...Regeln sind ein Vehikel, eine fremde Realität oder Situation zu beschreiben und AKtionen in dieser aufzulösen - sie haben ansonsten keinen eigenen Wert.
Das ist in der Tat eine Position, die unter Rollenspielern verbreitet scheint. Sie deckt sich spannender Weise nicht damit, was gemeinhin unter Spielregeln verstanden wird. Die Regeln des beliebten Fußballspiels beschreiben keine fremde Realität, genausowenig wie die von Schach oder Ticker. Spielregeln sind also zunächst mal Anweisungen an die Teilnehmenden.
Es ist nun möglich gerade für ein Rollenspiel, Spielregeln solcher Art zu verfassen, dass die Teilnehmenden den imaginierten Raum nur in ganz bestimmter Weise beschreiben. Wenn die Regel also sagt: "Elfen haben doofe Ohren", bedeutet das inhaltlich: "Kein Teilnehmer darf sagen, dass Elfen keine doofen Ohren haben."
Nun ist es aber in jedwedem Rollenspiel so, dass immer gewisse Regeln enthalten sein werden, die mit der Spielwelt ganz sicher nichts zu tun haben. Ein paar Beispiele:
- Jeder Teilnehmer bis auf einen baut einen Charakter.
- Eine Spielerin ist die SL. Sie übernimmt die folgenden Aufgaben. ... ... ...
- Der Spielleiter darf geheim würfeln.
- Das folgende Kapitel ist nur für die Augen der SL bestimmt.
Ein paar weitere Beispiele aus bekannten Rollenspielen:
- Wenn das Spiel beginnt wird eine Kerze entzündet und jemand sagt: "Vor langer Zeit starb das Volk am Ende der Welt."
- Wenn in einer Szene keine Informationen mehr zu holen sind, hält der Spielleiter eine Karte mit "Szene!" darauf hoch.
- Wer seinen Charakter denken lassen will, hebt die vorbereitete Denkblase.
- Wer sich auf einen ausgewählten Stuhl setzt, darf mit der Kamera reden.
Natürlich sind nicht alle Regeln so klar zu trennen. Die meisten beschäftigen sich sowohl in gewisser Weise mit der Fiktion als auch dem Handeln der Teilnehmer. Die hier aufgeführten Beispiele (Elfenohren und die Liste der Aussagen am Ende) sind also gleichsam die Extrempunkte eines Kontinuums.
Dies ändert jedoch nichts an der gemeinsamen Essenz von Regeln im Rollenspiel: Regeln regeln, was die Teilnehmer tun.
Warum sollte ich ein Hobby betreiben, das die Last der unfreien Zeit reproduziert?
Scheint mir irgendwie kontraproduktiv zu sein...
Das machen ganz ehrlich, ganz ganz viele Leute ständig. Die laufen dann so Bällen hinterher, lassen sich von ihrem behandschuhten Gegenüber auf die Nase hauen, spielen jeden Tag an so nem Klimperkasten oder fiedeln sich einen, verwenden große Zeit darin, die Tomate genauso zu schnippeln, wie der Maestro im Fernsehen. ... Und, ich glaub, die machen das alle freiwillig!
Spielregeln sind also nichts Schlechtes. Da muss man nicht in irgendwelche Abwehrreaktionen verfallen. Tatsächlich können Sie Kreativität befördern. Wenn ich also als Spieler die Neigung habe immer grummelige Ritter zu spielen und jetzt aber die Vorgabe des Spiels ist hyperaktive japanische Schulmädchen darzustellen, dann ist das eine neue Herausforderung.
Nun ist es in Ordnung, wenn man dies nicht möchte. Dann spielt man einfach weiter, wie immer. Das ist in Ordnung. Für jene aber, deren Leistungsanspruch im Rollenspiel ist einfach alles spielen zu können, sind ungewöhnliche Regeln sehr wertvoll.