Autor Thema: Realismus benötigt Detailreichtum  (Gelesen 7963 mal)

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ErikErikson

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Realismus benötigt Detailreichtum
« am: 6.11.2012 | 13:53 »
ich behaupte, das ein realistisches Spiel ohne einen hohen Detailreichtum der Regeln nicht auskommt. Weil im Rollenspiel immer spezifische Situationen bespielt werden, und ein Mechanismus, der über Situationen und Umstände mittelt, zu unrealistischen Ergebinssen führt.

Nehmen wir folgendes Beispiel:

jemand schlägt mit seinem Schwert zu. Das System berechnet die Treferwahrscheinlichkeit des Schlags folgendermaßen: Attribut Stärke+Attribut Geschicklichkeit+Umstandsmodifikatoren+Fertigkeit+Zufallskomponente.

Greifen wir uns nur die Attribute Stärke und Geschicklichkeit heraus. beide sind im Oberen Beispiel mit 1 gewichtet, beeinflussen also die Trefferwahrscheinlichkeit gleich stark. Und zwar in jeder Situation. Das ist unrealistisch.

Nehmen wir nur ein weiteres merkmal hinzu, das die Gewichtung von Geschick und Stärke deutlich modifiziert, die Rüstung des getroffenen. Ist diese sehr überall stark, so ist eine enorme Kraft nötig, um die Rüstung zu durchdringen. geschick bringt hier nicht viel. Ist die Rüstung dagegen teilweise undurchdringlich, aber an bestimmten Stellen schwach, so ist viel geschick notwendig, um die schlecht geschützten Stellen zu treffen.

Ein System, das diese Modifikatoren nicht beinhaltet, ist unrealistisch. Realismus bedingt also Detailreichtum. 

MadMalik

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Re: Realismus benötigt Detailreichtum
« Antwort #1 am: 6.11.2012 | 14:02 »
Man kann auch andersrum Argumentieren; ein zu detailiertes Regelsystem kann nicht realistisch sein weil es nie komplex genug sein kann um alle eventualitäten abzudecken. So kommen immer wieder Situationen zustande, welche zwar Regelkonform sind aber sich nicht mit der Erwartungshaltung der Spieler decken. Ein abstraktes System erlaubt das realistische Abhandeln solcher Situationen, da es den Spielern mehr freien Erklärungsfreiraum lässt um die Ergebnisse zu begründen.

Online gunware

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Re: Realismus benötigt Detailreichtum
« Antwort #2 am: 6.11.2012 | 14:13 »
So kommen immer wieder Situationen zustande, welche zwar Regelkonform sind aber sich nicht mit der Erwartungshaltung der Spieler decken.
Ich will Euch den Wind von den Segeln nicht nehmen, aber Erwartungshaltung und Realität sind total unterschiedliche Sachen. Oder warum meint Ihr, dass es so viele unzufriedene Leute gibt? Weil die Erwartungshaltung und die Realität voneinander total abweichen!
Ich bin der letzte Schrei der Evolution, als sie mich erschaffen hatte, schrie sie: "Oh Gott, was habe ich denn gemacht?!"

ErikErikson

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Re: Realismus benötigt Detailreichtum
« Antwort #3 am: 6.11.2012 | 14:19 »
Ich will Euch den Wind von den Segeln nicht nehmen, aber Erwartungshaltung und Realität sind total unterschiedliche Sachen. Oder warum meint Ihr, dass es so viele unzufriedene Leute gibt? Weil die Erwartungshaltung und die Realität voneinander total abweichen!

Korrekt. Bei FoF Vorgehensweise würden die Spieler vielleicht durchaus eine Erklärung finden, warum das Ergebniss "realistisch" war, aber diese Erklärung wäre in vielen Fällen eben nicht realistisch. Das liegt daran, das die meisten Menschen eben nicht über das Wissen verfügen, in den unterschiedlichsten Situationen jeweils die realstischen Ergebnisse zu definieren. Das muss das System übernehmen.   

