Ich möchte mal eine Systemvorstellung zu Novus liefern, einem recht neuen Rollenspiel aus der Hand von Tim Dugger.
Der Aufbau ist Folgender: Erst will ich das System allgemein vorstellen und später vielleicht nochmal kurz auf das Regelwerkbuch und die Erweiterungen eingehen.
1. Allgemeines:Novus ist ein settingloses Fantasy-Rollenspielsystem. Das Grundregelwerk orientiert sich dabei an den gewohnten Fantasy-Vorstellungen, die auch D&D oder DSA zu Grunde liegen.
Wesentliche Merkmale sind:
- Es ist ein 1-Buch-System: Alle relevanten Regeln finden sich im Grundregelwerk und werden nur optional erweitert durch eine Reihe von mehrseitigen PDFs (genannt "Libram Novus"-Reihe).
- Es ist (quasi) ein 1-Wurf-System: Alle Ergebnisse werden durch einen Würfelwurf ermittelt (genaueres: s.u.).
- Es ist stufen- und klassenbasiert (kann aber durch optionale Regeln aus den "Libram Novus" auch stufenlos/klassenlos gespielt werden).
- Es ist skillbasiert: Das Können der Helden wird durch Attribute, Talente und vor allem Skills beschrieben.
Das Spiel wird von Firehawkgames (
http://www.firehawkgames.com/) hauptsächlich über RPGnow.com vertrieben und ist von gratis (HTML-Online-Version) über u.a. Deluxe (PDF mit allen Lesezeichen und Bildern) bis Print-on-Demand zu beziehen.
2. Spielgeschichte:Novus wurde von Tim Dugger, dem Autor hinter "High Adventure Role Playing" (HARP) und einigen Rolemasterprodukten, geschaffen. Ich hatte die Ähnlichkeiten und Unterschiede schon mal unter
http://tanelorn.net/index.php?topic=76680.0;prev_next=next probiert herauszuarbeiten.
3. Die Spielmechanik:Das Spiel verwendet durchgängig 2W10 um über Erfolg oder Mißerfolg einer Aktion zu entscheiden. Will ein Spieler eine bestimmte Aktion machen, so würfelt er mit 2W10, addiert seinen Fertigkeitswert und vergleicht das Ergebnis mit einem Zielwert, der den Schwierigkeitsgrad der Aktion darstellt.
Da 2W10 verwendet werden, ist das Spiel etwas mehr an der Normalverteilung mit vielen mittleren Werten und weniger ausreißern (2,3,19,20) orientiert als z.B. W20-Spiele (z.B. D&D).
Eine typische Aktion sähe dann so aus:
Alrik entscheidet, dass er das Schloss öffnen will. Er hat einen Fertigkeitswert von 6. Der Spielleiter bestimmt, dass das Schloss nicht wahnsinnig kompliziert ist und legt den Schwierigkeitswert mit 15 fest.
Alriks Spieler würfelt eine 7 und eine 5. Damit ist ihm das Öffnen gelungen (7+5 + 6 ist größer gleich 15).
Zu Beachten ist (weswegen das 1-Wurf-System nur bedingt stimmt), dass jede 10 noch einmal gewürfelt werden darf und die neuen Würfelaugen zum Ergebnis hinzuaddiert werden (genannt: "Explodierende Würfel"). Dafür wird bei jeder 1 auch ein zweites mal gewürfelt und das Ergebnis abgezogen ("Implodierende Würfel").
Bei einer 1 und einer 10 wird nicht noch einmal geworfen, sondern es gilt das Ergebnis 11. Allerdings tritt dabei ein vom Meister bestimmter merkwürdiger Effekt auf: Z.B.: Alrik würfelt für ein anderes Schloss mit Schwierigkeit 20 eine 11. Der Meister bestimmt, dass zwar das Schloss aufgeht, die Tür sich öffnet, aber im selben Moment durch einen Windstoß die Tür zurückstösst, Alrik umwirft und das Schloss wieder einrastet (ok, andere Spielleiter haben bessere Ideen).
Damit wird im Grunde bei etwa jedem dritten Wurf nachgewürfelt.
Besonders schlechte oder gute Würfe werden auch bedacht: Für jeweils 10 Punkte über dem Schwierigkeitsgrad erhält der Spieler einen "Boon"-Punkt. Diesen muss er sofort ausgeben, indem er sich anhand einer Tabelle ein Ereignis aussucht (meist ein kleiner Vorteil, z.B. im Kampf, dass er in der nächsten Runde einene vorteilt hat, oder dass er den Gegner zum Bluten gebracht hat.
Dagegen erhält er für jeweils 10 Punkte unter dem Zielwert eine "Snag"-Punkt und muss sich einen Nachteil aus der Liste aussuchen (wie, dass er besonders viel Krach gemacht hat; ausversehen den nächsten Freund getroffen hat; ...).
