Autor Thema: [Dresden Files] Miami Files - Die Ritter von Miami (a.k.a. "Die schönen Männer")  (Gelesen 52874 mal)

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Offline Timberwere

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Schon seit knapp zwei Jahren spielen wir alle paar Monate jeweils ein ganzes Wochenende lang eine Runde im Universum der Dresden Files von Jim Butcher. Das macht sehr viel Spaß, aber irgendwie bin ich bis zu unserem letzten Abenteuer nicht dazu gekommen, mal selbst einen Spielbericht von den Runden zu schreiben. Jetzt allerdings hat sich das geändert - was allerdings auch bedeutet, dass das Diary Bezüge auf vergangene Ereignisse enthält, die nicht näher definiert sind. Muss ich schauen, ob ich das so lasse (echte Tagebücher sind ja auch nicht immer in allen Details aus-erklärt, weil sie nicht dafür gedacht sind, dass sie jemand anderes außer dem Autor liest) oder ob ich doch noch irgendwann in Rückblenden die früheren Erlebnisse der "schönen Männer" erzähle.

"Die schönen Männer" ist übrigens (oder war bislang) der Spitzname unserer Gruppe, weil wir alle männliche Charaktere spielen, die auch noch alle ziemlich gut aussehen bzw. über tonnenweise Charisma verfügen. Das war eigentlich gar keine Absicht, hat sich aber so ergeben. Bei unserer letzten Session jedoch scheint sich ein neuer Spitzname herauskristallisiert zu haben: "Die Ritter von Miami". Schauen wir mal, ob sich das einbürgert, oder ob sie doch "die schönen Männer" bleiben.

Und das sind die "schönen Männer":
  • Alex Martin. Eleggua's monkey with a wrench. Verdient sich seinen Lebensunterhalt mit diesem und jenem, sprich allen möglichen handwerklichen Tätigkeiten, Gefallen, die er Leuten macht und die er von Leuten bekommt. Er kann alles fahren, was Räder hat lenken, was sich fortbewegt, kennt alles und jeden sowie Wege ins und durch das Nevernever.
  • Edward Marcus Parsen. Lykanthropischer Cop im Special Investigations Unit des Miami Police Department, der nicht nur zu Vollmond seinen Zorn und seine Aggressionen im Zaum halten muss. Ist in einer vorsichtigen Beziehung mit Cherie Raith, Totilas' Cousine.
  • Ricardo "Cardo" Alcazár. Bestsellender Urban Fantasy-Autor. Der einzige Pure Mortal der Runde, der dafür Fantasie und Kreativität, Charme und Überredungskunst sowie nicht zuletzt ein wohlgefülltes Bankkonto aufweisen kann. Seine Bekanntheit hat ihm schon Türen geöffnet, ihm aber auch schon den einen oder anderen unangenehmen Moment verschafft.
  • Roberto Alveira. Tief gläubiger Santerío, der allerdings von den meisten anderen Santeríos als Scheinheiliger betrachtet und zum Teil nicht sonderlich gemocht wird, von den Leuten, die ihm vorwerfen, einen zu starken Fokus auf Geld und das Materielle zu legen.
  • Totilas Raith. Philantropischer White Court-Vampir. Totilas, der in vollem Wissen zum White Court Vampir geworden ist, weil er mit deren besonderen Fähigkeiten den Menschen besser helfen kann, wie er fand, hat seinen Hungerdämon stets unter eiserner Kontrolle. Vom Rest seiner Familie, vielleicht mit Ausnahme seiner Cousine Cherie, wird er wegen seiner Schwäche für die Menschen meist mit Herablassung gesehen, aber in letzter Zeit hat er (auch im Zusammenspiel mit seinen mehr oder weniger normalen Freunden) doch etwas den Respekt seines Großvaters Gerald erringen können.

(Unsere Abenteuer sind übrigens alle nach den echten Harry-Dresden-Romanen benannt, aber trotz der identischen Titel sind die eigentlichen Abenteuer von den Romanhandlungen völlig unabhängig. Es hat sich nur, ähnlich wie der Spitzname für die Jungs, einfach ergeben, und es macht riesigen Spaß, die bekannten Romantitel komplett anders zu interpretieren.)
« Letzte Änderung: 26.06.2014 | 18:42 von Selganor »
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
Meine Rede.
Zitat von: Shield Warden
Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

Offline Timberwere

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Ricardos Tagebuch: Summer Knight 1

Schreibblockade. Ich fasse es nicht. Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie eine Schreibblockade. Jamás. Never. Jamais. Okay, ich weiß genau, wovon sie ausgelöst wurde, aber das macht es nicht besser, verdammt. George ist schuld. Und ich kann dem kleinen burro eigentlich noch nicht mal richtig böse sein.

Und das gerade, wo Sheila bzw. der Verlag jeden Tag mit irgendwelchen Änderungswünschen für Faerie Storm ankommen können. Naja, für die hätte ich momentan ohnehin keine Zeit.

Aber ich muss irgendwas schreiben. Und wenn ich schon nicht arbeiten kann, weil diese blöde Schreibblockade mir nicht aus dem Kopf will, dann muss ich mich eben irgendwie ablenken. Mit Tagebuchschreiben zum Beispiel. Das habe ich sowieso viel zu lange vernachlässigt. Und vielleicht hilft es ja, schüttelt irgendwelche geistigen Steine aus dem Weg oder was weiß ich.

Und überhaupt glaubt mir das außer den Jungs sowieso wieder keiner, wenn ich es irgendwem erzähle, also kann es auch hier rein und – falls es doch mal irgendjemand finden sollte – für Fingerübungen für einen neuen Roman gehalten werden. Sollen sie doch.

Mierda. Ich winde mich um den heißen Brei und verzapfe völligen Blödsinn, nur um irgendwie die Zeilen vollzukriegen, und glaubt bloß nicht, dass ich es nicht merke, Römer und Patrioten.

Also gut. Genug prokrastiniert. Wir haben wieder mal Ärger am Hals, und zwar so richtig. Als ob der, den wir uns bisher angelacht haben, nicht reichen würde.

Machen wir es kurz: Die Traumfresser gehen in der Stadt um. Wobei das eigentlich gar nichts Besonderes ist. Eigentlich gehen die immer um, schleichen sich in die Träume von Schlafenden und knabbern hier ein Stückchen, da ein Stückchen, ohne dass der Träumer es überhaupt bemerkt oder ihm das schadet.

Aber seit der großen Halloween-Party von Gerald Raith letztes Halloween – und lasst mich bloß nicht von der anfangen, Römer und Patrioten, sonst sitze ich nächstes Jahr noch hier und schreibe – vertreibt dieser Sommerfeen-Typ, Antoine, der mit Edwards Mutter angebandelt hat, doch diese seltsamen Feendrogen.

Bisher hatten wir mit denen nicht sonderlich viel zu tun, weder mit den Drogen selbst noch mit Antoine und Mrs. Parsen, weil Edward den beiden tunlichst aus dem Weg geht. Aber auf Alex’ Geburtstagsfeier vor drei Tagen sind uns dann ein paar Leute aufgefallen, die fürchterlich übernächtigt wirkten, teils auch echt gereizt. (Roberto kann da ein Liedchen von singen.) Das Mädel, mit dem ich mich unterhielt, war weniger gereizt, nur traurig und müde. Sie erzählte mir, dass sie so tolle Träume gehabt habe, seit sie angefangen habe, Antoines Zeug zu nehmen, viel bunter und schöner als sonst immer, aber seit einer Weile würde sie gar nicht mehr träumen, auch nicht die langweiligen normalen Sachen mehr, und sie wolle die tollen Träume zurück. Sie marschierte dann auch prompt los, um es „nochmal zu versuchen“.

Das klang verdammt nach typischem Suchtverhalten, wenn ihr mich fragt. Erst das Hoch, von dem man nicht genug bekommen kann. Und dann bleibt es aus, so dass man immer und immer und immer mehr davon braucht. Und nun träumt Alison gar nicht mehr, braucht also vielleicht eine andere Droge als die, die sie bisher von Antoine bezogen hat? Eine stärkere vielleicht? Hah. Honi soit qui mal y pense.

Dasselbe oder ähnliches hatten auch die anderen übernächtigten Partygäste erzählt, die wir befragt hatten. Alle hatten sie Antoines Zeug genommen, alle hatten sie erst so bunt geträumt, und bei allen hatte es dann plötzlich komplett aufgehört, und sie träumten gar nicht mehr. Und interessanterweise sahen sie alle in ihrem letzten Traum eine graue, immer zur jeweiligen Szenerie passende Gestalt, die alles aus den Träumen löschte, was sie berührte. Und am Ende war der ganze Traum fort, und dann berührte die Gestalt die Träumer selbst, wovon sie aufwachten und seither nicht mehr träumen konnten.

Muy sospechoso, amigos...

Antoine, den wir daraufhin direkt auf die Sache ansprachen, wirkte allerdings ehrlich erstaunt, weil das nie in seiner Absicht gelegen habe. Die Leute sollten einfach nur „schön träumen“, sagte er.  Deswegen hatte er Alex ja auch mit genau derselben Bemerkung einen Tiegel roten Honigs geschenkt.

Diesen Honig untersuchte Edward am nächsten Tag in seinem Labor. Seinem richtig gut ausgestatteten Labor. Keinerlei High-Tech, alles Erlenmeyerkolben und Petrischalen und Reagenzgläser und gute alte chemische Handarbeit, aber sehr, sehr umfangreich. Und aufgeräumt. Und überhaupt. Römer und Patrioten, considerame impresionado.

Langer Rede kurzer Sinn, auf rein mundaner Ebene war das Zeug genau das: Honig. Aber da Edward es ja auch und vor allem magisch betrachtete, stellte sich heraus, dass dadurch ein Tor ins Nevernever geöffnet und gewissermaßen eine Kopie der dort vorgefundenen Szene in den Geist des Schlafenden projiziert wird, den dieser dann im Traum betrachten und durchwandern kann. Eigentlich völlig harmlos, ohne Nebenwirkungen und nicht süchtig machend, soweit Edward das beurteilen konnte.

Wir kontaktierten Jack „White Eagle“, der sich nur zu gern von seiner Hippie-Kommune weglotsen ließ, weil dort anscheinend gerade eine Meute nerviger und spirituell hungriger Seniorinnen aufgeschlagen war. Der konnte uns allerdings auch nicht sonderlich viel mehr sagen. Nur, dass er das Zeug genau einmal genommen hatte, seine Traumszenerie irgendwie europäisch aussah und darin kein graugewandeter Radiergummi irgendeiner Art aufgetaucht war. Nach diesem ersten Mal habe er es nicht mehr genommen, und seine Träume seien wieder völlig normal, wie vorher auch.


Edward musste dann aber erstmal schleunigst zur Arbeit. Sein Chef wollte, dass er einem Marshal Schützenhilfe gibt, der in die Stadt gekommen war, um irgendwen zu suchen.
Ahem. Einer Marshal. Alex Martins Schwester, um genau zu sein.  Und der Typ, den sie sucht, hängt natürlich voll in unserer Traumfresser-mierda mit drin, aber das wussten wir zu dem Zeitpunkt noch nicht.

Wir waren nur alle immer noch in unserer mobilen Standleitung, als Edward auf dem Revier aufschlug, und so konnten wir mithören, dass der Marshal als ‚Dee Martin’ vorgestellt wurde und dass sie einen gewissen Ortego Ruiz suche, der aus dem Zeugenschutzprogramm abgehauen sei.
Eigentlich kein Verbrechen an sich, aber da der Prozess, wegen dessen er ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen worden sei, in die Berufung gehe und man Ruiz’ Aussage brauche, müsse sie ihn eben finden.

Edward fand später noch raus, dass Ruiz bei den Santo Shango gewesen sei und in dem Prozess gegen die Latin Kings ausgesagt habe. Yay. Naja, wenn ich gegen die Latin Kings ausgesagt hätte, wäre ich aber auch ins Zeugenschutzprogramm gegangen, Römer und Patrioten. Das Bild von dem Kerl, das Edward später herumzeigte, kam Totilas und mir allerdings bekannt vor: Den hatten wir letztens mal bei einer von Pans Partys am South Beach rumhängen sehen, als Pan uns mal wieder zu seiner seiner Feten eingeladen hatte und wir ja schlecht absagen konnten.

Also Pan aufsuchen, claro. Allerdings traf Alex sich erst noch mit seiner Schwester. Sehr niedlich, die junge Dame. Auch wenn sie mich vermutlich ungespitzt in den Boden rammen würde, wenn sie wüsste, dass ich das Adjektiv „niedlich“ mit ihr verbinde. Aber okay, es ist auch gar nicht so wirkich das richtige Wort. Verdammt hübsch. Verdammt attraktiv. Kompetent. Und ziemlich sachlich-kühl, weil sie in der Männerwelt der Marshals ständig allen beweisen muss, dass sie eben nicht niedlich ist.
Warum ich das weiß? Äh. Roberto, Totilas und ich nahmen uns in dem Restaurant einen Tisch in einer anderen Ecke und linsten mal rüber. Mussten doch sehen, wie Alex’ Schwester so ist. Wir wären auch beinahe nicht aufgeflogen, wenn Roberto nicht ständig so auffällig rübergestarrt hätte. Naja. Wir wollten sowieso unabhängig von Alex und Dee gehen.

Pans Party war wieder so eine Sause, wo man ab einem bestimmten Punkt am Strand in die Feenwelt rüberwechselte. Ich frage mich wirklich, ob der gute Pan damit nicht gegen irgendwelche Feengesetze verstößt, wenn er einfach so jeden Normalmenschen, der zufällig auf seiner Party landet, in die Feenwelt lässt. Aber vermutlich kann er sich das leisten, er ist immerhin ein Herzog des Sommerhofes oder sowas, wenn ich das richtig verstanden habe.

Und wer stand neben ihm, in der glänzenden Rüstung eines Feenritters und mit einem Schwert an der Seite, bester Laune und offensichtlich el mejor amigo de Duque Pan? Ihr habt es erfasst, Römer und Patrioten. Señor Ortego Ruiz in voller Lebensgröße.

Sir Anders (genau der Sir Anders, der, wegen dem ich mich mit Edward duellieren musste) war auch da. Uns gegenüber hegte er keinerlei Groll mehr, immerhin war durch das Duell Cassidy Greys Ehre wiederhergestellt, sein resentimiento mir gegenüber aufgehoben, und die Sturmkinder hatte er bei der Auktion auch gewonnen.
(Übrigens erzählte er – mit todernster Miene – dass Ms. Grey entführt worden sei, denn eines Tages sei sie spurlos aus seiner Wohnung verschwunden gewesen, und sämtliche Wertgegenstände mit ihr.
Der Mann ist eine Fee, da gelten strengere Gesetze von Höflichkeit, einem Feenritter lacht man nicht einfach so ins Gesicht, aber ich musste echt an mich halten. Der arme Anders. Kann einem richtiggehend leid tun.)
Jedenfalls war Sir Anders auf Ruiz überhaupt nicht gut zu sprechen. Es gefiel ihm gar nicht, dass der seit neuestem Pans Erster Ritter ist. Denn erstens hat Ruiz wohl vor ein paar Wochen in einem magischen Duell den vorigen Ersten Ritter besiegt und somit ersetzt, außerdem behandelt er Frauen völlig respektlos, und drittens hat er auch noch einen sehr schlechten Einfluss auf Pan, der ja schon sowieso nicht der Stabilste aller Fae ist.

Aber jedenfalls war Ruiz gefunden, und deswegen ging Edward los, um bei Marshal Martin anzurufen und ihr zu sagen, wo sie hinkommen solle. Oh, achja. Irgendwas hatte ich um Ruiz rumhuschen sehen, irgenwas Kleines und Schwarzes und Schattenhaftes. Nur was es war, das konnte ich nicht genauer sehen, und ich konnte dann auch erstmal nicht darüber nachdenken.

Denn Ricardo Esteban Alcazár wurde zu einer Audienz bei einer veritablen Feen-Lady geladen, Römer und Patrioten. Die Frau nannte sich Lady Fire und war – natürlich, sie ist eine Fae! – atemberaubend schön, aber hey. Lady Fire. Flammenhaar und glühende Augen und zu heiß zum Anfassen. Ich hab’s natürlich doch getan. Sie angefasst, meine ich. Zweimal sogar, am Anfang und am Ende. Ich kann ihr ja schließlich den Handkuss nicht verweigern, wenn sie mir ihre Finger hinstreckt. Aber aua, aua, aua. Gut, dass sie nicht darauf bestanden hat, sich während des Spaziergangs, den sie mit mir machen wollte, bei mir unterzuhaken, wie sie das erst vorhatte. Und gut, dass draußen vor ihrem Pavillon ein gut gefüllter Sektkühler in der Nähe stand. Aua.

Wie sich herausstellte, ist die Lady ein großer Verehrer meiner Bücher. Sie kann nur leider nicht so ganz zwischen Fiktion und Wirklichkeit unterscheiden. Eric Albarn ist derjenige mit den indianischen Vorfahren, nicht ich! Aber hey, welcher Autor kann schon von sich behaupten, dass waschechte Fae zu ihren Fans gehören – und dieser Fan es ihnen auch noch selbst ins Gesicht gesagt hat. Ich war jedenfalls schwer bedruckt, Römer und Patrioten.

Aber ich fürchte, ich habe eine Dummheit gemacht.
Ich erzählte der Lady Fire, dass bald der nächste Band herauskommen wird, und sie meinte doch tatsächlich, sie hätte das Buch schon gelesen! Cólera. Das wird doch noch umgeschrieben. Jedenfalls fuhr mir heraus, es wäre mir eine Ehre und eine Freude, ihr eines zu überreichen, wenn es denn ganz fertig sei. Und hätte mir in genau diesem Moment am liebsten auf die Zunge gebissen, denn was ist die Lady Fire nochmal? Richtig. Eine Fee. Und was mögen Feen gar nicht? Richtig. Geschenke. Toll gemacht, Alcazár.
Ich wollte mich dann noch rauswinden, so ein Buch sei ja gar kein richtiges Geschenk, weil man als Autor ja zig Freiexemplare davon hat, die man unter die Leute schmeißen kann, aber ich glaube, das hat es beinahe eher noch schlimmer gemacht. Wir einigten uns dann aber doch gütlich darauf, dass ich mein Wort selbstverständlich nicht zurücknähme, niemals, und dass die Lady Fire mir ein angemessenes Gegengeschenk machen werde. ¡Madre mía, ayudame!

Über Ortego Ruiz konnten wir dann aber auch noch kurz reden, auch wenn sie bei der Erwähnung dieser ‚Kreatur’ (Zitat Ende) regelrecht zu kochen begann. Sie mag ihn offensichtlich genausowenig, wie Sir Anders das tut, oder noch weniger.

Bis ich von der Lady wegkam, war auch Edward wieder da, mit Alex’ Schwester im Schlepptau. Die konfrontierte Ruiz und forderte ihn auf, zu seiner Aussage im Berufungsprozess zurückzukommen, aber der lachte nur und erklärte, sie könne ja versuchen, ihn zu zwingen. Nützen werde es ihr nichts, weil seine Magie stärker sei als ihre.

Hossa. Alex’ Schwester, magisch? Naja, Alex ist es ja immerhin auch, es sollte mich also eigentlich nicht überraschen.

Oh, und ja. Der Kerl ist tatsächlich genauso frauenfeindlich, wie das alle von ihm gesagt hatten. Das zeigte sich deutlich darin, wie er mit Dee redete. Und noch viel mehr darin, dass er gerade mit einem ohnmächtigen Mädchen aus einem Zimmer kam, als Dee ihn aufhielt. Und mit der marschierte er dann auch einfach weiter, als die Konfrontation vorüber war. Aufhalten konnten wir den cabrón dummerweise nicht. Feengesetze der Gastfreundschaft und so. Und vor allem, der Kerl scheint wirklich verdammt stark zu sein, was seinen magischen Wumms angeht.

Ich meine, immerhin war er bei den Santo Shango, kann also diese Santería-Magie. Hat jetzt als Pans Erster Ritter Feenmacht von dem bekommen. Und nicht zu vergessen diese Schattendinger, die um ihn rumhuschten. Die erkannte Roberto bei dieser zweiten Gelegenheit als sogenannte Oneirophagen. Also Traumfresser, oh ihr Nichtgriechen.

Wie weiter oben schon geschrieben: Eigentlich sind die Viecher völlig harmlos. Das sind kleine Wyldfae, die sich eben von Träumen ernähren, aber halt normalerweise nur hier und da ein bisschen knabbern. Roberto konnte allerdings sehen, dass die Exemplare, die um Ruiz herumhuschten, deutlich größer und besser genährt aussahen als Oneirophagen das sonst tun. Claro, wenn diese speziellen Vertreter ihrer Gattung ja in letzter Zeit ganze Träume fressen, statt nur ein bisschen zu naschen. Was den Opfern übrigens gar nicht gut tut, wusste Roberto. Der muss mal ein Buch über die gelesen haben oder so, der war nämlich glücklicherweise verdammt genau über die kleinen Biester informiert.
Denn wenn so ein Traum mal völlig aufgefressen ist, erholt sich das Opfer normalerweise nicht mehr davon. Es ist dann von seinen Träumen komplett abgeschnitten, und der Mensch muss ja träumen, um zu verarbeiten. Und wenn man das nicht kann, geht man irgendwann daran zugrunde.

Mierda. Wir müssen irgendeinen Weg finden, um den Leuten ihre Träume zurückzugeben.
« Letzte Änderung: 17.07.2012 | 14:51 von Timberwere »
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
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Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

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Ricardos Tagebuch: Summer Knight 2

Zu diesem Zweck wollten wir anderen vier nochmal mit Antoine reden, während Alex indessen Hurricane aufsuchte, um den vor dem derzeitigen Zustand seines Vaters zu warnen und ihn zu bitten, dafür zu sorgen, dass Tanit Pan nicht aufsuche, bis der Ruiz’ Einfluss wieder losgeworden sei. Denn das wäre sonst... nicht lustig. Höchst explosiv, um genau zu sein.

Antoine war von Ruiz übel zusammengeschlagen worden. Er selbst war nicht bereit, gegen Pans Ersten Ritter zu reden – Feenehre und Feenschwüre und so – aber Mrs. Parsen erzählte uns, was los war, während Antoine einen Spaziergang machen ging. Nachdem er von uns gehört hatte, dass es negative Nebenwirkungen gebe, was er so nie gewollt hatte, wollte Antoine sich weigern, seine drei Drogensorten weiter herzustellen. Aber Ruiz verprügelte ihn und erinnerte ihn an seinen Eid dem Sommerherzog – und somit dessen Erstem Ritter – gegenüber. Anscheinend hatten Ruiz und Antoine überhaupt zusammen geplant, diese Traumdrogen zu produzieren und unter die Leute zu bringen, wobei der Fae keinerlei Ahnung hatte, dass sein Kumpel damit irgendwelche Oneirophagen füttern wollte.

