Kommt 'drauf an. Diskutierst Du im I-Net, um Leute zu überzeugen, um einen Konsens zu finden, oder um Meinungen kennenzulernen und zu vergleichen?
Kommt drauf an: diskutierst du mit mir über das Spiel, weil dir meine Meinung wichtig ist und du dich vielleicht sogar nach neuen Erkenntnissen umsiehst oder willst du mich nur davon überzeugen, dass deine bisherige Wahrnehmung davon Hand und Fuß hat?
Ich würde sagen, der größte Gewinn einer solchen Diskussion, ist ein Erkenntnisgewinn für alle, oder nicht? Mit festgefahrenen Meinungen ist das allerdings schwierig .. und da du bereits gesagt hast "ich mag das nicht" und ich nicht davon ausgehe, dass du diese Einstellung überdenken möchtest, führt die Diskussion wohl nur dahin, dass du mir sagen kannst, warum du es nicht magst und ich sagen kann.. "well.. bad for you"
Nach meinen persönlichen V:tM-Erfahrungen zieht das Spiel tatsächlich in eine Richtung, die weit weg geht vom Superheldenspiel.
Seh' ich genauso.
Natürlich hat man bei V:tM einen ganzen Batzen Superkräfte - und vom Titel "die Maskerade" könnte es ja fast eins der Superheldenthemen (Geheimidentität) berühren. Aber dieses Thema wird z.B. vom Setting her fast unspielbar gemacht, und von den Regeln nur am Rande beachtet. Was sind denn die Konsequenzen, wenn ein Sterblicher hinter die Maskerade kommt? So, wie ich es erlebt habe, hatten die Charaktere nie besondere Beziehungen zur "normalen" Welt, die dadurch ins Wanken geraten können. Hier hätte man ansetzen können, dass Normalsterbliche für Vampire mehr sein sollen als nur ein paar Liter Blut, und ein Haven mehr ist als nur irgendein bedeutungsloser Punkt auf dem Charakterblatt (bzw. eine Sache, die man dank Protean 2 eh nicht braucht). Man stelle sich mal Spiderman ohne Mary Jane oder Batman ohne Wayne Manor/Bathöhle vor!
Also zunächst: ich bin kein Vertreter von "Vampire sind Superhelden" - nur falls das falsch rübergekommen sein sollte
Dann zum Thema: bei unseren Runden hatten die SCs a) sehr starken Bezug zur "Welt bei Tag", b) Menschen waren eigentlich immer mehr als Blutgefäße (je nach persönlicher Auslegung des Charakters, andere Einstellungen wurden dann dementsprechend thematisiert) und c) war die Zuflucht eigentlich auch immer mehr, als nur ein Ort zum Pennen (und kein Charakter hätte sich bei uns einfach so Gestaltwandel zugelegt, wenns in Augen des Spielers nicht zum Charakterkonzept gepasst hätte).
Die Maskerade war im Grunde nicht nur dieses Damoklesschwert, es war vor allem auch Grund für Auseinandersetzungen, wie du sie unten ansprichst. Es wurde debattiert, ob und inwiefern sie notwendig ist, was sie ausmacht.. der Charakter positionierte sich. Wenn die Maskerade an einer Stelle aufflog gab es Konsequenzen, die entweder von der Gruppe mitgetragen wurden oder nicht. Allgemein kams bei uns selten vor, dass das klassische "Der Prinz ist jetzt abr ganz doll sauer, dass ihr da 'ne Schweinerei angestellt habt"-Dilemma draus wurde. Hatte immer unzählige andere Faktoren.. die Charaktere hatten im Grunde immer sehr persönliche Motivationen. In Dark Ages ist das Ganze ja eh hinfällig, da war es spannend die "Tradition des Schleiers" dementsprechend auszulegen. Für den einen Vampir wurden Menschen zu Spielzeugen, der anderer versuchte sie als Herde zu sehen und zu behüten und der Dritte war so entmenschlicht, dass er sie nur noch als Vieh ansah, um das man sich nicht kümmern braucht (außer man "braucht" sie).. da war im Grunde immer sehr viel Abwechslung in den konzeptuellen Ansätzen zum Thema.
Dass die Charaktere ihre Kräfte durch das Aufsaugen anderer Vampire ausbauen können, klingt natürlich auch nach einer Superheldin. Teilweise wurde versucht, die Konsequenzen mit der Mechanik der Menschlichkeit umzusetzen, später noch um Derangements ergänzt, aber ehrlich gesagt wurde es fast konsequenzlos heftig belohnt, insbesondere beim Sabbat. Im Grunde ein Kill the dragon, loot the boss - Spiel (bloß ohne gute Kampfregeln).
