Ich hatte da so eine Idee.
Oder besser gesagt, ich hatte sie nicht selbst, eine Spielerin kam zu mir und hatte den Wunsch geäußert.
Wir hatten gerade mal wieder beschlossen, eine neue Kampagne zu starten, und sie sagte, dass sie mal Rollenspiel machen wolle, wo es keine fiesen Bösewichte gibt und nicht ständig kaputt geht, was man liebgewonnen hat.
Keine Dämonen, keine abgerissenen Gliedmaßen, nicht ausgeraubt werden, keine brennenden Zivilisationen, keine zutiefst bösen Typen, die nur das schlechteste im Sinn haben. Einfach mal positiv spielen, aber trotzdem dramatisch und spannend.
Das war vor 3 Jahren und wir haben tatsächlich eine Kampagne gespielt, wo man z.B. gegen den Widerstand zweier Dörfer zwei Liebende zusammenbringen musste, wo es um die Unterstützung einer Sportmannschaft bis zur Meisterschaft ging, wo es um landesweite Intrigen am Hofe ging und das alles war engefasst in die Suche nach dem Grab eines uralten Gottes (was eine Reise war, die die Entdeckung des halben Dreistromlandes beinhaltete).
Kämpfe gab es ein paar, aber die Spieler waren höchstens indirekt daran beteiligt, haben also nicht selbst gekämpft, obwohl zwei der vier Charaktere recht gute Kämpfer waren.
Nach einigen Jahren des Spiels wurde mir jetzt langsam klar, wo eigentlich der Knackpunkt liegt.
Ich habe mir lange drüber gedanken gemacht und bin letztenendes darauf gekommen, dass das, was sich als das andere Spielkonzept entpuppt, am besten mit konstruktivem Spiel bezeichnet werden kann.
Das ist eine Art von Spiel, mit der ich mich zuerst sehr schwer getan habe, weil mir einfach nichts eingefallen ist.
Einerseits, weil ich vermute, dass es objektiv gesehen anspruchsvoller ist, aber andererseits vor allem deshalb, weil meine mediale Kreativität durch den Jahrzehntelangen Konsum amerikanischer Filme sehr stark in bestimmte Richtungen konditioniert wurde. Ich denke, dass diese Konditionierung nicht nur mein persönliches Problem, sondern eine gesamtgesellschaftliche Erscheinung ist - bzw. sicher sehr stark in Rollenspielerkreisen ausgeprägt ist.
Ich schiebe es gern auf die platte Tatsache, dass ich einfach älter geworden bin, aber es hat vermutlich nicht nur mit dem Zuwachs von Erfahrung und Wissen zu tun, sondern hängt auch mit meiner persönlichen Haltung zusammen. Es ist einfach mein Ziel, Dinge zu verbessern. Ich möchte ein tieferes Spielerlebnis. Ich möchte ein Spiel, dass meinem wachsenden Wissen über die Zusammenhänge in der Gesellschaft mehr gerecht wird und ich möchte ein Spiel, das meinem Wissen über Philosophie, Soziologie, Psychologie und Politik mehr entspricht. Und außerdem möchte ich ein Spiel, das positiv und konstruktiv statt negativ und destruktiv ist. Kämpfen ödet mich inzwischen an und führt dazu, dass ich schon gar keine Lust mehr habe, selbst irgendwo mitzuspielen.
Dieses angestrebte Ziel erfordert aber Rahmenbedingungen, die auf jeder Ebene des Spiels unterstützt werden müssen.
Man braucht Plots, die mehrere konstruktive Lösungen ermöglichen (und kämpferische eventuell kategorisch ausschließen), man braucht Spieler, die bereit sind konstruktiv vorzugehen und man braucht Regeln (und zwar auch Kampfregeln), die diese Vorgehensweise unterstützen und eine konstruktive Unternehmung zu einem spannenden Erlebnis machen.
Das kann eine Bergbesteigung, Erste Hilfe am Unfallort, der Bau einer Kathedrale, der Aufbau einer Ansiedlung, die Erforschung eines Gebietes, eine diplomatische Mission, die Knüpfung und Manipulation von Beziehungen, Rettung, Verfolgung, Entdeckung etc sein. Aber all das nicht, um bewaffneten Konflikten eine interessante Bühne zu bieten, sondern um seiner selbst willen.
Es kann meinetwegen auch mal destruktiv werden, aber nicht um am Ende alles in Stücke zu hauen, sondern mit dem Ziel den bewaffneten Konflikt auf ethische Weise zu lösen oder eventuell sogar zu verhindern.
Ich bin mir nicht sicher, ob es hier Leute gibt, die diese Richtung von Spiel interessiert. Ich würde mich hier jedenfalls gerne mit Leuten unterhalten, die selbst schon Erfahrungen mit konstruktivem Spiel gesamelt haben und das gut finden.
Da ich mich selbst noch nicht so firm darin fühle und meine Kreativität in der Richtung noch nicht so ungehindert sprudelt wie ich das gerne hätte, würden mich natürlich auch Tipps interessieren, wie man so ein Spiel besser unterstützt, was man vermeiden sollte und ob ihr vielleicht sau-coole Ideen habt, in welche Richung das gehen könnte, und ob man vielleicht sogar theoretische Ansätze für diese Art von Spiel formulieren kann. Welche Art von Regeln konstruktives Spiel behindert, welche Art es unterstützt.
Was ich mir für das Thema nicht wünsche, ist die negative Beurteilung von konstruktivem Spiel. Ich glaube schon, dass da draußen eine ganze Menge Leute sind, die sich in gewalttätigem, agressivem, destruktivem Spiel ergehen wollen und eventuell sogar glauben, dass Rollenspiel nicht auskommt, ohne dass mindestens einmal am Abend Ninjas die Tür eintreten und man sich zumindest gegen sie verteidigen muss. Das sei ihnen unbenommen und ich finde das okay, aber dieses Thema soll sich eben bitte nicht darum drehen, warum konstruktives Spiel nicht funktionieren könnte. Ich möchte es hier als Voraussetzung sehen, dass rein konstruktives Spiel möglich ist und über seine mögliche Umsetzung sprechen.