Wieder zurück von seinem Spaziergang, erzählte uns Antoine genaueres über die Wirkweise der Drogen. Das ging zum Glück nicht gegen seinen Eid. Es gibt drei Sorten, wie wir ja schon wussten, deren Effekt von unterschiedlichen Reizen ausgelöst wird, die aber dieselbe Wirkung haben. Wie Edward bei der Analyse ja schon herausgefunden hatte, wird tatsächlich kurz ein Tor ins Nevernever, zu wenigen ganz bestimmten Orten,  geöffnet und eine Kopie der jeweiligen Szene in den Geist des Träumenden geladen. So kommen vermutlich auch die Oneirophagen in die Träume hinein – denn für normale Träume müssen sie ja auch selbst ein solches Tor in den Geist der Schlafenden hinein öffnen. Und – und diese Information war für uns besonders interessant – wenn man im Nevernever ist und sich zur richtigen Zeit am richtigen Ort befindet, dann kann man sehen, wie sich diese Tore dort öffnen.

Alex ließ sich also von Antoine beschreiben, welche Orte das alles so sein können. Glücklicherweise hat der Fae seine Drogen nur mit fünf verschiedenen Orten verknüpft, und zwar alles solche, die er für interessant, aber grundsätzlich harmlos hielt. Er wollte ja niemandem wehtun.

Und ja, Alex konnte uns hinbringen. Der hat ja da diese Möglichkeiten als Abgesandter von Eleggua. Wir rüsteten uns also entsprechend gegen Feen: mit möglichst viel kaltem Eisen, Schlagringen, Messern und all solchem Zeug. Ich bin heilfroh, dass wir damit nicht auf der Straße angehalten wurden. Die Cops hätten uns garantiert erst mal für eine Straßengang gehalten mit dem ganzen Kram.

Wir einigten uns auf den „Garten der geduldigen Rosen“. Ich hielt den zwar für potenziell zu unübersichtlich, um Traumfresser zu jagen, aber ich wurde überstimmt. Ich weiß auch nicht. Wenn Roberto etwas wirklich will, dann setzt er seinen Kopf irgendwie auch meistens durch. Jedenfalls. Ich sage jetzt nicht ‚Hab ich’s doch gesagt’, aber meine erste Wahl wäre der Rosengarten nicht gewesen.

Er war nämlich verdammt unübersichtlich. Und wir bekamen auf die Glocke. Aber sowas von. Erstmal war es anstrengend genug, die blöden Tore überhaupt zu sehen. Und dann waren diese kleinen Mistviecher von Traumfressern auch noch so richtig verdammt schnell.

Ich mache es kurz. Wir sahen vorher schon ein paar Oneirophagen in dem Garten rumwuseln. Dann ging ein Tor auf, und Alex stellte sich davor und „machte den Gandalf“, wie er es später nannte. Ich weiß eigentlich gar nicht, warum ich überrascht war. Jeder hat doch den Herrn der Ringe gesehen. Ich hatte nur Alex bis dahin irgendwie nicht als jemanden auf der Rechnung, der gerne geek references von sich gibt.
Jedenfalls war das Problem, dass Alex den Traumfressern den Weg versperrte. Und somit war er für sie das Ziel Nummer eins. Und die Dinger waren so extrem schnell, das glaubt ihr gar nicht, Römer und Patrioten. Ständig wurde Alex von denen angegriffen und gekratzt, und Edward dazu. Gegenangriffe brachten gar nichts, Eisenmesser hin oder her. Wie auch, wenn die gar nicht erst trafen.

Und dann... Was dann passierte, weiß ich gar nicht so genau. Oder nein. Ich weiß genau, was passierte, ich weiß nur nicht genau, wie.
Ich weiß nur, dass ich die Viecher von meinen Freunden ablenken wollte. Und mir fiel plötzlich ein, dass wir ja im Nevernever waren. In der Feenwelt. Wo so ziemlich alles möglich ist. Also, hm... Ich kann es nicht richtig erklären. ...konzentrierte ich mich, und stellte sie mir so plastisch vor, wie ich nur konnte, und plötzlich ... war da diese Sahnetorte, ganz genau so, wie ich sie mir ausgemalt hatte. Über die machten die Oneirophagen sich her, ließen darüber die Jungs in Ruhe, und so konnte uns Alex ungestört ein Tor nach draußen öffnen.

Also gut. Der Ansatz, die Oneirophagen im echten Nevernever zu stellen, war gründlich in die Hose gegangen.
Aber Roberto fiel ein, dass die Viecher im eigentlichen Traum nicht nur jede Gestalt annehmen können, die in die jeweilige Szenerie passte, sondern dort auch der Sprache mächtig sind. Vielleicht könnten wir mit einem von denen ja einfach reden? Sie auf diese Weise davon abhalten, Träume ganz aufzufressen? Solange sie nur ein bisschen knabbern, tun sie ja niemandem weh.

Gute Idee, nur die wollte gründlich geplant werden.
Erstens, wie kämen wir alle zusammen in denselben Traum. Wenn wir alle gleichzeitig die Drogen nähmen und dann einschliefen, würden wir ja alle woanders landen.
Also dürfte nur einer von uns einschlafen, die anderen müssten dann aus dem Nevernever heraus durch das Tor mit dem Oneirophagen zusammen in seinen Traum hüpfen.
Dabei würde Jack helfen können, sagte der, als wir ihn anriefen. Es gäbe da so ein indianisches Schwitzhütten- und Rauchritual, das in seinem Volk angewandt werde, um Traumvisionen zu erschaffen. Das könnte uns bei unserem Vorhaben unterstützen und in die richtige Richtung leiten. Er würde auch schon alles soweit vorbereiten.
Na gut. Nächste Frage: Wer würde einschlafen, in wessen Traum würden die anderen kommen?

Irgendwie meldeten sich alle freiwillig. Alex war als erster raus, denn der würde ja die Truppe körperlich durchs Nevernever führen müssen, der konnte sich nicht schlafen legen. Die anderen drei führten alle noch Gründe an, warum sie jeweils derjenige sein sollten.
Aber am Ende blieb dann euer freundlicher Narrator übrig, Römer und Patrioten, weil einfach die logischsten Gründe dafür sprachen, dass ich es machte.
Die anderen haben alle auf die eine oder andere Weise magisches Talent, das ihnen im Traum entweder erhalten bleiben oder verloren gehen würde. Ich war der einzige, von dem wir wussten, dass ich im Traum mehr können würde als in Wirklichkeit, Sahnetorte erat demonstrandum. Und wenn es gar noch mein eigener Traum wäre, hätte ich darauf hoffentlich sogar noch mehr Einfluss als nur im reinen Nevernever.

Puh. So richtig wohl war mir nicht dabei, das kann ich ja hier in der Privatsphäre meines Tagebuches durchaus eingestehen. Aber ich fand den Gedanken irgendwie trotzdem auch ziemlich spannend.
Weniger spannend fand ich allerdings, dass wir uns für White Eagles Schwitzritual komplett nackt ausziehen mussten. Waffen und Ausrüstung durften wir mit in die Schwitzhütte nehmen, nur anhaben durften wir nichts.

Oh, und ich hatte vorher ein paar Stunden damit verbracht, mich auf den Traum vorzubereiten. Denn damit die anderen meinen Traum aus dem Nevernever heraus finden konnten, musste es ja ein bestimmter sein, und nicht einfach ein beliebiger der fünf möglichen Orte. Wir einigten uns auf die eisige Stadt im Hohen Norden, also setzte ich mich nachmittags hin und schrieb ein Eisgedicht. Weder sonderlich gut noch sonderlich originell, fürchte ich, aber ich bin Romanschriftsteller, kein Poet, verdammt, und um mich in den Eistraum zu bringen, würde es hoffentlich reichen. Gut, dass Alex von Antoine etwas von dem roten Honig zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte und nicht die grünen Pillen. Sonst hätte ich meine gesamte iTunes-Bibliothek nach Schnee- und Winter-thematisierter Musik absuchen müssen,  weil die Pillen ja durch Musik getriggert werden und nicht, wie der Honig, durch Poesie. Und irgendwie bezweifle ich, dass es gereicht hätte, eines meiner Snow Patrol-Alben zu hören.

Langer Rede kurzer Sinn: Es klappte. Hütte. Rauch. Sechs schwitzende, nackte Männer, von denen einer sich den Honig einverleibt und dann ein Eisgedicht deklamiert. Naja. Vorliest. Marshal Dee war übrigens glücklicherweise nicht dabei. Die hätte sich zwar vermutlich auch nicht geniert, sich vor uns allen auszuziehen, wenn es die Pflicht erfordert hätte, aber es gab da so das Problem, dass ein gewisser Zeitpunkt im Monatszyklus das Ritual unmöglich macht. Sprich, wenn die Frau ihre Tage hat. Taste hier nicht so um den heißen Brei herum, Alcazár, es liest außer dir eh keiner.
Como quiera que sea, ich schlief irgendwann tatsächlich ein, während Jack noch sein Ritual abzog und indianische Schamanengesänge intonierte, und landete in dieser eisigen Stadt, von der wir schon gehört hatten.
Die anderen tauchten nach einer Weile ebenfalls auf, wie geplant durch das Tor aus dem Nevernever. Da es mein Traum war, imaginierte ich uns als allererstes ein paar winterfeste Klamotten her, dann fingen wir an, uns nach dem Oneirophagen umzusehen.

Es dauerte eine Weile, aber dann sahen wir ihn: Er hatte in diesem Traum, passend zur Szenerie, die Gestalt eines grauen Schneeleoparden angenommen. Totilas war bei dem Versuch, ihn aufzuhalten, etwas zu, hm, forsch. Er stürmte auf den Leoparden zu, so dass der Traumfresser gleich wieder abhauen wollte, aber Alex schloss das Tor, das er sich öffnete. Ich warf ihm einen frisch imaginierten Schneehasen als Futter hin, während wir ihm zuriefen, dass wir doch nur reden wollten.

Und nachdem der Oneirophage die Gestalt eines der hochgewachsenen, schmalen Stadtbewohner angenommen hatte, nur mit grauem Gewand statt einem weißen, gelang das tatsächlich.
Wir erfuhren, dass diese Spezialträume hier für seinesgleichen unermesslich lecker schmecken, gar kein Vergleich mit normalen Träumen. Deswegen können die Oneirophagen sich in Antoines Drogenträumen auch nur schwer zurückhalten und fressen gerne mal den ganzen Traum auf, wenn sie können. Und deswegen könnte es auch schwer werden, sie davon abzubringen, fürchte ich – sag doch mal einem Gourmand bei einer Völlerei, er solle nicht das ganze Buffet vertilgen, sondern sich mit ein paar Happen begnügen.
„Soooo lecker“, schnurrte er, und räkelte sich dabei gegen ein Haus, das prompt verschwand. Und das war gar nicht lustig. Ich kann es gar nicht richtig beschreiben, aber es fühlte sich an wie ein Radiergummi, der mit fiesem Quietschen durch mein Gehirn rubbelte. Das war war ein Teil meiner Vorstellungskraft, die er da fraß!

Außerdem bekamen wir noch aus dem Traumfresser heraus, dass seine Art eine Herrin, eine Mutter, hat. Mit der habe jemand einen Vertrag abgeschlossen, sagte er. Genaueres wisse er nicht, das sei alles zwischen der Mutter und dem Anderen gelaufen. Er komme nur in die Spezialträume und fresse sich satt. Und was er fresse, das bekäme dann der Andere. Aber was der Andere dann damit genau mache, wisse er nicht.

Der Oneirophage erklärte sich bereit, uns zu seiner Herrin zu bringen, wollte dafür allerdings eine Gegenleistung. Er habe doch schon den Schneehasen bekommen, sagte ich, aber das war ihm nicht genug. Er wollte mehr, und zwar etwas Komplexes.

Etwas Komplexes. War ja klar. Also gut. Es hatte mir zwar gar nicht gefallen, wie er vorhin das Haus weggerubbelt hatte, aber es musste nun mal sein.
Ich konzentrierte mich also wieder, wie zuvor bei der Sahnetorte im Nevernever, und imaginierte ihm eine Spieluhr. Die komplexeste Spieluhr, die ich mir ausdenken konnte. Mit vielen Zahnrädern und Federn und Drähten und Stiften. Mit einer Mondphasenanzeige. Mit einer Wetteranzeige. Mit Zinnsoldaten in der Anzahl der jeweiligen Stunde. Mit einem mechanischen Vogel, der zur vollen Stunde die Zeit sang. Viel zu übertrieben, viel zu wuchtig, aber er wollte ja etwas Komplexes.

Und weil es ja mein Traum war, musste ich mich gar nicht groß anstrengen. Ich malte mir die Spieluhr in allen Details aus, und einen Moment später stand sie vor dem Oneirophagen. Der schnurrte einen Moment lang genüsslich und voller Vorfreude darum herum, und dann begann er ganz langsam, sie einzusaugen.

Und, ¡Madre mia!, das tat weh, Römer und Patrioten. Tío, tat das weh. Ich konnte richtiggehend spüren, wie er mir jedes Zahnrad einzeln aus der Fantasie zog. Ich glaube, ich wäre beinahe sogar davon umgefallen, aber ich konnte mich dann doch irgendwie aufrecht halten.

Um mich abzulenken, fragte ich den Traumfresser, der mit sichtlich gewölbtem Bauch dasaß und sich mit der Zunge über die Lippen leckte, ob er eigentlich einen Namen habe.
Das Konzept von Namen kannte er gar nicht, ich musste es ihm erst genauer erklären. Er hatte keinen – natürlich nicht, wenn er vorher nicht mal gewusst hatte, was das überhaupt war – aber er wollte gerne einen haben. Und während ich noch überlegte, was denn ein guter Name für so einen Oneirophagen wäre, nannte Roberto ihn schlicht und ergreifend „George“.

Ich fand das erst fürchterlich albern, ein Feenwesen namens „George“, aber vermutlich war es viel besser so. Wer weiß, mit welchem hochtrabenden Blödsinn ich sonst angekommen wäre, wenn man mich gelassen hätte.

Unser Traumfresser nahm diesen Namen völlig begeistert für sich an und murmelte ihn ein paarmal vor sich hin. Und dann hatte Edward geistesgegenwärtig eine brilliante Eingebung. „Kannst du es nochmal sagen?“, fragte er, und ohne zu zögern antwortete die Fae: „George.“

Hossa. Das weiß ja sogar ich inzwischen, dass der Wahre Name eines Wesens demjenigen, der den Namen kennt, Macht über das Wesen gibt! Wie der Kleine das sagte, hat sich mir regelrecht eingebrannt: Ich glaube, ich werde nicht vergessen, wie er es ausgesprochen hat.

Jedenfalls brachte George uns dann wie versprochen zu seiner Königin. Sobald er aus meinem Traum draußen war, sah er wieder aus, wie die Oneirophagen es alle tun: klein, schwarz, bizarr, spindeldürre Beine. Und er konnte nicht mehr sprechen. Aber es kam mir beinahe so vor, als könnte ich in seinem Geschnatter nun fast so etwas wie Worte erkennen.

Oh, und wir waren nun nicht mehr in meinem Traum, also waren wir auch alle wieder nackt. Yay.

George führte uns durchs Nevernever bis zu einer Höhle, in der viele weitere Traumfresser herumwuselten. Und ganz an deren Ende war ein ... Etwas zu sehen. Eine wabernde Gestalt, anscheinend irgendwie aus demselben Stoff gemacht wie die übrigen Oneirophagen, nur ... weniger stofflich. Aus ihr heraus blitzten an unterschiedlichen Stellen immer wieder Köpfe auf, verschwanden dann gleich wieder, um in anderer Form anderswo wieder aufzutauchen. Und diese Köpfe redeten mit uns ... zeitversetzt. Ganz schön verwirrend im ersten Moment.

Die Königin war voller Hass und Wut auf Ruiz, und sie zeigte uns eine schwere Eisenkette, mit der an die Höhlenwand gekettet war. Aber nicht nur war die Kette aus Eisen und die Ober-Oneirophaga eine Fae, sondern das Schloss – besonders kompliziert und mit mehreren Schlüssellöchern versehen, die sich ständig bewegten – war auch noch magischer Natur. War ja klar.

Und ich glaube, den Schlüssel hatte ich auf Pans Party an einer Kette um Ruiz’ Hals hängen sehen. War ja noch klarer.

Es gelang uns also nicht, diese Kette gleich hier und an Ort und Stelle zu lösen, aber wir versprachen der Traumfresserkönigin, dass wir tun würden, was nur immer in unserer Macht stand, damit sie sobald wie möglich nach Hause zurückkehren könnte. Denn hier gehört sie nicht her, hierher wurde sie von Ruiz gegen ihren Willen beschworen und festgesetzt.
Dann öffnete Alex uns ein Tor in die reale Welt. Eine Moment lang hatte ich echt Angst davor, dass wir nicht in Jacks Schwitzhütte wieder herauskommen würden, sondern irgendwo, wo es ganz besonders peinlich wäre, wenn plötzlich fünf nackte Männer aus dem Nichts aufkreuzen. Aber zum Glück war das nur ein kurzer Moment der Panik, und wir landeten ganz brav wieder auf dem Gelände der Kommune.

Aber als George meine Spieluhr gefressen hat, ist irgendwas mit mir passiert. Seitdem habe ich diese verdammte Schreibblockade. Ich hoffe nur, das geht irgendwann wieder weg. ¡Madre mia!, wie ich das hoffe!
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
Meine Rede.
Zitat von: Shield Warden
Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

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Ricardos Tagebuch: Summer Knight 3

Habe ich gedacht, es hätte weh getan, als George meine Spieluhr auffraß? Dios, Alcazár, wie naiv kann man sein. Aber woher hätte ich es auch wissen sollen. Ich hatte noch keine Verbrennungen dritten Grades. Bis jetzt.
Verdammt. Ich muss mich irgendwie ablenken. Es wenigstens versuchen.

Als wir wieder in der Schwitzhütte landeten, war es mitten in der Nacht, also beschlossen wir, uns erstmal auszuschlafen und uns am nächsten Tag wieder zu treffen. Guter Plan – in der Theorie zumindest. Wenn ich denn ein Auge hätte zu tun können. Was ich, Überraschung, nicht konnte. Deswegen auch der vorige Eintrag.

Treffpunkt war der Donut-Laden, wo mich ein starker Kaffee wieder etwas auf die Beine brachte, während wir überlegten. Alex war nicht aufgetaucht, aber das hat bei Alex ja nie sonderlich viel zu heißen. Dem kommt ja immer mal wieder was dazwischen. Wir wussten zu wenig über die Funktion des Ersten Ritters, stellten wir fest. Und derjenige, der uns vielleicht am ehesten darüber Auskunft geben konnte und mit dem wir in der Feenwelt noch am ehesten Kontakt hatten, war Sir Anders Thunderstone.

Wir fanden den Feenritter nicht in Pans Palast, sondern an der Washington High – Erinnerungen. Lange ist's her. Eigentlich gar nicht so lange, aber kommt mir so vor – wo er gerade ein Little League Baseball Team coachte, uns aber ein paar Minuten opfern konnte.

Über Ruiz an sich, und vor allem gegen Ruiz direkt, durfte er natürlich wieder nichts sagen, weil sein Eid gegenüber Pan ihm das verbot, aber er konnte uns über das Amt des Ersten Ritters ganz allgemein gesprochen Auskunft geben. Als Champion eines Feen-Herzogs bekommt er von diesem Macht übertragen. Nicht ganz so viel, wie der Sommerritter von der Königin höchstselbst erhält, aber genug.

Wir fragten Anders nach dem vorigen Ersten Ritter – 'Sir Horton' nannte ihn Anders – der ja von Ruiz in einem magischen Duell getötet worden war, und auch nach dessen Vorgänger. Oder Vorgängerin, wie sich herausstellte. Zwischen den beiden war die Machtübertragung ganz friedlich verlaufen, mittels eines Kartenspielduells.

Da die frühere Ritterin sich also weiterhin bester Gesundheit erfreut und Anders uns sagen konnte, wo sie lebt, statteten wir ihr kurzerhand einen Besuch in ihrer Gated Community ab, wo die Lady uns zwar anfangs etwas misstrauisch, aber durchaus höflich, auf ihrer Terrasse empfing.

Vorher jedoch nahm Edward noch kurz mit seiner Dienststelle Kontakt auf, um zu erfahren, ob Marshal Martin schon etwas herausgefunden hatte. Leider nicht – sie hatte sich noch nicht einmal zurückgemeldet, und Lieutenant Book wollte einen von Edwards Kollegen darauf ansetzen.

Die ehemalige Ritterin, Eileen Fabray, hatte von den letzten Ereignissen noch gar nichts erfahren, war ziemlich geschockt über die Nachricht von Sir Hortons Tod.
Es gibt drei Arten von Duellen, erklärte Ms. Fabray dann: mit Waffen, mit Magie und mit Willenskraft, worunter auch Rededuelle fallen. Wie ernsthaft sie geführt werden, welche Siegbedingung also gelten soll, darauf müssen die Duellanten sich einigen und der Herzog zustimmen.
Die Aufgabe des Ersten Ritters ist es, gewissermaßen den Verbindungsoffizier zwischen dem Herzog und der Menschenwelt zu geben, vor allem, wenn es 'offizieller' wird. Ansonsten natürlich dessen Champion zu sein, also an seiner Statt zu kämpfen, wenn es nötig wird, und sonstige Aufträge für ihn zu übernehmen. Im Falle von Pan bedeutet es wohl auch, seine Partys mitzufeiern, hinter ihm aufzuräumen und generell sein Kindermädchen zu spielen. Und ja, ihm wird ein Teil von Pans Macht übertragen.
Warum 'Hortie' sich auf ein magisches Duell eingelassen hatte, wo er doch als Herausgeforderter die Waffen hatte wählen dürfen und wo Ruiz doch bekanntermaßen über Magie gebot, konnte Ms. Fabray sich nicht so recht erklären. Aber vielleicht, weil er ein freundlicher Mensch gewesen war, der von niemandem etwas Böses glauben wollte und vielleicht gedacht hatte, es werde ein harmloser Kampf wie die vorigen auch.

Wir hatten die frühere Ritterin kaum verlassen, da klingelte Robertos Telefon. Es war seine Tante, die dringend seine Hilfe wollte, weil ihr alter Nachbar tot in seinem Garten aufgefunden worden sei. Erfroren, in dieser Hitzewelle. Hah. Ich wiederhole mich, aber hah.

Die Stelle im Garten, wo der Tote lag, war tatsächlich eiskalt, die Blumen vor Kälte verdorrt. Ein Fußabdruck, noch kälter als der Boden ringsum, und Anwohner, die einen elegant gekleideten Gentleman mit Gehstock gesehen hatten, der in den oder auf den Garten zu gegangen sei. Das klang mir verdammt danach, als gebe es einen Gegenpol zu unserer Lady Fire namens 'Lord Ice' oder so. ('Lord Snow' wohl eher nicht. Außer mein zutiefst geschätzter Kollege Mr. Martin weiß da was, das ich nicht weiß.)

Erfroren = Winter. Und Winter = Tanit. Wobei wir an Tanit nicht so leicht rankommen, daher ist für uns normalerweise erst mal Winter = Hurricane. Der bestätigte uns, dass die Umstände des Todesfalls im Garten ziemlich nach Lord Frost aussähen, der früher oder später immer dort auftauche, wo Lady Fire sei, um das Gegengewicht zu ihr zu bilden. Na von mir aus. Dann eben 'Frost' und nicht 'Ice'.

