Autor Thema: Regeln sind gut, wenn sie Würfe vermeiden?  (Gelesen 3113 mal)

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Offline Beral

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Regeln sind gut, wenn sie Würfe vermeiden?
« am: 18.10.2012 | 12:47 »
Üblicherweise diskutieren wir über Regeln unter dem Gesichtspunkt, wie sie Würfelproben lösen. Ich frage mich gerade, ob Regeln nicht viel wichtigere Arbeit leisten können, indem sie Proben vermeiden?

Bedienen wir uns mal wieder der Kampfregeln als Beispiel. Völlig unabhängig vom Detailgrad und der konkreten Mechanik gibt es Kampfsysteme mit geringen Konsequenzen und solche mit großen Konsequenzen. D&D hat z.B. geringe Konsequenzen. Im Fall des Kampfes ist der Tod relativ weit weg, Verletzungen können sehr schnell auskuriert werden und hinterlassen keine Folgen, und selbst im Falle des Todes gibt es realistische Möglichkeiten der Wiederauferstehung. Hinzu kommt, dass Kämpfe keine sozialen Sanktionen nach sich ziehen. Die Hemmschwelle für Kampf ist damit sehr niedrig. Es gibt keinen Grund, nicht zu kämpfen. Wenn ein Problem da ist, räum es mit dem Schwert weg und gut ist.

Dann gibt es aber auch die "tödlichen" Kampfsysteme, wo man schnell und unvorhergesehen sterben kann. Ohne Wiederauferstehung oder zumindest mit eingeschränkten Möglichkeiten dazu. Hier im Forum wird immer wieder berichtet, dass solche tödlichen Kampfsysteme die Gruppe dazu animieren, Kampf nicht als erste, sondern als letzte Möglichkeit einzusetzen und vorher andere Wege der Problemlösung zu suchen.

Die entscheidende Variable, die den Unterschied ausmacht, ist Konsequenz. Wenn die Konsequenzen hart oder langfristig (negativ) wirksam sind, meidet man die Probe. Das heißt aber keineswegs, dass die Regeln dadurch ihre Macht auf das Spiel verlieren oder dysfunktional wären. Sie wirken lediglich auf anderem Wege und subtiler. Dem ebenbürtigen Ritter biete ich den Kompromiss statt des Kampfes an. Es sind aber die Kampfregeln selbst, die mich Kraft ihrer Konsequenzen zu einem Kompromiss treiben. Die Kampfregeln wirken auf diese Weise auch bei Nichtbenutzung! Oder anders gesagt: sie wirken ohne Würfelproben.

Zusätzlich interessant wird es, wenn die Konsequenzen nicht nur den Verlierer betreffen, sondern auch den Sieger. Der Ritter mir gegenüber mag mir unterlegen sein, aber eine realistische Einschätzung ergibt, dass ich wohl mindestens eine schwere Verletzung erleide, bevor ich ihn töten kann. Die schwere Verletzung bringt mich für Monate außer Gefecht oder schränkt mich gar permanent ein (verlorener Arm oder sowas). Der Sieg hat in so einer Situation also einen großen Preis.

Wenn ein ausgefochtener Konflikt grundsätzlich für beide Seiten nachteilig ist, nur eben mit unterschiedlicher Härte, dann drängt mich so ein Konfliktsystem dazu, Konflikte nach Möglichkeit zu meiden. Das ist eine interessante Erkenntnis, denn hier setzt eine Förderung der Kompromisse ein, obwohl sich die Regeln überhaupt nicht um Kompromisse kümmern.

Mehr noch, so ein Konfliktsystem macht auch schon ein Angebot dazu, wie viel die gegensätzlichen Parteien zum Kompromiss beisteuern müssen, um sich einig zu werden. Je mehr die potentiellen Konsequenzen des Unterlegenen die potentiellen Konsequenzen des Überlegenen übersteigen, desto mehr muss der Unterlegene anteilig zum Kompromiss beitragen (Gott, was für ein Satz...). Mit anderen Worten ist die Risikodifferenz der Maßstab. Tragen beide das gleiche Risiko im Konflikt, müssen beide auch gleich viel nachgeben im Kompromiss. Trägt einer deutlich mehr Risiko im Falle des Konflikts, so muss er im Kompromiss auch deutlich mehr nachgeben.

