Ich habe ein Verständnisproblem beim Auseinanderhalten von Narrativism und Simulationism, bei dem mir alte Theoriefüchse vermutlich mit wenigen Sätzen helfen können, weshalb ich hier in diesem Forum poste:
These 1: Ein konstitutives Merkmal von Simulationism (SIM) ist die Leitidee "Internal Cause is King" (ICK).
Es geht also darum, die Kausalität einer fiktiven Welt ernst zu nehmen; auch dann, wenn die Kausalität anderen Gesetzen folgen mag, als wir es in der Realität gewohnt sind (Magieregeln vs. irdische Physik etc.).
These 2: Kausalitätsüberlegungen sind sehr eng mit Plausibilitätsüberlegungen verbunden, auch wenn beide Begriffe nicht inhaltlich kongruent sind.
Selbst in den irdischen Naturwissenschaften sind wir erkenntnistheoretisch letztendlich auf Plausibilitätsargumente angewiesen. Das gilt umso mehr für Sozialwissenschaften, deren impliziter Anwendung im Rollenspiel noch mehr Gewicht zukommt (Charakterdatenblätter als persönlichkeitstheoriebasierte Beschreibungen, das (handlungstheoriebasierte, rollengerechte) Ausspielen seiner Rolle als Funktion des Charakters in Interaktion mit der Abenteuersituation etc.). Rollenspielwelten werden nicht durch wissenschaftliche Theorien beschrieben, allerdings geben die Regelwerke mitsamt den Hintergrundbeschreibungen einen relativ konkreten Rahmen dafür vor, was alles als plausible Wirkung einer bestimmten Ursache folgen könnte.
These 3: Ein konstitutives Merkmal von Narrativism (NAR) ist die Leitidee "Address Problematic Features of Human Existence" (APE).
Mit dieser Leitidee ist nicht gemeint, Probleme menschlicher Existenz lediglich zu beschreiben, sondern diese Probleme, den Umgang mit ihnen und ihre Lösung als Gegenstand des Rollenspiels selbst zu machen.
These 4: APE folgt sehr stark Plausibilitätsüberlegungen.
Die Konfliktinhalte von NAR entstehen bspw. dadurch, dass ein Charakter inkonsistent in Bezug auf sein Wertesystem handelt, indem er etwa gegen seine Prinzipien verstößt. Derartige Konflikte werden deshalb als Konflikte eingestuft, weil a) ein anderes (konsistentes) Handeln zu erwarten gewesen wäre und b) eine solche erwartungswidrige Handlung als problematisch für den Handelnden angesehen wird. Es sind also zwei Plausibilitätskomponenten beteiligt: a) ein rollengerechtes (konsistentes, plausibles etc.) Ausspielen des Charakters; und b) ein einleuchtender (nachvollziehbarer, plausibler etc.) Grund, warum und inwiefern Probleme für den Charakter entstehen.
Konklusion 1: „Internal Cause is King“ und „Address Problematic Features of Human Existence" sind beide grundlegend auf Plausibilitätsüberlegungen angewiesen, die hinreichend ähnlich sind, um die Unterscheidung der beiden Spielmodi SIM und NAR funktional in Frage zu stellen.
Habe ich Begriffe falsch verstanden? Wenn ja: inwiefern? Habe ich irgendwo einen Denkfehler? Sind die Merkmale doch nicht konstitutiv und damit so zentral für die Spielmodi? Sind andere Merkmale wichtiger?
Bin dankbar für Kommentare!