Hurricane erzählte auch, dass seine Mutter ziemlich besorgt sei. Der Sommer plane irgendwas, glaube sie, und sie sei sich auch nicht sicher, ob er sich an Mittsommer wirklich zurückziehen werde, wie es sich gehöre. Auf Tanits Schreiben habe Pan nicht reagiert, was die Herrin der Stürme mit mehr als nur Missfallen zur Kenntnis genommen habe. Bis Mittsommer (also übermorgen) wolle sie ihm noch geben, sagte Hurricane, aber wenn der Sommerherzog sich bis dahin nicht zusammengerissen habe, würden die Sturmkinder ihm eine Lektion erteilen.

Nicht lustig, Römer und Patrioten. Es ist schon schlimm genug, wenn Pan und Tanit sich ohne einen solchen Grund in die Finger bekommen, siehe die Nächte, in denen Hurricane und seine Geschwister gezeugt wurden.

Oh, ach so. Tanit hat natürlich auch einen Ritter, oder eine Ritterin, genauer gesagt. Die ist aber schon seit längerem nicht mehr in Miami, sondern hält sich derzeit ausschließlich im Nevernever auf.

Noch während dem Gespräch mit Hurricane klingelte Robertos Handy, weil jemand Alex erreichen wollte. Hatte also nicht nur uns versetzt, sondern auch diese Frau. Und dann meldete sich auch noch Edwards Partner mit der Nachricht, es habe in Dees Hotelzimmer ein Handgemenge gegeben, und sie selbst sei verschwunden.

Wir, claro, nichts wie hin zum Motel. Dees Auto stand noch dort, und das Zimmer wies tatsächlich ein paar Kampfspuren auf – aber nicht so viele, wie ich eigentlich von der taffen Marshal erwartet hätte.
Unter dem Bett lag Dees Handy, und Edward meinte, hier stinke es geradezu nach Satyr. Der Telefonspeicher zeigte, dass ihr letzter Anruf an Alex gegangen war und knapp eine Minute gedauert hatte.

Also zu Alex' Hausboot. Es war wie erwartet leer, aber auf seinem (übervollen) Anrufbeantworter fand sich tatsächlich unter anderem eine Nachricht von Dee, die abrupt abbrach, als  Eindringlinge ins Zimmer kamen. Ein „Hey, was soll das!?“ von Dee, dann Kampfgeräusche, und dann eine Stimme. Ruiz' Stimme. Cabrón. Was er sagte, konnte ich nicht genau verstehen, aber es war Lucumi, soviel erkannte ich. Der Kampflärm brach unvermittelt ab, und es gab einen dumpfen Ton, als sei ein Körper zu Boden gefallen. Mierda.

Wo würde Ruiz eine Entführte hinbringen? Vermutlich nicht in Pans Palast, aber das war der einzige Anhaltspunkt, den wir hatten. Und vor allem wollten wir auch wegen Tanit mit Pan reden, um den Denkzettel seitens der Sturmkinder doch noch zu verhindern.

Während Roberto versuchte, den Sommerherzog alleine zu erwischen, ging ich mich im Palast umsehen. Ruiz fand ich nicht, aber ¡Madre mia! Das Ding ist im Nevernever. Viel riesiger und verwinkelter, als es eigentlich sein dürfte. Ich fand den Bereich, wo Lady Fire residiert, der Eingang bewacht von zweien ihrer Ritter, und den Flügel, wo wir beim letzten Mal auf Ruiz gestoßen waren, aber darüber hinaus wurde der Palast sehr schnell sehr verwinkelt und sehr, sehr unübersichtlich. Und weit und breit kein Ruiz. Mierda.

Irgendwann gab ich es auf, um mich nicht hoffnungslos zu verirren. Und lief auf dem Rückweg prompt Totilas in die Arme, der auf der Suche nach mir war. Stellte sich heraus, er war George begegnet. Und George hatte Ruiz mit Dee gesehen. Wollte uns auch hinbringen, aber nicht umsonst. War ja klar. Mierda.

So unkreativ, wie ich momentan drauf bin, konnte ich mir beim besten Willen nichts für ihn ausdenken. Also auf Altbekanntes zurückgreifen. Das würde vielleicht auch nicht ganz so wehtun. Es wurde diese Szene aus dem Film „Legende“: die, in der Tom Cruise und Mia Sara am See sitzen und das Einhorn dazukommt. George die Figuren hinzuimaginieren, ließ zwar meine Nase anfangen zu bluten, aber als er sie dann fraß, zerrte das tatsächlich nicht ganz so an meinem Hirn wie die Spieluhr. Und das debile Lächeln von Tom Cruise und die unterwürfige Anbetung von Mia Sara verschwinden zu sehen, machte das Nasenbluten fast wieder wett.

Aber irgendwie ist mein Bild von dieser Szene aus dem Film jetzt... abgestumpft. Ich habe sie nicht vergessen oder so, aber es ist jetzt eine eher ... abstrakte Erinnerung. Bei diesem speziellen Motiv ist das sogar eher eine Erleichterung, aber. Du bist gewarnt, Alcazár. Ich werde schwer aufpassen müssen, was genau  ich George zum Fressen gebe, Römer und Patrioten. Und zur Gewohnheit sollte es definitiv auch nicht werden.

George kann übrigens ein bisschen besser reden. Unsere Namen bekommt er schon hin, und auch ein paar andere Wörter, zumindest in einer abgehackten Version. Und auch ohne Worte ist der kleine burro ziemlich eloquent. So hat er mich ja überhaupt rumgekriegt, dass ich ihm nochmal was imaginiere. Mierda.

Jedenfalls brachte mein Nasenbluten uns einen Trip durch die Schatten ein. Stockdunkel. Und ich meine, wirklich stockdunkel. Keinerlei Licht, nur Gerüche und Geräusche. Extrem beunruhigende Gerüche und Geräusche. Verschiedene, als würde George uns an ganz unterschiedlichen Orten vorbeiführen.
Aus dem Nevernever heraus in unsere Welt konnte George uns nicht folgen, sondern verschwand, als er uns zu einer verlassenen, entsprechend verwahrlosten Autowerkstatt gebracht hatte. Edward konnte Alex und Dee riechen, und den Gestank von Satyren.
Oben, hinter einer Tür, Ruiz Stimme. „Jetzt kennst du deinen Platz, wie?“ Dee, wutentbrannt. „Das wirst du bereuen!“ Darauf Ruiz' höhnisches Lachen. „Sie gehört ganz euch, Jungs. Bedient euch.“

Mehr mussten wir nicht hören.

Drinnen: Alex, bewusstlos, ignoriert in einer Ecke. Ruiz, der eben den Gürtel wieder schloss. Zwei Satyre, im Nevernever ohne Glamour und daher ohne Kleider, breit grinsend und einen Stein-Schere-Papier Wettkampf abhaltend. Dee, an ein Bett gefesselt, unbekleidet und mit vor Zorn funkelnden Augen. Kein Zweifel, was hier eben passiert war. Oh, cabrón. Nein. Viel mehr als cabrón. In diesem Moment hätte ich ihn kaltlächelnd umbringen können.

Aber ich war nicht der erste durch die Tür. Edward erklärte Ruiz für verhaftet, während Totilas nicht lange fackelte und dem cabrón eine verpasste. Dummerweise setzte den das nicht außer Gefecht, und so konnte er zwei goldene Revolver ziehen (Der Mann mit dem goldenen Colt.  Oh Dios. Auch das noch.) und sie abfeuern. Und die Dinger verschossen keine gewöhnlichen Kugeln, sondern grelle, blendende Sonnenstrahlen. Die auffächerten. Und alles im Raum trafen.

Sengende Hitze. Unerträglich. Aber nur einen Herzschlag lang, dann Schwärze.

Es war zu schnell gegangen, als dass ich etwas hatte denken können im Moment des Umfallens, aber als ich wieder zu mir kam, war ich regelrecht überrascht, dass ich noch am Leben war. Wir fanden uns alle, auch Alex und seine Schwester, in einem klassischen Fantasy-Kerker wieder, mit erhobenen Armen an eiserne Schellen in der Felswand gekettet. Und wir waren alle nackt. Wieder mal. Was uns aber in diesem Moment völlig nebensächlich vorkam. Entweder die hatten uns ausgezogen oder aber, was wahrscheinlicher war, die Strahlen hatten einfach unsere Kleider völlig weggebrannt, inklusive allem, was wir in den Taschen hatten. Unsere Haut sah jedenfalls aus wie nach drei Tagen am Strand ohne jede Sonnencreme – sogar Edwards. Und der ist schwarz, Römer und Patrioten.

Der Kerker war langgezogen, und weiter vorne brannte ein Feuer, dank dessen Flammen wir an den Wänden die flackernden Schatten von Satyren sehen konnten. Es schienen auch ein paar Oneirophagen da zu sein, aber das war schwerer zu sehen.

Nach einer Weile kam Ruiz und meinte etwas von wegen: wir sollten ihm einen Grund nennen, uns am Leben zu lassen. Keiner würdigte ihn einer Antwort, nur Edward ließ seiner Wut freien Lauf. Was zur Folge hatte, dass Ruiz ihm durch Berührung ein handförmiges Brandmal auf der Brust verpasste. Dann verschwand er. Cabrón.

Noch eine Weile später tauchten zwei Feuerritter der Lady Fire auf. Ruiz habe sie geschickt, um uns zu bewachen, sagten sie. Meine Frage, ob die Lady Fire wisse, was sie hier täten, verneinten sie, daher bat ich sie, der Lady meine Grüße zu überbringen und zu erklären, ich sei gerade verhindert, sonst hätte ich sie selbstverständlich bereits aufgesucht. Mein Name erregte den Eindruck, den ich gehofft hatte, damit zu erregen, und einer von beiden machte sich sofort auf den Weg.

Es vergingen keine fünf Minuten, dann rauschte Lady Fire in den Kerker, zutiefst empört über die Behandlung, die uns zuteil wurde. Seien wir ehrlich. Mir zuteil wurde. Die anderen waren ihr vollkommen egal - mit Ausnahme von Dee und dem, was ihr angetan worden war. Sie wies ihre Männer an, Dee zu bedecken, mich auch, aber auf die Jungs musste ich sie erst aufmerksam machen, die hätte Lady Fire sonst völlig ignoriert. Sie schien auch fast etwas irritiert zu sein, dass ich sie mit meiner Sorge für diese lesser beings belästigte, und es wirkte fast so, als heiße sie ihre Wachen nur mir zuliebe sich um sie kümmern.

Du drückst dich schon wieder um den heißen Brei, Alcazár.

Ja, verdammt. Denn das, was als nächstes kam... Daran zu denken bringt es wieder hoch. Also noch mehr als sowieso die ganze Zeit. Dann bin ich wieder dort im Raum, und Lady Fires Augen lodern auf, als sie hört, was der cabrón getan hat, und sie macht eine herrische Handbewegung zu den Fesseln, die mich halten, und sie lodern auf, rotglühend, weißglühend, verflüssigen sich, und schmelzen mir von den Handgelenken.

Ich weiß nicht, ob ich geschrien habe. Aber ich kann mir nicht vorstellen, wie nicht. Meine nächste klare Erinnerung ist jedenfalls, dass ich zusammengekrümmt auf dem Boden liege und einer der Wachen gerade Alex' Fesseln mit dem Schwert durchtrennt. Die anderen waren schon frei, ich muss also zumindest einige Sekunden lang weggetreten sein.

Roberto, der selbst auch ziemlich mitgenommen war, half mir hoch und blieb neben mir, während Totilas Alex trug und Edward dessen Schwester. Die Wachen der Lady führten uns zu einem Hinterausgang, wo sie sich verabschiedeten, und irgendwie landeten wir wieder in unserer Welt, ohne dass wir bemerkt wurden.

Zumindest nicht von Ruiz' Leuten. Draußen am Strand liefen wir einer Gruppe Surfern in die Hände, die sich als sehr nette, hilfsbereite Jungs herausstellten. Einer ließ Edward sein Handy benutzen und blieb bei uns, bis der Krankenwagen kam. Während wir warteten, kam das Gespräch irgendwie auf Sir Anders, denn der arbeitet hier am Strand ja auch als Rettungswache und sollte vielleicht darüber informiert werden, was Ruiz für ein cabrón ist. Aber ich bekam nur so halb mit, wie Totilas loszog, und auch nur so halb, wie Edward telefonierte, fluchte und was von „morgen ist schon Mittsommer“ sagte. Ins Krankenhaus wollte er auf gar keinen Fall, trotz Brandmal und Hautrötung, deswegen machte er sich auch auf den Weg, ehe der Krankenwagen da war.

Und so liege ich jetzt in einem Krankenhausbett und habe das alles aufgeschrieben, weil ich nicht schlafen kann. Weil meine Handgelenke wehtun, verdammt. Nicht mehr ganz so extrem, zum Glück: Die Medikamente helfen, und die Tatsache, dass sie dick verbunden sind. Aber trotzdem. Ich bin ihr ja dankbar und alles. Aber. Mierda.
« Letzte Änderung: 26.07.2012 | 00:34 von Timberqueen »
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
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Zitat von: Shield Warden
Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

Offline Gorai

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Moin Timberwere,

Danke für Dein Tagebuch  :d!

Heute Mittag habe ich mir bereits den Link Eures Ursprungs-Blogs bei mir in meine Lesezeichen eingeordnet und ich freue mich auf weitere Fälle der "schönen Männer" oder "Der Ritter Miamis".


Vielleicht vermagst Du mir bitte zum besseren Verständnis zu Eurer Chronik einige Fragen beantworten:

Wer ist "Eleggua"?

Was ist ein "Tief gläubiger Santerío"?


Mediocritas in omni re optima

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NEIN!
Aber...
weil...

Offline Timberwere

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Huhu Alyne, freut mich, dass es dir gefällt! :D

Aaaalso.

Die Santería ist eine aus Afrika stammende und auf Kuba viel praktizierte Religion, die vorgeblich katholische Heilige verehrt, damit aber in Wahrheit afrikanische (Voodoo-) Götter (namens "Orishas") kaschiert. (Hier mal der Link auf den deutschsprachigen Wikipedia-Eintrag zur Santería, da ich zu faul bin, um noch groß mehr dazu zu schreiben. :))
Roberto ist jedenfalls regeltechnisch ein Wahrer Gläubiger mit entsprechenden Wundern. Seine Orisha ist (6, korrigier mich, wenn ich falsch liege) Orunmila.

Eleggua wiederum ist auch einer der Orishas, und zwar der Herr der Straßen und Türen.

Ich hoffe, das hilft dir schon mal ein wenig weiter! :)
Zitat von: Dark_Tigger
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Robertos Orisha ist Oshun, die Flussgöttin der Fruchtbarkeit. :)
(Mit Weisheit ist Roberto glaube ich nicht so stark gesegnet. ;))
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Achja. Orunmila. Oshun. Schmoshun. Fängt beides mit O an, ist beides weiblich. Für einen guten Katholiken wie Cardo ist das doch alles dasselbe. :P
Zitat von: Dark_Tigger
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Ah. Kein Problem. Du kannst auch gerne Maria, Mutter Gottes sagen. Ich weiss, was gemeint ist. ;D
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Ich dachte, Orunmila herself sei mit Maria kaschiert?
Zitat von: Dark_Tigger
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Nee. Maria steht für mehr für Fruchtbarkeit denn für Weisheit.
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Ricardos Tagebuch: Summer Knight 4

22. Juni. Mittsommer ist vorüber. Und ich habe Geburtstag. Nicht, dass mir groß nach Geburtstag wäre. Einfach nur durchatmen. An nichts denken, nichts tun. Überlegen, was ich alles tun muss, um die Wohnung wieder instand gesetzt zu bekommen, kann ich morgen.

Wohnung wieder instand gesetzt? Oh ja. Die verbrannten Handgelenke waren ja nicht genug.

Im Krankenhaus entließen sie mich am nächsten Morgen mit der ärztlichen Ermahnung, ich solle meine Hände schonen. Keine Arbeiten mit Werkzeugen, kein Tippen auf einer Tastatur, kein längeres Schreiben mit der Hand. Ähem. Wenn die wüssten. Memo an mich: Diktaphon. Falls mich wieder mal eine wahnsinnige menschenweltfremde Feen-Lady retten will.

Roberto und ich teilten uns ein Taxi, meine Wohnung ist ja nur ein kleines Stück weiter als sein Laden. Er war also schon ausgestiegen, als das Taxi mich zuhause ablieferte... und ich gleich den nächsten Schock erlebte. Mein Gebäude, abgesperrt und menschenleer. Brandgeschwärzte Fassade. Nasse Asche. Deutliche Zeichen einer großangelegten Löschaktion. Viertes Stockwerk. Meine Fenster. Meine Wohnung. O Madre mia. Yolanda und Alejandra!

Ein neugieriger Nachbar aus dem Nebenhaus wusste mehr, oder meinte mehr zu wissen. Es sei ein Wohnungsbrand gewesen. Ach. Ein ziemlich merkwürdiger Wohnungsbrand, vielleicht Brandstiftung? Die Feuerwehr habe das ganze Haus evakuiert, ausnahmslos, auch wenn es nur in der einen Wohnung gebrannt habe. An der Tür hing ein deutliches „Betreten Verboten“-Schild und ein Hinweis mit einer Telefonnummer, wo man sich informieren könne.

Ich war zu geschockt, um hochzugehen, zumal der Nachbar mich am Ärmel festhielt und darauf bestand, ich könne da jetzt nicht rein. Also stolperte ich die Lincoln Street runter zu Robertos Bótanica, wo der mir erst mal einen Stuhl unterschob und mir was zu trinken in die Hand drückte. Dann rief ich die Feuerwehr an.

Es hatte keine Toten gegeben, gracias a Dios. Allerdings waren Yolanda und Alejandra auch nicht unter den Menschen gewesen, die aus dem Haus evakuiert worden waren. Meine Wohnung hatte man brennend, aber leer vorgefunden. Den nächsten Anruf wollte ich nicht machen, wollte meine Eltern nicht beunruhigen, aber ich musste. Mamá hatte die beiden aber auch nicht gesehen, wusste nur, dass Yolanda zum Babysitten hatte kommen wollen, und ich fürchte, sie muss aus meiner Stimme irgendwas herausgehört haben. Aber glücklicherweise nagelte sie mich nicht darauf fest.

Danach, als ich völlig geschockt dasaß und kaum einen klaren Gedanken fassen konnte, weil sich alles in meinem Kopf wie wild drehte, trommelte Roberto die anderen zusammen (mit Ausnahme von Alex, der war noch außer Gefecht). Totilas erzählte, er habe abends noch mit Sir Anders geredet und ihn natürlich über die neuesten Ereignisse informiert. Was dazu führte, dass der Sidhe, als er hörte, dass (und wie) wir aus Pans Kerker entkommen waren, als loyaler Ritter seines Herzogs dazu verpflichtet war, den geflohenen Gefangenen wieder zu seinem Herrn zu bringen und diesen vor allem von Lady Fires Verrat zu berichten. Dass Pan von unserer Gefangensetzung mit ziemlicher Sicherheit gar nichts wusste und das alles auf Ruiz' Mist gewachsen war, dass wir zu Marshal Dees Schutz und Rettung gehandelt hatten, spielte dabe gar keine Rolle. Eid war Eid und Pflicht war Pflicht. Immerhin durfte Sir Anders diese Pflicht so auslegen, dass er Totilas darüber informierte, was er jetzt zu seinem großen Bedauern tun müsse, und dem so die Gelegenheit gab, davonzulaufen.

Edward sah ziemlich erledigt aus, fast noch mitgenommener als am Abend zuvor, aber irgendwie auch ziemlich zufrieden. Katzen-Kanarienvogel-zufrieden, um mal ein etwas abgenutztes Bild zu bemühen.
Cherie war die Nacht über bei ihm gewesen, rückte er etwas widerwillig heraus. Viel mehr gab er nicht preis, nur etwas von wegen dass sie verletzt gewesen sei und seine Hilfe gebraucht habe.
Ah ja. Verletzte White Court + ausgepowerter, aber gutgelaunter Cop + Nacht. Reicht schon.

Jedenfalls unterrichtete Edward seine Dienststelle über den Brand und brachte es fertig, sich den Fall zuteilen zu lassen. Jetzt durfte er ganz offiziell an den Tatort – und uns mitzunehmen, obwohl wir Zivilisten waren, würde ihm auch keiner verwehren.

Meine Wohnung war nicht völlig irreparabel zerstört, gracias a Dios. Gebrannt hatte es eigentlich vor allem im Flur und von dort ausgehend im Wohnzimmer. In den anderen Zimmern hatten die Löscharbeiten der Feuerwehr den meisten Schaden angerichtet. Vor allem mein Arbeitszimmer sah so aus, als wäre noch etwas zu retten. Alles nass, ja, die meisten Bücher werde ich ersetzen müssen, und einen neuen Computer brauche ich auch, fürchte ich, aber die Manuskripte und Skizzenbücher und alles sind wenigstens noch da. Und mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit lassen sich die Daten von der Festplatte wiederherstellen. Sowas geht ja heutzutage ganz gut. Oh, danke, danke, danke.

Mein erster Instinkt schrie 'Ruiz'. Der Brand war laut den Angaben der Feuerwehr ausgebrochen, nachdem wir ihm entkommen waren. Auf jeden Fall genug Zeit für den cabrón, um sich Yolanda und Alejandra zu schnappen. Aber woher hätte er von den beiden wissen können? So gut kennt er mich und meine genauen Familienverhältnisse hoffentlich nicht.

Als ich mich genauer umsah, fand ich am Türpfosten ein Brandmal in Form und Größe einer Kinderhand, und auch in der Höhe, die für ein sich anlehnendes Kind normal wäre. Eines von Lady Fires Feuerkindern vielleicht? Das nicht über die Schwelle kommen konnte, deswegen draußen blieb und direkt am Eingang den Brand verursachte, der sich dann weiter in die Wohnung und den Flur hinein ausbreitete? Aber warum? Ob eines der Feuerkinder die Lady Fire verraten hatte und nun mit dem cabrón zusammenarbeitete?

Aber auch diese Theorie passte nicht richtig. Die beiden mussten zumindest aus eigenem Antrieb die Wohnung verlassen haben, denn sowohl Alejandras Teddybär als auch Yolandas Handtasche fehlten.

Bei unserer Befreiung hatte Lady Fire etwas gesagt, das ich in meinem Zustand gar nicht richtig realisiert hatte, das uns aber jetzt wieder einfiel und vor allem Roberto enorme Sorgen bereitete. Während sie ihren Wachen aufgetragen hatte, uns aus dem Palast und in Sicherheit zu bringen, war die Lady selbst mit den Worten, man könne das nicht länger dulden und sie werde endlich etwas unternehmen, davongerauscht.

Roberto war nun derjenige, der auf den Gedanken kam, dass ich Ruiz vielleicht unwissentlich direkt in die Hände gespielt hatte, als ich mich den beiden Feenwächtern zu erkennen gab und so dafür sorgte, dass Lady Fire uns befreien kam. Denn warum hätte der cabrón wohl sonst ausgerechnet zwei von Lady Fires Rittern zu unserer Bewachung heranziehen sollen, um nicht genau dieses Ziel zu erreichen?

Und nun war die Lady vielleicht tatsächlich gerade im Begriff, irgendetwas Übereiltes zu tun, auf das Ruiz nur wartete. Mierda. Wir mussten sie erreichen.

