Autor Thema: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?  (Gelesen 16631 mal)

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Offline kalgani

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #25 am: 15.05.2012 | 15:49 »
Das stimmt schon, aber dann lasse ich doch in dem Abenteuer doch auch keine Schlösser mit DC30+ auftauchen und hab nur noch Holztüren/-kisten die man auch relativ einfach zerdeppern kann... das hat doch nicht wirklich was mit storysteller zu tun sondern eher mit Gruppengerechtem Leiten!

Oder bin ich da am Tisch zu pragmatisch?

Nin

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #26 am: 15.05.2012 | 16:31 »
@Nin: Ich glaube diese Variante des Balancings firmiert auch unter Spotlight Balancing. Man achte also darauf, dass jeder regelmäßig was zu tun bekommt und honoriere die entsprechenden Beiträge.

OK. Wobei mir Charaktertod und massiver Umbau des Charakters eher selten zu passieren scheint. Die Grundannahme wäre also, dass sie generell nicht, sondern nur aus gutem Grund passieren. Ist das richtig?

Ich würde ja eher sagen, dass es um ein verstärktes kooperatives Moment im Spiel geht. Spotlight Balancing könnte ggf. auch konkurrierend sein.
Was nicht heißen soll, dass es nicht auch sehr characterbezogen zugehen kann. Aber in dem Fall allerdings häufig eher bezogen auf den inneren Konflikt / Dilemma. Deutlich wird das z.B. am Moralsystem der nWoD. Hier werden - analog zu den Charakterwerten, die signalisieren, was die SpielerInnen erleben wollen - dramaturgische Szenen (frei) definiert, an denen sich die ProtagonistInnen später grundsätzliche Entscheidungen treffen müssen.

Keine Ahnung, wie ich es erklären soll, für mich ist's eher ein Frage der Grundeinstellung der SpielerInnen.

Hm ... eine altruistische Spielweise?

Offline Tarin

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #27 am: 15.05.2012 | 16:41 »
Versuch einer Abgrenzung:
OS ist weltorientiert. SC handeln, sterben und werden ersetzt in einer konstanten Welt, die durch die Handlungen und Umwälzungen, die die Spieler lostreten verändert wird.
ST ist charakterorientiert. Es ist immersiv, auf je einen Charakter konzentriert und dieser wird durch eine Geschichte, in die der SL die SC hineinwirft bearbeitet.
Irgendwann kam so grob aus der Forge Ecke dann noch die Story-Orientierung. Indie Spiele mit konkreten Handlungsideen, an denen sich alles andere messen lässt. Mir würde in ganz krasser Form beispielsweise Lady Blackbird einfallen.
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Online Maarzan

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #28 am: 15.05.2012 | 16:43 »
Geht es um das theoretische Ideal, was jemand selbst unter Storytelling versteht oder sich wünschen würde (und vielleicht mit einer passenden Gruppe zu Hause auch realisiert(hat)), oder die Spielpraxis, wie sie an den Spieltischen seinerzeit zu finden war?
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Offline Praion

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #29 am: 15.05.2012 | 16:50 »
Das stimmt schon, aber dann lasse ich doch in dem Abenteuer doch auch keine Schlösser mit DC30+ auftauchen und hab nur noch Holztüren/-kisten die man auch relativ einfach zerdeppern kann... das hat doch nicht wirklich was mit storysteller zu tun sondern eher mit Gruppengerechtem Leiten!

Oder bin ich da am Tisch zu pragmatisch?

Zu pragmatisch. Es darf ruhig Hindernisse geben, die die Spieler nicht packen können einfach so.

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Nin

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #30 am: 15.05.2012 | 16:57 »
Geht es um das theoretische Ideal, was jemand selbst unter Storytelling versteht oder sich wünschen würde (und vielleicht mit einer passenden Gruppe zu Hause auch realisiert(hat)), oder die Spielpraxis, wie sie an den Spieltischen seinerzeit zu finden war?

Meiner Ansicht nach kann es nur um das gehen, was sich aus den Regel-/Bücher und den dazugehörige Veröffentlichungen ziehen lässt.
Am Spieltisch wirst du immer alles mögliche und beliebige finden können

Offline Oberkampf

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #31 am: 15.05.2012 | 17:11 »
- Bücher mit Hintergrundinformationen und dem Schwerpunkt auf Setting und Stimmung, weniger auf Regeln.

Regelfreie Settingsbeschreibungen kann man auch für nicht-storyteller Spielweisen als Steinbruch benutzen und wurden auch übergreifend für alle Spielstile publiziert. Wahrscheinlich ist Stimmung hier der Kernbegriff.

- Die Geschichte wird gemeinsam erzählt, es gibt keinen vorgegeben Ablauf der Handlung, die in eine bestimmte Richtung zwingt.

