Ich glaube hinter der Angelegenheit stecken eigentlich
zwei Sachverhalte, die miteinander vernüpft sind:
- 1. Das Bild des jeweiligen Spielers von seinem Charakter
- und 2. die Auswirkungen von Sozialwerten auf das Spiel.
Zu 1.: Die Vorstellung eines Spielers von seinem Charakter lässt sich nicht 1:1 in Werte gießen. Selbst willensschwache Herumtreiber und skrupellose Meuchelmörder haben ihre Überzeugungen, für die sie bereit wären durch's Feuer zu gehen. Solche Setzungen und Grenzen der SC - außerhalb fester Regeln - bekommt man als SL eigentlich recht gut mit und kann sie für's Spiel berücksichtigen.
Beispiel:
Der Buchhändlerlehrling und Herumtreiber Corwin, lässt sich zu allerlei kleinkriminellen Dingen anstiften, solange es dabei hilft, dass er und seine kranke Mutter ein Auskommen haben. Auf einen Einbruch bei einem wohlhabenden Kaufmann könnte er sich evtl. einlassen. Sobald seine Mutter in kriminelle Machenschaften gezogen würde, oder gar bedroht würde ist ENDE GELÄNDE.Werte: Niedrige Willenkraft.
Zu 2.: Es gibt Spieler, die meinen Sozialwerte wären nicht so wichtig, weil sie im Spiel für gewöhnlich weniger Relevanz besitzten als andere Werte. Außerdem könne man soziale Interaktion ja ausspielen. Solche Spieler versuchen - nach meiner Auffassung - gezielt das Spielsystem zu "betrügen". Wenn der Spieler einen standhaften, edlen Krieger spielen möchte, dann soll er gefälligst für seinen SC ordentlich Punkte auf Willenskraft legen und zumindest für einen durchschnittlichen Charismawert sorgen.
Mag sein, dass der Charakter dann nicht mehr der Überkämpfer ist, doch: Die anderen Spieler haben es auch geschafft mit Hilfe des Systems sich ihren SC zu basteln und den entsprechend der Werte zu spielen.
Ein standhafter, edler Krieger ist nunmal mit einer lausigen Willenskraft auf dem Spielbogen nicht machbar.
Es geht um faires, gemeinsames Spielen (dafür sind die Regeln Grundlage) und nicht um die Wünsche und Eskapaden eines einzelnen.
Das vorneweg, weil ich beim
Elfen-Spieler Problem
1 als das Relevante sehe und beim
Adeligen-Spieler Problem
2.
Konkret zu Gruppe von JS:
I. Der AdeligeDer vierte Spieler nun spielt einen fereldischen Adligen, der gern vorgibt, ehrbar zu sein, aber schon bemerkenswert unmoralische Taten unternommen hat. Da er beim Bestechen zwischen Ehre und Geld schwankte, ließ ich ihn einen Sozialwurf machen und dachte mir, der Wurf müsse schon eine Katastrophe werden, damit sich der Charakter an der geplanten Schandtat beteiligen würde. Und der Wurf wurde leider der schlimmste im System mögliche (3 x 1 auf 3d6). Somit ließ das Schicksal keine Fragen mehr offen, die Schandtat wurde begangen, der satte Lohn allseits eingestrichen (und gleich in dicke Ausrüstung gesteckt). Das führte aber dazu, daß die Verbrecher das Land Richtung Norden verlassen mußten, weil sie mächtigen Gegnern auf die Füße getreten waren.
Für den Adeligen-SC ist alles korrekt gelaufen. Das Spiel mit dem ehrbaren Anstrich ist ausgespielt. Er hat sich beim Spiel mit dem Feuer verbrannt. Jetzt heißt es für ihn: Entweder wirklich ehrbar werden, den äußeren Schein der Ehrbarkeit wiederherstellen oder den Weg des Schurken offen zu gehen. Wie auch immer: Der Charakter des vierten Spielers steht vor einer interessanten Entwicklung.
Der Adligenspieler, der als Spieler Grauzonenspiel haßt, findet plötzlich auf den Weg der Tugend zurück, will alles Geld spenden und seinen SC ins Kloster schicken - also aufgeben und ein Halbweltspiel nicht mitmachen.
Das also soll die Lösung sein. Enttäuschend und ärgerlich zugleich.
Ähnliches ist mir mit einem Mitspieler in einer TSoY-Runde passiert. Sein SC: Der zwielichtiger Charakter mit dem guten Schein. Als wir an den Punkt gekommen waren, dass sich unsere Gruppe - also eigentlich alle SC - festlegen und Stellung beziehen musste, da ist jener Mitspieler effektiv ausgestiegen -> Das Ende der Runde.
Für mich, der ich auf die Entscheidung hingespielt hatte und einiges dafür eingesetzt hatte war das vor allem eines: BETRUG!
=> Kurz: Wer seinem Charakter PLOT-IMMUNITÄT geben will, ist BEIM ROLLENSPIEL FALSCH! Der soll Fan-Fiktion schreiben.
Der Spieler soll sich überlegen, ob Rollenspiel, das immer mit Interaktion und Konsens zu tun hat, das richtige für ihn ist.
II. Der ElfDer abwesende Spieler kann seinen wohltätigen Elfen ebenfalls nicht mehr in einer solchen Gruppe verorten.
Sein Charakter war - wenn ich das richtig lese - ebenfalls nicht anwesend. Wäre der Elf dabei gewesen, hätte er wohl gegen die Bestechung interveniert. Auch das ist Rollenspiel, dass nicht jeder Spieler immer und gleichermaßen darauf Einfluss hat, was im Spiel passiert. Doof gelaufen für ihn! Aber kein Grund beleidigt zu sein.
Der Spieler kann seinen SC nicht mehr in der Gruppe verorten? Seltsam. Ist der Gruppenzusammenhalt so schwach, dass dem Elfen seine Kumpels egal sind? Wenn das nicht der Fall sein sollte, hat der Elf allen Grund weiterzuspielen. Die Missetäter zurück auf den Pfad der Tugend zu führen könnte seine Motivation darstellen.
Oder: Vielleicht gibt es ja sogar die (halsbrecherische?) Möglichkeit den Bestechungsdeal rückggängig zu machen.
Andernfalls:
Wenn der Elf nach dem Bild des Spielers tatsächlich nicht mehr in die Gruppe passt und seine Motivation die Gruppe zu verlassen bedeutend sind, dann sollte dem Spieler erlaubt werden mit einem anderen SC weiterzuspielen.