Was gar nicht so leicht werden würde. Außer... Sie hatte doch mein neues Buch gelesen, hatte sie erzählt. Das musste sie ja von irgendwo gehabt haben, und nur Sheila und Norman kennen das Manuskript zu diesem Zeitpunkt. Also rief ich einfach Norman an und fragte ihn, was es mit Lady Fire auf sich habe. Sie sei eine seiner regulären „Probeleserinnen“, vor allem meiner Romane, erklärte er. Coléra. Ich wusste gar nicht, dass es sowas überhaupt gibt. Er hatte von ihr allerdings nur die E-Mail-Adresse, nichts sonst.

Etwas Suchen verknüpfte lady.fire@gmx.com mit der Adresse eines Ladens namens „Fiery Places“. Deren Eigentümerin, eine Feuerkünstlerin, nannte sich auch „Lady Fire“ und stellte sich – keine große Überraschung – als Kontaktperson der Fae in unserer Welt heraus und war bereit, der Lady eine Nachricht von uns zukommen zu lassen (sie schickte zu diesem Zweck eine kleine, beschworene Flamme los). Während wir warteten, kauften wir Christine auch noch einige nützliche Dinge ab: Roberto ein Buch und ich eine Feuerschutzsalbe. Falls die Lady Fire mal wieder mit mir spazieren gehen will. Meinen Armen hätte allerdings nicht mal die geholfen, fürchte ich. Au. Verdammt.

Nach einer Weile erschien nicht die Lady Fire, sondern eines ihrer Flammenkinder. Das meinte, seiner Herrin sei es gerade unmöglich, uns zu treffen, da sie das Ritual nicht unterbrechen könne. Was für ein Ritual? Na das aus meinem Buch, das, mit dem man Titania beschwört!

Äh. Wenn dieses Tagebuch ein Comic wäre, dann stünde jetzt hier eine Sprechblase mit drei Punkten drin, über einem gezeichneten Cardo, dem die Kinnlade heruntergeklappt ist.

Einen Moment lang war ich wortwörtlich sprachlos, während all die Implikationen durch mich hindurchrasten. Yolanda!! Aber das Ritual existierte doch gar nicht. Aber Lady Fire hatte ja schon bewiesen, dass sie nicht zwischen Fiktion und Realität unterscheiden konnte. Wenn sie daran glaubte, es mit völliger Selbstverständlichkeit durchzog, dann existierte es vielleicht doch, und dann... Yolanda!

Aber das Feuerkind beruhigte mich (oder versuchte es. Hah.) Nein, nein, die Lady verwende nicht meine Schwester als Gefäß für Titania, sondern meine Tochter. O Dios. Noch schlimmer!
Das Flammenkind verschwand also mit meiner eindringlichen Bitte an Lady Fire, Alejandra zu verschonen, weil eine solche Prozedur irreparable Schäden bei einem Menschen hinterlassen könne.

O Dios. Dass wir sofort zu Pans Palast mussten, war klar. Aber der Weg dahin dauerte mir viel zu lange, und ich war froh, dass ich nicht selbst fahren musste. Das hätte unter Garantie einen Unfall gegeben. Und Robertos blöder Spruch von wegen „was musst du deine ausgedachten Rituale auch so ausführlich beschreiben!“ half da komischerweise irgendwie auch kein Stück.

Am Strand, aber schon im Nevernever, führte Edward ein Ritual durch, um George herbeizurufen – er hatte sich dessen Wahren Namen offensichtlich ebenfalls gemerkt. Der wollte natürlich wieder mal eine Gegenleistung... aber nachdem er schon die ganze Filmszene aus „Legende“ bekommen hatte, war ich nicht gewillt, und in meinem aufgewühlten Zustand vielleicht noch nicht mal fähig, ihm etwas Größeres zu geben als einen Muffin. Der tat immerhin noch nicht mal weh. Aber demnächst bekommt der kleine burro rohes Gemüse und Vollkornkekse, wenn das so weitergeht!

George führte uns wieder durch die Schatten, in ebenso undurchdringlicher Finsternis und mit ebenso beunruhigender Geräuschkulisse wie zuvor. Wir kamen in dem Bereich heraus, den wir schon kannten – und das erste, was wir bemerkten, war Kampflärm. Da war eine riesige Flammenwand, hinter der sich Lady Fires Wachen verschanzt hatten und sich gegen Ruiz und etliche von Pans Gefolgsleuten zur Wehr setzten. Uns hatte George glücklicherweise hinter der Feuerbarriere abgesetzt, zwischen dem Kampfgeschehen und Lady Fires Tür.

Auf unser Klopfen reagierte niemand, was uns aber nicht davon abhielt, den Raum trotzdem zu betreten. Und da wurde auch klar, warum wir keine Aufforderung zum Eintreten bekommen hatten: Die Lady Fire war beschäftigt. Damit beschäftigt, die Sommerkönigin herzubeschwören. In meine Schwester, wohlgemerkt, denn die stand mit in dem Kreis, mit resigniert-gefasst-entsetztem Gesichtsausdruck. Offensichtlich hatte Yolanda sich freiwillig bereiterklärt, an Alejandras Stelle zu treten, oder Lady Fire war auf meine Bitte hin selbst umgeschwenkt. Egal, wie es gewesen war, es musste aufhören!

Keine Ahnung, wie oft die Lady schon „Titania!“ gerufen hatte. Aber offensichtlich noch keine dreimal, denn noch war die Königin aller Sommersidhe nicht hier.
Ich wusste, es war vermutlich keine gute Idee, aber ich rief die Lady an, unterbrach ihr Ritual. Ich konnte und wollte einfach nicht zulassen, dass Titania in meine Schwester hineinfuhr und diese übernahm. Im Roman mochte das spannend gewesen und für Catherine Sebastian gut ausgegangen sein, aber das hier war eben kein Roman, verdammt!

Roberto und ich versuchten alle möglichen Argumente. Dass es nicht funktionieren würde, weil es ohnehin nur ausgedacht war, wie Totilas Lady Fire erklären wollte, stellten wir erst einmal hinten an, das würde die Feuerfae vermutlich nicht so schnell verstehen. Also lieber Gründe wählen, die ihr vielleicht logischer erscheinen würden. Dass eine solche Besessenheit Yolanda ziemlichen Schaden zufügen könnte. Dass Königin Titania vermutlich überhaupt nicht amüsiert darüber sein würde, einfach so weggerufen zu werden von was auch immer sie gerade tat. Überhaupt – es war Mittsommer: Vermutlich war das, was ihre Majestät gerade tat, sogar ziemlich wichtig für den Sommerhof!

Aber die Lady Fire war nicht zu überzeugen. Im Gegenteil: Sie war selbst verdammt überzeugend, als sie erklärte, dass die Übernahme Yolanda nicht schaden werde und dass das die einzige Möglichkeit sei, Pan und Ruiz in die Schranken zu weisen. Und dann sah sie mir in die Augen und bat mich, ihr zu vertrauen. O cólera. Verdammte Weiber und ihre treuen Rehaugen – selbst wenn selbige Rehaugen glühende Flammen sind und deren Besitzerin einem gerade am Tag zuvor die verdammten Handgelenke weggebrannt hat!

Ja, verdammt. Ich vertraute ihr.

Nur Yolanda... O Dios. Yolanda. Ich wäre ja selbst in den Kreis, hätte mich statt meiner Schwester von Titania besetzen lassen... aber ich war mir sehr sicher, dass die es noch viel weniger lustig finden würde, in einen Mann hineinzufahren.

Roberto hingegen... Roberto hat ja durch seine Santería-Zauberei Erfahrung mit solchen Übernahme-Geschichten. Und seine Santería-Schutzpatronin, Orisha oder wie die das nennen, ist ja, wenn ich das richtig verstanden habe, die Heilige Jungfrau Maria, und die hat ihn auch schon das eine oder andere Mal mit ihrem Geist erfüllt. Was vermutlich auch der Grund ist, warum Roberto diese, hm, ziemlich deutliche weibliche Seite hat (und auch ziemlich oft raushängen lässt), wenn ich mir das so recht überlege.

Jedenfalls betrat er, während ich noch zögerte, den Kreis und tat auch irgendwas, um sich selbst zum attraktiveren der beiden potentiellen Ziele darin zu machen. Und es gelang: Die Sommerkönigin fuhr tatsächlich in Roberto hinein.

In exakt diesem Moment ging die Tür wieder auf, und Pan und sein cabrón von Erstem Ritter stürmten herein. Ruiz hatte diese verdammten goldenen Pistolen in der Hand und wollte auf Titania schießen, aber der Sommerherzog fiel ihm in den Arm. Und dann sprach die Königin ein Machtwort, und alles hing sofort, und ich meine sofort, an ihren Lippen.

Ihre Majestät machte keinerlei Hehl aus ihrem Unmut darüber, einfach so herbeizitiert worden zu sein, aber darüber werde sie sich mit Lady Fire gesondert unterhalten, sagte sie. Als Lady Fire ihr den Grund für die Beschwörung nannte, erklärte Titania, sie habe keinerlei Lust, diese Entscheidung selbst zu treffen. Sie gebe diese statt dessen in die Hände der 'Ritter von Miami'... und zeigte auf uns bei diesen Worten. Überdies stehe es Pan an, sich bis zu der Entscheidung einen Ersten Ritter zu suchen, der für dieses hohe Amt besser geeignet sei – und außerdem sei es Mittsommer und der Winter im Begriff anzugreifen. Und mit diesen Worten verschwand sie. War einfach fort. Und wir standen da wie vor den Kopf geschlagen.

Hossa. Wir sind also jetzt die Ritter von Miami?!?

Ruiz wartete gar nicht ab, wie Pan jetzt reagieren würde, sondern haute einfach ab. Totilas wollte ihn daran hindern, aber der cabrón hatte noch immer seine Revolver in der Hand und setzte Totilas mit einem dieser Sonnenstrahlen außer Gefecht.

Ich gebe zu, ich war mehr als überreizt und nervös. Ich blaffte Pan an, er müsse doch jetzt endlich handeln. Das war nur dummerweise die völlig falsche Strategie, denn darauf reagierte der Sommerherzog nun gar nicht gut. Es war Edward – ausgerechnet! – der Pan davon überzeugte, dass Ruiz im Angesicht des Angriffs durch den Winter wie ein Feigling geflohen sei, während sein Lehnsherr ihn brauchte.

Soweit so gut. Der cabrón war also nicht mehr der Erste Ritter. Aber nun brauchte der Herzog einen neuen. Und dreimal dürft ihr raten, wer das wurde, Römer und Patrioten.

Alex war nach der Nacht im Krankenhaus zuhause geblieben, um sich zu erholen. Totilas war ausgeknockt. Roberto hatte noch ein wenig an den Nachwirkungen der Besessenheit durch Titania zu knabbern, und Edward war nach seiner Nacht mit Cherie auch nicht groß auf der Höhe. Außerdem hätten sich ihre speziellen Fähigkeiten nicht mit der Feenmagie vertragen, die ein Erster Ritter der Fae automatisch übertragen bekommt. Es ging nicht anders. Nur ich blieb übrig.
Ich leistete Pan also diesen Eid, den ein Erster Ritter seinem Lehnsherren leisten muss, aber mit dem Zusatz, dass es nur vorübergehend sein würde, bis wir einen Nachfolger gefunden und ich diesem friedlich das Amt übergeben hätte. Trotzdem war mir alles andere als wohl dabei. Aber ich war jetzt der Erste Ritter. Mierda.
« Letzte Änderung: 26.07.2012 | 00:56 von Timberqueen »
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
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Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

Offline Timberwere

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Ricardos Tagebuch: Summer Knight 5

Eigentlich hätte Pan jetzt jedes Recht gehabt, mich zum Krieg gegen den Winter abzukommandieren, aber glücklicherweise hielt er es doch für wichtiger, dass ich dem cabrón das Schwert und den Mantel wieder abjagen sollte, die dieser ja beide auf seiner Flucht mitgenommen hatte.

Ruiz hatte sich von den Oneirophagen wegbringen lassen, über die er ja noch immer die Gewalt besaß. George war als einziger nicht mit ihm mitgegangen, und so führte der uns jetzt – ohne Gegenleistung, man mag es kaum glauben, aber es ging ja auch um die Befreiung der Mutter – dem Verräter hinterher.

Wir landeten wieder in derselben alten Autowerkstatt. Aber diesmal hatte der cabrón kein wehrloses Opfer, an dem er sich vergehen konnte. Statt dessen trafen wir auf eine wüste Schälgerei: Marshal Dee hatte offensichtlich schon auf ihn gewartet und ihn konfrontiert.

Natürlich konnten wir sie nicht alleine gegen den Mistkerl kämpfen lassen, sondern sprangen ihr zur Seite. Mit seiner absolut selbstsicher vorgetragenen Behauptung, wir hätten die Traumfresser-Mutter schon befreit, konnte Totilas Ruiz immerhin so lange verwirren, dass Edward versuchen konnte, dem cabrón die Waffen abzunehmen. Die Pistole konnte er ihm auch entreißen, das Sommerschwert aber dummerweise nicht. Mit dem ging Ruiz auf mich los, und ich hatte alle Mühe, seinen Angriffen auszuweichen. Immerhin machte er sich so gegenüber Dee verwundbar, der es gelang, Ruiz einen wohlplatzierten Tritt gegen das Kinn zu verpassen. Der cabrón fiel um wie ein Sack Reis, war sofort außer Gefecht. Dennoch hätte sie noch weiter auf ihn eingeprügelt und ihn vielleicht sogar totgeschlagen, wenn nicht Roberto und Edward eingegriffen hätten. Vor allem von Roberto ließ sie sich zurückhalten, denn der wirkte nach seiner Übernahme durch Titania noch immer sehr weiblich, und auf Männer war Marshal Dee in diesem Moment gar nicht gut zu sprechen. Was ich verstehen konnte, mich aber irgendwie auch ziemlich frustrierte. Mierda.

In diesem Moment, als der Kampf vorüber war und Ruiz am Boden lag, bemerkte ich auch erst, dass meine Handgelenke gar nicht mehr wehtaten. Und als ich vorsichtig unter die Verbände linste, waren die Brandwunden tatsächlich verheilt. Hatte es also doch einen Vorteil, der Erste Ritter eines Sommerherzogs zu sein. Nur die Narben waren noch da. Aber das wäre ja auch zu viel zu erwarten gewesen.

Jetzt, wo Ruiz außer Gefecht war, nahm ich ihm das Schwert und den Mantel des Ersten Ritters ab, während Totilas ihm den Schlüssel vom Hals zog. Dee versprach uns, dass sie sich wieder unter Kontrolle hatte und auf den cabrón aufpassen würde, bis der Krankenwagen kam und sie ihn den Behörden übergeben konnte.

George brachte uns indessen zu seiner Königin, wo Totilas das magische Schloss öffnete. Man konnte der Ober-Oneirophaga richtiggehend die Erleichterung anmerken, ganz gleich wie fremdartig sie war, allein daran, wie sie sich im Moment ihrer Befreiung genüsslich ausdehnte, gewissermaßen ihre Wolkenform reckte und streckte. Und sie war unglaublich fremdartig. Denn in ihrem Recken und Strecken dehnte sie sich derart aus, dass sie auch über uns hinwegfloss, uns in ihre Präsenz einhüllte, und das war... Madre mia. Sehr, sehr eigenartig und überhaupt nicht angenehm.
Aber es dauerte nur einen Moment lang, dann zog sie sich wieder zusammen und verschwand durch die Risse im Boden, vermutlich zurück zum Äußeren Rand, wo sie eigentlich hingehörte.

Als wir zu Pans Palast zurückkamen, war die Auseinandersetzung Sommer gegen Winter in vollem Gange. Das passierte vor allem draußen am Strand, wo die Sturmkinder Tanits Drohung wahrmachten und Pans Streitmacht einen mehr als heftigen Denkzettel verpassten. Dem gingen wir lieber aus dem Weg (nicht dass Pan noch auf die Idee kam, sein neuer Erster Ritter könne sich jetzt, wo Ruiz erledigt war, doch noch an dem Kampf beteiligen) und verzogen uns auf die reale Seite des Strandes.

Denn unterwegs hatten wir darüber nachgedacht, wer sich wohl als mein Nachfolger in Pans Diensten eignen würde, und hatten aus unterschiedlichen Gründen Sir Anders und Marshal Dee verworfen. Aber wie wäre es mit dem Surfer, der uns sein Handy geliehen hatte?
Wir fanden den Jungen tatsächlich am Strand, und nach ein wenig Überzeugungsarbeit erklärte er sich auch dazu bereit, den Job anzunehmen. Puuuuh. Erste Hürde geschafft.

Aber es stand ja auch noch unsere Entscheidung über den Sommerherzog von Miami aus. Wir waren uns alle einig, dass Lady Fire es nicht sein konnte. Ja, sie hatte uns geholfen, und ja, wir waren ihr sehr dankbar dafür, dass sie uns befreit hatte und alles, aber sie war einfach zu weltfremd, zu... feeisch. Sie würde die Stadt ins Chaos reißen und es nicht einmal merken. Die unglaubliche Hitzewelle, die allein durch ihre Gegenwart in der Stadt ausgelöst worden war, zeigte das schon allzu deutlich.

Wir bestätigten Pan also im Amt, was Lady Fire mit extremem Missfallen quittierte und beleidigt mit ihrem Gefolge aus der Stadt abzog. Cólera. Ich hoffe, sie ist nicht nachtragend, aber ich befürchte ganz anderes. Und ich habe ihr ja auch noch ein Exemplar von Faerie Storm versprochen, sobald es fertig ist... O madre mia, ayudame. Wie ich ihr das zukommen lasse, und wie dann die Begegnung mit ihr wird, muss sich zeigen. Um es in Comic-Sprache zu sagen, schluck.

Colin, der Surfer, trat übrigens tatsächlich meine Nachfolge an. Dazu musste er mich natürlich in einem Duell besiegen. Wir wählten ‚Waffen‘, und als Waffen die bloßen Hände. Sprich, wir spielten schlag-die-Hand-und-zieh-sie-weg, und irgendwann schaffte ich es auch, die Hände an Ort und Stelle zu lassen, so dass Colin sie treffen konnte. Dann gab ich Mantel und Schwert ab, und Colin sprach den Eid, und damit war die Episode ‚Cardo ist Pans Erster Ritter‘ gegessen. Puuuuuh.

Die Feuerkinder hatten indessen auf Alejandra und Yolanda aufgepasst und sie von der Auseinandersetzung ferngehalten. Alejandra war nur am Schwärmen über ihre tollen neuen Freunde, die brennen konnten und soooo nett waren. Ich hoffe, ich konnte ihr trotzdem im Nachgang ein wenig Vorsicht gegenüber Feen einimpfen... Aber dass es sie gibt, das weiß sie jetzt. Naja, vielleicht vergisst sie das auch wieder. Sie ist immerhin erst vier.
Nur Yolanda wird das so schnell nicht vergessen. Die war ziemlich geschockt von ihrer plötzlichen und so unangenehmen Begegnung mit dem Übernatürlichen. Es wird sich wohl erst noch zeigen, ob sie akzeptiert oder verdrängt. Aber mein Schwesterchen ist zäh, die wird sich schon durchbeißen, hoffe ich.

Und Dee hat die Stadt wieder verlassen, ihr Auftrag ist ja erledigt. Ehe sie abfuhr, rief sie kurz an. Das fand ich nett.

Oh, und ein Gutes scheint die ganze mierda immerhin gehabt zu haben. Denn es ist so viel passiert, dass mir schon wieder ein paar Ideen gekommen sind. Es scheint, meine Schreibblockade ist vorüber, Römer und Patrioten.

---
04. Juli. Unabhängigkeitstag. Aber deswegen schreibe ich gar nicht. Sondern deswegen, weil George mich in letzter Zeit ab und zu im Traum besucht. Das ist irgendwie cool. Er frisst auch gar nichts, zumindest nicht, dass ich es merken würde, aber wir unterhalten uns im Traum, weil er da ja reden kann. Er ist jetzt anders als die anderen Oneirophagen, ist der einzige, der einen Namen hat, und fühlt sich etwas einsam, glaube ich. Aber ich freue mich ja, wenn er mich besuchen kommt. Und er ist mein Freund.

Ich habe George auch danach gefragt, ob er und seine Freunde vielleicht etwas von dem Material, das sie Alison und den anderen weggefressen haben, an sie wiedergeben könnte. Denn noch konnten wir den Opfern ja nicht helfen, und wenn da nicht bald etwas passiert, werden sie daran zugrunde gehen, fürchte ich.

Dummerweise meinte George, wieder ausspucken ginge nicht, das Zeug sei alles weg. Aber er hat mich auf eine Idee gebracht. Er fragte mich nämlich, warum ich nicht einfach wieder was in die Leute reintäte, ich sei doch so gut darin, Zeug in Sachen reinzutun. Hmmm. Ich alleine sicher nicht, aber... hmmmm. Mal mit den anderen reden.

---
10. Juli

Es hat geklappt. Gracias a Dios, es hat geklappt. Ich weiß nicht genau, was Edward da genau für ein Ritual abgezogen hat, aber wir haben uns alle daran beteiligt, und es klappte. Ich schrieb ein Skript, um die Träume wieder anzustoßen. Roberto lieferte die ganzen Materialien, die benötigt wurden. Alex fand den Platz, wo es am besten stattfinden konnte, und Totilas versetzte die Opfer in einen angemessen entspannten Zustand. Und bei Edward lief wie gesagt alles zusammen, der führte das Ding durch. Madre mia, was bin ich erleichtert.

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16. Juli

Die Wohnungsrenovierung soll auch demnächst abgeschlossen sein, hat man mir versichert. Gut... so langsam bin ich die Baustelle leid.

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27. Juli

Dee hat angerufen. Ruiz ist in ein Koma gefallen, sagte sie, und es sieht nicht so aus, als werde er je wieder zu sich kommen. Ich bin ja sonst kein rachsüchtiger Typ, aber. Geschieht ihm recht. Geschieht ihm recht.

Dee meinte auch, sie werde sich melden, wenn sie wieder mal in der Stadt sei. Das würde mich freuen. Und wie.
« Letzte Änderung: 26.07.2012 | 10:56 von Timberqueen »
Zitat von: Dark_Tigger
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Offline Timberwere

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Nur wieder sehr, sehr lang. Und ich dachte eigentlich, am Sonntag sei weniger passiert. :)

Sorry... ich kann mich einfach nicht kurz fassen. Geht nicht.
Zitat von: Dark_Tigger
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Offline Gorai

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Nur wieder sehr, sehr lang. Und ich dachte eigentlich, am Sonntag sei weniger passiert. :)

Sorry... ich kann mich einfach nicht kurz fassen. Geht nicht.

Danke für die Einblicke von Ricardos Tagebuch ! :d Ich finde es nicht zu lang  ;D :d


Wie lange spielt Ihr eigentlich immer?

Sprichst Du eigentlich privat viel spanisch oder woher hast Du die vielen spanischen Phrasen ?
Magst Du mir vielleicht von den geläufigen, vielleicht auch nur per PN eine Übersetzung bereit stellen?

Warum ist Ricardo nicht ein ständiger Berater der Polizei, ähnlich wie bei der Fernsehserie "Castle"?
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Aber...
weil...