Für mich war es immer eines der stärksten Elemente, dass dieser Entwicklungs- und Evolutionssprung auf der "Macht-Achse" allein durch einen in der Gesellschaft größtenteils dämonisierten Akt des Kannibalismus, durch ein enormes Verbrechen begleitet wurde. Es zeigte sehr eindrucksvoll, wie unflexibel die vampirische Gesellschaft ist, dazu verdammt, sich immer nach innen gerichtet selbst zu vernichten, was sie letztlich daran hindert, sich zu entwickeln. Wenn es in unseren Runden zu einer Diablerie kam, dann war das meist ein wichtiger Akt, der dementsprechend zentral wurde. In unserer Sabbat-Runde war es sogar ein ritueller Akt, der das Spielfeeling ganz entscheidend verändert hat. Es kommt halt immer drauf an, wie man dran geht, wie ernsthaft man den Hintergrund einbindet und mit welcher Einstellung man den Geschehnissen im Spiel begegnet. Hätten wir Spieler dabei gehabt, die gerne "protean auf 6 steigern wollen um den Bischof zu plätten" hätten wir die Runden wohl recht schnell eingestellt. That's just not how we roll, baby.
Dann kommen wir zu diesem Intrigenspiel - das, was das Setting eigentlich abliefert. Gelegentlich sind auch Superhelden Opfer von Intrigen - J. Jonah Jamesson hat je einige Kampagnen gegen Spiderman gestartet, Lex Luthor als Präsident der USA gegen Superman. Zu den Intrigen gehören Ermittlungen, und natürlich ermitteln auch Superhelden. Batman wird nicht umsonst von einem seiner Erzfeinde The Detective genannt. Aber bei all diesen Sachen geht es nicht um so Spaßfragen wie "Wer wird Liebling des Prinzen?", sondern um ernste moralische Fragen: Ist es ok, dass kostümierte Helden unbekannter Identität sich Polizeiaufgaben anmaßen? Das ist nicht nur das Thema von Civil War, aber in diesem Event natürlich mustergültig bearbeitet.
Solche Spaßfragen gab es bei uns eher selten. Die Intrigen, die stattfanden, hatten meist mit der territorialen oder politischen Situation innerhalb einer Stadt zu tun, oft genug aber auch mit Jahrhunderte alten Blutfehden oder Glaubensfragen. Viele der SCs, an die ich mich erinnere, haben sich mit dem okkulten Hintergrund und der Vampirgeschichte auseinandergesetzt, versuchten die Propaganda der Camarilla zu hinterfragen und mehr rauszufinden, auch im Bezug auf Gehenna, von dem ein paar Spinner behaupten, dass es kurz bevor steht.
Abgesehen davon erinnere ich mich an einige in meinen Augen ziemlich tiefgründige, moralische Fragen, die Themen im Spiel waren. Eine ganze Chronik in Dark Ages rangierte um die Zuordnung und Selbsteinschätzung der Kainiten im Bezug auf Kains Fluch, Gottes Urteil und den in den Büchern thematisierten Ketzerkonflikt zwischen der sich selbst vergöttlichenden Sekte der Kainiten und den an einen Zustand der Verfluchtheit glaubenden (oder diesen ausnutzenden) "Mainstream-Glauben" der Kirche der Asche. Ich kann mich in der gesamten, outtime sicher 2 Jahre andauernden Chronik an keinen nennenswerten Kampf erinnern. Wohl aber an die Weitergabe des Kusses durch einen SC und die Entscheidung des NSC-Kükens aufgrund moralischer Skrupel in die Sonne zu gehen, an ein paar kainitische Konzile mit der Ermordung mehrere vampirischer "Bischöfe" und der Aufdeckung einer Verschwörung durch die Sekte der Kainiten, die den Aufschwung der Katharer nutzen wollten, um ihre Basis zu stärken, was widerum von den Mainstream-Gläubigen mit dem entsprechenden Kreuzzug beantwortet wurde, inklusive ziemlich intensivem Intrigengerangel unter den Sterblichen, die jeweils manipuliert wurden, manipulierten etc. etc.
Auch in Victorian Ages hatten wir so einen Fall im Bezug auf die fortschreitende Industrialisierung, wo eine Gruppe von Vampiren auf die Idee kam die Arbeitersklaverei auf die Spitze zu treiben und Menschen zu Blutzwecken zu versklaven (quasi Farmen anzulegen, wie man es mittlerweile bei einigen Filmen kennt). Da war es an der Gruppe, sich ideologisch zu positionieren und das Selbstverständnis in Frage zu stellen. Hat richtig Laune gemacht. Und es wär nicht so, dass wir die vorhandenen Regeln und Disziplinen in den genannten Geschichten nur stiefmütterlich benutzt oder gar ignoriert hätten. Der Einsatz von Disziplinen war eigentlich immer recht regelmäßig, halt immer im Kontext der aktuellen Situation und auch die wenigen Diablerien verliefen by-the-book, zumindest soweit ich das beurteilen konnte. Kann mich da nur an ein oder zwei Situationen erinnern, die regeltechnisch chaotisch wurden (meist die Kämpfe, denn das Kampfsystem fand ich auch immer sehr überkomplex und ein wenig zu langwierig).