Wenn mein Ritter also auf einen fremden Ritter trifft und ich im Fall des Kampfes einen Arm riskiere, während der sein Leben riskiert, so wollen wir beide den Kampf vermeiden. Für einen Kompromiss mache ich ihm ein kleines Zugeständnis, während er mir ein größeres machen muss. Er wird sich in der Regel damit zufrieden geben, denn wenn er zu hohe Forderungen im Kompromiss stellt und dieser platzt, kommt es zum Kampf und er zieht den Kürzeren.
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"Wir führen keinen Krieg...sind aber aufgerufen eine friedliche Lösung auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen." Gerhard Schröder.

Taschenschieber

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Re: Regeln sind gut, wenn sie Würfe vermeiden?
« Antwort #1 am: 18.10.2012 | 12:52 »
Ob Würfe erzeugen oder Würfe vermeiden besser ist, ist einzig und allein eine Frage der Designziele.

Online Arldwulf

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Re: Regeln sind gut, wenn sie Würfe vermeiden?
« Antwort #2 am: 18.10.2012 | 13:00 »
Die Frage ist sicher auch ob "Konsequenzen" nicht überschätzt werden.

Um ein Beispiel zu nennen: Mein AD&D Paladin ist kürzlich mal wieder auf Untote getroffen welche ihm bei einem Treffer Stufen abziehen. Permanent. Sie wiederzuholen ist kompliziert und im Kontext des aktuellen Abenteuers eigentlich ausgeschlossen. Wir haben eine sehr langsame Aufstiegsgeschwindigkeit in dieser Gruppe (nur knapp über 1 RL Jahr je Stufe) das heißt dies schmeißt meinen Charakter um gut 2 Jahre zurück in seinen Fähigkeiten.

Harte Konsequenzen, oder? Aus bestimmter Sicht sogar schlimmer als: Du bist tot  -  mach einen neuen Charakter.

Ändert es die Spielweise? Eigentlich kein bisschen. Es sind nicht einmal echte Emotionen damit verbunden, einfach weil man relativ wenig dagegen machen kann. Das läuft dann tatsächlich so ab:

SL: "Du hast 2 Stufen verloren!"
ich: *schulterzucken und weitermachen*

Tatsächlich wäre dies bei einem Charaktertod nicht anders. Sicher, mein Charakter liegt mir am Herzen. Aber letztlich hätte ich keine echten Konsequenzen zu erwarten, wenn er stirbt werde ich nicht aus der Gruppe geworfen. Ich spiele immer noch mit, nur halt etwas anders als zuvor.

Das einzige was "tödliche" Spiele erreichen ist eine höhere Charakterfluktuation, die Spieler bleiben die gleichen.

Trotzdem würde ich Spiele welche Kompromisse anbieten wie bei dir beschrieben nicht unterstellen wollen "besser" zu sein.

Am Ende sind Regeln dann gut wenn sie ihr Spielziel erreichen, und ohne dieses (oder mehrere Ziele) näher zu definieren kann man auch keine echte Aussage über die Qualität der Regeln treffen.

Online Maarzan

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Re: Regeln sind gut, wenn sie Würfe vermeiden?
« Antwort #3 am: 18.10.2012 | 13:02 »
Blackjackprinzip.
Weniger Aufwand ist sicherlich immer besser, aber zu kurz springen und ein Designziel verfehlen ist erst richtig schlecht. Wo das Designziel dann liegt ist wiederum Geschmackssache und beeinflusst damit die notwendige Zahl an Würfen.
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Offline SeelenJägerTee

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Re: Regeln sind gut, wenn sie Würfe vermeiden?
« Antwort #4 am: 18.10.2012 | 13:40 »
@Arldwulf
Ich habe schon die Erfahrung gemacht, dass ich bei Systemen in denen die Chance recht hoch ist im Kampf spontan zu verrauchen, den Kampf vermeide wie Sau.
Bzw. wir Kämpfen nur dann, wenn wir
a) angegriffen werden
oder
b) die Konditionen des Kampfes so weit zu unseren gunsten Stehen, dass kein ausgewogenes Kräfteverhältnis mehr herrscht.
 Das heißt Angriffe mit Überraschungsmoment, zumindest lokale Übermacht,

@Beral
Ich erkenne Elemente meiner Annahmen aus meinem "kooperativen Konfliktauflösungs-Faden".
Da war ja meine Überlegung zwischen SL und Spieler einen Kompromiss auszuhandeln, der sowohl die Motivation, als auch die Kompetenz beider Parteien berücksichtigt und bei dem ein Scheitern des Kompromisses für beide Seiten einen negativen Ausgang erwarten lässt.