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Danke für die Einblicke von Ricardos Tagebuch ! :d Ich finde es nicht zu lang  ;D :d

Dann ist ja gut. :D Ich bin einfach eine unverbesserliche Labertasche, das habe ich schon in so vielen meiner Diaries gemerkt. :P

Zitat
Wie lange spielt Ihr eigentlich immer?
Meistens kommt die ganze Bande samstags mittags so gegen 13:00, 14:00 Uhr an. Ehe wir anfangen, dauert es dann meist noch so eine bis zwei Stunden, und dann spielen wir bis abends gegen 22:00, 23:00, unterbrochen von einem gemeinsamen Abendessen.

Am Sonntag geht es dann gegen 11:00 mit einem gemeinsamen Spätstück los, da wird es also auch meistens etwa 13:00, bis wir losspielen. Sonntags machen wir aber früher Schluss, meist so gegen 17:00 Uhr.

Aber dafür spielen wir ja auch nur alle paar Monate mal, da lohnt sich das mit dem langen Wochenende.

Zitat
Sprichst Du eigentlich privat viel spanisch oder woher hast Du die vielen spanischen Phrasen ?
Hihi nee, aber ich kann mich ein bisschen durchbluffen. Kommt vermutlich von berufs wegen. Diplom-Dolmetzgerin und Übelschwätzerin und so. :)

Zitat
Magst Du mir vielleicht von den geläufigen, vielleicht auch nur per PN eine Übersetzung bereit stellen?
Klar doch. Kein Problem.
Hmm. Mal sehen.

Gracias a Dios: Gott sei Dank
Madre mia: Meine Mutter (wortwörtlich) ≈ Heilige Mutter Gottes (Bedeutung)
ayudame: hilf mir
cólera: Cholera (als Schimpfwort verwendet)
mierda: Scheiße
cabrón: Mistkerl (richtig krudes Schimpfwort)
muy sospechoso: sehr verdächtig
el mejor amigo de Duque Pan: der beste Freund von Herzog Pan
burro: Esel
considerame impresionado: Man halte mich für beeindruckt.

Hab ich was vergessen? Wenn ja, schrei einfach. :)

Zitat
Warum ist Ricardo nicht ein ständiger Berater der Polizei, ähnlich wie bei der Fernsehserie "Castle"?

Naja... er ist natürlich schon ursprünglich aus der Castle-Idee entstanden. Das sieht man ja schon am Namen. Aber offizieller, ständiger Polizeiberater zu sein, würde nicht passen. Warum wär ers, aber die anderen nicht? Er hängt ja so schon genug mit Edward rum, als INoffizieller Polizeiberater gewissermaßen. :)
« Letzte Änderung: 26.07.2012 | 21:36 von Timberwere »
Zitat von: Dark_Tigger
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Warum ist Ricardo nicht ein ständiger Berater der Polizei, ähnlich wie bei der Fernsehserie "Castle"?

Die ganz einfach Antwort darauf ist: Weil Edward ihn freiwillig mitnimmt. :)

Sonst würde irgendein höhergestellter Fan schon dafür sorgen, dass er dabei sein darf.
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Offline Edward Fu

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Offline Timberwere

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Ricardos Tagebuch: Death Masks 1

Wo sind wir da nur wieder reingeraten? Ich meine, ich habe mich ja schon daran gewöhnt, dass abgefahrener Kram passiert. Aber so abgefahrener Kram? Madre mia.

Eigentlich fing alles mehr oder weniger normal an. Wir saßen im Dora's (das sich übrigens in letzter Zeit etwas verändert hat. Irgendwie ist es 'grüner' geworden, nur noch Bio-Zutaten, FairTrade-Kaffee, all diese Dinge, und die Klientel besteht seit einer Weile auch mehr aus Angehörigen der umweltbewussten Szene denn aus Cops. Ich kann aber nicht sagen, dass mich das stören würde. Die neuen Donuts schmecken richtig lecker, und die hausgemachten Bagels mit Rührei und Lachs erst...), als ein Kerl, der seiner Kleidung und seinem unsicheren Gebaren nach offensichtlich aus den Glades stammte, hereinkam, sich umschaute und dann relativ zielsicher an unseren Tisch kam. Ob wir die 'schönen Männer' seien. Grrrrrr.

Und Roberto bejahte das auch noch. Soll er doch für sich selbst sprechen, verdammt. Wie dem auch sei, der Mann hatte offensichtlich gefunden, wen er suchte, und stellte sich jetzt als Samuel Elder vor. Ja, einer von den Elders. Dem Werkrokodils-Clan aus den Glades. Cousin oder Onkel oder sowas von Selva Elder von der Waystation, dem neutralen Boden da draußen, wo damals die Auktion über die Sturmkinder abgehalten wurde.

Dieser Samuel Elder jedenfalls meinte, er hätte gehört, wir würden Leuten helfen. Was uns erst einmal gehörig blinzeln ließ. Wie und wann zum Geier ist das denn nun aufgekommen? Na, von mir aus. Es stimmt ja sogar irgendwie. Vor allem, wenn der Mensch, der da ankommt, so.. hm... hilflos wirkt wie Samuel in diesem Fall.

Seine Nichte Ilyana mache ihm Sorgen, sagte er. Die sei vor ein paar Wochen in die Stadt gegangen und nicht wiedergekommen, habe sich mit den Santo Shango eingelassen, aber sie gehöre nun mal in die Glades, die große Stadt und vor allem die Santo Shango seien nicht gut für sie. Ob wir mal versuchen könnten, mit ihr zu reden.

Na von mir aus. Versuchen konnten wir es ja tatsächlich mal, nur versprechen konnten und wollten wir nichts. ... Was sich dann auch als durchaus vernünftig herausstellte, denn wir bekamen Ilyana bei den Santo Shango nicht mal zu sehen.

Wir beobachteten deren Hauptquartier eine Weile, ehe wir Aufmerksamkeit erregten und eine, jetzt hätte ich fast 'Audienz' gesagt, aber das Wort trifft es eigentlich gar nicht so schlecht, bei Cicerón Linares erhielten. Glücklicherweise haben wir ja bisher keinen Grund, uns mit dem anzulegen, bzw. er sich mit uns, und so verlief das Gespräch ganz friedlich. Friedlich, aber unzufriedenstellend.

Es sei unmöglich, mit Ilyana zu reden, erklärte Cicerón, denn die werde gerade zur Priesterin ausgebildet. Das Ritual, das gerade durchgeführt werde, dauere ein paar Tage und dürfe nicht unterbrochen werden. Wenn dieser Schritt abgeschlossen sei, könnten wir zu ihr. Mierda.

Der Santo Shango hatte aber noch weitere Neuigkeiten, eine so beunruhigend wie die andere. Die Masken von Yansa, Oshun und Eleggua seien aufgetaucht, erklärte er mit bedeutungsschwerer Stimme und einem mindestens ebenso bedeutungsschweren Blick zu Alex und Roberto. Den beiden sollte das also offensichtlich etwas sagen, und tat es auch, wenn ich mir deren Reaktion so ansah. Anders als mir. Okay, Oshun und Eleggua sind diese Santería-Orishas, und Oshun ist Robertos Schutzpatronin und Eleggua der 'Auftraggeber' von Alex. Soweit wusste ich das natürlich schon. Und Yansa, erklärten sie mir später, sei eine Orisha der Stürme und des Kampfes. Die Masken, bekam ich gesagt, existierten seit Jahrhunderten und erlaubten es ihrem Träger, die Macht der jeweiligen Orishas zu kanalisieren und zu nutzen, ohne es dem Orisha selbst zu erlauben, den Körper des Praktizierers zu übernehmen.

Klingt irgendwie nicht sonderlich christlich, wenn ich mir das so überlege. Ich hatte das bis dahin immer so verstanden, dass Robertos Schutzheilige die Jungfrau Maria ist, die ihn mit ihrem Geist erfüllt. Naiv, Alcazár, unfassbar naiv. Genug der Selbstverleugnung. Du hattest das so verstehen wollen. Zwei deiner Freunde betreiben Voodoo, auf die eine oder andere Weise. Gesteh es dir ein. Werd damit fertig. Ich meine, einer deiner Kumpels ist ein Vampir, um Himmels Willen. Und dein bester Freund ist eine Art Werwolf, wo wir schon mal dabei sind. Padre en el cielo, vergib uns allen unsere Sünden.

Jedenfalls. Diese Loa-Masken, die seit Jahrhunderten bei ihren jeweiligen Priesterschaften aufbewahrt wurden, und zwar hochgeheim, damit sie nicht in falsche Hände geraten sollten, sind offensichtlich entwendet worden. Oder jedenfalls aus der Versenkung aufgetaucht. Irgendwer habe seinen Mund nicht halten können über die Masken.

Linares deutete auch noch an, dass er ein großes Interesse an der Yansa-Maske habe, und wenn wir ihm die brächten, könne er sicherlich dafür sorgen, dass wir mit Ilyana reden könnten. Hah. Unglaublich mächtige Voodoo-Maske gegen ein paar Minuten Gespräch? Von wegen. Na gut, räumte Cicerón dann ein, davon sei er auch gar nicht ausgegangen, aber es könne ja nichts schaden, sein Interesse an dem Ding mal so ganz grundsätzlich zu bekunden. Doppel-Hah.

Außerdem erzählte er noch, dass die Orunmila Probleme mit dem White Court hätten. Und das, Römer und Patrioten, beunruhigte Roberto und Totilas, und per Definition somit auch uns andere, fast noch mehr als die Geschichte mit den Masken. Denn wenn die Orunmila Ärger haben, warum wusste Roberto dann nichts davon, der relativ eng mit ihnen zu tun hat? Und wenn es Probleme mit dem White Court sind, warum war Totilas dann nicht darüber im Bild? Sehr seltsam, das alles.

Es hatte sich jedenfalls nicht nur um einen Einzelfall gehandelt, berichtete Linares weiter, sondern es hatte mehrere Vorfälle gegeben, und bei allen waren Bewaffnete aufgetreten, die an ihrer Verbindung zum White Court keinen Zweifel gelassen hatten. Sie hatten schwarze, paramilitärische Uniformen getragen und waren alle an einem Armband mit einem Symbol darauf zu erkennen gewesen. So war vor einigen Tagen eine Botánica überfallen und verwüstet worden. Gestern oder vorgestern hatten dieselben Typen an einer Bushaltestelle ein paar Jugendliche aus dem Viertel verprügelt, und gerade heute hatte ein Haus gebrannt.

Wir gingen diesen Spuren natürlich nach, gar keine Frage. Zuerst kontaktierte Edward seine Dienststelle und ließ sich den Tathergang und die Täter, soweit bekannt, beschreiben. Das Symbol auf den Armbändern war Totilas bekannt: es war eine stilisierte Version des Wappens von Haus Raith.
Dann sprach Edward mit einem seiner Bekannten bei der Feuerwehr, der uns zu dem Brand folgendes sagen konnte: Das Feuer sei durch Brandstiftung entstanden; laut Zeugenaussagen habe eine rothaarige Frau Brandsätze geworfen. Oder zumindest müssten es Brandsätze gewesen sein, auch wenn noch keine Spuren von Brandbomben oder ähnlichem hätten gefunden werden können. Menschen seien bei dem Brand aber keine zu Schaden gekommen, weil die Frau vorher alle Bewohner aus dem Haus gejagt habe. Immerhin, eine Brandstifterin mit Skrupeln. Und vermutlich sogar eine magisch begabte Brandstifterin mit Skrupeln, zumindest deuteten darauf die fehlenden Spuren von Brandsätzen gleich welcher Art.

Rothaarige Flammenmagierin... Na, wer fiel dem Cardo wohl als erstes dazu ein? Nicht gut, Römer und Patrioten. Gar nicht gut. Bei der Vorstellung ging mir gehörig der Arsch auf Grundeis, wenn ich das mal so krude ausdrücken darf. Aber eine Beschreibung der Dame ergab, dass es nicht Lady Fire war. Und Christine, ihr mundanes Sprachrohr aus dem „Fiery Places“, konnte es auch nicht sein. Den Stein von meinem Herzen konnte man bestimmt noch in Orlando poltern hören. Übrigens hatte die Frau, als sie die Leute aus dem Haus scheuchte, laut und deutlich „schöne Grüße von Gerald“ bestellt. Mierda.

Totilas rief also sofort seinen Großvater an, der allerdings energisch abstritt, dass der White Court den Orunmila Ärger machen wolle, und seinen Enkel damit beauftragte, sich weiter um die Sache zu kümmern.

Als nächstes suchten wir die Jugendlichen an dieser Bushaltestelle auf und bekamen von denen bereitwillig erzählt, was sich zugetragen hatte. Einer der Jungen war gerade hinter einem Baum gewesen, als die Schlägertypen auftauchten, und war klugerweise außer Sicht und den Kerlen hinterher auf den Fersen geblieben. Er verfolgte sie bis zu einer Nobelkarosse, wo die Typen sich mit einer „umwerfend scharfen Braut“ trafen, mit dunklen, knapp schulterlangen Haaren und „coolen silberfarbenen Kontaktlinsen“, die der Junge sehen konnte, nachdem die Frau einen langen Moment mit dem Anführer der Schläger herumgeknutscht und diesem offensichtlich den Atem geraubt hatte, so sehr wie dem die Knie weich wurden. Nach dieser Zeugenaussage war für uns klar: Die scharfe Braut war eindeutig eine White-Court-Vampirin. Zum Glück hatte der Junge sich auch das Nummernschild merken können. Das zugehörige Fahrzeug, konnte Edward über seine Polizeikontakte in Erfahrung bringen, gehörte zum Fuhrpark des Raith-Clans. Eine weitere Info, die Totilas seinem Großvater zukommen lassen konnte.

Wir gingen indessen die Orunmila aufsuchen. Immerhin dreht sich diese ganze mierda um sie. Wir fanden Macaria Grijalva im Gemeindehaus des Viertels, wo diese gerade im Gespräch, oder besser heftigem Disput, mit zwei Männern war, die Roberto uns als Mit-Älteste der Santería-Gemeinschaft ausdeutete. Um was es ging, konnten wir nicht hören, aber ich vermute mal, um eben genau die jüngsten Ereignisse. Macaria selbst war recht kurz angebunden zu uns, erklärte aber, dass der White Court es wohl wegen der „Sache in Fort Lauderdale“ abgesehen habe. Was genau in Fort Lauderdale passiert sei, sagte sie nicht, irgendein Kampf, irgendeine Auseinandersetzung, und dabei seien angeblich die Orunmila den weißen Vampiren in den Rücken gefallen. Was nicht stimme, erklärte Macaria mit Nachdruck. Aber die Gerüchte gebe es eben, und seither auch die Übergriffe des White Courts. Und ja, die Orunmila haben irgendwelche Beziehungen zu den Raiths, ganz aus der Luft gegriffen ist die Verbindung also nicht. Nur eben das mit dem Verrat, sagte Macaria. Bezüglich der Loa-Masken bestätigte sie uns etwas widerwillig, dass deren Verbleib tatsächlich nicht länger im Dunklen liege. Angel Ortega, Robertos Spezialfreund von der Sache mit dem Geisterbiest, habe ausgeplaudert, dass die Masken bei den Orunmila in Verwahrung liegen. Und nun sei natürlich die ganze Welt hinter den Dingern her. Und Angel wegen dieser Indiskretion bis auf Weiteres von den Orunmila ausgeschlossen. (Was Roberto, nicht sonderlich überraschend, ein kleines, schadenfrohes Grinsen entlockte.)

Totilas wurde übrigens von den Leuten im Viertel ziemlich sofort als weißer Vampir erkannt und entsprechend finster betrachtet, und er bekam auch mehr als ein Schimpfwort ab. Nur gewalttätig wurde es nicht. Zum Glück. Aber weil es vermutlich nicht sonderlich gesund für unseren Raith-Kumpel gewesen wäre, so lange in Little Cuba herumzuhängen, bis es vielleicht doch zu Tätlichkeiten kam, traten wir lieber den Rückzug an. Alex hatte einen Kumpel, der sich unglaublich gut aufs Zeichnen verstand und der nach den Beschreibungen der Mieter des abgebrannten Hauses ein Phantombild von der feuerhaarigen Brandstifterin erstellte.

Keinem von uns sagte die Frau auf dem Bild etwas – nur Roberto. Und der kannte sie auch noch, weil sie tatsächlich eine Verwandte von ihm war. Eine Cousine, um genau zu sein, Ximena O'Toole. Deren Mutter, Robertos Tante, hatte einen Iren geheiratet, deswegen die schräge Namenskombination. Und deswegen auch die Haare, vermutlich.
« Letzte Änderung: 4.10.2012 | 00:31 von Timberwere »
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Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
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Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

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Ricardos Tagebuch: Death Masks 2

Ximena O'Toole – dieser Name hatte auch auf der Liste gestanden, die Spencer Declan uns damals bei der Sache mit den Kojanthropen erstellt hatte, als es darum ging, wer in der Stadt alles mächtig genug war, um dieses Ritual abzuziehen. Wir hatten uns mit ihr nur nie beschäftigt, weil sich dann ja recht schnell herausstellte, dass Angel versehentlich das Biest gerufen hatte und wir die Liste nicht weiter abklappern mussten. Tssss. Dieser Roberto. Hätte er ja schon damals mal einen Mucks tun können, dass ihm der Name etwas sagte.

Aber jedenfalls war diese Verbindung insofern von Vorteil, als Roberto über seine Eltern leicht an Ximenas Adresse und Telefonnummer kam und dann einfach kurzerhand bei seiner Cousine anrief.
Das Gespräch das wir am Lautsprecher mitbekamen, war höchst amüsant. Es war nämlich ein klassischer Fall von Missverständnis. Roberto kam überhaupt nicht dazu, sein Anliegen vorzubringen, denn er wurde sofort mit einem „Ach, du bist bestimmt der neue Spieler! Du spielst einen Zwerg, richtig? Heute abend um acht geht’s los“ überfahren.
Roberto, völlig überfordert, sagte nur ein paarmal „ja, ja, okay, ist gut, bis dann“ und legte auf. Seiner verblüfften Miene nach hatte er noch nie Arcanos gespielt, deswegen erklärte ich erst mal ein wenig, vor allem, weil der Begriff „Rollenspiel“ ihn und Totilas zunächst in eine völlig andere Richtung denken ließ. Seufz.

Danach beschlossen wir, dass ich an Robertos Stelle am Abend zu der Session gehen würde, weil ich auf der Uni früher regelmäßig Arcanos gespielt habe und den „neuen Spieler“ glaubwürdiger würde geben können als Roberto, der ja Pen&Paper-Rollenspiel noch gar nicht kennt.

Aber bis dahin war noch etwas Zeit, und so fuhren wir erstmal raus zu Jack in der Kommune, ob der uns vielleicht etwas mehr über die ganze mierda sagen konnte. Von den Loa-Masken wusste er selbst nicht so viel, aber Voodoo ist ja auch nicht so wirklich White Eagles Spezialgebiet. Ximena O'Toole hingegen kannte er als Magie-Wirkerin, nicht ganz auf White Council-Niveau, aber auch nicht so schlecht. Eigentlich ziemlich cool drauf, meinte er, nur in letzter Zeit habe sie ziemlich abgedreht. Hm. Okay. Also mit etwas Vorsicht zu genießen, die Dame. Als ob das aufgrund ihrer letzten Tätigkeiten in Sachen Häuser anzünden nicht ohnehin schon klar gewesen wäre.

Die Spielsession fand bei einem Kommilitonen von Ximena statt. Außer mir waren da noch vier andere Spieler, Ximena die einzige Frau darunter. Es gab etwas Verwirrung, weil anscheinend ausgemacht gewesen war, dass als fünfter Mitspieler ein Mädchen rekrutiert werden sollte, und ein Mädchen bin ich ja nun mal definitiv nicht. Darüber war einer der Jungs, Cole mit Namen, ziemlich angepisst, während ein weiterer Mitspieler, Gary, mich sofort erkannte, als ich zur Tür reinkam, und fast einen Herzinfarkt bekam. Da habe ich wohl einen ziemlichen Fan von mir getroffen... Das freute mich natürlich einerseits, aber andererseits wollte Gary die ganze Zeit mit mir über meine Bücher reden. Ich versuchte, das so gut wie möglich abzublocken, immerhin waren wir für Arcanos da und nicht für Das Eric Albarn RPG, aber es ging so weit, dass der Spielleiter Gary ermahnen musste, das OT-Geblubber doch bitte auf hinterher zu verschieben.

Ximena war auch ziemlich auf Krawall gebürstet. Als sie rausbekam, wer ich bin, machte sie mir erstmal Vorwürfe, ich hätte meine gesamten Eric-Plots bei einem gewissen Grant Walton abgeschrieben. Und dabei kenne ich diesen Grant Walton noch nicht mal. Memo an mich: mal was von dem lesen und sehen, ob er meinen Sachen wirklich so sehr ähnelt. Ihre Sticheleien wurden den ganzen Abend über auch nicht viel besser, selbst nachdem wir ins in-game gegangen waren. Aber das lag vielleicht daran, dass sie eine Elfin spielte und ich eben, wie gesagt, einen Zwerg, da gehören so launige Streitigkeiten einfach dazu. Spaß gemacht hat es jedenfalls.

Als der Spielabend rum war, bot ich Ximena an, sie heimzufahren, in der Hoffnung, noch etwas mehr von ihr erfahren zu können, aber sie war mit dem Fahrrad da und wollte sich nicht unbedingt zu mir ins Auto setzen. Klar. Wenn sie so magisch begabt ist, wie sie es zu sein scheint, dann ist moderne Technik vermutlich schon ziemlich anfällig bei ihr. Und James hat ja nun mal einen Bordcomputer und auch sonst alle mögliche Elektronik in sich, die sie hätte zerschießen können.

Aber wie wir da so vor dem Haus standen, fragte sie mich rundheraus, ob ich zu den 'schönen Männern' gehören würde. Gah. Nicht sie auch noch. Verdammt. Naja, wirklich abstreiten konnte ich das nicht, zumindest nicht die Tatsache, dass ich mit den anderen Jungs zusammenhänge und dass irgendwie diese verdammte Bezeichnung an uns hängengeblieben ist. Jedenfalls meinte sie, als ich es ihr brummelnd bestätigt hatte, wenn wir mal Hilfe brauchen würden oder einen Auftrag vergeben wollten, sie sei da. Und gab mir ihre Karte. Dass da nicht „Mage for Hire“ draufstand, war noch alles. Auf den Hausbrand sprach ich sie noch nicht an. Erstmal mit den anderen reden und Bericht erstatten. Was ich am nächsten Morgen dann gleich tat.

Gerald Raith hatte inzwischen etwas über das Autokennzeichen herausgefunden, das Totilas ihm durchgegeben hatte. Es gehört zu der Limousine, die seine Mutter Camerone regelmäßig nutzt. Camerone Raith, die sich mit ihrem Sohn Gerald so überhaupt nicht versteht. Camerone Raith, die letztes Halloween beinahe mit Roberto rumgemacht hätte. Die Camerone Raith. Yay.

Also ab ins Biltmore Hotel, wo die Lady ja, wie fast alle anderen Raiths auch, seit über einem Jahr ihre Residenz aufgeschlagen hat. Oder besser hatte. Denn Camerone war nicht mehr da, als wir ankamen. Hatte ihre Suite zwar noch gebucht, aber war schon seit einigen Tagen nicht mehr dort gewesen. Mierda.