Genau die beiden Sachen sehe ich ausdrücklich nicht als ein Merkmale des Storytellings.

Die Freiheit/Offenheit der Geschichte ist nur sehr gering vorhanden und mehr Offenheit wird nicht gewünscht! Bei einem Storytelling-Spiel kann es vorkommen, dass Spieler nach dem Spiel entschuldigend fragen, ob sie mit ihren SC-Aktionen den Plot gesprengt haben. In keinem anderen Spieltypus ergibt diese Frage (die mir tatsächlich auf einem Con gestellt wurde) Sinn.

Gemeinsames Erzählen hat meistens ein offenes Ende als Vorbedingung (es sei denn, man erzählt ausdrücklich "rückblickend"). Wenn aber kein offenes Ende angestrebt wird, stören andere Erzähler der Hauptgeschichte nur. Die Rolle der Spieler besteht beim Storytelling nicht darin, Story zu produzieren, sondern ihre Charaktere schauspielerisch in die bestehende Story hineinzuinterpretieren.

Man sollte das offene Ende aber auch nicht als Goldenes Kalb verehren. Erspielte Enden können unbefriedigend sein, und auch gemeinsam "regelfrei" herbeierzählte Enden (oder Storyverläufe) können langweilig, antiklimatisch oder im schlimmsten Fall genreverfehlend (!) werden. Vor diesen Risiken versuchen sich die Storytelling-Spieler zu schützen, indem sie die Hauptlast der Ausgestaltung einer Person (Abenteuerautor = SL) oder höchstens zwei (Autor + SL) überlassen.


- Der Ablauf der Geschichte ist anfangs nicht definiert, dafür aber Hintergrund und die gewünschte Atmosphäre, die im Spiel erzeugt werden soll.

Sowas würde ich z.B. eher bei den Indie-Spielen sehen.

- Die Story ist wichtiger als es die Charaktere (SCs wie NSCs) sind.

Das ist ein ganz großer Knackpunkt, der ja dieses berühmte "impossible thing before breakfast" berührt. Eine gute Story braucht gute (passende, glaubwürdige) Charaktere, mit denen der Rezipient mitfiebern kann (oder die er hassen/fürchten usw. kann). Starwars ohne Luke Skywalker und Darth Vader (oder Leia und Han Solo)? Vergiss es!

Storytelling kann versuchen, diese Abhängigkeit der Story von den Charakteren auf verschiedene Möglichkeiten zu lösen. Eine idealtypische Art besteht darin, die Story um NSCs kreisen zu lassen, da diese eben passend zur Story gestaltbar sind. Die andere besteht darin, die SCs stark auf Storykompatibilität zu entwerfen. Eine dritte darin, die Story für die  Charaktere zurechtzufeilen, aber das ist dann schon fast an der Grenze zu den Indie Spielen, wo die Story den Spieler-Charakteren untergeordnet ist.

- SCs sind ProtagonistInnen mit Problemen und Kanten.
- Die Spielweise ist frei und wird durch so wenig Regeln wie möglich beschränkt/definiert.
- Balancieren erfolgt nicht über Werte, sondern über die Geschichte.

Den Punkten würde ich zustimmen, wobei OS(R) (und teilweise auch Indie) ebenfalls den Einfluss der Regeln begrenzen wollen bzw. "schlanke Regeln" propagieren. Storytelling kann aber auch mit sehr umfangreichen Regelwerken (DSA, oWoD) betrieben werden, wenn die Regeln eben nur für Angelegenheiten gelten, die neben der Hauptstory stattfinden.

Storytelling und OS(R) treffen sich meiner Meinung nach in der Frage nach der Stärke des Spielleiters. Beide Spielweisen wollen einen starken Spielleiter, ordnen dieser Rolle aber unterschiedliche Aufgabenbereiche zu. Der SL ist bei den OSR-Spielern eher ein Schiedsrichter (Referee in LotFP trifft das sehr gut) und bei den Storytellern ein... Storyteller (Überraschung!).
Die "forgigen"/Indie-Spiele wollen (so mein Eindruck) gegenüber dem Storytelling die Erzählung über die Regelsysteme abhandeln oder die Erzähleraufgabe auf die Spielgruppe verteilen, was bis hin zum spielleiterlosen Rollenspiel reicht.

Versuch einer Abgrenzung:
OS ist weltorientiert.
ST ist charakterorientiert.
Irgendwann kam so grob aus der Forge Ecke dann noch die Story-Orientierung. Indie Spiele mit konkreten Handlungsideen, an denen sich alles andere messen lässt. Mir würde in ganz krasser Form beispielsweise Lady Blackbird einfallen.