Jetzt muss man allerdings dazu sagen, dass das ne gehörige Portion Meta-Komponente hat.
Ingame wissen die zwei Ritter ja zunächst nicht wer der bessere ist.
Das heißt, das funktioniert nur, wenn Spieler und SL verstanden haben, dass hier eine Meta-Abhandlung erfolgt und es kippelt ganz schnell wenn eine von beiden Seiten ein irrationaler Spieler ist.
Das bedeutet, dass die zwei Ritter realistisch gesehen gegeneinander Kämpfen, es aber nicht darauf anlegen sich gegenseitig ernsthaft zu verletzen.

Das Problem, das ich Prinzipiell bei der Annahme, Konsequenzen sollten entstehen um Würfe zu vermeiden, sehe ist folgendes:
Das funktioniert, wenn nur der Kampf gefährlich ist oder nur die Wildnis oder nur soziale Konfrontation. Wenn jetzt aber alles durch mögliche schwerste Konsequenzen zum vermeiden von Würfe animiert, so tritt Paralyse ein, da man nichts mehr tun kann.
Im harmloseren Fall, wenn die Paralyse überwunden wird, führt es zum von Arldwulf beschriebenen Fatalismus (man weiß ja, dass man irgendwo in die Scheiße tappen könnte wenn man irgendwas tun will) oder es führt zu dem paranoiden-Spieler-80fach-Rückversicherungssyndrom.

Deswegen wollte ich ja prinzipiell einen Mechanismus haben, bei dem SL und Spieler ihren Vorstellungsraum miteinander abgleichen. Damit eben nicht immer gleich eine totale Paralyse eintritt.

Offline Sphärenwanderer

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Re: Regeln sind gut, wenn sie Würfe vermeiden?
« Antwort #5 am: 18.10.2012 | 13:45 »
Ich habe bei sehr tödlichen Kampfsystemen leider das Problem, dass der Buttkicker und der Taktiker in mir im Widerstreit sind - Kämpfen ist oft nicht die beste Option, aber es juckt mir in den Fingern. ;D Insofern sind mir Systeme eigentlich am liebsten, in denen Kämpfe zwar tödlich, aber mit der richtigen Taktik gut zu überstehen sind. Man sollte also nicht nur die Möglichkeiten besitzen, das Würfelduell zu suchen oder zu vermeiden, sondern auch ordentlichen Einfluss auf dessen Ausgang nehmen können.
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Offline Oberkampf

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Re: Regeln sind gut, wenn sie Würfe vermeiden?
« Antwort #6 am: 18.10.2012 | 14:19 »
Es gibt zwei Dinge, bei denen Regeln darauf angelegt sein müssen, Proben zu vermeiden:

1. Vermeidung bestimmter Aktionen

Bestimmte Formen von Regeln begünstigen bei korrekter Anwendung ein bestimmtes Spielverhalten. Regeln, die bei bestimmten Aktionen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu massiven negativen Konsequenzen bei den SCs führen, belohnen ein Spielverhalten, dass darauf abzielt, diese Aktionen zu vermeiden.

Damit kann genretypisches Spiel begünstigt werden. Darum verträgt sich Cthulhu oder Horror generell sehr gut mit gefährlichen/tödlichen Kampfsystemen und verstärken das Abtauchen ins Genre, während man damit bei Sword & Sorcery den gegenteiligen Aspekt erzielt.

2. Vermeidung von Fehlschlägen bei bestimmten Aktionen

Das Beispiel hierfür ist das Detektiv- oder Ermittlungsrollenspiel, wo vermieden werden muss, dass die Spielercharaktere aufgrund misslungener Proben dem Verlauf des Abenteuers nicht mehr folgen können bzw. die Lösung des Falles nicht mehr möglich wird. GUMSHOE löst dieses Problem z.B. so, dass von den Regeln her nicht vorgesehen ist, dass die Spieler Proben auf die Fertigkeiten ihrer Charaktere ablegen, um die zum Verfolgen des Falles notwendigen Informationen zu erhalten.
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Offline rettet den wald

