So, jetzt ist es so weit. Frust und Zorn brechen sich Bahn, weil mir halt einiges furchtbar auf den Zeiger geht und ich verkrustete Strukturen nicht leiden kann. Aber der Reihe nach.
Ich mach seit knapp 20 Jahren RPG, seit 15 Jahren Warhammer TT. Ich hab mal ein paar Jahre für GW gearbeitet - soviel zur Sachkenntnis.
Games Workshop existiert seit nunmehr 35 Jahren, und macht Umsätze, von denen die meisten (Rollen)spielverlage noch eine Weile träumen dürften. Und diese Firma macht Gewinne. Im Grunde genommen jedes Jahr. GW macht eine Sache, und die offenbar gut: Menschen ein obskures Randgruppenhobby verkaufen.
Jetzt gibt es im Internet, dem großen Dorfplatz derjenigen, die schon immer alles besser wußten und denen vor Allem der Erfolg anderer ein Dorn im Auge ist, Stimmen, die das Geschäftsmodell kritisieren.
"GW verführt kleine Kinder!", "Die wollen bloß Geld verdienen!", "die scheren sich einen Dreck um das Balancing", "das sind alles entweder kleine Kinder oder hirntote Fanboys!", "Früher war alles besser!" und so weiter geht das Lied.
Im Internet ist diese Firma also schrecklich unbeliebt, aber im echten Leben verdienen da ein paar tausend Leute jeden Tag ihr Geld damit. Und viele hunderttausend finden diesen Zeitvertreib nicht mal schrecklich. Soviel also zur Relevanz des Web.
In GW-Läden gibt es Dinge, die man im Spiel-Facheinzelhandel auch beobachten kann: geschultes Personal, aktive Einstellung zum Verkaufen, Beratung, Aktivitäten, im besten Fall sogar noch eine Community drumherum. Angenehmes Interieur und Service runden das ganze ab.
Jetzt kann mal jeder für sich überlegen, ob er in solchen Geschäften einkauft. Falls ja, Glückwunsch! Da hat jemand verstanden, wie der Hase läuft. Alle anderen sind vermutlich das, was man bei GW intern "Langbärte" nennt.
Langbärte sind wie ihre zwergischen Vorbilder abgebrühte Veteranen, die gerne lange Geschichten von früher erzählen und sich im Respekt der jüngeren sonnen. Der typische Langbart war schon dabei, als alles noch aus Holz war, hat schon alles gemacht, kennt noch die obskursten Dinge aus der Frühzeit und ist vor allem der Überzeugung, daß seitdem alles in stetem Niedergang begriffen ist. Deshalb meiden die Langbärte auch die GW-Läden, weil man da auf ihre Bedürfnisse nicht so gut eingeht. Ein solcher Laden dient nunmal der Verbreitung des Hobbies. Das ist ein Grund für die schlechte Resonanz im Internet. Neben den Fehlern die GW tatsächlich macht.
Und nun das traurige: Solche Langbärte gibt es auch und gerade hier im
Wobei nochmal festgehalten sei, daß Langbart keine rein abwertende Bezeichnung ist. Hier kann ja nun wirklich jeder nun noch was neues lernen. Aber auch die Niedergangsstimmung weht immer mal wieder durchs Forum.
Die Jugend bleibt aus! Wir sterben aus! Rollenspiel ist tot! - ja und nein.
Wer hat sich denn mal aufgemacht, die Jugend von seinem Hobby zu überzeugen? Ich hab DSA noch durch Ältere kennengelernt. Aber welcher in Würde ergraute Langbart läßt sich schon dazu herab, mal für ein paar Kiddies eine simple Runde irgendwas-mit-Elfen anzubieten? Hier treiben sich ernsthaft Leute herum, die FATE für mainstreamtauglich halten. Aber das kann man vielleicht auch niemandem vorwerfen, denn es gibt sowas wie ein einsteigergerechtes Spiel mit hohem Qualitätsstandard und ordentlichem Support nicht. Was war ich begeistert, als ich hörte, daß man auf der SPIEL unerhörterweise Aborea in der normalen Halle präsentiert hat und tatächlich alles losgeworden ist.
Wir können das hier mal kurz sacken lassen. Da hatte eine Truppe RPG-Verleger mal wirtschaftlichen Erfolg.
Indem sie das 08/15 der Betriebswirtschaft befolgen.
Ich spare mir hier natürlich meinen Applaus, denn passiert ist weiterhin...nicht so übermäßig viel.