Offline Beral

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Re: Realismus benötigt Detailreichtum
« Antwort #4 am: 6.11.2012 | 14:37 »
Realismus wirkt auf die menschliche Psyche nicht in jedem Fall plausibel. :korvin:

Ob realistische Regeln die Plausibilitätsbedürfnisse der Spieler befriedigen, hängt nicht immer von ihrer Komplexität ab, sondern auch davon, welche Lebensbereiche sie betreffen. Unser kognitiver Apparat wurde nämlich von der Evolution erzogen, gewisse Dinge möglichst objektiv wahrzunehmen, andere Dinge gezielt verzerrt wahrzunehmen; und für manche Dinge wurde unser Gehirn gar nicht erzogen, so dass uns alles Mögliche plausibel erscheinen kann, gänzlich unabhängig von der objektiven Realität.
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Re: Realismus benötigt Detailreichtum
« Antwort #5 am: 6.11.2012 | 14:52 »
ich behaupte, das ein realistisches Spiel ohne einen hohen Detailreichtum der Regeln nicht auskommt.

Eine Realismusdebatte im RSP? Du alter Troll. :D

Zitat
jemand schlägt mit seinem Schwert zu. Das System berechnet die Treferwahrscheinlichkeit des Schlags folgendermaßen: Attribut Stärke+Attribut Geschicklichkeit+Umstandsmodifikatoren+Fertigkeit+Zufallskomponente.

Greifen wir uns nur die Attribute Stärke und Geschicklichkeit heraus. beide sind im Oberen Beispiel mit 1 gewichtet, beeinflussen also die Trefferwahrscheinlichkeit gleich stark. Und zwar in jeder Situation. Das ist unrealistisch.

Das finde ich schon ziemlich detailliert. Also hängt der "Realismus" wohl gar nicht am Detailreichtum, sondern:

Zitat
Nehmen wir nur ein weiteres merkmal hinzu, das die Gewichtung von Geschick und Stärke deutlich modifiziert, die Rüstung des getroffenen. Ist diese sehr überall stark, so ist eine enorme Kraft nötig, um die Rüstung zu durchdringen. geschick bringt hier nicht viel. Ist die Rüstung dagegen teilweise undurchdringlich, aber an bestimmten Stellen schwach, so ist viel geschick notwendig, um die schlecht geschützten Stellen zu treffen.

...an der Gewichtung. Die Rüstung zählt ja wohl unter "Umstandsmodifikatoren".
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Zitat von: korknadel
Rollenspiele sollen bei Dir im besten Fall eine gewisse Schwermut, Resignation und Melancholie hervorrufen.

Zitat von: Dolge
Auf Diskussionen, was im Rollenspiel realistisch ist und was nicht, sollte man sich nie unter gar keinen Umständen absolut gar überhaupt vollständig nicht einlassen.

Offline Skele-Surtur

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Re: Realismus benötigt Detailreichtum
« Antwort #6 am: 6.11.2012 | 15:05 »
Korrekt. Bei FoF Vorgehensweise würden die Spieler vielleicht durchaus eine Erklärung finden, warum das Ergebniss "realistisch" war, aber diese Erklärung wäre in vielen Fällen eben nicht realistisch. Das liegt daran, das die meisten Menschen eben nicht über das Wissen verfügen, in den unterschiedlichsten Situationen jeweils die realstischen Ergebnisse zu definieren. Das muss das System übernehmen. 
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Offline Zauberelefant

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Re: Realismus benötigt Detailreichtum
« Antwort #7 am: 6.11.2012 | 15:09 »
"Realismus" ist doch in den allermeisten Spielen überhaupt keine Option. Drachen, Magie, Aliens? Das ist nach Stand des Menschlichen Wissens zumindest höchst unwahrscheinlich, aber vermutlich eher unrealistisch. Das gleiche gilt für Sci-Fi-Technik.
Realistisch wäre es ebenfalls nicht, daß die allermeisten Teilnehmer von Expeditionen in verfluchte Tempel, epischen, Zeitalter einläutenden Schlachten und Piraterie in Luftschiffen überhaupt gesund nach Hause kommen.

