In meinem Posting oben meine ich "erzählspielen" vollkommen unabhängig von GNS als "wir erzählen mal drauf los was wir machen und beschäftigen uns dann mit den Regeln wenn etwas entschieden werden muss" (aka wer gewinnt den Kampf, wer säuft wen unter den Tisch, schafft es der Bauer auf den Baum zu klettern, etc.).
Dem entgegen stehen dann Spiele bei denen man ständig die Regeln im Hinterkopf durchgehen muss, ob man bei irgendwelchen Trivialitäten (den Bettler mit Brot versorgen, dem Kind den Drachen vom Baum holen, whatever) irgendwas triggert und dadurch Gummipunkte bekommt oder sonstwas. Dadurch sind die Regeln omnipräsent, während sie bei "klassischen" Spielen (siehe oben) komplett ignoriert werden können bis sie gebraucht werden.
Ich finde, dem liegt eine Entgegensetzung von "Regeln" und "Erzählen" zugrunde, die sich so nicht verallgemeinern lässt.
Spiele wie PtA, Polaris (oder das gerade bei 1o3 probierte Capes) sind für mich durchaus sehr "erzählspielig", in dem Sinne, dass in denen für mich sehr stark herauskommt, dass man als Gruppe eine Geschichte erzählt und die Regeln eben das verbindliche Element sind, das für die Herausbildung einer halbwegs konsistenten Erzählstruktur sorgt. Damit das funktioniert, müssen meistens alle Spieler eine starke Autorenhaltung einnehmen, d.h. sie müssen immer wieder zwischen der Ebene in der Welt ("Wie würden sich die Ereignisse in der Fiktion unter den gegebenen Umständen wohl entwickeln?") und zwischen der Metaebene ("welche der denkbaren Entwicklungen ergeben eine plausible und spannende Geschichte?") wechseln. Gute Metaebenen-Regeln machen einem dann das agieren aus der Autorenperspektive leichter, weil sie eine belastbare Struktur liefern - die Polaris-Regeln sorgen halt einfach rein mechanisch dafür, dass ein tragischer Handlungsbogen zustandekommt, der muss dann von den Spielern nur noch mit Leben gefüllt werden.
In der klassischen Situation, in der die Regeln nur dann zum Einsatz kommen, wenn eine InGame-Situation gelöst werden muss, den Spielverlauf selbst aber kaum oder gar nicht strukturieren, liegt die Aufgabe, Konsistenz herzustellen, typischerweise beim Spielleiter, weil eben keine verbindlichen Regeln gibt, die ein Gerüst stellen, dass die Gruppe dann gemeinsam mit Leben füllen kann.
Ich würde das, was du mit "erzählendem" Spielen bezeichnest, eher schlicht und einfach Immersion nennen - wenn man mit Regeln spielt, die einen praktisch zwingen, regelmäßig auf die Metaebene zu wechseln, dann ist es natürlich schwerer, sich der Illusion hinzugeben, dass man als Protagonist durch eine Welt läuft, die ihren eigenen, externen Gesetzen gehorcht; man gestaltet die Abläufe und Gesetzmäßigkeiten dieser Welt ja dauernd mit, und zwar nicht durch die Handlungen des Protagonisten, den man steuert, sondern von außen - eben wie ein Geschichtenerzähler.
Begrifflich sehe ich den Gegensatz wenn überhaupt eher zwischen dem Immersions- (oder Erlebnis-)spielen und dem Erzählspielen - "Erzählen" ist ja bei der Geschichte schon eine Metahaltung, im Gegensatz zum unmittelbaren erleben. Wenn ich eine Runde Fiasco spiele, erzähle ich typischerweise viel mehr als wenn ich eine runde DSA spiele. Ich persönlich ziehe das "Erzählspielen" meistens dem "Erlebnisspielen" vor, letzteres erlebe ich immer öfter als zäh, unkonzentriert und ziellos.