammen.
Was definiert den Zwang der "Nicht-Menschlichkeit" und negierung der Moral?
Die Feststellung das der Vampir nicht Menschlich ist ergibt sich aus zwei Faktoren.
Einmal der Tatsache das er die Sterblichkeit durch den Tod ueberwunden hat, das heisst Untot ist.
Daneben die Tatsache das er (idR.) von Menschen trinken muss.
Wenn man die Menschheit als eine Gruppe betrachtet die gegeneinander agiert hat sich der Mensch-Vampir mittels der Entfremdung durch den Tod, der Unsterblichkeit und weiteren Kraeften einen 'unfairen' Vorteil verschafft und gleichzeitig Merkmale angeeignet die zu einer Abgrenzung einladen.
Desweiteren ist seine primaere Nahrungsquelle der Mensch. Der Mensch mag ein Allesfresser sein und auch Fleischfressen, aber fuer gewoehnlich das Fleisch anderer Spezies. Kannibalismus ist eher selten und soweit mir bekannt in allen moderneren Gesellschaften verpoent.
Betrachtet man den Vampir als Mensch so ist er ein Kannibale.
Betrachtet man den Vampir als Nicht-Menschen so ist er eine Bedrohung.
Ueber die Entfremdung vom Menschen sowie die Bedrohung des Menschen wird der Vampirs zum "Nicht Menschen". An dieser Entfremdung laesst sich auch nichts aendern wenn der Vampir sich nun entscheidet Tierblut zu trinken oder sich human zu verhalten, da es letztlich nur die Symptome behandelt.
Insofern finde ich es auch normal das der frische Vampir seine Moral erstmal wieder 'in line' mit seiner neuen Existenzform bringen muss. Immerhin ist er ein Ex-Mensch und waere er nun kein Vampir gaebe es kaum einen vernuenftigen Grund Vampire nicht mit allen Mitteln zu bekaempfen. Das heisst er muss mit der eigenen Fremdartigkeit zurecht kommen und mit den eigenen Ernaehrungsbeduerfnissen.
Wobei die meisten mir bekannten Vampir Mythen nicht frisch vom Menschen getrunkenes Blut als minderwertig darstellen. Egal ob nun Interview mit einem Vampir oder Der kleine Vampir.
Naja und weil die Frage des Zwangs zur Moral nochmal eine andere ist, die Fragestellung unter dem Gesichtspunkt.
Was mich noch interessiert: Warum macht diese Abgrenzung VtM so attraktiv und interessant.
Warum ist es positiv jemanden im Spiel zu verkörpern, der so ist - der die Menschlichkeit ablegt und gleichzeitig daran festhält, der Moral ablegt und gleichzeitig nichts anderes macht als die Menschen, die ihre Moral angeblich besitzen.
Die Notwendigkeit ergibt sich daraus das Genre abbilden zu wollen.
Die Menschen handeln dabei gerade wie du richtig feststelltes nicht moralisch.
[Morden, Fressen, Luegen etc. ohne grosse Ruecksicht auf Verluste]
Das heisst im Kontext des V:tM Setting [und den meisten mir bekannten anderen] erwaechst ihnen kein direkter (interner) Nachteil durch das Handel. Sie werden lediglich durch die Gesellschaft bzw. die gaengigen Konventionen, im Rahmen der World of Darkness mehr schlecht als recht, eingeschraenkt respektive reguliert. Das ist an sich schon nicht viel, wuerde aber bei den Vampiren komplett weg fallen.
Der Vampir als solcher ist ja nunmal oftmals staerker, schneller und schoener als Menschen und dazu noch weitesgehend unsterblich sowie mit unterschiedlichen Spezial-Faehigkeit gesegnet.
Entfernt man das Konzept der Moral als innerer (zwingender) Motivator sowie die vampirspezifischen gesellschaftlichen Strukturen wird der Spieler Charakter entweder zum kaum aufzuhaltenden Monster wie bei Dracula oder zum reinen Superhelden.
