Mal andersrum: Was willst du denn, dass die Stunts machen? Sag jetzt nicht, "so was wie die Charms bei Exalted", sondern überleg dir, was der Punkt an den Charms ist, der die so toll macht.
Es gab in den Weiten des Internets schon viele Versuche "Exalted" ohne Charms zu bauen, weil das den Regelaufwand drastisch reduziert... ich habe mir viele davon angeguckt und hatte bei allen das Gefühl: "Nah..." Ich versuche es so zu vergleichen. Charms sind effektiv wie die "Gaben" im Werwolf der alten WoD: Kleine, spezialisierte Tricks, die irgendwie das Gefüge der Welt ein wenig zu meinen Gunsten verändern (auf den höheren Stufen sind Charms natürlich richtig krass, aber im Grunde immer noch stark spezialisiert, weil immer nur auf eine Handlung, Tätigkeit, etc. bezogen). Grabowksi, der Chefredakteur der Ersten Edition von "Exalted" hat sie mal mit Kung-Fu-Techniken aus alten Filmen verglichen (daher auch ihre doofen Namen
) und dieser Vergleich ist unheimlich passend. Man lernt Charms deswegen im Urspiel ja auch in Bäumen.
Würde man die Charms aus Exalted rausstreichen, wäre das Spiel eher wie das alte "Mage". Ein Charakter kanalisiert die Essenz nicht mehr, sondern formt sie (möglicherweise in bestimmten Domänen oder Einflussgebieten) so, wie er es grade braucht. Er hat keine Einzeltechniken mehr, sondern lediglich eine gewisse Befähigung in einer solchen Domäne. Das klappt bei "Mage" auch wunderbar. Für "Exalted" vermittelt es mir das falsche Flair: Es macht die geheime Spezialtechnik, die im Sternenturm des Auserwählten der Saturn aufbewahrt wird, obsolet – oder bindet sie zumindest nicht in den Crunch ein. Ich glaube auch, dass Essenz selbst so nicht funktioniert. Essenz ist nicht diffus, sondern sie muss praktisch in kleinen Portionen genau und konzentriert rausgelassen werden. Deswegen fokussiert sich Essenz auch in Refugien in einem Herzstein. Und deswegen sind Hexerei und Nekromantie, bei denen die Essenz wirklich nur mit dem reinen Willen geformt wird, einfach ein Feld, was Jahre des Studiums und eine Menge Opfer fordert um überhaupt so weit zu kommen. Und selbst dann sollte man sich zum Erforschen einer neuen Essenzmanipulationsformel besser weit weg von der Zivilisation begeben, wo niemand drumherum zu Schaden kommen kann.
Es hat also nicht nur regelästhetische Gründe, warum ich die Charms behalten will. Die Stunts schienen mir für meine Konversion sehr geeignet, weil ich so an dem Konzept der Kung-Fu-Technik festhalten kann. Besonders an FATE gefällt mir da die Geschichte mit den Schablonen, also allgemeine Dinge, die Stunts so können. Das müsste ich dann nur noch auf Exalted anpassen und jeder könnte sich simpel sein eigenes Charmpaket schreiben, ohne Probleme. Bezahlt werden die Charms dann durch Essenzstress, der, wenn man ihn mit Konsequenzen ausgleichen muss, sich als Animabanner realisiert. So als Gedankenspiel passt die Geschichte ja ganz gut...
Problematisch wird es vor allem bei den höherstufigen Charms: Ich meine "Ich schieße einen Pfeil in die Sonne und er trifft sein Ziel, egal wo es sich auf der Welt befindet" oder "Ich wehre jeden Angriff mit vollem Würfelvorrat ab, solange meine Füße den Boden berühren" oder "Ich verwandele mich in eine 15 Meter große Killerbestie mit 100 Gesundheitsstufen". Auf den höheren Essenzleveln bricht das System, weil es einfach mit FATE bricht. Ich denke schon, dass man das anpassen kann, aber ich frage mich, wie...