"Unrealismus" ist sowas wie das definierende spaßbringende Merkmal der allermeisten Rollenspiele. Weil es eben keine Freude macht, seinen Charakter an Querschläger, Tretminen, Seuchen, Stürze von der Leiter, Autounfälle oder andere realistische Todesursachen zu verlieren.

Was wiederum die Erwartungshaltung der Spielteilnehmer betrifft, so hängt die mE stark vom Wissenstand der Betreffenden ab. Eine Military-Sci-Fi-Kampagne wird sich mit Soldaten anders spielen als mit Physikstudenten.
Worum es für den Mitspieler geht ist doch die Frage, ob der Sense of Wonder sich mit der Supsension of Disbelief beißt oder nicht - anders gesagt: Will ich das glauben, was da am Tisch passiert, oder nicht.
Regeln bieten hier einen Mechanismus, der es gestattet, arbiträre Entscheidungen zu treffen - ohne daß man sich wegen Plaubilität in die Haare bekommt. Denn bei Regeln geht es um Konsistenz und Anwendbarkeit, nicht um Realismus. Sie können auch gar nicht realistisch sein, sondern nur Modelle einer möglichen Realität. Je präziser dieses Modell ist, desto eher hab ich einen passenden Mechanismus an der Hand, um die arbiträre Entscheidung mit einer hohen Konsensualität auszustatten. Realistisch wirds dadurch nicht.

Das Problem findet ja schon im gemeinsamen Vorstellen einer Situation statt: Haben wirklich alle am Tisch die gleiche Vorstellung von dem, was da gerade geschildert wird? Wohl eher nicht. Und ich würde meinen, daß das nicht allein vom Detailgrad der Schilderung abhängt. Zu viele Informationen können genauso zu Verwirrung führen wie zu wenige. Ebenso meine ich, daß RAW ebensooft in die Irre führt wie "weiche" Systeme, deren Spieler einfach keine Ahnung davon haben, was ihr Charakter tut. In beiden Fällen kommt man auf unrealistische Ergebnisse.

Ein realistisches System könnte auch ohne hohen Komplexitätsgrad auskommen, indem alle Spielteilnehmer ihr Wissen in einen Topf werfen. Spieler A plant eine Aktion, und begründet einen einzelnen Modifikator (positiv, oder auch mal negativ), der SL gibt einen weiteren Faktor mit Modifikator dazu, die anderen Spieler dürfen auch was dazu sagen, müßen aber jeweils andere Faktoren nennen, die zu Modifikatoren führen können. Wenn man noch einen Mechanismus einbaut, der Anreize bietet, nicht alles schönzuerklären, dann sollte man auf plausible, konsensuale und mithin fast realistische Ergebnisse kommen. Man kann auch ein ungeheuer ausgefeiltes Regelwerk für alles schaffen, aber das wird schnell so dick und spannend wie das Telefonbuch von Neu-Delhi.
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Offline Wyrδ

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Re: Realismus benötigt Detailreichtum
« Antwort #8 am: 6.11.2012 | 15:12 »
Greifen wir uns nur die Attribute Stärke und Geschicklichkeit heraus.

Die Stärke, die du zum Schwertkampf brauchst, ist Schnellkraft. Die hat nur bedingt mit der Stärke zu tun, die man z. B. benötigt, wenn man schwer heben will. Die benötigte Geschicklichkeit im Schwertkampf ist Hand/Auge-Koordination und/oder Beweglichkeit, die sich z.B. von der Fingerfertigkeit unterscheidet, die man allgemein auch als Geschicklichkeit wahrnimmt. Dein Beispiel geht also schon an der Realität vorbei.  >;D

Ich denke, man kommt eher ans Ziel, wenn man auf die Erwartungshaltung und "gefühlte" Plausibilität hinzielt, als nur auf detailreiche Regeln zu setzen.
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Online gunware

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Re: Realismus benötigt Detailreichtum
« Antwort #9 am: 6.11.2012 | 15:16 »
Realismus, den die Spieler nicht verstehen, ist für das Spiel wertlos.
Aber realistisch.  >;D
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Offline Skele-Surtur