4. Der Charakter: a) Attribute:Ein Charakter basiert auf 8 Attributen: Charisma, Constitution, Dexterity, Intelligence, Strength, Speed, Willpower und Wisdom. Davon leiten sich ein Defensivwert ab, sowie Trefferpunkte (wobei hier die Rasse mit einfließt).
Des Weiteren leiten sich sogenannte Save-Werte ab für z.B. Resistenzwürfe gegen Gifte, Beeinflussung, Magie, ...
b) Talente: Novus unterwscheidet zwischen Skills und Talents: Talente erlernt man einmal und muss sie nicht durch weiteres Training vertiefen. Es wird dabei unterschieden zwischen Talenten, die nur bei der Erschaffung der Figur erlernt werden können (z.B. Beidhädnigkeit oder Nachtsicht) und solchen die auch auch im späteren Spiel noch erlernbar sind (Kampftraining mit dem Schild, Berittener Kampf, Sprachen).
Mit gekauften Talenten lassen sich dann in Novus auch die Attribute, die Hitpoints (bis zu einem gewissen Maximum!), und die Resitentwürfe verbessern.
c) Skills:Novus hat 19 verschiedene Skills, wobei viele sich nochmal unterteilen: Kampfskills in Waffengruppen und Kampfarten; Wissen in viele kleine Teilbereiche (lokale Fauna, lokale Monster, ...); Handwerk in Heilen, Kräuter, Juwelier, Schmied,... Weitere Skills sind recht allgemein gehalten (z.B. Trickery, Gimmickry).
Auch das "Sprüch sprechen" wird als Skill geführt.
5. Charaktererschaffung:Die Charaktererschaffung basiert in Novus größtenteils auf einem Kaufsystem. Es funktioniet folgendermaßen:
Der Spieler wählt eine Rasse (im Regelwerk klassisch: Mensch, Elf, Halbelf, Halbling, Zwerg und Halbork). Jede dieser Rassen hat bestimmte Vorteile. So sieht ein Zwerg z.B. unheimlich gut im Dunkeln.
Gleichzeitig gibt eine gewählte Rasse Boni und Mali auf die Attribute.
Hiernach wählt der Spieler einen Hintergrund: Ist der Held in der Stadt groß geworden oder unter Barbaren, ... Je nach Hintergrund erhält er unterschiedliche Ränge für bestimmte Skills (so kann ein Städter der oberen Klasse etwas reiten, einer aus dem Slums allerdings nicht).
Als nächstes wird die Klasse gewählt. Das Regelwerk führt hier Schütze, Kämpfer, Magier (klassisch), Magier (dual), Kampfmönch, Minnesänger, Kundschafter und Dieb auf. Hinter Magier (klassisch) verbergen sich dann 6 verschiedene Arten (Zauberer, Hexenmeister, Druide, Mystiker, Kleriker und Magier). Hierzu mehr unter dem Punkt Magie. Magier (dual) beduetet, dass der Magier zwei Richtungen angehört (z.B. Zauberer und Hexenmeister).
Jede Klasse hat eigene Talente und eine Reihe von Favorisierten Skills, für die er beim Stufenanstieg einen gewissen Discount bekommt.
Nachdem dies nun alles gewählt ist, werden die Attribute bestimmt, entweder zufällig durch würfeln oder durch ein Kaufsystem. Daraus ergeben sich dann einige weitere Werte (Hitpoints, Defensivwert).
Des Weiteren erhält ein Charakter sogenannte "Fate Points", mit denen er im Notfall in das Spielgeschehen durch Manipulation eingreifen kann und so in der Regel das schlimmste abwenden kann. So wird etwas sicher gestellt, dass der Charakter nicht beim ersten dummen Zufall (Würfelwurf) stirbt.
Ist dies alles nun gemacht darf der Charakter endlich Entwicklungspunkte ausgeben um weitere Talente, Sprüche oder Combat Moves zu kaufen oder schlicht seine Skills zu erhöhen (je höher desto teurer wirds).
Nachdem der Charakter noch mit dem nötigsten ausgestattet wurde und die Traglast berechnet ist, kann es dann auch losgehen.
6. Der Kampf:Der Kampf wird in Runden eingeteilt, die nach der Initiative der Charaktere abgehandelt werden. In jeder Runde hat jeder Charakter eine Hand voll Punkte, die er für verscheiden lange Aktionen einsetzen kann (z.B. Angreifen und Laufen, Waffe fallenlassen und zaubern, ...). Der Kampf selbst funtkioniert dan prinzipiell wie jedes andere Manöver: Man würfelt, addiert seien Kampfwert für die Waffe und vergleicht diesen Wert mit dem gegnerischen Paradewert.