Sehe ich bei OS ähnlich, bei den anderen beiden Varianten gerade umgekehrt. Bei ST steht die Story im Mittelpunkt, bei Indie (zumindest denen, die ich kenne/gelesen habe) die Spielercharaktere. Natürlich kommen bei allen dreien Story, Charaktere und Spielwelt(en) vor, aber eben mit unterschiedlicher Betonung.
« Letzte Änderung: 15.05.2012 | 17:16 von root hog or die »
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Offline kalgani

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #32 am: 15.05.2012 | 17:22 »
Zu pragmatisch. Es darf ruhig Hindernisse geben, die die Spieler nicht packen können einfach so.

Werd ich in meinem kommenden Mouse Guard Jahr sehr viel haben. Keiner von denen hat ahnung von Kriegsführung - werden sie aber ziemlich bald brauchen.

Ich glaub da war ich zu ungenau. Das Chars gewisse dinge nicht schaffen können und das diese auch im Spiel vorkommen müssen, damit das ganze nicht zu einer 4*Superman ohne Kryptonit show wird sollte klar sein.

Ich raff aber trotzdem nicht was nun an storyteller so extrem anders ist, als an dem was ich leite und das hat imho nicht viel mit storyteller zu tun... 

Offline Tarin

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #33 am: 15.05.2012 | 17:24 »
@root hog
Okay, macht Sinn. Wohin stellst du Spiele wie besagtes Lady Blackbird, bei dem man immer nur eine Story spielt?

EDIT: Obwohl, es geht bei gleicher Story um die Darstellung der Charaktere. Ich ziehe zurück und gebe dir Recht. Wobei ich charakter- und storyorientert schwierig abzugrenzen finde, zumindest schwieriger als gegenüber der Weltorientierung. Je nach Spiel und Gruppe scheint eines von beiden eher im Mittelpunkt zu stehen. DSA mit Fokus auf Immerson und Charakterdarstellung, aber auch mit Railroad und Erzählmeistern. Bei der oWoD scheint das ähnlich zu sein.
« Letzte Änderung: 15.05.2012 | 17:26 von Tarin »
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Offline Bad Horse

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #34 am: 15.05.2012 | 17:31 »
Das bei Vampire propagierte Storytelling stellte erst mal ganz klar Drama über Regeln. Wenn etwas cooles passieren könnte, aber der Wurf nicht klappt, dann passiert es vielleicht trotzdem.

Außerdem sollen die Spieler beim Storytelling ihren Charakter als plausible Figur mit Stärken und Schwächen spielen und nicht als Spielfigur, die eine Persönlichkeit haben kann oder auch nicht.

[Übrigens: Unter den "Don'ts" von VtM 2nd Edition steht: "Don't force the characters into a predetermined plot" - "Zwing den Charakteren keinen vorher festgelegten Plot auf". Da steht ohnehin relativ viel sinnvolles Zeug drin, wenn ich mir das grade so anschaue. Und wenn man sich die anfänglichen Settings von WW anschaut, dann bestanden die aus Conflict Webs und offenen Szenarien, nicht aus vorgefertigten "Guckt die putzigen NSCs"-Storys. Das kam wohl erst später auf.]
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Offline Oberkampf

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #35 am: 15.05.2012 | 17:34 »
@root hog
Okay, macht Sinn. Wohin stellst du Spiele wie besagtes Lady Blackbird, bei dem man immer nur eine Story spielt?

Das kenne ich leider nicht, und da muss ich leider die Grenzen meiner Beweisführung eingestehen  :-[

(Ähnliches Problem gibts vielleicht mit Inspectres, was ich kenne. Da würde ich einräumen, dass zumindest anfangs die Story im Vordergrund steht, wobei ich nicht ausschließen möchte, dass sich in einer Serie stärker charakterzentrierte Plots entwickeln. Aber das nahe verwandte ptA scheint mir z.B. äußerst charaktergetrieben zu sein. Natürlich brauchen Charaktere auch eine Story, in der sie sich bewegen können, bzw. die aus ihrer Interaktion miteinander und der Umwelt entsteht, aber wie die konkret aussieht, hängt von den Charakteren ab.)
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schwarzkaeppchen

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #36 am: 15.05.2012 | 17:34 »
@root hog:
Zitat
Die Rolle der Spieler besteht beim Storytelling nicht darin, Story zu produzieren, sondern ihre Charaktere schauspielerisch in die bestehende Story hineinzuinterpretieren.
Bist du sicher das du diese Sichtweise (im Prinzip Storytelling = Railroading, vogeskriptetes Erleben bzw Ende) nicht eher auf ein paar schlechte Erfahrungen mit üblen (oWoD-?) SLs zurückführen kannst als daraus eine Definition des Spieltyps an sich abzuleiten?
Bzw warum ersiehst du das als zwingend an.
Gerade die oWoD hatte ziemlich viele eher - schwammige - Elemente + die "goldene Regel" und begünstigte daher einen railroadenden SL-Typus in so fern, dass es ihm leicht gemacht wurde seinen "Alleinherrscher"-Anspruch über die Priorität der Story abzuleiten (wenn halt das Selbstbild besteht das es für deren Gelingen nur einer Person bedarf, was aber für ein Gruppenspiel in jedem Fall dysfunktional ist). Ich würde aber daran zweifeln, dass das ausdrücklich so intendiert war (siehe den Verweis von Bad Horse) und von den meisten Runden so umgesetzt wurde. Aber dafür hätte ich jetzt auch nur anectdotal evidence und zB auf Cons spielte ich ja auch eher selten bisher.