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Re: Realismus benötigt Detailreichtum
« Antwort #10 am: 6.11.2012 | 15:44 »
Aber realistisch.  >;D
Vermutlich.
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Online Jiba

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Re: Realismus benötigt Detailreichtum
« Antwort #11 am: 6.11.2012 | 15:58 »
Deine Mutter benötigt Detailreichtum!  ~;D

Nein, im Ernst. Ich denke, dass man genauso komplett ohne ein feingranulares Regelsystem realistisch spielen kann. Ein Regelwerk wird nicht dadurch realistischer, dass viele Rechenschritte abgebildet werden. Vor allem da, wie Beral richtig sagt, kein Regelwerk wirklich realitätsgetreu simulieren kann. Es müssen immer Parameter unterschlagen werden.

Also: Was der Zauberelefant sagt.
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline blut_und_glas

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Re: Realismus benötigt Detailreichtum
« Antwort #12 am: 6.11.2012 | 17:16 »
Das Problem findet ja schon im gemeinsamen Vorstellen einer Situation statt: Haben wirklich alle am Tisch die gleiche Vorstellung von dem, was da gerade geschildert wird? Wohl eher nicht. Und ich würde meinen, daß das nicht allein vom Detailgrad der Schilderung abhängt. Zu viele Informationen können genauso zu Verwirrung führen wie zu wenige.

Während das sicherlich richtig ist, ist die Grundidee, durch ein Mehr von Informationen (viele Details...), die alle in einer eindeutigen gemeinsamen Sprache (...in den Regeln) vermittelt werden, eine bessere Grundlage für eine gemeinsame Vorstellung zu schaffen, in meinen Augen auch nicht gänzlich aus der Luft gegriffen.

Ein Zuviel an Informationen lässt sich dann gegebenenfalls ja auch durch eine präzisere Zielstellung (was will ich da eigentlich "realistisch" abbilden?) und entsprechend gewichtete Detaillierung vermeiden.
(Für mich liefert da immer wieder der historische Tabletop/Wargaming-Bereich tolle Beispiele, indem jeweils nur bestimmte Aspekte (die für eine Epoche als besonders hervorhebenswert gesehen werden) stärker modelliert werden, während andere eben nicht im Fokus stehende Elemente auch weniger detailliert abgebildet werden.)

Notwendig ist das ganze aber so oder so nicht. Auch nicht für "Realismus".

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El God

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Re: Realismus benötigt Detailreichtum
« Antwort #13 am: 6.11.2012 | 17:32 »
Man kann auch andersrum Argumentieren; ein zu detailiertes Regelsystem kann nicht realistisch sein weil es nie komplex genug sein kann um alle eventualitäten abzudecken. So kommen immer wieder Situationen zustande, welche zwar Regelkonform sind aber sich nicht mit der Erwartungshaltung der Spieler decken. Ein abstraktes System erlaubt das realistische Abhandeln solcher Situationen, da es den Spielern mehr freien Erklärungsfreiraum lässt um die Ergebnisse zu begründen.

Das sehe ich auch so. Dazu noch Berals Einwurf, dass die Realität nicht immer plausibel ist.

Wenn es um "gefühlten" Realismus geht, stimme ich mit Erikson überein. Aus irgendeinem Grund halten wir abstrakte Regeln nicht für realistisch. Aus irgendeinem Grund wirkt ein Charakter mit hundert Werten realistischer als einer mit zehn.

ErikErikson

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Re: Realismus benötigt Detailreichtum
« Antwort #14 am: 6.11.2012 | 17:38 »
Aber dadurch wird doch Fehlinformation zementiert. Im Sinne eines realismusanspruches halte ich es für zielführender, ein detailiertes System zu nutzen, daraus zu lernen. Besser, als wenn man seine eigenen unrealistischen Ansichten auch noch durch Gebrauch und soziale Unterstützung untermauert.

El God

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Re: Realismus benötigt Detailreichtum
« Antwort #15 am: 6.11.2012 | 17:46 »
Jetzt bin ich mir wieder nicht sicher, wie ernst du das meinst.

