Nun hat der alte Hexenmeister sich ja einmal wegbegeben, so traue ich mich jetzt mal wieder aus der Versenkung und gebe meine Empfehlungen zum Einstieg in Shadowrun zum besten.
Hier mal in loser Abfolge ein paar Punkte, dich ich erwähnenswert finde:
Neben dem von Tackenfab schon empfohlenen 2XS würde ich auch die Fortsetzung „Haus der Sonne“ empfehlen. Die beiden sind so ziemlich die besten (und damit halbwegs lesbaren)
SR-Romane. Eine zugegebenermaßen niedrige Latte…
Eine der echten Stärken von Shadowrun ist die
Core-Story! (ein in letzter Zeit wieder aus der Mode geratener Begriff)
"Die Runner sind Auftragskriminelle, die für andere die Kastanien aus dem Feuer holen."Diese fantastische Prämisse sorgt dafür, dass man sich erst einmal gar nicht um so einen Quatsch wie "Anknüpfungspunkte im Charakterhintergund", "Flags", schwachsinnige alte Männer, die jugendliche Reisegruppen aus unerfindlichen Gründen für fragwürdige Abenteuer anwerben und ähnlichen Schmonsens auskommt. (Nebenbei: ich kannte CP2020 lange vor SR, wusste aber nie, was ich eigtl. damit spielen sollte. SR hatte eine Antwort.)
Wenn Ihr mit Shadowrun anfangt, solltet Ihr auf jeden Fall erst einmal mit 'normalen' Runs anfangen. Ob man die eher auf ‘Straßenlevel‘(„vertreibt die letzten Mieter aus dem Haus“, „treibt ausstehende Schulden ein“, „liefert dieses stinkende Drogenpäckchen ans andere Ende der Stadt“, ,…) oder krass professionell („holt ohne dass jemand es mitbekommet den neuen Prototyp des Fujitsu.98798-RCW-Chips“, „extrahiert Tohiro Chin aus dem Zürich-Orbital [der sich natürlich als Double herausstellt, der echte Chin ist ein Drache, der sich als Gestaltwandler tarnt und von einer Drohnenarmee beschützt wird“, „Jagt Viktor Rotikof Angst ein, aber tut ihm nichts“, ….) ansetzen will ist dann Geschmackssache. Auf jeden Fall sollte es sich dabei um klare Aufträge handeln, bei denen den Spielern viel Freiheit bei der Ausführung bleibt. (und nebenbei sollte der Auftraggeber sie nicht jedes mal betrügen wollen…)
Erst von da aus würde ich langsam auf einen Metaplot einschwenken. Die SR-Prämisse ist einfach zu gut, um da nicht erst ein paar kleine, klare, coole Runs zu machen.
Shadowrun hat einfach alles und natürlich macht nichts Sinn. Man kann in diesem Setting immer nur lokale Glaubwürdigkeitsinseln schaffen, in denen man dann rational agieren kann. Das dann aber auch wieder sehr gut, da die Welt --- bis auf den tollen Bullshit --- der unseren ja sehr ähnlich ist.
Wir haben immer alle
Sourcebooks genutzt, die wir gerade da hatten (2. wie 3. Edition). Ich finde, die breite Auswahl an Waffen und anderer Ausrüstung ist einer der Spaßfaktoren von modernen Settings und ich möchte das nicht missen. Echte Shoppingsituationen mit so großer Auswahl sind im Spiel ja selten, so dass langes Einkaufen nie das Spiel behindert hat.
Es fällt mir aber nicht schwer mir ein durch Superkombinationen und Ausrüstungsoptimierung kaputtes Spiel vorzustellen. Nur hatten wir wenig echtes Powergaming --- dazu fehlten immer die echt regelkundigen Spieler --- so dass für mich die vielen coolen Waffen, Cyber- und Bioware immer mehr Feature als Bug waren. So würde ich Euch dann auch empfehlen, so viel wie möglich an Ausrüstungssourcebooks zu besorgen und da zu haben: allein das Durchblättern macht -- für Spiele wie Spielleiter -- schon einen Riesenspaß.