Und genau das will ich hier geißeln: daß es tatsächlich Pappnasen gibt, die der Meinung sind, ihr schönes Hobby ginge den Bach runter, wenn jemand mal ein Plan hat, der Geld verdienen als Ziel und nicht als Zufallselement hat. Die der Meinung sind, es lohne sich nicht ausgetretene Pfade zu verlassen, weil ja ohnehin die Jugend verloren sei. Die denken, ein Spiel das zugeschnitten ist auf Neulinge kann ja gar keinen Spaß machen. Die stattdessen einer im RPG-Wolkenkuckucksheim hausenden kleinen Elite applaudieren, wenn die mal wieder irgendeinen superinnovativen, aber auch supernichtspielbaren Indieknaller in auf drei dutzend limitierter Kleinauflage herausbringen. Die genügsam seit Jahr und Tag die Erweiterungen zu ihrem Spiel der Wahl zukaufen, ob jetzt SR, DSA, Traveller, Warhammer, Cthulhu, usw. Die es für nötig befinden, Abweichler von der reinen Lehre mit Feuer und Mistgabeln heimzusuchen, weil SW ein Miniaturenspiel ist, gleichzeitig aber die Vergabe von Erzählrechten als größten Fortschritt der Menscheit seit der archimedischen Schraube feiern. Die sich aber auch mal gerne über die schrumpfende Szene beklagen, und nichts, aber auch rein gar nichts an den derzeitigen Umständen ändern wollen.
Und, weil ich weder Zeit noch Lust dafür habe, sowas selber zu machen, werf ich jetzt einfach mal ein paar Eckpunkte in den Ring, an denen sich der nächste große Knaller, die Wiederauferstehung des Rollenspiels orientieren muß.
I. Das Spiel soll leicht zu lernen sein. Nicht komplizierter als DSA 3, lieber noch was weniger. Man muß es schnell lernen und mit kurzer Vorbereitung spielen können.
II. Das Spiel soll beliebig erweiterbar sein. TCG und TT machen es ebenso wie WoW vor: Immer mal wieder was neues. Die Karotte am Stock. Neue Gimmicks, neue Gegner, neue Fallen, für kleines Geld. 10 Öcken für ein Paladin-Wargear-Pack? Der Dungeon von Karinthia, 8,- Retail. Ein modulares Spiel, bei dem man mehrere Erweiterungen zusammenpacken kann um irgendwas freizuschalten.
III. Eine erfolgversprechende Lizenz. Das ist natürlich richtig schwierig, aber mal unter uns: Fantasy ist populär wie selten zuvor. Das ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen - Twilight, Harry Potter, SOIAF, um mal ein paar Beispiele zu nennen. Markus Heitz' Bücher, der Vampirschund am Bahnhofskiosk. Und die einzigen, die zu blöde sind, auf den Zug aufzuspringen, sind seine Schaffner und Zugbegleiter - die Rollenspieler. Hier muß man mal einen Trend vorausahnen, und dann aber voll reinhalten mit etwas originellem, spaßigem, aufregendem!
IV. Mal eine Vertriebskette aufbauen. Welcher Anfänger kauft denn bitte bei Drivethru? Die Spiele müßen in die Spielwarengeschäfte, Kaufhäuser, Buchhandlungen. Damit auch Leute, die sowas noch nie gesehen haben, es kaufen können. Dazu gehören auch geschulte Leute in den Geschäften. Also Informationsmaterial, Schulungen, Messestände usw. Das Hobby macht Spaß, wieso kann man das keinem sagen?
V. Mal das eigene Ego hintenanstellen und das Produkt für den Kunden entwickeln. Kein Mensch interessiert sich dafür, was Du persönlich für das tollste System und die schönste Welt hältst. Die meisten Kunden sind durchaus damit zufrieden, etwas zu tun, was sie schon kennen. Zumindest ansatzweise.
VI. Keine Angst vor Marketing. Kaufleute sind keine bösen Menschen! Anzüge sind kleidsam. Seriösität ist Trumpf. Auf Cons kann ja jeder rumlaufen wie er will, aber wenn man wie ein Profi behandelt werden möchte, sollte man auch zumindest von weitem an einen erinnern. In der Geschäftswelt herrschen gewisse Standards, die leicht einzuhalten sind. Das fängt beim Äußeren an und endet beim Geschäftsgebaren. Es schadet niemals(!) sich mal im Bekanntenkreis umzuhören. Juristen, Kaufleute und Medienleute kennt fast jeder. Fragt um Rat, nehmt Rat an.
VII. Nicht gleich aufgeben. Wenn man mit nichts anfängt, ist der Weg immer am längsten. Klinkenputzen, Absagen verdauen, Spesen und Aufwand in den Wind schreiben wird jedem aufstrebenden RPG-Tycoon mal passieren.
VIII. Das Produkt ist nahezu egal. Wenn man sich anschaut, wofür Kinder und Jugendliche so Geld ausgeben, dann ist es offenbar nicht die enorme Qualität der Produkte, auf die es ankommt. Bunt, spannend, und anders sind da die Schlüßelworte.
So, jetzt bin ich müde. Ich rante denn nochmal, wenn wieder einer rummotzt, daß GW so eine schreckliche Firma ist.