Ich hatte ja zuerst darüber nachgedacht den Essenzwert aus dem Urspiel irgendwie drin zu lassen. Man kann also einfach nur Charms lernen, die auf oder unter der eigenen Essenzstufe liegen. Charmstunts mit höheren Effekten wie etwa Mehrfachangriffen brauchen einen höheren Essenzwert und kosten daher auch mehr Essenz. Außerdem gilt immer die Regel "1 Charm pro Runde", wer mehr einsetzen will, muss mehrere zu einer Combo verbinden.
Das Doofe ist, dass ich da gleich schon wieder am FATE-Grundsystem rumfuddele und das macht nicht wirklich so viel Laune, wie man meinen könnte. Eigentlich finde ich das sogar recht unelegant. Charms wie die Dresden-Files Powers in Refresh-Kosten einzuteilen ist mir aber auch eher zuwider – ich bin eher ein Freund eines fixen Refresh und einer fixen Anzahl an Stunts zu Beginn, weil sich Powers mit Refresh nicht immer 1:1 vergleichen und aufrechnen lassen.
Das schöne am Essenzwert war ja immer, dass er gleich angezeigt hat, wie mächtig der Charakter eigentlich war. Dass
Mnemon oder
Raksi krasse Leute sind, zeigt sich an ihrem Essenzwert. Bei FATE ließe sich das am Besten auf die FATE-Punkte übertragen und die Anzahl an Aspekten. Aber Charms spielen dabei natürlich auch eine große Rolle.
Was vielleicht eine Idee ist, ist dass man Charms (Stunts also) nach und nach aufwerten kann, also aus einem +2 Bonus einen +4 macht usw. Aber auch das scheint mir alles unintuitiv. Wo ich hin will, ist, dass ich wie bei allen anderen FATE-Varianten auch ein paar Grundeffekte habe, aus denen sich die Leute ihre Stunts zusammenbauen und mächtigere Stunts einfach mehr Essenz und mehr FATE-Punkte kosten.
Eine Idee wäre da natürlich, dass man einfach eine Art Grundcharm entwirft: "1 Ziel innerhalb derselben Zone bei einem Bonus von +1 für eine ganz spezifische Handlung, keine FATE-Punktekosten, kein Manöver, kein Block, kein Aspekt, 1 Essenzstress"
Diesen Grundcharm kann man dann aufmotzen indem er auf mehr Ziele geht, mehr als eine Zone, etc. Da kriege ich nur alle möglichen Charms nicht unter, denn Bewegungscharms werden damit schon schwierig zu bauen.
Soweit mein Dilemma. Ich will es gleichzeitig möglichst einfach halten, ohne ein bisschen Basteln auszuschließen, und zugleich soll es viele Möglichkeiten einfach abbildbar machen.
...PDQ wäre für die Conversion vielleicht sogar besser, weil es noch mehr Crunch ins Erzählerische verlegt. Fate will da möglicherweise schon zu viel verregeln (oder hat dafür ein zu starres Regelgerüst). Vergleich mal unsere Scions-Runde (die sind ja ungefähr auf dem Exalted-Level) mit der Exalted-Runde auf dem Großen.
Das ist jetzt aber gemein... Salz in die Wunde streuen...
Aber dass die "Exalted"-Runde auf dem Treffen so murksig war lag ja nicht (primär) am Regelsystem. Ich habe ja definitiv meine Lektion gelernt und will gerade in Hinblick auf die Charms etwas einfacher werden – sich durch Tabellen von Boni zu kämpfen ist zwar funktional, aber nicht sehr elegant.
Mit PDQ habe ich die Schwierigkeit, dass es zu abstrakt ist. Ich bin kein großer Fan vom Schadenssystem, sondern finde Konsequenzen spannender. Ich habe riesigen Spaß mit Aspekten. Ich halte PDQ für sehr cool, wenn es um schnelle Action geht, aber für längere Kampagnen ist es mir nicht differenziert genug. FATE bietet mir da ein wenig mehr Spielraum. Und die PDQ-Konversion, die ich von Exalted mal angesehen habe, muss sich fast ein Bein ausreißen, um bestimmte Settingelemente des Spiels vernünftig zu verregeln. FATE leistet das souveräner.
@ElfenLied: Interessant sehen die Sachen schon mal aus, danke!