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Re: Regeln sind gut, wenn sie Würfe vermeiden?
« Antwort #7 am: 18.10.2012 | 14:43 »
Persönliche Meinung von mir: Prinzipiell richtig. Wenn du harte Konsequenzen fürchten musst, wenn du eine bestimmte Handlungsweise wählst, dann wirst du diese Handlungsweise tendentiell eher nicht wählen. Dafür sind allerdings zwei Bedingungen nötig:

-> Erstens musst du tatsächlich eine Wahl haben. Wenn z.b. Kampf die einzige sinnhafte Methode ist, ein Problem zu lösen, dann sind harte Konsequenzen hier eher kontraproduktiv und frustrierend. Siehe das Beispiel mit dem Stufenabzug in AD&D.
-> Zweitens musst du die Konsequenzen auch als Spieler meiden wollen. Wenn du als Spieler einen fanatischen Kreuzritter-Typen spielst, dem sein eigenes körperliches Wohlergehen beim Erreichen seiner Ziele relativ egal ist, dann wird das eventuell zum Problem.
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Offline SeelenJägerTee

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Re: Regeln sind gut, wenn sie Würfe vermeiden?
« Antwort #8 am: 18.10.2012 | 14:46 »
[...]
-> Zweitens musst du die Konsequenzen auch als Spieler meiden wollen. Wenn du als Spieler einen fanatischen Kreuzritter-Typen spielst, dem sein eigenes körperliches Wohlergehen beim Erreichen seiner Ziele relativ egal ist, dann wird das eventuell zum Problem.
Allerdings nicht besonders lange.  :gasmaskerly:

Offline rettet den wald

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Re: Regeln sind gut, wenn sie Würfe vermeiden?
« Antwort #9 am: 18.10.2012 | 14:53 »
Allerdings nicht besonders lange.  :gasmaskerly:

Naja, wenn es dein Ziel ist, dass die Spieler für die Lösung ihrer Probleme eher nicht auf Gewalt zurückgreifen (weil dort eben schwere Konsequenzen zu fürchten sind), dann kann es schon reichen wenn die Spieler in einer einzigen wichtigen Szene sagen "Ok, hier scheißen wir jetzt auf die Konsequenzen!". Wenn du damit dann nicht gerechnet hast, kann dich das potentiell aus dem Konzept bringen.
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Eulenspiegel

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Re: Regeln sind gut, wenn sie Würfe vermeiden?
« Antwort #10 am: 18.10.2012 | 15:25 »
Braucht man extra Regeln, die einem für bestimmtes Verhalten bestrafen? Wäre es nicht viel einfacher, einfach zu kommunizieren, welches Verhalten erwünscht und welches Verhalten unerwünscht ist?

Ansonsten gilt: Wenn man im Hobby die Wahl zwischen Zuckerbrot und Peitsche hat, würde ich das Zuckerbrot bevorzugen. Anstatt also unerwünschtes Verhalten zu bestrafen, würde ich erwünschtes Verhalten bevorzugen.

Wenn wir also Splinter Cell als RPG spielen, würde ich nicht offenen Kampf bestrafen sondern stattdessen Belohnungen geben, wenn die Spieler sich an den Wachen vorbeischleichen.
Aber wichtig ist, dass man im Vorfeld sagt: "Leute, es geht nicht darum, die Wachen niederzumetzeln, es geht darum, sich an den Wachen vorbeizuschleichen."

Und bei den Regeln würde ich dann erwarten, dass es sehr wenig Regeln für einen offenen Kampf hat, aber dafür sehr viele Regeln für schleichen, von Hinten niederknüppeln, Wache ablenken, lautlos aus Entfernung ausschalten etc.
Und diese Regeln möchte ich dann bitteschön auch regelmäßig anwenden.

Was ich bei einem Splinter Cell RPG absolut hassen würde: "Nee, die Infiltrationsregeln haben mir zu harte Konsequenzen. Wir versuchen es lieber mit dem ungeregelten Kampf, da gibt es weniger harte Konsequenzen."
« Letzte Änderung: 18.10.2012 | 15:29 von Eulenspiegel »

Taschenschieber

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Re: Regeln sind gut, wenn sie Würfe vermeiden?
« Antwort #11 am: 18.10.2012 | 15:29 »
Zitat
Ansonsten gilt: Wenn man im Hobby die Wahl zwischen Zuckerbrot und Peitsche hat, würde ich die Peitsche bevorzugen. Anstatt also unerwünschtes Verhalten zu bestrafen, würde ich erwünschtes Verhalten bevorzugen.

