Ich kenne bisher halt keinen Rollenspieler, der einen bösen Charakter (über lange Zeit und wiederholt) wirklich echt und plausibel dargestellt hat.
Es stellt sich ja auch erst mal die Frage, was "böse" als Eigenschaft bedeutet.
Letztendlich definiert sich gut und böse ja immer subjektiv.
Und es läuft auf eine Frage der Wahl der zulässigen Methoden zur Erlangung persönlicher Ziele und die Inkaufnahme von Schädigung anderer zur eigenen Vorteilsnahme hinaus.
Gute und Böse streben ja durchaus gleiche Ziele an. Machtzuwachs, Bereicherung, Vorteilsnahme für sich selbst oder Verbündete.
Der Unterschied macht nur die Frage, welche Mitte dazu man als adäquat erachtet und welchen Schaden bei anderen man bereit ist in Kauf zu nehmen.
Gute Charaktere sind rücksichtsvoll, böse sind diesbezüglich rücksichtslos.
Daran ist auch erstmal nichts cool oder interessant.
Cool macht es nur die eigene Vorstellung, dass dieser Wahl der Gesinnung eine geringere Beschränkung in der Wahl der Mittel innewohnt. Das Gefühl von Freiheit schwingt darin mit.
Letztendlich ist das aber ein Trugschluss, denn auch der rücksichtslose Charakter ist in der Wahl der Mittel eingeschränkt, wenn er halbwegs intelligent ist.
Denn die Wahl der Methoden wird ja nicht nur aus der freiwilligen Gesinnung eingeschränkt, sondern auch durch die Notwendigkeit drohender Konsequenzen. Und da lauert auch der Fallstrick der meisten, die versuchen "coole und böse" Charaktere darzustellen.
Im Film und in der Literatur läßt der Autor den coolen Finsterling nämlich mit allem durchkommen und konstruiert den Erfolg absoluter Rücksichtlosigkeit auch wenn der Charakter nicht von gottgleicher Macht durchflssen wird.
Im Rollenspiel ist das aber nicht garantiert. Der Spielleiter muss irgendwann Konsequenzen duch die Umwelt wirken lassen, wenn er auch nur halbwegs plausibel sein Setting darstellen möchte.
Also muss der Charakter entweder überaus mächtig sein (Inwiefern es dann überhaupt noch Sinn macht, sich dann noch mehr Macht in einer Welt von Unterlegenen anzueignen, verfolge ich mal nicht), oder er muss sich in der Wahl der Mittel beschränken, oder er scheitert irgendwann oder das Setting wird absolut unplausibel.
Bei einem Spieler, der den Charakter wegen der Illusion der attraktiven Freiheit so gestaltet, kann man sich ausrechnen, welche Optionen in Frage kommen und welche nicht. Und daraus resultiert letztendlich auch die Qualität des Rollenspiels für die restliche Runde.
PS: Und natürlich kann es duchaus eine Frage des Alters, der Reife oder der Intelligenz sein, bis man das irgendwann durchschaut...