Eulenspiegel

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Re: Realismus benötigt Detailreichtum
« Antwort #16 am: 6.11.2012 | 17:49 »
Nehmen wir mal ein ganz einfaches System:
Jede Person hat die Fertigkeit "Kampf".
Jede Rüstung hat den Wert "Schutz".
Und jede Waffe hat den Wert "Kampfqualität".

Wenn es zu einem Kampf kommt, würfelt einfach beide Seiten "1W10+Kampf+Schutz+Kampfqualität+Situations-Mod".
Derjenige, der höher würfelt, hat gewonnen.

Super einfach und imho auch verdammt realistisch.

Offline Bad Horse

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Re: Realismus benötigt Detailreichtum
« Antwort #17 am: 6.11.2012 | 17:52 »
Ich würde wetten, er meint das nicht besonders ernst. ;)

Aber das macht ja nix, wir können ja so tun, als ob. Im Prinzip wirkt der Eingangspost auf mich auch erstmal einigermaßen absurd, aber trotzdem zeichnen sich viele "realistische" Systeme wie z.B. Gurps ja durchaus durch Detailreichtum aus. Das scheint der Realismus-Fraktion unter den Rollenspielern auch wichtig zu sein.

Würde mich interessieren, warum.
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Offline Lord Verminaard

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Re: Realismus benötigt Detailreichtum
« Antwort #18 am: 6.11.2012 | 17:57 »
Und ich dachte nach dem Threadtitel, es ginge um fiktionale Details... das wäre mal ein interessantes Thema!
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ErikErikson

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Re: Realismus benötigt Detailreichtum
« Antwort #19 am: 6.11.2012 | 18:13 »
Mach ihn doch auf!

Offline YY

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Re: Realismus benötigt Detailreichtum
« Antwort #20 am: 6.11.2012 | 18:15 »
Nehmen wir nur ein weiteres merkmal hinzu, das die Gewichtung von Geschick und Stärke deutlich modifiziert, die Rüstung des getroffenen. Ist diese sehr überall stark, so ist eine enorme Kraft nötig, um die Rüstung zu durchdringen. geschick bringt hier nicht viel. Ist die Rüstung dagegen teilweise undurchdringlich, aber an bestimmten Stellen schwach, so ist viel geschick notwendig, um die schlecht geschützten Stellen zu treffen.

Ein System, das diese Modifikatoren nicht beinhaltet, ist unrealistisch. Realismus bedingt also Detailreichtum.  

Wenn das schon unter Detailreichtum läuft, dann braucht ein realistisches Regelwerk Details, ja.

Ich will da aber noch einen weiteren Begriff einwerfen: Mehrschrittigkeit (is that a word?  :)).

Vom obigen Beispiel ausgehend ist nämlich der gesamte Angriffsverlauf in einen Wurf zusammengeschmissen, was immer zu Schwammigkeit führt (im Extremfall so wie in der nWoD, bei der Waffe und Anwender zu einem diffusen "dps"-Pool zusammengeschmissen werden).

Wenn man Treffer und Schaden trennt, stellt sich die Frage in der Form gar nicht mehr.
Dann wird das Durchdringen der Rüstung davon abhängig, ob eine dünnere Stelle getroffen wird oder an einer dickeren Stelle genug Schaden verursacht wird (oder eine Kombination davon).
So haben z.B. Stärke und Geschick automatisch ihren Platz.

Außerdem liefert das System die Trennung als tatsächliches Ergebnis einfach mit und muss z.B. für Angriffe, die nur irgendwie treffen müssen, keine Verrenkungen mehr machen, um das mit einem "gemittelten"/zusammgezogenen Treffer- und Schadenswurf noch abbilden zu können.

"Unrealismus" ist sowas wie das definierende spaßbringende Merkmal der allermeisten Rollenspiele. Weil es eben keine Freude macht, seinen Charakter an Querschläger, Tretminen, Seuchen, Stürze von der Leiter, Autounfälle oder andere realistische Todesursachen zu verlieren.