Das widerspricht nun in gewisserweise dem Konflikt welcher in vielen Buechern angesprochen wird, das heisst das die Vampire doch in einem gewissen Rahmen moralisch handeln wollen respektive von einer Moral motiviert werden. Sei es Selenes Pflichtbewusstsein bzw. Zuneigung, Blades Weigerung richtiges Blut zu trinken, die Entscheidung der Authority out of the coffin zu krabbeln, die moralischen Konflikte der Salvator Brueder oder aber Louis Ringen um ein humanes handeln.
Es geht dabei auch weniger um einen dediziert moralisch-humanistischen internen Konflikt, sondern darum ueberhaupt einen greifbaren [in Bezug auf Rollenspiele spielaren] internen Konflikt zu haben bzw. zu generieren.
Rein theorethisch, waere es system technisch stabiler und dahingehend besser ausgearbeitet, wuerde man bei V:tM die Maskerade aufheben, den Sabbat sowie Camarilla zu einer Organisation streichen koennte man damit doch recht bis sehr gut True Blood spielen. Man koennte ebenso erklaeren wieso weder Bill noch Eric Sookie und ihre Kumpels fressen, wie auch die marodierenden No-SynthyBlood-Rudel. Man haette eine Mechanik dafuer. [wie gesagt, waere sie stabiler / besser ausgearbeitet ^^;]
Vampire könnten ihr Dasein genauso fortführen wie bisher, ausser, dass sie eben nicht im Aldi sondern in der Krankenhaus Blutbank "einkaufen" gehen. Oder dass sie eben nicht den Kaninchenstall im Garten stehen haben und den Sonntagsbraten selbst schlachten, sondern sich ihren Happen irgendwo anders suchen.
Das klingt so fuer ein Buch wie ein Spiel recht langweilig. ^^;;;
Also wenn im Grunde alles so bleibt wie frueher, nur das man halt Blut von der Blutbank schnuckelt oder halt jede Menge Ratten/Tiere - vielleicht noch apolitisch - vernascht.
(Ist einer der Gruende wieso ich Moonlight nicht besonders mochte und einer der Fehler von Twilight)
Und wenn es keinen Unterschied macht, warum sind diese Beleitumstände an einem Vampir dann interessanter als an einem Menschen?
Zunaechst das es unglaubwuerdig ist.
Menschen koennen auch durch unmoralisches Handeln nicht zu Nicht-Menschen werden.
Menschen haben einfach auch keinen internen Zwang zur Moral.
Es ist vollkommen glaubwuerdig das Runner bei Shadow Run einen Wet-Job nachdem anderen machen, vom Auftraggeber gedeckt / verschleiert, und danach recht normal weiterleben. Vielleicht etwas traumatisiert wenn der Spieler Lust drauf hat.
Es ist auch vollkommen glaubwuerdig und normal das sich Paladine und Krieger in Fantasy Settings durch die feindlichen Armeen schnetzeln und es keinen grossen moralischen Abdruck hinterlaesst.
Auch bei Games of Thrones faengt nun keiner an zu jammern weil er jemand anders umgebracht hat oder zeigt es charakterliche Konsequenzen.
Vampire bieten hierbei an, denke ich, dadurch das sie Nicht-Menschen sind einfach die Frage zu stellen 'Was waere wenn, die sich nun an einen Moral-Kodex handeln muessten' und auch 'Was waere wenn es da nicht nur gesellschaftliche Gruende fuer gibt sondern auch eigen Interessen'.
Damit schafft man ein Feld auf dem man wild und mit Spass herum experimentiern kann. ^^
Zumal es damit nicht nur moeglich ist Sachen zu erforschen wie "Kann man Menschlichkeit in zehn Stufen fassen" sondern auch unterschiedliche Moral Konzepte nebeneinander zu stellen, wie in Dark Age geschehen. Zumal man ueber solcherlei Moral Konzepte einen Charakter auch fremder wirken lassen kann.
Ohne den Moral-Sache waere die Ausgangslage "Ich bin ein Vampir und wie komm ich nu damit zurecht" schneller erschoepft.
Imho hat es V:tM da nicht perfekt hinbekommen, aber die Richtung stimmt schon.
Kurz gesagt:
Die Moral-Sache gibt es zur Power-Limitierung und als Spielplatz zum austoben.