Railroading würde ich als generelle RPG-Untugend ausmachen für die Storyteller-Systeme evtl anfälliger sind, die deren Intention aber eigentlich zuwider läuft. Viele mir bekannte Kaufabenteuer haben kein offenes Ende und einen festen Verlauf, auch abseits der Storyteller-Systeme.

-

Ich glaube ein sehr wichtiger Punkt bei diesen ist die schon genannt Möglichkeit und Forcierung von PvP, gruppeninternen Intrigen, aufbrechen der zwangsläufig loyalen Gruppe in zwangsweise bis temporär zusammenarbeitende Einzelakteure die sich auch mal gegenseitig hintergehen - was gerne gesehen wird. Die feste Loyalität ist eben auch für eine Story nicht mehr nötig bzw steht dieser sogar von Zeit zu Zeit im Weg. Verrat bedeutet Drama.
« Letzte Änderung: 15.05.2012 | 17:37 von schwarzkaeppchen »

Nin

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #37 am: 15.05.2012 | 17:44 »
Genau die beiden Sachen sehe ich ausdrücklich nicht als ein Merkmale des Storytellings.

Dann sehen wir das an diesem Punkt, trotz der Übereinstimmung bei einer Reihe anderer Aspekte, unterschiedlich.  ;)

Wahrscheinlich könnten auch beide Positionen z.B. mit offiziellen vorgefertigten Abenteuern belegt werden. Ich würde mich auf die Veröffentlichungen zur nWoD beziehen. Darin werden (mögliche) Szenen beschrieben und das Ende bleibt offen.

Klar ist aber auch, wenn ich mir jetzt mal WoD ansehe, dass einige Anregungen auch von Indie Spielen aufgegriffen wurden (vom Storyteller System zum Storytelling System) ... genauso wie anders herum.
Das erschwert natürlich eine Abgrenzung - was andere hier ja zu Recht anmerken.
« Letzte Änderung: 15.05.2012 | 17:47 von Nin »

Offline Oberkampf

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #38 am: 15.05.2012 | 17:47 »
@schwarzkaeppchen, Bad Horse:

In dem EINEN SPIEL stehen viele Dinge nebeneinander. Angesichts von 1of3s Wunsch, hier konstruktiv zu diskutieren, nur so viel: Ein Storytelling-Spieler empfindet eine vorgegebene Story nicht als RR! Es gibt Leute, welche die berühmte G7 (ausd em anderen Spiel) in der publizierten Form erzählt bekommen wollen, und das ist nicht verboten oder moralisch anrüchig. Es ist aber was ganz anderes als Spiele wie ptA, wo die Story IM Spiel entsteht (und extra dafür Metaregeln entworfen werden).

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #39 am: 15.05.2012 | 17:51 »
Eine feste Story nachzuspielen halte ich btw nicht für ein Merkmal von Storytelling. Montsegur 1244 macht das beispielsweise, da hangelt man sich anhand von festen Szenen durch eine Belagerung und weiß auch schon am Anfang, wie die Grundsituation ausgehen wird - trotzdem ist das ein astreines Indie-Spiel und fühlt sich kein Stück an wie Storytelling.

Gerade am Anfang, wo ich das oft auf Cons gespielt habe, wurde eher "Charakter über Story" propagiert - die Motivation des Charakters war seine Triebfeder, die ihn in Gang halten sollten, aber es gab keinen bis wenig Zwang zur Gruppe, wie es bei vielen anderen Spielen der Fall war. Bei VtM wurde viel Gewicht darauf gelegt, dass der Charakter seinen eigenen Interessen nachgeht. Das führte dann öfter dazu, dass die Charaktere einzeln durch die Gegend eierten und jeder seinen Kram machte.
(Ich hab einmal auf einem Con ein "Abenteuer" mitgespielt, bei dem die Charaktere sich einfach nie begegnet sind. Die Städtebeschreibungen bei VtM hatten ja einen starken Sandbox-Charakter, denn man konnte ja eigentlich in der vorgefertigten Szenerie machen, was man wollte. Es gab sogar ein Zusatzbuch ("Succubus Club"?) mit Zufallstabellen, die thematisch geordnet waren (bei der Jagd, im Elysium), sich auf den Hintergrund bezogen und pro Encounter eine kleine Grundszene plus möglichem Konflikt geschildert haben...)
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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #40 am: 15.05.2012 | 17:59 »
Möchte niemand auf die Verwendung von Hintergrund eingehen?