Also was denn nu?

Und ja, ich finde, ein Regelsystem sollte bestimmte Verhalten fördern (das tut sogar jedes System zumindest unterbewusst). Und Bestrafen oder belohnen sind ja oft nur zwei verschiedene Formulierungen bzw. Verpackungen für die gleiche Mechanik (Bonus-XP für gutes RPG vs. Malus-XP für schlechtes RPG - einfach nur eine umgekehrte Gleichung). Das kann sein "Schildere möglichst ausführlich" (Wushu) oder "Gehe taktisch klug vor" (SaWo, D&D) oder "Vermeide Kämpfe" (kein Beispiel, da ich RPGs mit der Prämisse einfach ignoriere), oder auch "Scheiß auf Risiko, wir haben Rule of Cool".

Eulenspiegel

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Re: Regeln sind gut, wenn sie Würfe vermeiden?
« Antwort #12 am: 18.10.2012 | 15:35 »
Habe mich oben verschrieben und es zeitgleich mit deinem Post korrigiert.

Ja, bei vielen Sachen sind Belohnungen und Bestrafungen das gleiche nur mit umgekehrten Vorzeichen. (z.B. Bonus-/Mali-XP.)

Bei den Fall von Regelvermeidung ist das jedoch nicht der Fall:
- Wenn die Regeln die Regelanwendung belohnen, führt es dazu, dass man sehr stark verregelt spielt und man sich eher auf die Regeln konzentriert.
- Wenn die Regeln jedoch die Regelanwendung bestrafen, führt dies eher dazu, dass man sich auf den nichtverregelten Teil konzentriert und dort viel Freeform begeht.

Hier haben wir also nicht das Gleiche nur mit umgekehrten Vorzeichen, hier erhalten wir tatsächlich unterschiedliche Effekte.
« Letzte Änderung: 18.10.2012 | 15:36 von Eulenspiegel »

Offline Gorbag

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Re: Regeln sind gut, wenn sie Würfe vermeiden?
« Antwort #13 am: 18.10.2012 | 16:14 »
In meinen Augen sollte ein System das vermeiden von Proben nicht dadurch erreichen, dass die Spieler möglichst hart/nachhaltig bestraft oder werden bei der Anwendung einer Regel (die zu einem Wurf führt), sondern durch sinnvolles Design mit dem Ziel der Probensparsammkeit, egal wie sich die Spieler verhalten.

Durch die Zuckerbrot und Peitschen Methode kann ich die Schwerpunkte meines Spiels festlegen. Ich mache wichtige Aspekte also spielerfreundlich und Dinge die ich vermeiden möchte aber anbieten muss mache ich entsprechend unschön.
Ein typisches Beispiel ist Kampf. Es gibt einige Genres die am liebsten auf Kampf verzichten würden, weil es eigentlich kein Schwerpunkt im System ist. Beispiele sind wie oben genannt Detektiv spiele und einige Horror-Settings. Auch wenn man den Kampf nicht für wichtig hält, er ist doch eine Option für die Spieler. Es gibt einfach sehr wenige Settings, wo Spieler nicht zu Gewalt als Mittel greifen können (egal wie dumm es in der Situation ist).
Um dann den Kampf zu vermeiden mache ich entweder die Regeln hart(oder die typische Opposition im Kampf) oder extrem simpel und langweilig, verglichen mit anderen Regelkonstrukten im System, so dass Spieler lieber die schön verregelten Aspekte im Spiel praktizieren wollen.

Aber egal wie man den Kampf unattraktiv macht, eine Würfelersparnis sollte man nicht dadurch erreichen, dass die Spieler einfach keine Motivation zur Anwendung der Regeln haben.
Außerdem kompensiert sich die Würfelvermeidung ja irgendwo auch in einem anderen Aspekt des Spiels. Will ich ein Schleichspiel mit wenig Kämpfen werde ich vermutlich beim Schleichen Würfelwürfe generieren, damit verlagere ich die Würfe ja nur vom Kampf in die Schleichenprobe.

Würfelersparnis im Spiel kommt aus anderen Quellen, z.B. wenn man nur Proben würfelt wenn Zeitdruck vorliegt oder wenn immobile Gegner automatisch kritisch getroffen werden usw. .