Regeln: wir spielen SR seit Ewigkeiten nach der 2. Edition und ich mag das System so eigentlich ganz gern. Allerdings spielen wir vermutlich nicht nach DEN REGELN, so haben wir nur zufällig nach langer Zeit festgestellt, dass einer der Spieler die Magieregeln der 3. Ed. benutzt hat; ich als SL habe das eher improvisiert. Letztlich sind es di Ansage eines Zielwertes, Pools und Erfolgezählen, was dann übrig bleibt. Ich mag das sehr, ist aber Geschmackssache. Wenn man das länger nutzt, geht das schnell und ist intuitiv --- wie vermutlich auch bei GURPS, Rolemaster und DSA4. (Obwohl: wir haben eines Spieler, der das bis jetzt nicht begriffen hat.)
Da Ihr ja offenbar nicht plant nach den Regeln zu spielen, will ich hier wenigstens kurz die Eigenschaften und Pathologien des Systems aufzählen, die das Spielgefühl besonders bestimmen (jedenfalls in meiner Erfahrung; man beachte die ungenaue Regelanwendung):
1. Man ist schnell (auch schwer) verwundet und eingeschränkt, es ist aber schwer zu sterben. In dieser Hinsicht st das SR-Kampfsystem auh recht flott, zumal man eben keine HP oder so hat (bzw. immer zehn --- kann man ja auch so betrachten) ist man rasch verwundet und auch aus dem Kapmf raus, ohne das man ein langes Heruntergekloppe hat. Sterben tut man dagegen nicht so leicht --- was auch wieder gut ist.
2. Große Waffen sind besser als kleine. Das ist bei Rollenspielen nun nicht so spektakulär, aber immerhin im Zusammenhang mit dem Kampfsystem erwähnenswert; denn mit einer normalen Pistole kann man eigentlich niemanden erschießen (es sei denn, man ist ein unglaublicher Schütze), so dass alles zu schweren Waffen tendiert. Das ist auch ganz gut, wer liebt Trolle mit Panther-Sturmkanonen nicht?
3. Bei Magie sind die Zauber nicht das wichtigste. Magier (und Schamanen) sind recht mächtig, aber nicht wegen der Zauber; diese können meist nicht mehr, als was eine gescheite Waffe oder ein Fußtritt nicht auch könnten und bergen immer die Gefahr, dass man danach ausgenocked ist --- das wirklich coole an den Zauberbegabten sind die Astrale Wahrnehmung und Projektion. Das macht die Zauberer zu unglaublichen Spionen und schnellen Boten, die letztlich in Sekundenbruchteilen überall hinkommen (und lauschen) können. Dazu kommen noch Geister (und hier insbesondere die billigen Watcher, mit denen man bei etwas Kreativität einen Haufen Scheiß machen kann)
4. Geschwindigkeit ist Trumpf. Eine der Eigenheiten des Kampfsystems ist, dass die Initiative zwischen den Charakteren sehr variabel ist. Gerade mit Cyberware (Reflexbooster, Verstärkte Reflexe, ...) kann man die sehr hoch treiben, mit der Folge, dass ein entsprechend aufgerüsteter Charakter 2-3 mal dran ist, bevor die anderen überhaupt etwas machen können. Zusammen mit der relativen 'Schnelligkeit' des Kampsystems (siehe 1.) kann damit auh schon der Kampf vorbei sein, bevor der langsamste überhaupt etwas getan hat (obwohl das nun auch recht selten ist).
Das kann man durchaus als ernste Macke des Spiels betrachten --- ich finde das aber toll. Irgendwie passt das für mich genau zu einem Cyberpunk spiel und macht Runner einfach noch cooler.
5. Runner sind krass. Eine der (aus meiner Sicht) für das Spiel sehr prägenden Aspekte des Systems ist die reltiv hohe Anfangskompetenz der Charaktere. Sie sind einfach dem 'Durchschnittsmenschen' (den ja fast jedes Regelwerk --- teilweise implizit --- definiert) weit überlegen. Dies sollte man auch ruhig so ausspielen und den Runnern nicht andere Superprofis vorsetzen, sondern auh mal eine Gang, die man mit Links fertigmacht. Ansonsten verliert das Spiel schnell die Perspektive und dann auch den Witz.