Ansonsten können wir auch noch einmal über den Aspekt "Stimmung" reden. Der scheint mir auch recht zentral zu sein. Was ist Stimmung und wie verhält sich Stimmung zu Immersion (wenn überhaupt)?

Eine andere Sache, ich mich grade frage, ist wie es mit Instigation steht. D.h. mit mutwilliger Behinderung des SCs. Bei anderen Spielformen heißt das Taschenlampenfallenlassen, neutral eben Instigation. Gehe ich recht in der Annahme, dass Storyteller das allgemein positiv bewerten? Ich denke das lässt sich aus "einen Charakter mit Schwächen spielen" ableiten.


Geht es um das theoretische Ideal, was jemand selbst unter Storytelling versteht oder sich wünschen würde (und vielleicht mit einer passenden Gruppe zu Hause auch realisiert(hat)), oder die Spielpraxis, wie sie an den Spieltischen seinerzeit zu finden war?

Mein Traum wäre, wenn jemand auf sekundäre Quellen verweisen kann, wo beschrieben ist, was Storytelling ausmacht. Ich gehe aber davon aus, sich niemand die Mühe machen möchte.


Bei einem Storytelling-Spiel kann es vorkommen, dass Spieler nach dem Spiel entschuldigend fragen, ob sie mit ihren SC-Aktionen den Plot gesprengt haben. In keinem anderen Spieltypus ergibt diese Frage (die mir tatsächlich auf einem Con gestellt wurde) Sinn.

Das ist in der Tat eine sehr interessante Beobachtung. Solche Fragen sind mir auch schon ein paar mal untergekommen. Hat die schon einmal irgendwer mit "Ja!" beantwortet? (Wenn ihr niemanden kennt, bitte antwortet nicht auf diese Frage.)


Offline Oberkampf

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #41 am: 15.05.2012 | 17:59 »
Wahrscheinlich könnten auch beide Positionen z.B. mit offiziellen vorgefertigten Abenteuern belegt werden. Ich würde mich auf die Veröffentlichungen zur nWoD beziehen. Darin werden (mögliche) Szenen beschrieben und das Ende bleibt offen.

NWoD sehe ich auch als was anderes an als oWoD, aber ich würde das ohnehin nur aus historischen Gründen an Systemen festmachen, obwohl oD&D natürlich klar OS ist und LotFP klar zur OS(R) gehört, oder die oWoD Zugpferd (und letzten Endes Namensgeber) der Storytelling-Spielweise war - aber auch Earthdawn oder DSA solche Abenteuer mit entsprechenden SL-Tipps publizierten.

Aber das ist so eine Sache mit System und Abenteuern. Hellas - Worlds of Sun and Stone würde ich in vielen Bereichen nicht als Storytelling-System beschreiben, aber die im Anhang publizierte Abenteuerserie ist reines Storytelling (in der von mir beschriebenen Form).

Und nochmal, weil ich ja für mein privates Schäumen gegen V:tM bekannt bin: Storytelling ist eine vollkommen legitime Spielweise! Manche Leute möchten gerne eine gut durchdachte Geschichte erzählt bekommen, in der sie ihre Charaktere interpretieren können.
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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #42 am: 15.05.2012 | 18:08 »
Eine andere Sache, ich mich grade frage, ist wie es mit Instigation steht. D.h. mit mutwilliger Behinderung des SCs. Bei anderen Spielformen heißt das Taschenlampenfallenlassen, neutral eben Instigation. Gehe ich recht in der Annahme, dass Storyteller das allgemein positiv bewerten? Ich denke das lässt sich aus "einen Charakter mit Schwächen spielen" ableiten.

Schwächen gleichberechtigt zu Stärken auszuspielen, ist sicherlich nicht das Problem. Eine mutwillige Behinderung dagegen schon. Und wieder würde ich mir die Frage stellen, ob es für die Story wichtig ist oder für den Charakter.

Ansonsten können wir auch noch einmal über den Aspekt "Stimmung" reden. Der scheint mir auch recht zentral zu sein. Was ist Stimmung und wie verhält sich Stimmung zu Immersion (wenn überhaupt)?

Ja, lasst uns über Stimmung reden...

Offline Bad Horse

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #43 am: 15.05.2012 | 18:12 »
Möchte niemand auf die Verwendung von Hintergrund eingehen?
Wenn du unbedingt willst... Eine schöne Geschichte braucht plausible Charaktere. Plausible Charaktere brauchen Hintergrund, zumindest denke ich mal, dass Storytelling davon ausgeht.