Nachdem wir jetzt von Camerone wussten, kontaktierte ich Ximena und bat um ein Treffen. Dabei gestand ich ihr dann, dass ich am vorigen Abend nicht ganz so zufällig zu der Spielgruppe gestoßen sei (was sie erwartungsgemäß nicht sonderlich überraschte). Sie gab zwar nicht zu, den Brand in dem Haus gelegt zu haben, noch wer ihre Auftraggeberin gewesen war, aber mit einer Reihe „wenn“ und „angenommen“ und „hypothetisch“ von beiden Seiten wurde es doch relativ klar, dass sie das Feuer zu verantworten hatte. Sie erklärte sich bereit, ihrem Auftraggeber eine Nachricht zu überbringen, war aber ansonsten sehr schweigsam und sagte nichts, fühlte sich offensichtlich ihrer Berufsehre verpflichtet. Unsere Warnung, sie solle sich nicht mit so riskanten Sprüchen wie „ich bin genauso gut wie Declan – nur billiger!“ mit dem Warden anlegen, tat sie mit einem Schulterzucken ab. Wenn Declan sich mit ihr anlegen wolle, solle er es nur versuchen. Dann werde man ja sehen, was dabei rauskäme. Hossa. Mutig. Ich meine, wir werden sie bestimmt nicht an Declan verraten, aber sowas könnte trotzdem schneller bei ihm ankommen, als ihr lieb ist.

Da wir keine Ahnung hatten, wie lange es dauern würde, bis Ximena mit Camerone redete und ob Totilas' Urgroßmutter überhaupt mit uns würde reden wollen, wie erbeten, beschlossen wir, selbst nach ihr zu suchen. In ihrem Hotelzimmer waren ja noch die meisten ihrer Sachen, darunter auch ein Paar Schuhe, das sie offensichtlich vor kurzem getragen hatte und mit dem Edward ein Suchritual abhalten konnte, das uns zu ihr führte.

Die Spur führte in das Gemeindehaus in Little Cuba, in dem wir zuvor schon mit Macaria Grijalva gesprochen hatten. Dort geriet Roberto in ein religiöses Streitgespräch mit einem padre, der gegen die Santería wetterte und versuchte, Roberto davon zu überzeugen, dass dessen Weg der falsche war. So ganz in den Kleidern stecken blieb dem der Sermon offensichtlich nicht, denn er wirkte hinterher sehr nachdenklich. (Und ich muss dem padre ja recht geben. Christlich ist das, was Roberto da treibt, keinesfalls.)

Wir schlichen uns jedenfalls rein, um zu lauschen. Das ging nicht so lange gut: Sie erwischten uns und warfen uns hochkant raus. Aber nicht, ehe wir hörten, wie Camerone Raith den Orunmila ein Bündnis anbot. Sie erklärte den drei Ältesten, sie sei von Gerald Raith beauftragt worden, den Orunmila einzuheizen, aber sie wolle jetzt doch lieber mit den Santeríos zusammenarbeiten, weil Gerald ihr ein Dorn im Auge sei und sie ihn loswerden wolle. Macaria Grijalva sah zwar nicht besonders glücklich damit aus, aber die beiden anderen Ältesten nahmen das Angebot der Raith-Vampirin an. Und das war dann, wie gesagt, der Moment, in dem wir aufflogen. Mierda.

Wir warteten also draußen an deren Auto auf Camerone Raith, ganz offen. Irgendwann tauchte sie auch auf, anscheinend hatte sie mit den Santeríos noch die genauen Bedingungen ihrer Allianz festgezurrt. Und natürlich bekamen Edward und Camerone sich in die Haare. Seufz. Aber immerhin rutschte der Vampirin in dem Streit heraus, dass sie eine der Loa-Masken, und zwar die von Yansa, schon einmal in ihrem Besitz gehabt und genutzt hatte, und dass sie die Maske wiederhaben wolle. Vor 80 Jahren war das wohl gewesen. Warum und wieso, das bekamen wir nicht genau heraus, denn dann rauschte sie ab.

Während wir noch herumstanden und überlegten, was wir nun als nächstes tun sollten, sahen wir drüben auf der anderen Straßenseite Angel Ortega vorüberschwanken, offensichtlich betrunken. Den griffen wir uns erst einmal und fragten ihn aus, damit wir mal seine Version der Geschichte zu hören bekamen.

Angel war todunglücklich: Alle würden ihn jetzt hassen, er sei sogar aus den Orunmila ausgestoßen worden, weil er das mit den Masken ausgeplaudert habe – und dabei könne er sich daran überhaupt nicht erinnern. Aber Carlos Alveira habe im ganzen Viertel rumerzählt, dass er es gewesen sei, und nun glaubten es halt alle.

Carlos Alveira. Robertos Bruder, der auch bei den Latin Kings ist, derselben Gang, in der Enrique war, ehe er ins Gefängnis kam. Den muss ich auch mal wieder besuchen, ist schon wieder Wochen her. Beim letzten Mal hat er nach Alejandra gefragt; ich muss mir echt überlegen, ob ich sie beim nächsten Besuch mal mitnehme oder lieber nicht... Erstmal Fotos zeigen, glaube ich. Ist besser.

Wo wir das von Carlos wussten, ging Roberto natürlich mit seinem Bruder reden. Der erzählte, ja, Angel habe ihm das mit den Masken des Langen und des Breiten gesteckt. Aber Angel sei an dem Abend in der Bar stockbesoffen gewesen, und Angel ist normalerweise nie betrunken. Also außer heute natürlich. Aber das war ja vielleicht auch nicht so verwunderlich nach allem, was passiert war.

Totilas erstattete indessen seinem Großvater Bericht. Gerald stritt rundheraus ab, Camerone beauftragt zu haben, das sei ein Ränkespiel ihrerseits. Dass seine Mutter in den 1930er Jahren die Yansa-Maske mal in ihrem Besitz gehabt haben solle, davon wusste er nichts Genaues, und überhaupt hatte er es sehr eilig. Er müsse raus in die Sümpfe, sagte er, Sachen klären. Irgendwas mit dem Pot und mit den Elders. Dann legte er auch schon auf. Und Edward legte die Hände und hatte nichts gehört. Pot und so. Ähem.

Das war der Moment, in dem wir echt nicht weiter wussten. Irgendwie waren uns die Spuren ausgegangen. Und mit Samuel Elders Nichte Ilyana konnten wir auch noch nicht reden, das dauert noch ein paar Tage.

Aber Alex hatte eine Idee. Er führte ein kleines Ritual durch, konzentrierte sich und öffnete uns dann ein Tor an „irgendeinen wichtigen Ort“. Immerhin ist er der Abgesandte von Eleggua, und immerhin geht es auch um eine Eleggua-Maske. Also dürfte sein Schutzpatron ein gewisses Interesse an der Sache haben und uns an den richtigen Ort führen, hoffte Alex.

Und es wurde ein wichtiger Ort, Römer und Patrioten. Denn Alex' Portal brachte uns direkt zu einem Schlachtfeld. Little Cuba, wieder vor dem Gemeindehaus, wo sich die Orunmila und Kerle in schwarzen paramilitärischen Uniformen, wie sie uns bereits beschrieben worden waren, einen erbitterten Kampf lieferten. Wir waren völlig verdattert und versuchten gerade noch, uns zu orientieren, da tauchte plötzlich eine Gestalt auf. Eine Gestalt, oder eine Windhose, oder beides. Wild und unbeherrschbar und grausam und erschreckend wirksam. Diese Gestalt zerfetzte einfach ihre Gegner, die paramilitärischen Kämpfer, ohne jeden Widerstand und ohne dabei selbst Schaden zu nehmen. Einen der Orunmila, der zufällig im Weg stand, zerriss sie auch, ohne jeden Skrupel. Yansa. Oder besser: jemand, der die Yansa-Maske trug... Oh madre mia...
« Letzte Änderung: 25.09.2012 | 15:13 von Timberwere »
Zitat von: Dark_Tigger
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Zitat von: Shield Warden
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Ricardos Tagebuch: Death Masks 3

Irgendwann war es vorbei. Die Söldner lagen am Boden, ebenso zwei Bewohner des Viertels, und die Gestalt mit der Yansa-Maske – männlicher Körperbau, aber weibliche Bewgungen, vermutlich eben wegen der Maske, die er trug – verschwand im Nevernever.
Wir standen völlig verblüfft da und starrten auf das Chaos, da kam Macaria Grijalva zu uns und erklärte, der Typ in der Maske sei Alberto gewesen, einer der drei Orunmila-Ältesten, die mit Camerone verhandelt hatten. Und er habe alle drei Masken an sich gebracht.
Dann ging sie wieder, um „aufzuräumen“, wie sie sagte.

In einer Seitenstraße wurden zwei überlebende Söldner gerade von einem Dutzend Anwohnern übel verprügelt, stellten wir fest. Edward und ich versuchten beide, den Mob von den beiden Söldnertypen wegzubringen, aber ohne Erfolg. Die hörten einfach nicht auf uns.
Und dann kam Totilas dazu, und alles lief aus dem Ruder.
Denn der Mob erkannte ihn als White Court und ging geschlossen auf ihn los – und auf Edward und mich gleich mit.

Zwölf gegen drei: das sah trotz Edwards und Totilas' Kämpferqualitäten nicht gerade gut aus. Ziemlich als erstes schob Edward mich aus der Kampflinie, zu einer Hauswand und dem Müllcontainer davor, und baute sich zwischen mir und dem Mob auf, um mir etwas Deckung zu verschaffen. (Edward weiß eben, dass ich im Kampf nicht sonderlich nützlich bin. Dagegen sollte ich vielleicht mal was tun. Immerhin scheinen wir häufiger in solche Situationen zu geraten...) Das hinderte jedoch einen der aufgebrachten Leute nicht daran, mich anzugreifen und mich gegen die Mülltonne zu rammen. Mit dem Rücken genau in den Griff am Container. Au.

Immerhin konnte ich so auf den Müllcontainer klettern und war somit erstmal aus der Schusslinie. Aber Edward und Totilas bekamen unten ziemlich übel eingeschenkt, und ich wollte nicht einfach so tatenlos herumstehen. Also griff ich mir einen der Blumentöpfe, die ein Stückchen über mir außen auf einer Fensterbank standen und warf ihn nach einem der Typen, die Edward beharkten. Nur – madre mia, wie peinlich! – hatte ich nicht sonderlich gut gezielt. Der Kerl fing den Blumentopf sauber ab, sah einen Moment lang darauf, schrie mich wutentbrannt an: „Der gehört meiner Mama, du Arschloch!" und schleuderte ihn zurück. Und im Gegensatz zu meinem kläglichen Versuch war das ein perfekter Pitch, der mich voll am Kopf traf. Au. Verdammt!

Edward sah einen Moment lang so aus, als wolle er auch zu mir hochklettern, aber hey, er ist Edward. Er war viel zu wütend, um sich aus dem Kampf zurückzuziehen. Also blieb er unten und prügelte sich weiter. Inzwischen hatten auch Roberto und Alex gemerkt, was da bei uns in der Seitenstraße los war. Roberto rief von draußen laut „Policía!“ - nicht so, als sei er selbst einer, sondern als wolle er die anderen warnen, dass die Cops unterwegs seien. Aber der aufgebrachte Mob hörte ihn gar nicht.

Von meinem Container aus konnte ich dann sehen, wie Roberto irgendwas aufhob. Und dann kam er in die Gasse gelaufen, und ich hörte ihn rufen: "Das könnt ihr doch nicht machen! Wisst ihr, wen ihr da verprügelt? Das ist Ricardo Alcazár, der bekannte Literat und Latino-Aktivist!" Als auch das nichts fruchtete, watete er durch die Menge und hielt mir, „Autogramm! Autogramm!“ rufend, etwas zum Signieren hin. Es war das, was er zuvor aufgehoben hatte, irgendein völlig verranztes gedrucktes Etwas – ein Telefonbuch oder etwas in der Art, das irgendwer weggeworfen hatte.

Ich war derart baff, dass ich ihn nur anstarren konnte. Alle Anwesenden waren völlig baff, sogar der Mob. Vermutlich hätte ich mich gleich darauf aus meiner Schockstarre befreit und ihm das was-auch-immer-es-war tatsächlich signiert, wenn nicht in diesem Moment Alex in einem schwarzen Humvee – offensichtlich ein Fahrzeug der Söldnertruppe, das er kurzerhand requiriert hatte – in die Gasse gefahren wäre.

Totilas – der übrigens selbst ziemlich übel zugerichtet aussah – rief mir zu, ich solle runterspringen, und machte sich bereit, mich aufzufangen, aber es war wesentlich leichter, von dem Müllcontainer aus auf das Autodach zu klettern und sich an der Dachreling festzuhalten, also machte ich lieber das. (Erstens war es wesentlich leichter, und zweitens sah ich einen kurzen Augenblick lang vor meinem geistigen Auge das Bild von einem Paparazzo aufblitzen, wie der mich in Totilas' Armen fotografierte. No gracias. Auch wenn weit und breit kein Paparazzo zu sehen war. Besser nicht.)

Wir sammelten die beiden verletzten Söldner ein, und ich kletterte sobald wie möglich vom Dach in den Wagen, dann fuhren wir erst einmal zum Arzt. Einer der beiden Paramilitärs war sehr schlimm dran, würde es aber hoffentlich überleben. Den anderen brachten wir unter Hinweis darauf, dass er und seine Leute ganz schön im Dreck steckten und vermutlich von allen möglichen Seiten gelinkt würden und es in seinem eigenen Interesse sei, mit uns zu reden, dazu, dass er uns seine Version der Geschichte erzählte.

Seine Truppe arbeite für Gerald Raith, sagte er. So habe sein Commander jedenfalls gesagt; er selbst habe den Auftraggeber nie gesehen. Der Trupp sei vom Commander etwa vor einem halben Jahr zusammengestellt worden, um in Little Havanna Ärger zu machen. Mehr wusste er nicht, und wo sich das Hauptquartier der Söldnereinheit befand, wollte er auch nicht sagen.

Wir überließen ihm den Humvee – immerhin gehörte er seiner Truppe –, und er fuhr damit davon... allerdings nicht, ohne dass Roberto sein Handy im Auto „vergessen“ hatte. Damit und mit der GPS-App, die wir alle installiert haben, damit wir uns bei Bedarf finden können, ließ der Mann sich leicht verfolgen. Er fuhr hinaus in die Everglades, und wir folgten ihm in einigem Abstand, denn wir wollten ja vermeiden, dass er auf uns aufmerksam wurde.

Vielleicht wäre das, was dann passierte, anders passiert, wenn wir uns mehr beeilt hätten. Vermutlich aber auch nicht. Vermutlich war es ganz gut, dass der Kampf, als wir ankamen, schon in vollem Gange war.

Wieder stießen wir auf das reinste Chaos. Auf dem Gelände der Söldner kämpften zwei Parteien gegeneinander. Oder besser, zwei Seiten. Und eine der Seiten bestand aus einer Person. Von den Paramilitärs war schon so gut wie niemand mehr übrig, und die, die noch lebten, versuchten verzweifelt, sich aus dem Staub zu machen. Der Mann in der Yansa-Maske, mit allen Yansa-Fähigkeiten, stand gegen Cicerón Linares und seine Leute – und die waren selbst nicht ohne. Sie hatten nämlich offensichtlich Shango kanalisiert und waren nun in vollem übernatürlichen Modus unterwegs. Alberto, der Orunmila-Älteste, hatte keine Chance, Yansa-Maske oder nicht. Die Santo Shango umstellten ihn, trafen ihn immer wieder. Und schließlich rammte Cicerón Linares ihm ein Messer in den Rücken, und der alte Mann ging zu Boden.
Alex versuchte noch, zu ihm hinzukommen, aber da waren einfach zu viele Santo Shango in aggressivster Kampflaune, die sich dazwischenstellten. Padre en el cielo, perdonarnos, wir mussten Alberto liegen lassen.

Linares ging zu dem Gefallenen hin und zog ihm mit triumphierender Miene die Yansa-Maske vom Gesicht, dann suchte er Albertos Taschen ab und brachte auch die beiden anderen Masken zum Vorschein. Mit einer davon kam Linares zu uns herüber und hielt sie Alex hin – die Eleggua-Maske. Mit Alex' 'Boss' wolle er nichts zu tun haben, sagte er, der sei viel zu unberechenbar. Alex sah einen Moment lang so aus, als wolle er die Maske nicht annehmen, tat es dann aber doch, mit etwas unglücklichem Gesicht.
Die Yansa-Maske war ja das Ziel der ganzen Aktion gewesen, also gab Linares die natürlich nicht her, aber auch die von Oshun behielt er für sich. Roberto fragte danach, musste aber hören, dass die Santo Shango das erst einmal innerhalb ihrer eigenen Priesterschaft besprechen würden. Aber vielleicht könne man ja zu einem Deal kommen. Roberto solle doch mal mit Macaria Grijalva reden und zu vermitteln versuchen, die sei nämlich auf Linares & Co. nicht sonderlich gut zu sprechen.

Da sich die Situation jetzt ein wenig beruhigt hatte und Linares' Gang nicht mehr in vollem Kampfmodus war, wollten wir uns natürlich auch um Alberto kümmern. Doch der hatte den Kampf nicht überlebt. O Dios, acepte su alma.

Oh, und ratet mal, wer noch dort war, Römer und Patrioten. Ganz recht. Niemand anderes als Ilyana Elder. Ha. Soviel zum Thema Ritual, das ein paar Tage dauere und nicht unterbrochen werden dürfe. Sie hatte an dem Kampf zwar nicht aktiv teilgenommen, sich das Ganze aber interessiert und als offensichtlicher Teil der Gang angeschaut.
Wir richteten ihr aus, dass ihr Onkel Samuel sich Sorgen um sie mache, was sie zwar zur Kenntnis nahm, sich davon aber nicht in ihrem Entschluss beirren ließ, bei den Santo Shango zu bleiben. Sie sei erwachsen und wisse selbst, was gut für sie sei, erklärte sie überzeugt, und davon abbringen konnten wir sie nicht. Immerhin leierte ich ihr noch die Zusage aus den Rippen, sie werde mit Samuel reden, nicht dass das was ändere.

Wie nebenbei erwähnte Linares dann auch, dass er wisse, wo Ocean sei. Denn – das hatte ich bisher noch gar nicht erwähnt – Totilas' junge Cousine (eigentlich Tante, denn sie ist die Tochter von Gerald und Crysanthema Raith, und Gerald ist ja immerhin Totilas' Großvater, aber hey, Ocean ist siebzehn und Totilas Anfang Zwanzig, da klingt das Wort 'Tante' einfach falsch) war von zuhause abgehauen, das hatten wir in einem Telefongespräch mit Cherie erfahren. Gerald selbst war auch verschwunden, erzählte Cherie Edward, während im Hintergrund irgendein Feuergefecht ablief. Irgendwas an den Raith'schen Pot-Feldern anscheinend. Ein Angriff des Red Court oder so. Cherie war verständlicherweise mehr als kurz angebunden, und Edward, obwohl er versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen, machte sich doch einige Sorgen.

Jedenfalls war Gerald verschwunden, Ocean ebenso, aber Linares sagte jetzt, er wisse, wo sie sei. Und er werde sein Wissen sogar mit uns teilen, wenn Totilas verspräche, auf seinen Großvater einzuwirken, damit dieser die demnächst eintretenden Gegebenheiten widerspruchslos akzeptiere.
Was das für Gegebenheiten genau sein würden, erwähnte er nicht.
Totilas wiederum erklärte, er könne nicht versprechen, dass Gerald auch auf ihn hören werde, aber er verspreche, das Thema bei ihm anzuschneiden. Damit zeigte sich Linares dann auch zufriedengestellt.
Ocean befinde sich in dem alten Raddampfer, der vor bestimmt zwanzig Jahren mal als Touristenattraktion in die Everglades gebracht worden war. Seit dieses Unternehmen glorreich scheiterte, rottet der alte Kahn an seiner Kette langsam vor sich hin. Sogar ein Vogelschutzgebiet war vor einigen Jahren um ihn herum entstanden.
Und Ocean werde dort gefangen gehalten, behauptete Linares. Vom Red Court oder Red Court Söldnern oder etwas in der Art.

Als wir bei dem alten Dampfer ankamen, spähten wir also erst einmal die Lage aus. Zuerst war keine Bewegung zu sehen, aber dann entdeckten wir ein vernageltes Kabinenfenster, an dem es ratterte und rüttelte, als wolle sich jemand dort befreien, und außerdem die Silhouetten von zwei Wachtposten auf dem Oberdeck.
Roberto und Alex sorgten für Ablenkung, indem sie mit einem Glades-Boot, das Alex irgendwo auftreiben konnte, sich für Ornithologen ausgaben, die hier den seltenen blauen Wasserläufer beobachten wollten. Indessen schlichen Edward, Totilas und ich uns über das Schaufelrad an der Seite des Schiffes an Bord.
Allerdings hatte es eine ganze Weile gedauert, bis Alex und Roberto mit dem Boot angtuckert kamen und die Wachtposten ablenkten. Die Kabine, in der Ocean allem Anschein nach festgehalten worden war, war jedenfalls jetzt leer; nur noch ihr Rucksack lag dort. Den durchsuchte Totilas schnell, aber dann warf er plötzlich den Kopf hoch, weitete die Augen und eilte aus dem Raum, hastig gefolgt von Alex und mir. Offensichtlich hatte er mit seinen White Court-Sinnen irgendwas bemerkt.

Aber dazu brauchte es nicht mal White Court-Sinne. Das konnte sogar ich spüren, dass da etwas in der Luft lag. Eine Anspannung. Ein Knistern. Geballte Erotik, die um so stärker wurde, je näher wir ihrer Quelle kamen. Die Quelle, das war der Salon des alten Dampfers, wo vier Kerle, die anscheinend gerade wachfrei hatten, dabei waren, sich um Ocean zu prügeln. Drei rangelten wild miteinander und mit dem Vierten. Dieser Vierte befand sich in einer gierigen Umarmung mit Totilas' Cousine, seine Lippen fast mit ihren verschmolzen, die Körper, obgleich noch fast vollständig bekleidet, eng aneinandergepresst, und er bemerkte überhaupt nicht, wie das Mädchen ihn schwächte.

Im Zuge der Geschichte mit Totilas' Vater letztes Halloween hatte ich ja erfahren, was es mit White Court-Jungfrauen auf sich hat: Dass sie noch keine vollen Vampire sind und durch die Macht der wahren Liebe diesen Fluch loswerden und zu ganz normalen Menschen werden können – aber eben nur, solange sie noch niemanden mit ihren White Court-Kräften getötet haben. Wenn dies einmal geschehen ist, dann ist derjenige für immer ein Vampir.

Letztes Halloween hatte Ocean uns noch erzählt, wie sehr sie darauf hoffte, einmal ihre wahre Liebe zu finden, und dass sie nie zum Vampir werden wolle. Doch jetzt hatte sie offensichtlich die Kontrolle an ihren Dämon verloren: Sie hatte die typischen silbernen White Court-Augen bekommen und war kräftig dabei, ihr erstes Opfer zu machen.

