Vorweg ein Vorschlag, um unsere Diskussion etwas zu deeskalieren: Könnten wir uns entgegen kommen, indem ich auf auf jegliches Gekasper verzichte und du deinen Eifer etwas zügelst? Ich find's nämlich schade, dass wir uns hier Vorwürfe um die Ohren hauen, obwohl wir zumindest im Kern gleicher Ansicht sind.
"Es wird gekauft" kann keine moralische Rechtfertigung sein. Rational, ja, aber nicht moralisch. Man kann alles mögliche kaufen, aber das macht nicht alles davon richtig.
Bitte nicht die Hälfte meines Satzes ignorieren: Ich schrieb ganz klar, dass sowohl die monetäre als auch die moralische Rechtfertigung von der Zielgruppe geliefert wird. Moral ist das, was die jeweilige Gruppe definiert:
Für human denkende Fleischesser ist es unmoralisch, Fleisch aus Massentierhaltung zu essen, weil ...
Für Vegetarier ist es unmoralisch Fleisch zu essen, aber es ist gerechtfertigt, Käse, Eier und andere tierische Produkte zu verzehren, weil ...
Für Veganer ist der Verzehr von tierischen Produkten insgesamt unmoralisch, weil ...
Für keine dieser Gruppen sind die moralischen Grundsätze und deren Argumente irgendwie von Interesse, die Moral konstituiert sich innerhalb der Gruppe.
Selbst wenn ich also wissentlich sexistische Spiele produzieren würde und mir meine Kunden zu verstehen geben, dass sie das schätzen, ist das für mich rational Lebensunterhalt und moralische Rechtfertigung gleichermaßen. Es wäre dann für mich okay, solche Spiele zu produzieren, weil andere das legitimieren.
Das große Missverständnis dabei ist aber, dass die meisten es nicht legitimieren. Sie sagen nur einfach nichts dagegen, und wenn nichts dagegen gesagt wird, ist das ein Akzeptieren des bestehenden Zustands. Und das ist der Punkt, wo ich dir ohne Einschränkungen beipflichte: Man muss die Leute sensibilisieren und das geht am besten dort, wo sich als Spieler untereinander austauschen.
Was mich stört ist aber, wenn dabei missionarischer Eifer an den Tag gelegt wird. Spieler sind meiner Beobachtung nach ein gleichermaßen sensibles wie stures Völkchen. Das zieht sich durch alle Blöcke der ansonsten inhomogenen Spielergemeinde und hat vermutlich damit zu tun, dass man sich und sein Hobby immer noch gegen alle möglichen hanebüchenen Vorwürfe rechtfertigen muss. Da ist es verständlich, dass jeder Versuch einer Beschränkung als Angriff aufgefasst wird, und dabei ist es herzlich gleichgültig ob man nun beispielsweise die enthaltene Gewaltdarstellung oder sexistische Darstellungen auf den Prüfstand stellt. Der durchschnittliche Spieler fürchtet dann - und womöglich nicht ganz zu Unrecht, denn es müssen ja nur Friedrich und die BILD auf den Zug aufspringen -, dass hier eine inhaltliche Reinigung mit dem großen Besen vorbereitet wird.
Damit da nicht geschieht, müsste eine grundsätzliche Einigkeit darüber herrschen, was (unter bestimmten Umständen) in Ordnung ist und was absolut nicht in Ordnung ist. Die sehe ich bisher nicht einmal in diesem Thread, aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Zwei gute Beispiele (d.h. besser als die Norm) aus der letzten Zeit, die ich selber gespielt habe, waren Dishonored, dessen beiden Story-DLCs, und XCOM.
Zumindest bei Dishonored drängt sich mir die Frage auf, was daran so anders ist: Corvo ist ohne Wahlmöglichkeit männlich, beschützt (erfolglos) die Kaiserin, rettet die Prinzessin und die einzige weitere Hauptfigur ist eine Pennerin und greift nicht aktiv ins Geschehen ein. Im Freudenhaus sind mir keine Stricher aufgefallen. Die DLCs fügen nur negative oder weitere zu rettende weibliche Charaktere ein. Positiv immerhin, dass sich keine der weiblichen Charaktere dem Protagonisten geradezu an den Hals wirft.
Zu Tombraider kann ich nichts sagen, da noch nicht gespielt, aber den Reviews zu Folge ist es eine Entwicklungsgeschichte vom relativ normalen Teenager zur späteren toughen Abenteurerin. Mit einer agierenden weiblichen Hauptfigur die aufgrund des Ingame-Alters wenig Spielraum für Anzüglichkeiten (die Kleiderwechsel-Cutscenes der Reihe sind ja inzwischen fast legendär) irgendwelcher Art lässt, sollte das Spiel gut dastehen.
Ich meine Beispielsweise, das der game director von Heroes of the Storm, Dustin Browder, sich dafür entschludigt hat, Fragen über sexistisches Charakterdesign in einem Interview nicht ernstgenommen zu haben, oder das IO Interactive sich für den Hitman-Trailer entschuldigt hat, in dem Agent 47 gegen eine Gruppe von Fetisch-Nonnen kämpft. Ist das ein großer Fortschritt? Nein - aber es ist ein Fortschritt. Ein Unternehmen kann negative Publicity nicht unbegrenzt ignorieren.
Hierbei könnte es hilfreich sein zu untersuchen, unter welchen Bedingungen ein Unternehmen gezwungen ist, überhaupt auf Kritik zu reagieren und warum manche sie entspannt ignorieren. Entscheidend ist natürlich auch, wie die Reaktion aussieht:
War der Kampf gegen Fetish-Nonnen in einem Gameplay-Trailer und kommt im Spiel nicht mehr vor? Dann war es ein Erfolg, ansonsten nur eine Feigenblatt-Entschuldigung. War es ein Trailer, der nicht auf Spielszenen beruhte sondern darauf, dass sich jemand dachte, so etwas würde ziehen? Dann wäre die Entschuldigung und ein Zurückziehen des Trailers ebenfalls ein Erfolg und ein Schuss vor den Bug für alle, die etwas in der Art wieder versuchen.
Ich habe nur wiedergegeben was du selbst gesagt hast. Herumalbern war dein Wort, nicht meins.
Mir war nur nicht klar, wie Du vom Herumalbern darauf gekommen bist, das Thema wäre mir nicht wichtig, obwohl ich gerade zuvor erklärt habe, warum ich das für vereinbar halte. Selbst im "Kommentare Presseschau"-Thread wird regelmäßig herumgealbert, ohne dass den Beteiligten deswegen die Themen unwichtig wären. - Egal, vergessen wir das, vermutlich bin ich inzwischen auch etwas dünnhäutig und gelobe hiermit Besserung.