@Märchen:
Ganz klar gibt es viele Elemente in Aventurien, die streng genommen nicht (mehr) märchenhaft sind. Aber dennoch hat Aventurien noch immer eine sehr märchenhafte Anmutung. Man darf nicht vergessen, dass die Grimmschen Märchen (oder auch die Andersschen Kunstmärchen) und die Bilder, die sich während der Rezeption dieser Märchen im Bewusstsein festgesetzt haben, durchaus eher mit dem biederen Trallala von Aventurien vereinbar sind als mit der Klischeefantasy vieler D&D-Welten (zum Beispiel Golarion). Da werden eben nicht auf jeder zweiten Seite Drachen getötet und Dämonenheere geschlagen, sondern meist geht es ganz klein und unscheinbar zu, ärmlich und glanzlos. Und da trifft der aventurische fantastische Realismus eben sehr häufig mit dem romantisierten Märchenzeitalter wackeren Deutschtums zusammen.
Im Grunde war die Märchenhaftigkeit bei DSA1 noch gar nicht so stark ausgeprägt. Durch das Tor der Welten zum Beispiel war reine planet fantasy, keine Spur von Grimm. Zwar gab es in Nedime, Schwarze Sichel und anderen Abenteuern auch starke Märchen- (bzw. im Falle der Sichel Sagen-)motive, doch im Grunde war das Ganze ein wüster Mix aus kaum zueinanderpassenden Stilelementen. Old school eben.
Mit der Zeit wurde das alles auseinandergedröselt, die verschiedenen Elemente wurden bestimmten Regionen zugeordnet. so entstanden mit Weiden, Bornland, Albernia ziemlich eindeutig märchenhafte Landstriche, aber auch alle anderen Regionen wurden mit der ähnlichen romantisierenden, stilisierenden Biederkeit behandelt. Folklore allenthalben, statt krassen, schrillen Auswüchsen der Fantasie. Und selbst klassische Fantasymonster und die Niederhöllen bekamen eine Folklore verpasst, damit sie ins Aventuric Geographic Magazin passten.
Von daher verstehe ich sehr gut, was Jiba meint, wenn er Aventurien mit einer (typisch deutschen) Märchenhaftigkeit assoziiert. Aventurien ist eben nicht so schrill, Disney- oder Hollywood-mäßig wie Faerun oder Golarion oder dergleichen. Sondern überall, wo man in Aventurien hinblickt, findet man liebevoll gestaltete Herde, vor denen ebenso liebevoll gestaltete Ammen dem Kleinen die Geschichten der Ahnen ins Ohr säuseln, ob das nun ein ärmlicher Goblin-, Ork- oder Tulamidenherd ist.
Und dann achte man doch nur einmal auf die Namen der Publikationen. Wenn man da nicht in von einer 19.Jahrhundert-Ästhetik verbrämte Altertümer absäuft, weiß ich auch nicht. Kiepenkerl ...