Zitat
Ansonsten können wir auch noch einmal über den Aspekt "Stimmung" reden. Der scheint mir auch recht zentral zu sein. Was ist Stimmung und wie verhält sich Stimmung zu Immersion (wenn überhaupt)?
Was Stimmung ist, mag ich nicht so genau erklären; aber Immersion halte ich für ein sehr wichtiges Merkmal von Storytelling. Das Gefühl, ganz nah am Charakter zu sein und keine Metaebene dazwischen zu wollen, unterscheidet es fundamental vom Storygaming. "Stimmung" unterstützt das Hineinversetzen in den Charakter, entweder durch Verfremdung der realen Umgebung (Kerzen, schwarze Tücher) oder durch emotionale Assoziationen (Musik).

Zitat
Eine andere Sache, ich mich grade frage, ist wie es mit Instigation steht. D.h. mit mutwilliger Behinderung des SCs. Bei anderen Spielformen heißt das Taschenlampenfallenlassen, neutral eben Instigation. Gehe ich recht in der Annahme, dass Storyteller das allgemein positiv bewerten? Ich denke das lässt sich aus "einen Charakter mit Schwächen spielen" ableiten.
Kommt drauf an, würde ich sagen. Es ist beim Storytelling schon wichtig, seinen Charakter mit all seinen Schwächen zu spielen, auch wenn das negative Konsequenzen hat; der Charakter soll so gespielt werden (können), wie er "eben ist". Das wird gern als Ausrede verwendet, um ein Arschloch zu spielen, ist es aber eigentlich nicht.

Zitat
Mein Traum wäre, wenn jemand auf sekundäre Quellen verweisen kann, wo beschrieben ist, was Storytelling ausmacht. Ich gehe aber davon aus, sich niemand die Mühe machen möchte.
Ich kann dich da nur auf die klassischen Storytelling-Werke verweisen: Vampire: The Masquerade, bei dem alles zusammenkam und dieser Stil mehr oder minder geboren wurde, hat einige Anweisungen dazu, wie der Stil gedacht ist. Vorläufer von Vampire, die auch schon das Etikett "Storytelling" trugen, sind Prince Valiant und Ars Magica, da steht bestimmt auch was dazu drin. Links habe ich jetzt aber keine.
« Letzte Änderung: 15.05.2012 | 18:36 von Bad Horse »
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
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Offline Teylen

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #44 am: 15.05.2012 | 18:29 »
Das ist in der Tat eine sehr interessante Beobachtung. Solche Fragen sind mir auch schon ein paar mal untergekommen. Hat die schon einmal irgendwer mit "Ja!" beantwortet? (Wenn ihr niemanden kennt, bitte antwortet nicht auf diese Frage.)
Innerhalb der Runde nWoD Hunter, mit knapp vierzehn Spielern, auf der Grand Masquerade.
Einige Spieler schafften es dabei sich Charaktere zu bauen die weit ueber den Powerniveau lagen das der ST vorsah.
Am Ende wurde darueber gesprochen in wie weit sich die Spieler den Erwartungen des ST hinsichtlich des Plots / Spîelweise verhalten hatten. Der ST gab an das er nicht mit derartig kompetenten Charakteren rechnete und das es weit aus weniger Grim'n'Gritty geworden sei als geplant. Allerdings war er ob dieses Umstand nicht verstimmt.

Ansonsten habe ich selten erlebt das eine Gruppe gegen die Vorstellung beziehungsweise den Plot des Spielleiters gehandelt hat und es nicht eskaliert ist.
Was haeufiger vorkommt ist das nachdem Spielabend die Aussage kommt das es andere Wahlmoeglichkeiten gegeben haette oder das das Ende eben nur soweit enthuellt wird wie die Charaktere es mitbekommen.

In einer Variation des ganzen wird das dramatische Ende an den Handlungen der Spieler designed.
Das heisst man kann es beeinflussen, es ist massgeschneidert, aber letztlich doch gewisserweise vorgegeben.
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Nin

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #45 am: 15.05.2012 | 18:30 »
Zur Stimmung ... ich würde es so sagen:
Die Geschichte besteht aus 1) der Handlung, die die SpielerInnen anhand ihrer SCs steuern und voranbringen und 2) aus der Stimmung = Gefühl, dass bei den SpielerInnen entstehen soll.

Wie auch Regeln, Setting oder das Thema des Abenteuers, wird die gewünschte Stimmung zu Beginn des Spiels (immer wieder neu) definiert.
« Letzte Änderung: 15.05.2012 | 18:34 von Nin »

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #46 am: 15.05.2012 | 18:52 »
Eine andere Sache, ich mich grade frage, ist wie es mit Instigation steht. D.h. mit mutwilliger Behinderung des SCs. Bei anderen Spielformen heißt das Taschenlampenfallenlassen, neutral eben Instigation. Gehe ich recht in der Annahme, dass Storyteller das allgemein positiv bewerten? Ich denke das lässt sich aus "einen Charakter mit Schwächen spielen" ableiten.