Aus Totilas' entsetztem Aufschrei wurde klar, dass er das nicht zulassen konnte und wollte, und so stürzten wir uns alle in den Kampf. Es entstand ein wildes Getümmel, in dem wir Ocean das eine potentielle Opfer entreißen konnten, sich aber sofort einer der anderen Kerle auf sie stürzte und sie mit dem weitermachte. Die Typen waren dummerweise ziemlich gut ausgebildet und nicht abgelenkt genug, um uns nicht auch noch mit anzugreifen.

In dem ganzen Chaos kam keiner von uns ungeschoren davon. Ich war unbewaffnet, griff mir aber von einem der Billardtische in dem Salon ein vergessenes Queue, um wenigstens nicht ganz hilflos dazustehen, oder vielleicht sogar irgendwas damit erreichen zu können. So versuchte ich, mit dem Queue den Kerl aus Oceans Umarmung zu ziehen – leider nicht sehr erfolgreich. Aber einen anderen Effekt hatte der Versuch. Um den Söldner wegzuziehen, musste ich ja dicht an die beiden heran... und plötzlich bemerkte ich, wie begehrenswert das junge Mädchen vor mir doch war. Mein Verstand wusste genau, dass ich das Mädchen eigentlich nicht begehrte, dass das nur die White Court-Pheromone waren, die Oceans Dämon ausschüttete, denn er wollte mich ebenso gewinnen wie die Söldnertypen. Aber, O madre mia, mein Körper und mein Instinkt reagierten dennoch. Mit einem Mal fühlte ich mich unglaublich angezogen von Ocean Raith, und ich musste aufpassen, dass ich nicht ebenso über sie herfiel wie die Kerle.
« Letzte Änderung: 28.11.2012 | 10:58 von Timberwere »
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
Meine Rede.
Zitat von: Shield Warden
Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

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Ricardos Tagebuch: Death Masks 4

Irgendwann tauchten auch Alex und Roberto auf, genau wie die beiden Wachtposten von oben, was den Kampf nochmals verschärfte. Ich bekam gar nicht mit, was Alex genau tat, aber er muss ein Tor ins Nevernever geöffnet haben, denn plötzlich brachen wir alle durch den Boden des Salons. Und landeten im Heizraum des Schiffes – oder besser, dem Äquivalent des Heizraums des Schiffes im Nevernever, denn der Kessel hier dampfte auf vollen Touren, und etliche rußbedeckte Gestalten schaufelten Kohlen in die Heizöffnung, als gebe es kein Morgen. Andere wuselten herum und hielten jedem von uns drängend eine Schaufel hin.

Wir waren noch damit beschäftigt, Ocean von ihrem Opfer zu trennen und uns der übriggebliebenen Gegner zu erwehren, aber Alex nahm eine Schaufel und begann zu helfen, sah ich aus dem Augenwinkel. Erst als es Totilas gelungen war, Ocean bewusstlos zu schlagen und wir den Söldner – stark geschwächt, aber noch am Leben – von ihr weggezogen hatten, stellten wir fest, dass Alex offensichtlich gar nicht freiwillig bei der Sache war, sondern unter irgendeinem Zauber stand. Er schaufelte wie besessen, war gar nicht ansprechbar, und der Rußstaub hatte unnatürlich schnell jeden freien Zentimeter seiner Haut bedeckt.

Roberto war der erste, dem es auffiel, und der Edward mit einem lauten „NEEEIN!“ davon abhielt, sich ebenfalls eine Schaufel zu greifen. Und dann waren all unsere Bemühungen darauf gerichtet, Alex zu befreien. Das war gar nicht so einfach, weil wir nicht wagten, seine Schaufel zu berühren, damit wir nicht ebenfalls unter diesen Zauberbann gerieten. Ein kräftiger Tritt gegen die Schaufel brachte Edward nur angeschlagene Zehen ein, aber schließlich gelang es uns mit Hilfe meines bewährten Allzweck-Queues, das wie die ganzen anderen losen Gegenstände auch durch das Portal ins Nevernever gefallen war.

Erst als Alex wieder zu sich kam, fiel uns auf, wie schwer Totilas in dem Kampf verwundet worden war. Neben weniger ernsten Blessuren, hatte er eine richtig üble Schusswunde, die er bis eben aber dank des Dämons in sich gerade noch hatte ignorieren können. Nun aber sackte er in sich zusammen... nur um sich einen Moment später wieder aufzurichten, mit den silbernen Augen seines Dämons, der die Überhand über Totilas' sonst so eiserne Disziplin gewonnen hatte, und uns hungrig anzustarren.
Dass er sich auf einen von uns stürzen würde, war unvermeidlich. Eine Sekunde lang war alles wie in einem erstarrten Tableau, dann machte Edward eine kleine, resignierte Handbewegung und stellte sich schützend vor uns andere.
Und so war er es, den Totilas in einen heftigen Kuss zog, um sich zu heilen, wie schon einmal. Oder wenigstens zu stabilisieren, denn so einen Lungenschuss heilt nicht einmal ein White Court-Vampir auf die Schnelle.

Irgendwann hatte Totilas sich wieder genug unter Kontrolle, dass er von Edward abließ. Der machte ein steinernes Gesicht und versuchte zu tun, als sei nichts geschehen, und wir anderen hielten uns ebenfalls mit dummen Sprüchen zurück - dazu war die Situation zu ernst. Unsere ehemaligen Gegner, die an diesem irrwitzigen Ort viel zu verwirrt waren, um weiterzukämpfen und sich stillschweigend ergeben hatten, taten das kleine Techtelmechtel wohl ohnehin als weitere Seltsamkeit ab, die sie besser ignorierten.

Alex führte uns dann jedenfalls auf den üblichen verschlungenen Wegen zurück. Totilas trug dabei seine bewusstlose Cousine, Alex deren völlig erschöpftes Opfer.
Der Weg endete in Pans Palast – wieder einmal, und ich konnte nicht verhindern, dass ich mich ständig nervös umsah, solange ich mich dort aufhielt. Zurück in unserer eigenen Welt war die nächste Station der Familienarzt der Raiths im Biltmore Hotel. Der war wenigstens im Bilde und stellte keine Fragen bezüglich der Schusswunden und Totilas' eindeutig nicht menschlichem Blut und all dem.
Eine unserer ersten besorgten Fragen galt natürlich Ocean, aber der ging es, gracias a Dios, einigermaßen gut. Und da sie niemanden getötet hatte, war sie nicht zum Vampir geworden, sondern blieb weiterhin eine White Court-Jungfrau.

Nachdem der Arzt uns entlassen hatte, fand Totilas eine Mitteilung auf dem Anrufbeantworter seines Handys. Da hatte wohl jemand versucht, ihn zu erreichen, als sein Telefon im Nevernever und somit außer Empfangsreichweite war. Beim Abhören der Nachricht wurde er bleich und spielte sie uns dann nochmal per Lautsprecher vor: Es war Camerone Raith, die behauptete, sie habe Gerald und Ocean in ihrer Gewalt, und wenn Totilas die beiden retten wolle, solle er zur Waystation kommen. Allein. Und idealerweise vor Einbruch der Dunkelheit. Böses Lachen. Pieeeep. Wenn Sie die Nachricht noch einmal abhören möchten, drücken Sie bitte die Eins. Mierda.

Nun gut. Ocean hatte Camerone offensichtlich nicht mehr, und sie schien auch von unserer Befreiungsaktion noch nichts zu wissen. Immerhin etwas, aber das mit Gerald klang gar nicht gut. Natürlich fuhren wir zur Waystation hinaus, Römer und Patrioten, und zwar in Alex-gemäßem Eiltempo, denn bis zum Dunkelwerden war gar nicht mehr lang Zeit.

Bei dem Glades-Lokal angkommen, schickte Selva Elder uns in eines der Nebenzimmer, wo Camerone Raith schon auf Totilas wartete. Wobei Nebenzimmer nicht ganz das richtige Wort ist. Denn die Waystation ist ja ein typischer Everglades-Bau, auf Stelzen teilweise über das Wasser gebaut und teilweise ohne Wände und nach außen offen. Und in einem solchen Raum wartete Camerone. Gerald Raith war bei ihr, auf allen Vieren kauernd und in die enge Lederkluft eines BDSM-Untergebenen gekleidet. Zu dieser Kluft gehörte auch ein Halsband mit Ring, durch den eine Kette geschlungen war, an dem seine Mutter ihn festhielt. Das Oberhaupt der Familie Raith in Miami sah besiegt aus, gebrochen – aber als ich genauer hinsah, konnte ich etwas in seinen Augen erkennen, das aussah, als spiele der Mann die Niederlage nur, als warte er nur auf den richtigen Moment zum Zurückschlagen.

Camerone Raith grinste süffisant und siegesgewiss. Vor ihr auf dem Tisch lag eine Maske, über deren glatte Holzoberfläche sie immer wieder besitzergreifend strich. Oshun. Auch Totilas sah immer wieder zu der Maske hin, als könne er den Blick nicht davon abwenden.
Ilyana Elder war auch im Raum, lehnte unbeteiligt an einer Säule und beobachtete. Seine Urgroßmutter befahl Totilas, sich ebenfalls fesseln zu lassen, aber der weigerte sich. Daraufhin drohte Camerone Raith mit ihrer Gewalt über Ocean, aber Totilas grinste sie nur an und meinte: „Soso. Meinst du.“ Selva Elder wies Camerone darauf hin, dass es sich bei der Waystation um Accorded Neutral Ground handele, es also in Ordnung sei, wenn Totilas sich freiwillig gefangen nehmen lasse, wie Gerald Raith das offensichtlich getan hatte (denn der wehrte sich überhaupt nicht gegen die Kette), aber zwingen könne und werde sie niemanden. Niemand zweifelte an ihrer Fähigkeit, die Bestimmungen der Unseelie Accords auch durchzusetzen, denn nicht nur machte Selva Elder selbst einen höchst kompetenten Eindruck, unten im Wasser direkt unter dem Raum lungerten auch etliche Krokodile herum, bei denen es sich mit allergrößter Wahrscheinlichkeit um Elders in Wer-Form handelte.

Das war der Moment, in dem der Red Court seinen Auftritt hatte, in der Gestalt von Sancia Canché und Lucia Valdez. Totilas' Mutter hatten wir zuletzt kurz nach Halloween gesehen, nach der Aktion, in der sie ihrem Sohn das Herz herausgerissen und hinterher erklärt hatte, irgendwann werde sie ihn und das Monster, das in ihm wohne, schon noch bekommen. Sagte damals die Red Court-Vampirin, wohlgemerkt. Und jetzt wirkte sie nicht viel weniger wahnsinnig.

Aus den Worten, die Sancia mit Camerone Raith wechselte, wurde deutlich, dass die beiden Vampirinnen ein Geschäft gemacht hatten. Anscheinend hatte Camerone, für welche Gegenleistung auch immer, versprochen, ihr Totilas und Gerald zu liefern. Und nun war Sancia ziemlich verärgert darüber, dass Camerone ihren Teil der Abmachung nicht eingehalten hatte – immerhin war Totilas noch frei und weigerte sich standhaft, sich seiner Mutter zu ergeben.
Dass man ihn dazu zwinge, erklärte Selva Elder erneut, werde sie nicht zulassen. Immerhin sei die Waystation neutraler Boden.

Von Totilas' Weigerung immer mehr in Rage versetzt, schnappte sich Camerone Raith plötzlich die Maske, setzte sie auf und wiederholte den Befehl erneut: Offensichtlich wollte sie Totilas mit Hilfe der Maske beherrschen. Der jedoch reagierte gar nicht darauf, und Roberto grinste triumphierend und murmelte „wusste ich's doch!“
Anscheinend hatte er die vorgebliche Oshun-Maske schon von Anfang an als Fälschung durchschaut.

Nachdem Camerone mit ihren Beherrschungsversuchen keinen Erfolg gehabt hatte, nahm Sancia das Heft in die Hand und wollte Totilas zum Aufgeben überreden. Der jedoch dachte gar nicht daran, sondern schleuderte seiner Mutter seinen Widerstand entgegen. Davon bis aufs Blut provoziert, griff die ihren Sohn an, neutraler Boden oder nicht.
Es kam zu einem heftigen Kampf, bei dem Lucia Valdez erfolglos versuchte, der anderen Vampirin in den Arm zu fallen und wir übrigen uns zunächst zurückhielten, um den neutralen Boden nicht zu verletzen. Erst als Selva Elder in ihrer Rolle als Hausherrin eingriff, konnten wir auch aktiv werden.

Sancia Canché hatte ihrem Sohn ziemlich zugesetzt. Als der Kampf einen Moment lang abebbte, schnappte Totilas sich Geralds Kette und wollte sich mit seinem Großvater absetzen, aber so abgelenkt war Camerone Raith dann doch nicht. Sie schnitt den beiden den Weg zur Tür ab und hob bedrohlich ihr Handy.
„In Geralds Halsband ist ein Sprengsatz eingearbeitet!“, erklärte sie. „Und ich kann ihn jederzeit zünden!“

Madre mia. Damit hatte keiner gerechnet. Aber Camerone meinte es ernst, todernst. Totilas erstarrte mitten im Schritt und brach dann in die Knie, wild vor sich hin brabbelnd und murmelnd, weil es ihm nicht gelungen war, seinen Großvater zu retten.
Indessen stritten sich die beiden Vampirinnen weiter. Es ging noch immer darum, dass Camerone Raith ihren Teil der Abmachung nicht erfüllt habe. Aber da diese ja immerhin Gerald liefern konnte und Totilas somit gezwungen sei, sich Sancia Canché zu ergeben, wenn diese erstmal ihren Schwiegervater in den Händen habe, wurden sie sich dann doch einig. Camerone würde Sancia erst einmal Gerald übergeben, der Rest käme dann schon von selbst.

Nun hatte aber auch Selva Elder genug gehört. Sie schnappte Camerone Raith das Handy mit dem Zünder weg und verwies beide Vampirinnen des Lokals. Die White Court akzeptierte den Rauswurf, aber die Red Court verlor die Kontrolle und drehte durch. Völlig wahnsinnig griff sie Totilas erneut an und wollte ihn ein und für alle Mal umbringen, doch Edward warf sich ihr in den Weg.

Das war der Moment, in dem Selva Elder sich in ihre Krokodilsgestalt verwandelte und Sancia Canché ebenfalls angriff. Auch Lucia Valdez fiel ihrer Chefin in den Arm, um sie aufzuhalten, während ich versuchte, meine Freunde irgendwie aus der Kampfzone zu ziehen. Mit einem irren Schrei riss Sancia sich los und verschwand ins Freie, während Camerone Raith sich die Kette schnappte, an der ihr Sohn befestigt war, und ebenfalls mit ihm verschwinden wollte. Aber da hatte sie die Rechnung ohne Roberto gemacht. Der hatte ja die vermeintliche Oshun-Maske als Fälschung identifiziert und auch erkannt, dass irgendein Zauber darauf lag, damit Camerone die Fälschung nicht bemerkte. Schnell entschlossen griff er sich also nun die Maske und warf sie ins Wasser hinunter. Camerone schrie auf, ließ Geralds Kette los und stürzte sich ohne zu zögern der Maske hinterher.

Und nun zeigte sich, dass der Anführer des Raith-Clans von Miami tatsächlich nicht so geschlagen war, wie er seine Mutter hatte glauben machen. Er überzeugte Ilyana Elder, die noch immer unbeteiligt an der Wand lehnte, dass Camerone nicht entkommen dürfe, woraufhin die junge Frau  sich in ihre Krokodilsgestalt verwandelte, ins Wasser glitt und mit den anderen Wer-Elders zusammen untertauchte. Die Wasseroberfläche schäumte und gurgelte, und kurze Zeit darauf färbte sie sich rötlich ein. Santísimo Padre del cielo...

Als wieder Ruhe eingekehrt war, erfuhren wir von Ilyana Elder, dass es Cicerón Linares bei der ganzen Aktion vor allem um die Pot-Felder der Elders gegangen war. Bis dato hatten die Elders immer Gerald Raith den Vertrieb und somit die größten Gewinne überlassen, aber der alte Patriarch des Werkrokodils-Clans, Tutmoses Elder, fühlte sich von dem ganzen Ärger zwischen den White Courts und den Red Courts, die ständige Angriffe auf die Felder unternahmen, so genervt, dass er Linares das Geschäft versprach, wenn dieser nur für Ruhe sorgen würde.

Das also waren also die neuen Gegebenheiten, über die Totilas gemäß seinem Versprchen an den Gangster mit seinem Großvater besprechen sollte. Und Gerald konnte nicht anders, als die Zähne zusammenzubeißen und dem Santo Shango diesen Sieg zuzugestehen. Denn auch wenn Totilas nur versprochen hatte, dass er mit seinem Großvater reden werde und nicht, dass dieses Reden auch von Erfolg gekrönt sein würde, bedeutete es in der Praxis doch genau das. Denn wenn Totilas nur redete, aber nicht lieferte, dann wüssten alle in der Szene, dass man sich auf Totilas' Wort nicht verlassen konnte, oder schlimmer noch, dass er in den Reihen der Raith' nichts zu sagen hatte. Dass die Raith nicht mit einer Stimme sprachen. Und das konnte und wollte sich Gerald nicht leisten. Also biss er in den sauren Apfel und akzeptierte.
Aber erst einmal war ein dritter Arztbesuch fällig – diesmal nicht nur beim Raith-Familienarzt im Biltmore, sondern gleich im eigenen Krankenhaus des White Court.

Auf dem Weg dorthin fragten wir Gerald aus, was denn genau mit ihm passiert sei. Er hatte sich seiner Mutter ergeben, weil die ihn mit seiner Tochter erpresst hatte. Wenn er ihr nicht Folge leiste, hatte Camerone gedroht, werde sie Ocean umbringen lassen. Camerone Raith war es auch gewesen, die Cicerón Linares verraten hatte, wo dieser den alten Orunmila Alberto finden könne. Im Gegenzug dafür hatte sie die Oshun-Maske verlangt, die ja vor etwa 80 Jahren schon einmal in ihrem Besitz gewesen war.
Gerald und Totilas wollte sie Sancia Canché übergeben, um die beiden aus dem Weg zu schaffen und Camerone selbst wieder zur Herrin des White Court in Miami zu machen – und die Red Court-Vampirin wollte Camerone dann wohl mit Hilfe der Oshun-Maske beherrschen.
Das Halsband von Geralds Sklavenkluft enthielt übrigens doch keinen Sprengstoff. Da hatte seine Mutter einfach nur unglaublich überzeugend geblufft.

Es war auch nicht Angél Ortega, der das Geheimnis der Masken im Suff ausgeplaudert und damit den Stein überhaupt erst ins Rollen gebracht hat. Der hatte nämlich ein Alibi, stellte sich dann heraus, und konnte somit gar nicht derjenige gewesen sein. Wir vermuten, dass auch hier Camerone ihre Finger im Spiel hatte und jemanden – Ximena O'Toole? Immerhin arbeitete die für sie und hat magische Fähigkeiten – beauftragt hatte, in Angéls Gestalt diese Gerüchte zu streuen.

Oh, und Sancia Canché hat die Stadt für's erste wieder verlassen, und bei den Roten Vampiren sind wieder die vorherigen Verhältnisse mit Orféa Baez an der Spitze des Red Courts eingekehrt. So zumindest erzählte Lucia Valdez vor ein paar Tagen Roberto, der ja ein alter Bekannter von ihr ist.
Und wenn es nach mir geht, kann Sancia gar nicht weit genug von Miami weg sein. Wenn ich sie nie im Leben wieder sehe, ist das noch zu früh. Aber ich fürchte, es könnte wesentlich schneller gehen. Denn sie hat ja noch immer Rache an ihrem Schwiegervater und ihrem Sohn geschworen...

Für Cicerón Linares ging die ganze Aktion natürlich ideal aus. Ich glaube, besser hätte es gar nicht laufen können für ihn und die Santo Shango. Mierda. Ich bin gar nicht so sicher, ob mir das gefällt. (Milde ausgedrückt.) Immerhin sind die Santo Shango eine verdammte Gangster-Bande. Und irgendwie befürchte ich, dass wir mit denen auch nochmal ganz böse aneinandergeraten könnten.
« Letzte Änderung: 28.11.2012 | 00:56 von Timberwere »
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Ricardos Tagebuch: Blood Rites 1

Gute Nachrichten, Römer und Patrioten: Die Verfilmung von Indian Summer nimmt endlich Gestalt an! Sheila hat eben angerufen und mir die Eckdaten durchgegeben. Sie haben tatsächlich Sam Worthington für die Rolle des Eric gewinnen können, was ich so ziemlich als Idealbesetzung empfinde. Die weibliche Hauptdarstellerin, eine gewisse Roselyn Sanchez, sagt mir bisher nichts, und auch die Regisseurin musste ich erst googeln. Kataklysma Bentley heißt sie und hat sich bisher ausschließlich in kleinen Genre-Produktionen betätigt – ich meine, hallo? Mit dem Namen kann sie ja nur in Genre-Produktionen gewesen sein. Eine Alienkomödie, ein Zeitreise-Actioner und ein psychologisches Horrordrama. Ich muss mir die mal ansehen.

---

Alex hat gerade angerufen. Es gibt einen Notfall. Treffen im Dora's. Später mehr.

---

Alex' Notfall war ein Geist. Wie auch sonst, bei Alex. Und er brachte ihn – sie – tatsächlich mit in den Donut-Laden (genau wie damals die alte Mrs. Blanco zu ihrer Enkelin in Totilas' Studio, als ich die beiden frisch kennenlernte). Das war vielleicht seltsam. Die Verstorbene, Caroline Harris, hatte vor zwei Wochen einen Autounfall gehabt. Und hatte gestern dann über einen „Stafettenlauf“ von Geistern Alex kontaktiert. Es gehe um ihren Verlobten, erzählte sie durch Alex' Mund, nachdem sie erst einmal ganz begeistert war, den Autor der Eric-Albarn-Romane zu treffen. Madre de Dios. Ich meine, es war ja schmeichelhaft und alles, aber ... ein Geist? Muy extraño. Jedenfalls. Dieser Verlobte war als Soldat mehrfach in Afghanistan gewesen und dann vor drei Monaten mit PTSD aus der Armee ausgeschieden. Seither war es ihm sehr schlecht gegangen, und Carolines Tod hatte alles nur noch schlimmer gemacht. Und jetzt mache sie sich Sorgen um ihn: Steven habe all seine Waffen zusammengepackt und sei damit abgezogen, und nun habe Caroline Angst, dass er einen Amoklauf plane oder sonst eine Wahnsinnstat.

Sie hätte gar nicht mehr hier sein sollen, erklärte Alex. Normalerweise entstünden Geister, wenn es noch etwas Unerledigtes gibt, das sie zurückhält. Caroline habe aber alle Anzeichen einer Seele, die ungehindert ins Licht geht, ins Licht hätte gehen sollen, wenn sie nicht von einem äußeren Einfluss daran gehindert worden wäre. Und wirklich sah Roberto, als er sie mit seinem Inneren Auge betrachtete, dass sie ein schwarzes Band um den Hals trug. Auf dem Band war in silbernem Faden ein Kreis aufgestickt, ganz normal zweidimensional, wie ein Schmuckmuster, und trotzdem war unmöglicherweise an diesem Kreis eine Kette befestigt, die allerdings momentan lose herunterhing und nirgendwohin führte. Caroline erzählte auch, dass sie eigentlich schon das Licht gesehen habe, auf dem Weg dorthin gewesen sei, als sie einen Ruck spürte und etwas sie zurückzog.