- Macht es mehr Freude, seinen Charakter an Feuerbälle, giftige Pfeile oder magische Schwerter zu verlieren? Und wenn ja, warum?

- Macht es weniger Freude, seinen Charakter sicher durch "realistische" Gefahren wie Querschläger, Tretminen etc. pp. zu lotsen als durch "fantastische" Gefahren - und wieder: Wenn ja, warum?


Ansonsten muss ich mal wieder das alte DSA-Konzept "Fantastischer Realismus" auspacken:

Alles, was kein fantastisches Element ist, hat keinerlei Berechtigung, unrealistisch zu sein.
Und die fantastischen Elemente sind genau so weit vom Realismusanspruch ausgenommen, wie es für ihre Existenz unbedingt nötig ist.

Ganz banal: Orks sind unrealistisch, aber wenn es Orks gibt, müssen sie essen und trinken.


Und zuguterletzt werden trotz des Anspruchs an Realismus immer noch Geschichten erzählt, deren Struktur und Schwerpunkt man selbst bestimmt.

Die Unmöglichkeit einer vollständigen Weltsimulation ist für mich kein Grund, auf Realismus in den ausgewählten Teilbereichen einer Geschichte verzichten zu müssen.

So höre ich das nämlich immer mal wieder, genau so wie die Behauptung, dass jedweder realistische Rollenspielansatz stinklangweilig sein muss oder die SCs an der Gelbhornkrätze sterben müssen, wenn sie aus ungewaschenen Bechern trinken.

Alles Kappes  :P ;D

Man kann auch ein ungeheuer ausgefeiltes Regelwerk für alles schaffen, aber das wird schnell so dick und spannend wie das Telefonbuch von Neu-Delhi.

Das liegt vor allem daran, dass viele Regelwerke mit Realismusanspruch einfach schlecht gemacht sind.
Paradebeispiel: ausufernde Tabellen - mit so einem Ansatz ist man zum Scheitern verurteilt.

Es finden sich aber auch Systeme (oder Teilbereiche von Systemen), die mit erstaunlich wenig Aufwand eine ziemlich gute Simulation abliefern.

Die Systeme, die ich gerne spiele, wenn ich Realismus will, sind jedenfalls nicht umfangreicher als viele unrealistische Systeme.
Dazu kommt, dass vernünftig aufgebaute realistische Systeme einfach zu lernen sind, wenn man die grundlegenden Mechanismen verstanden hat, weil man wenigstens ungefähr weiß, wo das System hin will.

Das ist bei Systemen mit völlig arbiträren Setzungen bzw. Ergebnissen anders.
 

Ein Regelwerk wird nicht dadurch realistischer, dass viele Rechenschritte abgebildet werden.

Nicht automatisch bzw. nicht allein dadurch.

Man kommt aber um eine gewisse Komplexität nicht herum, wenn das Ganze von den Regeln anstatt vom Spielerkonsens geleistet werden soll.

Und man kann sich mMn ziemlich genau aussuchen, welche Parameter man unterschlägt bzw. welchen Detailgrad man noch mit rein nimmt.


Aber dadurch wird doch Fehlinformation zementiert. Im Sinne eines realismusanspruches halte ich es für zielführender, ein detailiertes System zu nutzen, daraus zu lernen.

Aus einem System quasi etwas fürs Leben lernen zu wollen, ist noch mal ein anderer/zusätzlicher Anspruch als der an ein realistisches Spielgefühl.

Das geht mit abstrakten und sehr groben Systemen in der Tat nicht.
Und die Auswahl an dafür brauchbaren Systemen ist verschwindend gering.

trotzdem zeichnen sich viele "realistische" Systeme wie z.B. Gurps ja durchaus durch Detailreichtum aus. Das scheint der Realismus-Fraktion unter den Rollenspielern auch wichtig zu sein.

Würde mich interessieren, warum.

Weil "klassische" Systeme mit Realismusanspruch wie GURPS ablauforientiert sind statt ergebnisorientiert.