Hat man dann den Gegner getroffen (also einen Erfolg), so macht man Schaden in Höhe des Waffen-Basis-Schadens plus der Differenz zwischen dem Angriffswurf und dem Verteidigungswert des Gegners. Von dem Schaden wird dann der Rüstungsschutz des Gegners abgezogen.
Rüstung behindert dabei im Kampf, wie auch im sonstigen Leben bei bestimmten Aktionen.
Der Kampf wird durch mehrere Dinge taktischer:
- Es gibt auch Snags und Boons im Kampf.
- Man kann defensiver kämpfen, indem man Teile seines Angriffskillwerts zum Paradewert hinzuzählt (für jeweils 2 Punkte weniger im Angriff erhält man 1 Punkt zum Paradewert).
- Man kann verschiedenste "Combat Moves" ausführen, die entweder jeder ausführen kann, oder die zum Teil erst durch Steigerungspunkte erkauft (freigeschaltet) werden müssen. Hier gibt es z.B.: Parade, Power Strike, Shield Bash, Dive for Cover, Feint, ...
- Die Position kann einen Vorteil im Kampf geben (wobei das System nicht notwendigerweise Hexfeldbassiert beschrieben wird).
Das alles gilt auch für den Fernwaffenangriff und für den waffenlosen Kampf.
7. Die Magie:Die Magie teilt sich in verschieden Schulen (oder auch Sphären). So gibt es die universelle Sphäre mit 16 Sprüchen, die für jeden erlernbar sind.
Daneben gibt es für jede Art von Magier eine eigene Sphäre mit 12 Sprüchen, die nur von den Magiern der Schule erlernt werden können (Dunkle Magie (Hexenmeister), Heilige Magie (Kleriker), Hohe Magie (Magier), Mystizismus (Mystiker), Naturmagie (Druide), Zauberei (Zauberer)).
Jede Magieanwender lernt praktisch seine Magierichtung wie jeden anderen Skill. Danaben muss analog zu den Combat Moves jeder Spruch durch Steigerungspunkte erkauft werden.
Will der Magier einen Zauber sprechen, so muss er mit seinem Skill gegen den Zielwert des Zaubers würfeln, der bei einfachen Srpüchen niedrig liegt und bei mächtigeren Sprüchen doch recht hoch sein kann.
Zusätzlich kann jeder Spruch skaliert werden, sprich: Jeder Spruch hat eine Reihe von Optionen, die man wählen kann (größere Reichweite; mehr Schaden; mehrere Ziele; ...). Durch diese Optionen wird der Spruch schwieriger zu sprechen (Zielwert erhöht sich) und er kostet mehr Astralenergie.
Jeder Magier kann zaubern, bis seine Astralenergie aufgebraucht ist. Zusätzlich gibt es hier genauso Snags und Boons.
8. Stufenaufstieg: Das Spiel belohnt das Erreichen von Zielen und Teilzielen, seien sie persönlich oder Gruppenziele. Pro Stufe erhält jeder Charakter eine Reihe von Steigerungspunkte, die er für neue Talente, Combat Moves, Zaubersprüche oder Skillsteigerungen ausgeben kann.
9. Erweiterungen:Wie schon angemerkt, gibt eine "Libram Novus"-Reihe mit optionalen Erweiterungsregeln. Hier finden sich dann (u.a.): Zaubererschaffungsregeln (auch freie Magie), neue Klassen, Klassenerschaffungsregeln und Klassenoptionen (wie Multiklassen, klassenloses Spiel), mehr Talente, Vertiefungen zu bestimmten Skills und dem Skillsystem, Stufenloses Spiel und diverse weitere Magieregeln.
10. Zusammenfassung:Novus ist seinen Rolemaster/HARP-Wurzeln entwachsen, ohne die geistigen Herkunft aus HARP zu verschweigen. Es lehnt sich mit einem 20er-Zahlenraum und den gewählten Klassen und Rassen stark an klassische Fantasyrolenspiele an (v.a. also D&D), lässt aber einen großen Freiraum für einen Meister, das System für seine Spielwelt und Vorstellungen zu adaptieren (gerade auch durch die "Libram Novus").
Die Regeln scheinen durchdacht und durchgängig ziemlich aus einem Guss. Der Autor selbst schreibt dazu, dass er nicht gerade den Feuerball neu erfinden wollte, aber ein schnelles und flexibles System schaffen wollte, was ihm meiner Meinung mehr als gelungen ist. Wer klassisches Fantasy-Rollenspiel mag und ein praktisches Ein-Buch-System sucht, dass aber ein vollausgewachsenes System beinhaltet, sollte auf jeden Fall mal einen Blick riskieren.
Ich hoffe, dass ich damit einen Einblick in das Spiel geben konnte.