Von den drei schwierigen Punkten versuche ich mich zuerst mal an dem (wobei ich jetzt natürlich mein Modell von "Was ist Storytelling?" zugrunde lege)  ;)

Es kommt, glaube ich, auf die Schwäche an. Bereichert die Schwäche die Story? Trägt sie zur Atmosphäre bei? Dann ist das Ausspielen willkommen. Zerschießt sie die Story, dann ist das Ausspielen der Schwäche nicht willkommen. Hart an der Grenze sind Fragen, die das Genre/Subgenre berühren.

Beispiel: Statt des Taschenlampenfallenlassens nehmen wir mal "Totenangst". Die Story soll mit einer Friedhofsszene weitergehen. Wird voran eine Szene gespielt, in welcher der Charakter mit der Totenangst seine Ängste thematisieren kann, trägt die Schwäche zur Atmosphäre bei. Weigert sich der Spieler, den Charakter auf den Friedhof gehen zu lassen (was je sein gutes Recht ist), kann die Story nicht in der geplanten Form fortgesetzt werden. Wenn es sich dabei um eine Schlüsselszene für den weiteren Spielverlauf handelt, wurde sie komplett zerschossen.

In einem OS(R)-Spiel dagegen wäre das kein Problem, dann wird eben an einem anderen Faden weitergesponnen, allerdings würden sich Mitspieler ärgern, weil der Spieler ihnen einen Erfolg ohne Würfelbegründung zerschossen hat. In einem "Indie-Spiel" wäre der Spieler entweder durch die Regeln/Absprachen zur Teilnahme verpflichtet, oder die Szene könnte keine vorgegebene Schlüsselfunktion haben, weil der folgende Spielverlauf ja offen ist.

Ansonsten können wir auch noch einmal über den Aspekt "Stimmung" reden. Der scheint mir auch recht zentral zu sein. Was ist Stimmung und wie verhält sich Stimmung zu Immersion (wenn überhaupt)?

Stimmung, Atmosphäre und Immersion, das sind höllische Fragen. Diesem Immersionsding stehe ich mit großer Skepsis gegenüber, aber das kann daran liegen, dass ich die berühmten drei Stances (Actor, Author, Director) mit verquicke.

Generell scheint es mir so zu sein, als trage der SL im Storytelling die Hauptlast der Atmosphäre. Das kommt daher, dass er 1) die Geschichte erzählt und 2) die Fakten der Spielwelt nahezu alleine bestimmt. Er weiß deswegen, welche Atmosphäre eine Szene im Rahmen der Story vermitteln soll. Der SL ist angehalten, die Spieler (!) in die gleiche Stimmung zu versetzen, in der auch ihre Charaktere sein sollen.

Ich würde behaupten, Storytelling zielt hier auf das "nahezu authentische Erlebnis" ab: wenn der Spieler in der richtigen Stimmung ist und damit dazu beiträgt, die Stimmung zu vertiefen, ist das ok. Wenn der Spieler eine distanzierte Haltung einnimmt, aber seinen Charakter "stimmungsgemäß" passend handeln lässt, ist das nicht ok.

Möchte niemand auf die Verwendung von Hintergrund eingehen?

Pfffft... sehr schwierig.
Hintergrund - wenn das Spielweltfakten sind, so behaupte ich, dass im Storytelling das gleiche gilt wie im OS(R): Alle Entscheidung über die Spielwelt obliegt dem Spielleiter. Im Gegensatz zur OSR ist der Hintergrund aber fließend und kann notfalls der Story angepasst werden, solange dies heimlich geschieht. Beispielsweise unsere Friedhofsszene: Wenn ihr Ort kein Schlüsselpunkt ist, kann die weiterführende Information oder das unerlässliche Ereignis auch an einen anderen Ort verlegt werden, was die OSR nicht machen würde.

Generell scheint mir der Hintergrund nicht komplexer oder rafinierter ausgearbeitet zu sein, als in anderen Spielweisen: Wichtige NSCs haben persönliche Motive und individuelle Merkmale, Orte haben eine Geschichte und ein bestimmtes Aussehen. Allerdings soll die Darstellung der Orte/Personen der für die Szene gewünschten Atmosphäre (s.o.) dienen. Vielleicht werden deswegen auh zur Beschreibung emotional aufgeladene Adjektive benutzt ("furchteinflößender Blick" usw.).  
« Letzte Änderung: 15.05.2012 | 19:17 von root hog or die »
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Offline Teylen

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #47 am: 15.05.2012 | 18:59 »
Möchte niemand auf die Verwendung von Hintergrund eingehen?
Es gibt zwei Arten von Hintergrund.
Das heisst es waere einmal das eigentliche vertraute, jedoch ueber Geschichten, Erzaehlungen, Fortfuehrungen, Charaktere, geformte Setting.