Wir ließen uns von Caroline den Weg zu ihrer ehemaligen Wohnung zeigen und den Schlüssel, der – natürlich – unter der Türmatte lag. Da Steven McNeill ja laut Caroline mit seinen ganzen Waffen losgezogen war, fackelte Edward nicht lange, sondern schloss auf und betrat die Wohnung. Immerhin hatte er Grund zu der Annahme, dass hier ein Verbrechen vorbereitet worden war. Wir folgten ihm dicht auf – und mitten in ein Wohnzimmer, wo Steven McNeill in voller Lebensgröße eben aufsprang, eine Pistole zog und fürchterlich herumzubrüllen begann. Dass er Edward nicht gleich erschoss, ist noch alles. Auch dessen Versuche, die Situation zu entschärfen, schlugen fehl – der traumatisierte Soldat war einfach zu aggressiv. Also traten wir schleunigst den Rückzug an.

Dass wir McNeills Haus beobachteten, verstand sich von selbst. Alex allerdings ging indessen Caroline Harris suchen, die war nämlich in dem ganzen Durcheinander kurzerhand verpufft. Als er wiederkam, erzählte er, er habe sie gefunden, und sie habe ihm haargenau dasselbe nochmal erzählt, von ihrem Autounfall und der grünen Ampel und den Sicherheitscodes und ihrem Verlobten und ihrer Angst, er wolle Amok laufen. Das arme Mädel ist eindeutig in irgendeiner Schleife, und auf ihre Zeitangaben verlassen können wir uns keinesfalls. Hätten wir das mal gewusst, ehe wir bei McNeill im Wohnzimmer standen.

Edward ließ währenddessen die Namen Caroline Harris und Steven McNeill durch den Polizeicomputer laufen und bekam einige Informationen über die beiden. Caroline war Angestellte bei einer Bank, der Gibraltar Private Bank & Trust, und gerade unterwegs zur Arbeit, als sie eine rote Ampel überfuhr und mit tödlicher Wucht in einen Lastwagen raste. Sie starb noch auf dem Weg ins Krankenhaus.

Über den Verlobten Steven spuckten die Computer das aus, was Caroline auch schon erzählt hatte: Soldat, mit PTSD entlassen wurde, wohl nach irgendeinem nicht näher bezeichneten Vorfall, aber nicht unehrenhaft. Diverse Waffen auf ihn zugelassen.

Es versteht sich von selbst, dass wir Stevens Wohnung beobachteten, falls er wirklich etwas vorhatte. Mit ihm zu reden, war in seiner momentanen aggressiven Stimmung sicherlich nicht gerade aussichtsreich. Und nach einer Weile kam McNeill tatsächlich aus dem Haus und fuhr in einem alten, vor dem Haus geparkten Wagen davon. Alex gelang es, das Auto zu verfolgen, ohne dass der er merkte, während Edward seinen Partner Henry anrief und den das Nummernschild durch den Polizeicomputer jagen ließ. Vor drei Tagen gekauft, sagte Henry. McNeill fuhr gutes Stück weit, ehe er in einer Seitenstraße in einer etwas heruntergekommenen Gegend parkte und ausstieg, den Wagen abschloss und den Schlüssel in eine nahegelegene Mülltonne warf. Dann ging er zu Fuß davon und rief sich zwei Straßen weiter ein Taxi.

Edward und Totilas blieben bei McNeills Wagen, um den etwas näher zu untersuchen, während Alex, Roberto und ich dem Taxi folgten. McNeill ließ sich zu einem Autohändler bringen und erstand dort eine ähnlich klapprige Rostlaube wie die, die er soeben zurückgelassen hatte. Sehr seltsame Geschichte. Warum ein Auto aufgeben und gleich ein absolut vergleichbares kaufen? Es sei denn, es gab einen Grund, mit dem alten Wagen nicht mehr gesehen zu werden... Natürlich folgten wir ihm weiter, als er mit seiner Neuerwerbung von dem Händler wegfuhr.

McNeill unterbrach seine Fahrt an einer Buchhandlung, wo er eine Bibel kaufte (was ich weiß, weil ich neugierig war und ihm in den Laden hinterherging. Unauffällig und vorsichtig natürlich. Was denkt ihr denn, Römer und Patrioten.) Die Dame an der Kasse lächelte ihn an und sagte irgendwas zu ihm, von dem ich nur das „... Bruder“ am Ende verstehen konnte, aber was es auch war, McNeill schoss ihr einen Blick zu, der sie umgehend zum Schweigen brachte. Und auch die übrigen Kunden traten instinktiv von ihm zurück. Creepy.

Anschließend fuhr McNeill nach Hause, stellte den neu gekauften Wagen ab und verschwand wieder in seiner Wohnung. Und was sollte das jetzt? Muy extraño. Also weiter das Haus beobachten. Nach einer Weile stießen Edward und Totilas wieder zu uns, Totilas etwas ... zerzaust. Und vor allem von einem deutlichen Spritzer Eau de Garbage umgeben. Er hatte tatsächlich die Mülltonne nach dem Autoschlüssel durchsucht, weil er nicht wollte, dass Edward den Wagen einfach aufbrach.

Das Ergebnis der Mühen: Ein Kofferraum voller Waffen – Pistolen, Maschinenpistolen und ein Sturmgewehr sowie eine Granate – und eine Bibel im Handschuhfach. Unterstrichen waren vielsagende Stellen wie Gen 13:13, Gen 18:20, Gen 19:13 oder 1. Chronik 21:15-16: alles Verse, die sich mit der Vernichtung und Zerstörung als Strafe für Sünde befassten. Ganz klar, den Mann mussten wir weiter im Auge behalten.

Irgendwann kam McNeill auch tatsächlich wieder heraus. Er trug eine Sporttasche in der Hand, stieg in sein Auto und fuhr davon. Wir folgten ihm natürlich, und zwar bis zu einem Bürogebäude im Bankendistrikt, das gerade vollständig renoviert wird und deswegen leersteht. Als wir in einigem Abstand oben ankamen, war der Mann gerade damit fertig, ein Scharfschützengewehr an der glaslosen Fensteröffnung aufzubauen. Und ehe wir ihn daran hindern konnten, gab er ein paar Schüsse ab. Draußen Schreie, panisch herumrennende Menschen. Aber ein schneller Blick nach draußen ergab, dass offensichtlich gar niemand getroffen worden war, sondern dass McNeill anscheinend mit Absicht auf die gegenüberliegende Hauswand statt auf Leute gezielt hatte.

Trotzdem kam natürlich ein Wachmann nach oben gerannt. Er langte gerade bei uns an, als wir den sich wie wild wehrenden McNeill mit vereinten Kräften dingfest gemacht hatten, und er musste uns natürlich erst einmal mit der Waffe im Anschlag verhaften. Was wir anstandslos über uns geschehen ließen, bis die Polizei kam und festgestellt wurde, dass wir uns nichts zuschulden hatten kommen lassen. Während wir alle nur Schrammen abbekommen hatten, war McNeill von einem von Totilas' Schlägen schwerer getroffen worden als geplant – unser White Court hätte ihm um ein Haar den Schädel eingeschlagen, Madre mia – deswegen kam der Ex-Soldat unter Polizeibewachung erst einmal ins Krankenhaus.

Auch wir fanden uns wegen unser diversen Kratzer im Krankenhaus ein – deswegen, und weil wir versuchen wollten, vielleicht noch etwas mehr über McNeills Beweggründe herauszufinden. Aber als Roberto ihn mit seinem zweiten Gesicht ansah, erkannte er, dass der Mann nur noch eine leere Hülle darstellte, dass von dem, das seine Persönlichkeit ausmachte, kaum mehr etwas übrig war. Offensichtlich hatte er absichtlich so getan, als wolle er einen Amoklauf begehen (ohne wirklich jemanden umbringen zu wollen), um sich dabei von den Sicherheitskräften zur Strecke bringen zu lassen. „Suicide by Cop“, wie Edward das so schön knapp auf den Punkt brachte.
Alex hatte McNeills Verlobte mit ins Krankenhaus geholt, auf seine übliche Weise, und nun öffnete er ihr das Tor ins Jenseits. Denn er hatte ja schon zuvor gesehen, dass Caroline eigentlich schon längst hätte gehen sollen, dass es nichts mehr gab, das sie hier hielt, außer dem Zauber, der sie zurückgerissen hatte. Und nun, wo auch die Sorge, dass ihr Verlobter Amok laufen könnte, hinfällig war, hielt sie erst recht nichts mehr. Alex öffnete das Portal absichtlich so, dass es auch für McNeill geeignet wäre, falls dieser loslassen wollte. Und der Ex-Soldat war schwer verletzt genug, sein Lebensfaden so dünn, dass ihm das ein Leichtes war. Kaum hatte Alex sein Ding getan und wir das Krankenzimmer verlassen, da hörten wir das typische langgezogene Biiiiiiieeeeeeeeep eines Herzstillstandes. Und Alex erzählte später, er habe McNeill mit ungläubiger Stimme „Caroline?“ fragen hören und sei ihr dann freudig gefolgt. Santísimo Padre del cielo, nimm die beiden gnädig bei dir auf.

---

Ich glaube es nicht. Da steigt morgen abend die Kick-Off-Party für den Drehbeginn von Indian Summer, und die Einladung kam nicht bei mir an. Wenn Sheila nicht vorhin angerufen hätte, wann genau ich bei der Party aufzuschlagen gedächte, wäre die Sache komplett an mir vorbeigegangen.
Na gut. Sheila hat aber angerufen, und natürlich gehe ich hin. Und genauso natürlich lade ich die anderen ein. Vielleicht ist das ja mal eine Gelegenheit für Alex, Dallas Hinkle auszuführen. Die mag ihn, und er sie, das kann ich doch sehen.
Und ich rufe jetzt Dee an.
« Letzte Änderung: 26.02.2013 | 11:02 von Timberwere »
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Ricardos Tagebuch: Blood Rites 2

Dee hat Zeit! Sie ist ohnehin gerade in Miami, sagte sie, und sie meinte, sie geht gerne mit auf die Party. Sie sagte sogar, sie werde vermutlich demnächst für permanent hierher versetzt. Erstaunlich, wie einem eine so nebensächlich mitgeteilte Neuigkeit doch tatsächlich die Laune heben kann.

Mom war ganz aufgeregt, als ich sie anrief, und meinte, das hätte sie unbedingt früher wissen müssen, dann wäre sie noch zum Friseur gegangen und sie würde ja völlig unmöglich aussehen und hätte auch nichts anzuziehen. Aber natürlich werden sie und Dad da sein. Yolanda auch. Ich hoffe nur, Mom erwartet sich nicht zu viel und Falsches von der Veranstaltung. Ich weiß ja selbst nicht so recht, was ich erwarten soll. Ich habe noch kein Buch von mir verfilmt bekommen. Nicht zu schick anziehen, sagte Sheila, es sei keine Oscar-Verleihung. Ach echt jetzt. Naja, morgen nacht wissen wir mehr.

---

Ein bisschen Zeit habe ich noch, ehe ich Dee für die Party abholen fahre. Daher hier noch kurz das, was heute tagsüber passiert ist.

Edward hat uns eine ziemlich beunruhigende Sache erzählt. Und zwar hat Spencer Declan ihn kontaktiert und – nennen wir das Kind ohne Umschweife beim Namen – erpresst jetzt Schutzgeld von ihm. Natürlich hat Declan das Ganze hübscher verpackt, spricht von „Ausbildungsgebühr“ oder so, weil Declan Edward ja dabei helfen werde, jetzt, wo seine magischen Fähigkeiten langsam auch von anderen Kreisen bemerkt werden, dem White Council gegenüber die Nase sauberzuhalten. Wenn er es nicht täte, dann wäre das verdächtig, und die Wardens müssten sich seiner Aktivitäten genauer annehmen. Na gut, die $50 im Monat, oder was Declan da von Edward verlangt, kann der sich gerade noch so leisten. Aber trotzdem. Es ist Schutzgelderpressung. Für einen Beitrag von einer halben Million (hah!) könnte Edward übrigens auch vollständig als Declans Lehrling angenommen werden, dann wäre er aufgrund dieses Lehrlingsstatus ein offizielles Mitglied des White Council.
Declans Lehrling? Doppel-hah.

Wir haben dann ein wenig nachgeforscht, was es mit Declans Lehrlingen so auf sich hat. Der Warden hat momentan vier von der Sorte – eine gewisse Cleo duMorne, ein gewisser Joseph Adlene und noch irgendjemand. Und seine vierte Schülerin kenne ich sogar: Stefania Steinbach, die Kirchenfunktionärin. Die hat zwar, soweit wir wissen, kein, also wirklich keinerlei, magisches Talent, aber fehlende Fähigkeiten arkaner Natur scheinen Declan nicht davon abzuhalten, Leute als Zauberlehrling anzunehmen. Vielleicht sollte ich mich um so einen Posten bewerben. Magisches Talent habe ich auch keines, und eine halbe Million kriege ich schon irgendwie zusammen. Dreifach-Hah. Garantiert nicht.

Alex hat sich mit Dee kurzgeschlossen, und sie hat in ihrer Funktion als Marshal die Gibraltar Private Bank & Trust aufgesucht und für morgen einen Termin ausgemacht, um deren Sicherheitsvorkehrungen zu verstärken. Dass sie dabei auch magische Schutzvorrichtungen aufbauen wird, sagte sie den Bankleuten natürlich nicht. Aber es erschien uns sicherer, wenn man an die genauen Umstände von Caroline Harris' Ableben denkt.

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Zurück von der Party. Es war ein netter Abend – es sind nur auch ein paar ziemlich beunruhigende Dinge passiert, Dinge der Han-Solo-Klasse. Han-Solo-Klasse wie in „I have a bad feeling about this.“

Han-Solo-Klasse, Kategorie I: Lady Fire ist für die Pyrotechnik am Film verantwortlich. Natürlich nicht offiziell als sie selbst, sondern über Christine, ihre menschliche Mittelsfrau, aber das ist ja am Ende dasselbe. Lady Fire hat ihre Finger im Film zu meinem Buch. Irgendwie hätte ich es mir es ja denken können: Sie ist der selbsternannte größte Eric-Albarn-Fan auf Erden (oder sollte ich in diesem Falle besser sagen: im Nevernever), und sie ist eine Feen-Fürstin mit jeder Menge Einfluss, die es ja auch irgendwie geschafft hat, meine Romane zum Betalesen zu bekommen. Vor Veröffentlichung, wohlgemerkt.
Jedenfalls ist mir alles andere als wohl dabei, dass gerade eine Frau, die mich hasst, für Indian Summer die Pyrotechnik macht. Und hätte ich einen Zweifel daran gehegt, dass sie mich hasst, wäre der spätestens nach der Party beseitigt gewesen. Ich versuchte nämlich, ein paar Worte mit Christine zu wechseln, aber die wich mir aus. Und zwar überdeutlich. Ich habe es dann aufgegeben, habe sie nicht weiter bedrängt, aber ich sah dann später, wie Totilas sie abpasste und ihr schöne Grüße an Lady Fire ausrichtete. Wenn Blicke töten könnten, wäre unser White Court in dem Moment zu Asche zerfallen. Autsch.

Han-Solo-Klasse, Kategorie II: Direkt neben dem Studio und der Soundstage, wo gedreht werden soll, hat gerade ein Zirkus seine Zelte aufgeschlagen. Und die machen auch gewaltig in Feuer. Und etwas Nachforschen aufgrund eines unbestimmbaren aber nicht zu missachtenden Instinkts hat ergeben, dass da, wo dieser Zirkus in der Vergangenheit auftauchte, Unfälle passiert sind. Scheunen abgebrannt und so. Ich habe zwar eine entsprechende Warnung weitergegeben, aber ich habe ein ganz, ganz, ganz schlechtes Gefühl bei der Sache, Römer und Patrioten. Han-Solo-Klasse eben.

Ach ja. Dee sah traumhaft aus heute abend, das soll doch nicht unerwähnt bleiben. Und ich glaube – ich hoffe! – sie hatte auch ein bisschen Spaß. Allerdings (Han-Solo-Klasse, Kategorie... null?) irritierte mich etwas, dass sie sich den Friseur für ihre zugegebenermaßen umwerfende Frisur von Roberto hatte empfehlen lassen. Und dass die beiden ständig zusammenhingen, lachten und scherzten. Und dass das einen Nerv bei mir traf.

Bist du etwa eifersüchtig, Alcazár? Du klingst eifersüchtig.

Verdammt. Ja, verdammt, ich glaube, das bin ich tatsächlich. O Dios. Und das, obwohl Roberto eigentlich gar nichts machte, zumindest nicht direkt. Der tauchte übrigens – und das haute mich im ersten Moment auch erstmal um – mit Dallas Hinkle bei der Party auf, nicht Alex. Und das, wo ich doch eigentlich gedacht hatte, dass das mal eine gute Gelegenheit für Dallas und Alex wäre. Aber Alex erklärte mir das später: Es war sogar seine eigene Idee gewesen. Denn sowohl sie als auch Roberto stehen auf Herausputzen und Aufbretzeln, Alex jedoch gar nicht, und so dachte er, es sei eine nette Idee, wenn Dallas an Robertos Arm ihren großen Auftritt im Abendkleid hätte und Alex selbst nur den Chauffeur gab. Verstanden habe ich das zwar nicht so recht, aber wenn er meint...
Meins wäre es nicht, Roberto so den Vortritt zu lassen. Siehe meine Reaktion auf ihn und Dee. Oh Mann, darüber muss ich echt nachdenken.

Aber es ist spät. Ab ins Bett, Alcazár. Hopp.

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Cólera. In der Gibraltar Private Bank & Trust wurde heute nacht eingebrochen. Bevor Dee heute ihren Termin wahrnehmen und die Sicherheitsmaßnahmen verstärken konnte. Natürlich. War ja klar.
Und es kam gestern ein weiterer Bankangestellter ums Leben, wieder in einem Autounfall, allerdings diesmal ohne Beteiligung einer roten Ampel. Der Mann war ein Stück draußen vor der Stadt an einer scharfen Kurve über eine Klippe ins Meer gestürzt.

Bei der Bank erfuhr Edward, dass der Einbruch den Schließfächern gegolten hatte, genauer einem Schließfach im ganz Speziellen. Es gehört einer Firma namens Segunda Escalera, und wie der Name schon andeutet, stellen sie Leitern her. Oder besser stellten, denn die Firma ging vor fünf Jahren pleite... während das Schließfach in ihrem Namen erst vor vier Jahren angemietet wurde. Sehr mysteriös.

Was das Fach enthalten hatte, war natürlich nicht mehr nachzuvollziehen. Schließlich ist das nur die Sache des Kunden. Aber vielleicht bekommen wir von der Bank noch einen Ansprechpartner genannt. Irgendwas muss es ja mit dem Diebstahl auf sich gehabt haben.

Anschließend fuhren wir hinaus an die Stelle, wo der Bankangestellte seinen Unfall gehabt hatte. Und tatsächlich konnte Alex seinen Geist dort noch finden und mit ihm sprechen. Der Mann trug dasselbe schwarze Band um den Hals wie Caroline Harris, und er berichtete ganz Ähnliches. Dass er die Straße als völlig gerade vor sich gesehen habe, und dann sei er plötzlich gefallen. Seine Wahrnehmung wurde also manipuliert – wie Carolines mit der vermeintlich grünen Ampel. Anders als Caroline, die in der belebten Stadt umkam, hatte der Bankangestellte vor seinem Tod einen Mann gesehen, den er Alex auch beschreiben konnte. Dunkelhäutig, bereits etwas älter, graue Haare. Etwas altmodisch, aber elegant in Anzug und Seidenschal gekleidet. Unser Verdächtiger.
Und der Tote berichtete, dass er, genau wie Caroline, die Sicherheitscodes gekannt habe. Überraschung.

Wir fragten bei unseren üblichen Quellen – lies: Jack „White Eagle“ – nach, wer der Mann im Anzug sein könnte. Er meinte, die Beschreibung passe auf einen gewissen Joseph Adlene. Richtig erinnert, Römer und Patrioten, den Namen haben wir erst vorgestern gehört. Joseph Morris Adlene ist einer von Spencer Declans Lehrlingen, und zwar, anders als Stephania Steinbach, offensichtlich einer mit magischen Fähigkeiten, wenn er diese Nekromantennummer abzieht. Na ganz toll. Sich mit Adlene anzulegen, heißt automatisch, sich mit Warden Declan anzulegen, und das wollen wir ganz sicher nicht. Zumindest nicht offen.

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Jetzt sieh einer an. Ximena O'Toole, Robertos Cousine, hat uns kontaktiert. Sie könne unsere Hilfe brauchen, sagte sie. Ich wiederhole mich, aber sieh an.

Bei dem Treffen im Dora's erzählte Ximena, auch sie müsse Schutzgeld an Spencer Declan entrichten, denselben Betrag wie Edward auch. Und es gebe da jemanden, dem sie etwas heimzuzahlen habe. Sie hat auch gesagt, warum, aber das weiß ich gar nicht mehr so ganz genau. Das „wer“ hat mich nämlich deutlich mehr aus den Socken gehauen. Es ist niemand anderes als Joseph Adlene, unser mordverdächtiger Nekromant, mit dem Ximena eine Rechnung offen hat. Oder besser, dem sie eins auswischen will. Weil er eben als Declans Lehrling eine Chance beim White Council hat und sie nicht, glaube ich. Und weil er die Million aufbringen konnte, die Declan von ihr für den Lehrlingsstatus verlangte, sie aber nicht.

Da es uns ebenfalls zupass kommt, wenn wir dem Kerl das Handwerk legen, willigten wir ein. Eine fähige Magierin von Ximenas Qualitäten kann bei der Aktion sicher nicht schaden. Jetzt müssen wir nur schauen, wie wir in Sachen Adlene am besten vorgehen.

Einfach beim White Council wegen Verletzung der Magiegesetze anklagen können wir ihn jedenfalls nicht. Denn wer vertritt den White Council in Miami? Richtig. Declan. Und bei wem ist Adlene als Lehrling unter Vertrag? Richtig. Declan. Wer wird also wohl kaum einen Finger rühren? Richtig. Declan. Schlimmer noch, vermutlich würde der Warden sogar eher anfangen, aktiv gegen uns vorzugehen, und das... äh. Wäre nicht so gut. Ganz abgesehen davon, dass wir Adlene den Verstoß gegen die Magiegesetze erst mal nachweisen müssten.

Wir überlegten also, dass wir ihn auf andere Weise drankriegen müssten. Es irgendwie schaffen, dass er sich etwas zuschulden kommen lässt, das wir ihm auch beweisen können. Wegen dem er idealerweise im Gefängnis landet. Und zwar in einem Magier-Gefängnis, denn ein normales dürfte wohl kaum ein Problem für ihn darstellen mit seinen Fähigkeiten.
Bei der Besprechung hatten wir erstmal keine brilliante Idee, aber es muss ja auch nicht gleich sofort in dieser Sekunde sein. Mal drüber schlafen – irgendwas fällt uns bestimmt noch ein.
« Letzte Änderung: 27.02.2013 | 12:00 von Timberwere »
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
Meine Rede.
Zitat von: Shield Warden
Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!