Offline Garonoth

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Re: Regeln sind gut, wenn sie Würfe vermeiden?
« Antwort #14 am: 18.10.2012 | 18:56 »
Jetzt muss man allerdings dazu sagen, dass das ne gehörige Portion Meta-Komponente hat.
Ingame wissen die zwei Ritter ja zunächst nicht wer der bessere ist.
Das heißt, das funktioniert nur, wenn Spieler und SL verstanden haben, dass hier eine Meta-Abhandlung erfolgt und es kippelt ganz schnell wenn eine von beiden Seiten ein irrationaler Spieler ist.
Das bedeutet, dass die zwei Ritter realistisch gesehen gegeneinander Kämpfen, es aber nicht darauf anlegen sich gegenseitig ernsthaft zu verletzen.

Genau das Problem hatte ich in meinem Haussystem, wo die Werte eines anderen Charakters grundsätzlich nicht bekannt sein sollen. Das Konfliktsystem verwendet deshalb unterschiedliche Schweregrade von Schäden, die im Laufe des Konfliktes steigen. Häufig enden Kämpfe damit, daß einer der Kontrahenten sich in eine so günstige Position bringt, daß sein Gegenüber den Konflikt beendet, bevor er (absehbar) verletzt wird. Auch ein "Gleichstand" ist möglich, oder irgendetwas dazwischen.
Das System belohnt also Kompromisse, vermeidet allerdings nicht zwangsläufig Würfelwürfe. Deren Zahl sinkt natürlich, weil die Konflikte, die einem Spieler nicht so wichtig sind oder bei denen das Kräfteverhältnis sehr unausgewogen ist, meist mit einem Wurf erledigt sind, aber gewürfelt wird in der Regel eben doch. Kämpfe komplett zu vermeiden würde daran nichts ändern, denn soziale Konflikte laufen über dasselbe System.

Ich denke, unnötige Proben zu vermeiden ist ein ziemlich erstrebenswertes Ziel, aber das läuft in meinen Augen letztlich nur wieder auf die (allgemeine, übliche) Kosten-Nutzen-Rechnung heraus: wieviel [Erzählerischen Inhalt/Taktische Tiefe/wasauchimmer-mein-Designziel-ist] generiere ich mit welchem Aufwand? Also, ja, Zustimmung insofern, daß es ein Qualitätsmerkmal sein kann, wie gut in bestimmten Situationen Proben (oder die Situation selbst) durch das System vermieden werden (sofern es dem Deisgnziel tatsächlich entspricht, aber wofür gilt das nicht :)?).

PS: Es kann natürlich sein, daß die Spieler etwas ganz anderes wollen. Ich find's großartig, wenn ab und zu jemand auf das Risiko pfeift und genreuntypsich handelt. Der Kontext ist ja immer noch genrespezifisch, und letztlich sind es doch genau diese dezent irrsinnigen Aktionen, die einem im Gedächtnis bleiben ;D
« Letzte Änderung: 18.10.2012 | 19:03 von Garonoth »
I don't know what it is. I don't think it knows what it is and that's why it's so angry.

Offline Beral

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Re: Regeln sind gut, wenn sie Würfe vermeiden?
« Antwort #15 am: 19.10.2012 | 10:51 »
Jetzt muss man allerdings dazu sagen, dass das ne gehörige Portion Meta-Komponente hat.
Ingame wissen die zwei Ritter ja zunächst nicht wer der bessere ist.
Warum wissen sie es nicht? Das kann sein, muss aber nicht. Stellen wir uns ein Spiel vor, in dem lokal agiert wird und viele Informationen über das Lokale vorliegen. Es muss ja nicht immer das Trickster-Abenteuer sein, bei dem die Helden von sozialer Einbettung befreit sind und immer nur in fremden Gefilden wildern. Aber selbst wenn der Gegner wirklich fremd ist und keine Informationen über ihn vorliegen, muss man nicht schulterzuckend den Ernstkampf suchen, um seine Stärke herauszufinden. Man kann ihn beobachten und einschätzen (Fertigkeiten, für die man sonst kaum eine Verwendung hat), man kann das Gespräch mit ihm suchen, um die Einschätzung zu präzisieren, man kann ihm ein Bauernopfer zum Fraß geben, um seine Kampfkraft zu sehen, man kann ihn zu einem Duell gegen sich selbst oder einen anderen einladen, um seine Kampfkraft außerhalb des tödlichen Kampfes einzuschätzen, man kann ihm eine Aufgabe anbieten, bei der er seine Kampfstärke nutzen muss und erkennt daran die Stärke. Passiert alles ingame, völlig ohne Meta. Die Ungewissheit über die Stärke des Fremden ist übrigens ein beliebtes Spannungselement, zumindest außerhalb des Rollenspiels. Das gegenseitige beschnuppern und abtasten ist in der Realität, im Film und in der Literatur häufig anzutreffen. Warum nicht im Rollenspiel?