Sprich, es soll ein realistisches Endergebnis dadurch erreicht werden, dass man alle relevanten Faktoren (auf dem gewählten Detailgrad) mit einbezieht. Am Ende der Regelanwendung / des "Simulationsprozesses" hat man ein Ergebnis, von dem man ziemlich genau sagen kann, wie es warum zustande kam.

Das ist der Gegenentwurf zu der abstrakten Variante, dass man mit einem ergebnisorientierten System ein realistisches oder als realistisch empfundenes Ergebnis produziert und den zugehörigen Verlauf und kleinere Details frei einfügen kann.

"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
- Pyromancer

Offline Auribiel

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Re: Realismus benötigt Detailreichtum
« Antwort #21 am: 6.11.2012 | 18:24 »
Und ich dachte nach dem Threadtitel, es ginge um fiktionale Details... das wäre mal ein interessantes Thema!


+1


@Thread:

Wäre für gut abgebildeten Realismus nicht eher ein reines Wahrscheinlichkeitsmodell für verschiedene Situationen + 100%-Würfel notwendig, anstelle das alles über X Zusatzmodifikatoren abbilden zu wollen, die dann doch nicht wieder alle möglichen Eventualitäten erfassen? Oder anders: Anzahl der Modis ist doch wurscht, hauptsache es fühlt sich für die Spieler realistisch an. Und wenn sie dazu eben X Modis und Attribute brauchen, andere hingegen mit einem einzigen Zufallswurf hinkommen, wer legt nun fest, wer mehr "Realismus" fühlt? (Denn mehr als einen "gefühlten" Realismus bekommt man beim RPG sowieso nicht hin).
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Taschenschieber

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Re: Realismus benötigt Detailreichtum
« Antwort #22 am: 6.11.2012 | 18:28 »
Fakt ist: Die Realität ist komplex. Will man diese Komplexität regeltechnisch abbilden, braucht man also auch komplexe Regeln.

Die Frage ist eher, ob realistisches Spiel realistische Regeln benötigt oder ob es Alternativen gibt.

[Und ob Realismus überhaupt erstrebenswert ist, aber da ist sich das Tanelorn ja darüber einig, dass es sich nicht einig ist.]

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Re: Realismus benötigt Detailreichtum
« Antwort #23 am: 6.11.2012 | 18:34 »
@Taschi: Ja, schon, aber es gibt da ja so ein paar Querdenker, die Realismus mögen. Und da wir ein freundliches Forum sind, werden die nicht geteert und gefedert, sondern studiert und belabert.  ;)

@YY: Wenn ich das richtig verstehe, dann geht es auch darum, in Konfliktsituationen möglichst viele Optionen anzubieten, die nicht nur von den Regeln abgedeckt sind, sondern die sich auch tatsächlich regeltechnisch unterschiedlich auswirken, oder?

Sagen wir mal, ich will jemandem die Luftzufuhr ins Gehirn abdrücken - nicht einfach nur die Blutzufuhr, sondern die Luftzufuhr, weil mir jemand erzählt hat, das wäre effektiver. Bei Fate mache ich einen Angriff und verteile bei Erfolg die Konsequenz "Luftzufuhr unterbrochen"; aber letzten Endes hätte ich mit demselben Mechanismus auch eine Nadel ins Ohr bohren können.

Bei Gurps gibt es dafür aber einen speziellen Mechanismus, der anderes funktioniert als "Nadel ins Ohr bohren" und der auch andere Auswirkungen hat.

Trotzdem passiert in der Fiktion letzten Endes dasselbe.
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Ein Pao ist eine nachbarschaftsgroße Arztdose, die explodiert, wenn man darauf tanzt. Und: Hast du einen Kraftsnack rückwärts geraucht?

Taschenschieber

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Re: Realismus benötigt Detailreichtum
« Antwort #24 am: 6.11.2012 | 18:35 »
@Taschi: Ja, schon, aber es gibt da ja so ein paar Querdenker, die Realismus mögen. Und da wir ein freundliches Forum sind, werden die nicht geteert und gefedert, sondern studiert und belabert.  ;)

Ich sage doch, dass ein Verbot von realistischem Rollenspiel imho nicht erstrebenswert ist. Also wozu die Replik? :)