(Ich habe gerade diesen Artikel auch in meinem Blog veröffentlicht)
Die ersten grob umrandeten Ergebnisse der großen DSA-Umfrage stehen jetzt bei Ullises Spiele zum Download bereit.
Das Ergebnis ist so, wie ich’s erwartet habe: ein Streiflicht auf die Welt der momentanen DSA-Viertauflage-Spieler. Und als großer Freund der Erstauflage kommt mir das kalte Grauen. Oder um mit Louis de Funès zu sprechen: “Knapp an der Kotzgrenze”.
Dieser Artikel wird rantig. Sehr sogar.
Sehen wir uns einige Ergebnisse an:
1. DSA4-Spieler wollen komplizierte Regeln, egal was sie sagen
Frage:
“Akzeptieren es die Spieler in deiner Gruppe im Sinne der Spielbarkeit, die Regeln zu verändern? Wenn eine Regel also beim Spiel in den Weg kommt, weil sie einen Charakter beschneidet, eine Spielsituation kompliziert macht oder gerade nicht zur Szene passt, ignoriert oder ändert ihr sie dann? Erstellt ihr Hausregeln?”
Mehr als 85 Prozent der Teilnehmer antworteten mit “Ja” oder “Eher ja”. Trotzdem bestehen mehr als 77 Prozent darauf, für Talent- und Zauberproben die kreuzdämliche, schweinelangsame und völlig kontraintuitive 3W20-Regel weiterhin einzusetzen. Offenbar sehen sie diese Regeln als nicht kompliziert an. Da frage ich mich ernsthaft: Was ist passiert? Was geht in diesen Leuten vor? Wie kann man eine so abgrundtief blöde und langsame Regel auch noch aktiv einfordern?
2. DSA-Spieler wollen Metaplot
Mehr als 75 Prozent der Befragten halten “fortlaufende Geschichte” für unverzichtbar in DSA, und 69 Prozent möchten gerne oder eher gerne in die fortlaufende Geschichte miteingebunden werden. Ungefähr 41 Prozent will “klar definierte Plots”, also Railroading.
Diese Antworten sind klassisch für die Verwirrung der Hartwurst-DSA-Spieler. Einerseits wollen drei Viertel von ihnen den geliebten Metaplot und zwei Drittel von ihnen wollen in Abenteuern mitspielen, die mit dem Metaplot zu tun haben (Hallo, Erzählonkel-Spiel!), aber nur 41 Prozent sind bereit, sich dafür in das erforderliche Korsett zwängen zu lassen.
Und trotzdem geben mehr als 66 Prozent der Befragten an, sie hätten in ihren Abenteuern “vollkommene Handlungsfreiheit”. What the fucking fuck?
Hier kommt das gesamte Dilemma aller DSA-Versionen nach DSA1 zum Tragen: Die Kanonisierung bestimmter Elemente und die Einführung des Metaplots macht die “Helden” (ha!) zu Marionetten des Geschehens. Irgendwie spüren das die DSAler auch, aber sie sind zu unfrei in ihrem Denken, zu sehr sozialisiert in tyischer DSA-Unselbständigkeit, zu verhaftet in ihrer kleinen deutschtümelnden Hartwurst-, mother-may-I-Welt, als daß sie aus dieser Nummer noch rauskommen.
DSAler sind Sklaven ihrer Rollenspielerziehung — und sie merken es noch nicht einmal.
Wo ist der dunkle, anarchische Freigeist der Erstauflage geblieben? Gibt es wirklich fast nur noch brave Konsumentenspieler, die mit stolzgeschwellter Brust “Ich bin mein eigener Herr” auf ihren T-Shirts tragen, während sie schön mit den gesichtlosen Massen 3W20 auf das Talent “Stricken” würfeln? Ist es das? Ist das die Freiheit, die uns Rollenspiel geben kann?
3. Die Liebe zum Detail ist das Zeichen kleiner Geister
Und natürlich: Knappe 65 Prozent der Umfrageteilnehmer antworteten mit “Ja” oder “eher Ja” auf die Frage: “Ist dir die Detailtreue des Hintergrundes wichtig?”
Das war nicht anders zu erwarten. Daher kommt die Unspielbarkeit von DSA4, und daher kommt der oftmals schlechte Ruf seiner Spieler. Wieviel kosten drei Unzen feine Hartwurst in Aventurien? Wie heißt der Urgroßvater von Bäcker Alvin in Brunzbach? Wieviele Heller kostet ein Helles in Gareth, und was würde es kosten, ein Sixpack davon ins Orkand zu schicken?
Auf alle diese Fragen gibt DSA Auskunft. Und zwar erschöpfend. Das freut die Buchhalter und Rudersklaven. Denn, “wir haben absolute Handlungsfreiheit in unseren Spielen” rufen sie, denn sie können sich aussuchen, über welches Detail sie nachlesen möchten. Die Themenwahl ist ihre! Und wenn sie rudern, dann können sie sich aussuchen, ob sie stärker mit dem linken oder mit dem rechten Arm anziehen. Die Freiheit! Die Freiheit!
In dieses beschissene Porträit der derzeitigen DSA4-Spielerschaft paßt auch ihr ausdrücklicher Wunsch, die Wunden-Regeln beizubehalten. Mehr als 73 Prozent haben mit “Nein” und “eher Nein” auf die Frage geantwortet: “Sollen Wunden und Wundschwelle abgeschafft werden?”.
“Fantastischen Realismus” nennen sie das gerne. Dabei ist es nur eine Maske, hinter der sich Regelnazis verstecken. Hat sich Tolkien um irgendwelche Regeln geschert, als er sein weltbewegendes Epos geschrieben hat? Hätte Tolkien Sam Gamdschie in so ein völlig verblödetes Regelwerk pressen müssen, dann wäre Mittelerde nicht gerettet worden.
Aber genau darum geht es DSA-Spielern ja: Zeitzeuge zu sein, mitzuerleben, wie sich die Geschichte Aventuriens vor ihren Augen entfaltet. Aber dabei stehen sie gerne etwas abseits und lassen die wichtigen Charaktere, die echten aventurischen Badfuckingasses, zum Zuge kommen: die Meisterpersonen.
NSCs sind bei DSA die wirklichen Helden. Spielercharaktere sind Randfiguren. Und so hat jeder seinen Platz, und die DSA-Abenteuer bilden schön klein die Gegebenheiten der echten Welt ab: “Wir Kleinen können eh nichts tun”.
Ist das nicht erfrischend? Die Gedanken sind frei — aber bei vielen DSA-Spielern sind sie nicht mal das.
4. Mitgestaltung ja — aber bitte ohne uns
Mehr als 54 Prozent fordern eine Einbindung der Fangemeinde in “Welt/Abenteuer/Regeln”. Aktiv etwas dafür tun wollen aber nur 33 Prozent. Konsumentenspieler. “Da müßte man doch was tun!”, schallt ihr Ruf durchs Netz. Und wenn sie dann gefragt werden, ob sie wirklich, wirklich was mitgestalten wollen, ziehen sie den Schwanz ein. Ich hoffe sehr, daß sich beim Ergebnis dieser Frage noch was ändert.
5. Fazit
Während gute Leute an D&D Next basteln,
während mehr als zwei Dutzend Hintergründe (mit oder ohne Metaplot) für dieses Spiel veröffentlicht wurden,
während ein D&D-Fandom so produktiv wie nie zuvor neues Material auf den Markt wirft, das sich einen feuchten Dreck um irgendeinen Kanon schert,
während all das passiert,
laufen in Deutschland die Spieler wieder mal dahin, wo sie nicht selber denken müssen.