Das Problem, das ich Prinzipiell bei der Annahme, Konsequenzen sollten entstehen um Würfe zu vermeiden, sehe ist folgendes:
Das funktioniert, wenn nur der Kampf gefährlich ist oder nur die Wildnis oder nur soziale Konfrontation. Wenn jetzt aber alles durch mögliche schwerste Konsequenzen zum vermeiden von Würfe animiert, so tritt Paralyse ein, da man nichts mehr tun kann.
Warum soll denn alles mit schwersten Konsequenzen belegt werden? Als Spieldesigner kann man gezielt einige Lösungswege unattraktiv machen, was andere Lösungswege automatisch fördert. Ob diese anderen Lösungswege ebenfalls stark verregelt sind und massenweise Würfelwürfe beinhalten oder aber dem freien Ausspielen überlassen bleiben, ist grundsätzlich egal. Beides ist möglich, man gestalte es nach eigenem Geschmack.

Welchen Lösungsweg man benachteiligen möchte, ist davon abhängig, welches Spielgefühl und welche Spielinhalte man anstrebt. Für alle Möglichkeiten gilt aber folgendes:
- Wenn die Regeln die Regelanwendung belohnen, führt es dazu, dass man sehr stark verregelt spielt und man sich eher auf die Regeln konzentriert.
- Wenn die Regeln jedoch die Regelanwendung bestrafen, führt dies eher dazu, dass man sich auf den nichtverregelten Teil konzentriert und dort viel Freeform begeht.
Eine gute Beobachtung, die man noch ausdifferenzieren muss. Wenn es gar keine belohnenden Regelteile gibt, wird Freeform begünstigt. Wenn aber ein Teil der Regeln hart bestraft und ein anderer belohnt, wird der belohnende Teil der Regeln begünstigt (sofern er tragfähig ist!).

Außerdem kompensiert sich die Würfelvermeidung ja irgendwo auch in einem anderen Aspekt des Spiels. Will ich ein Schleichspiel mit wenig Kämpfen werde ich vermutlich beim Schleichen Würfelwürfe generieren, damit verlagere ich die Würfe ja nur vom Kampf in die Schleichenprobe.
Das kann man doch positiv sehen. Würfelersparnis muss kein Selbstzweck sein. Die schwerpunktmäßige Verlagerung der Proben auf ein anderes Themengebiet kann ein sehr wichtiges Designziel sein. Bei der Entwicklung eines sozialen Regelsystems wird es zum Beispiel kaum darum gehen, Kampf komplett aus dem Spiel zu nehmen. Aber man wird bestrebt sein, dass Kampf nur selten und im Notfall eingesetzt wird, während das Themengebiet des sozialen intensiver beackert wird, gerne auch mit Würfelproben. Hier kann man mit der Schwere der Konsequenzen sehr gut das Verhältnis dosieren.

Zum Schluss noch ein anderer Gedanke. Regeln können nicht nur Würfelproben entscheiden. Sie können auch eine Struktur festlegen, an der sich Spieler orientieren können. Die Gesinnung eines NSC kann darüber entscheiden, ob er als Partner in Frage kommt. Die Stärke des NSC kann darüber entscheiden, ob er als Leibwächter in Frage kommt. Ob er als Gegner in Frage kommt. Es sind die Regeln für Gesinnung und Stärke, die in diesen Beispielen Entscheidungen ermöglichen, ohne dass man dafür Würfelproben ablegen müsste. Das kann unabhängig von den Konsequenzen geschehen. Das ist ein weiterer Weg, wie Regeln Orientierung geben und Entscheidungen beeinflussen, ohne Zuhilfenahme von Würfeln.
Spielertyp: Modellbauer. "Ich habe das Rollenspiel transzendiert."

"Wir führen keinen Krieg...sind aber aufgerufen eine friedliche Lösung auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen." Gerhard Schröder.