Daneben gibt es Hintergrund in der Form von Charakter Hintergruende.
Diese gibt es sowohl mechanisch, in Form der Abbildung von Ressourcen, Verbuendeten, Mentoren, Dienern, und dergleichen mehr.
Als auch erzaehlerisch, dadurch das der Spieler ermutigt wird den Charakter ueber die reinen Werte hinaus einen Hintergrund zu geben der die Werte sowie die Schwaechen gewisserweise erklaert.
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Offline 1of3

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #48 am: 15.05.2012 | 20:31 »
Wenn du unbedingt willst... Eine schöne Geschichte braucht plausible Charaktere. Plausible Charaktere brauchen Hintergrund, zumindest denke ich mal, dass Storytelling davon ausgeht.

Das kann gut sein. Im Gegensatz zu Forgianern, für die Plausibilität nur von sehr untergeordneter Bedeutung ist, wohingegen Spontanität und Spielen ad hoc betont wird. Der Hintergrund erlaubt dem Storyteller also sich auf das Spiel seines Charakters vorzubereiten und am Modell zu lernen. Der Forgianer sagt: "Du kannst bitte schön alles spielen und zwar gestern."

Das Aneignen des Hintergrunds könnte gleichsam als Sicherheitsnetz für den Spieler fungieren, wie anderenstils die Regeln. Statt zu sagen "Ich darf so handeln, weils in den Regeln steht" gilt die Maxime: "Ich darf so handeln, weil es sich in den Fluff einfügt." In dieser Weise wird der Hintergrund indirekt verwandt. Nicht die konkreten Inhalten werden auf Spielerseite benutzt, sondern die sich abzeichnenden Muster und allgemeinen Aussagen.

Wie sieht es aber mit der konkreten Verwendung von beispielsweise offiziellen NSCs aus? Erfüllt das einen Zweck außer Arbeitserleichterung für die SL (muss sie sich dann nicht mehr selbst ausdenken)? Wenn ja welchen?


Ich würde behaupten, Storytelling zielt hier auf das "nahezu authentische Erlebnis" ab: wenn der Spieler in der richtigen Stimmung ist und damit dazu beiträgt, die Stimmung zu vertiefen, ist das ok. Wenn der Spieler eine distanzierte Haltung einnimmt, aber seinen Charakter "stimmungsgemäß" passend handeln lässt, ist das nicht ok.

Das scheint mir sehr plausibel. Generell scheint es da eine deutliche Ablehnung von Author Stance zu geben. (Es konnte mir übrigens noch niemand schlüssig erklären, was der Unterschied zwischen Author und Director Stance ist. ;))

Offline Bad Horse

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #49 am: 15.05.2012 | 20:58 »
Wie sieht es aber mit der konkreten Verwendung von beispielsweise offiziellen NSCs aus? Erfüllt das einen Zweck außer Arbeitserleichterung für die SL (muss sie sich dann nicht mehr selbst ausdenken)? Wenn ja welchen?

Der Hintergrund des Settings wird durch die NSCs lebendig. Zumal gut gemachte NSCs (auch im Sinne von Storytelling) ja nicht im Limbo existieren, sondern mit anderen NSCs verknüpft und verwoben sind. Ich schätze mal, dass es dabei hauptsächlich um Arbeitserleichterung geht; außerdem haben offizielle NSCs eben den Vorteil, dass sie jeder kennt und mit ihnen bereits irgendwas verbindet (zumindest, wenn sich die Spieler mit dem Setting beschäftigt haben).

Solche NSCs können z.B. in den Hintergrund eines SCs eingeflochten werden, ohne dass sich SL und Spieler allzu lange über den NSC verständigen müssen - das ist zumindest eine Theorie, ob das funktioniert, steht auf einem anderen Blatt.

Außerdem kann man wohl davon ausgehen, dass auch die Autoren, die Storytelling schreiben, coole und interessante Charaktere spannend finden und sie gern schreiben. ;) So eine Art Autoren-Barbiespiel.


...das bringt mich aber zu einem anderen Thema: Ich habe das Gefühl, dass Charaktergeheimnisse beim Storytelling auch Spielergeheimnisse bleiben sollten - das heißt, wenn ein Char ein Geheimnis hat, dann weiß das sein Spieler und der SL, der Rest der Gruppe nicht.
Das ergibt auch durchaus Sinn, wenn man sich vor Augen hält, dass Immersion eines der Ziele von Storytelling ist: Metawissen wie "XY ist ein Grüner Meuchelbär" stört da eher, weil man es ja nur auf der Metaebene einbinden kann - und das ist eigentlich nicht erwünscht.
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