@Teylen:
Ich sehe das grundsätzlich anders, ich sehe es aber auch anders als das GRW. Man sollte eine Sache nicht "again and again" probieren dürfen, das ist imho quark. Ein Wurf sagt dir, dass du es auf diese Weise nicht schaffst. Such dir einen neuen Ansatz und versuchs nochmal, aber trage die Konsequenzen des Fehlschlages.
Da sollten die Konsequenzen eines Fehlschlages immer von den Rahmenbedingungen abhängen. Eine mechanische Unterscheidung zwischen Patzer und Nicht-Erfolg ist dann auch nicht notwendig. Patzer in Situationen, in denen ein Misserfolg keine besondere Relevanz hat, sind schlicht frustrierender Bullenkot. Wenn der Wurf bei Nichterfolg keine Konsequenzen hat, dann lass ich nicht würfeln.
Beispiel: Tür aufbrechen.
Wenn ich genügend Zeit habe, dann werde ich irgendwann die Tür schon klein kriegen. Da brauche ich garnicht erst würfeln lassen, sondern setze fest, dass das nach einiger Zeit schon gehen wird.
Wenn ich würfeln lasse, dann weil z.B. Zeitdruck vorhanden ist. Z.B. weil da gerade ein paar Zombies den Flur entlang schlendern und gerne mein Hirn verknuspern würden. Hier ist ein Fehlschlag schlimm genug: Es kostet mich Zeit und erhöht das Risiko, dass mich die Zombies erwischen.
Patzer in Situationen, in denen ein Misserfolg hohe Relevanz hat sind unnötig, da der Misserfolg "Strafe" genug ist.
Etwa ein Misserfolg im Kampf bedeutet immer, dass mein Gegner mich jetzt angreifen kann. Dass es mich vorher auf die Fresse legt ist unnötig.
Wenn du den Misserfolg in meinem Beispiel so auslegst, wie du es beschrieben hast, dann ist das vielleicht RAW aber in der Tat öde. Die Wahrscheinlichkeit, dass man ernsthafte Konsequenzen beim Misserfolg erleidet sollte immer von den Rahmenbedingungen abhängen und dementsprechend kalkulierbar sein. Versuche ich auf einen Apfelbaum zu klettern, um eine Katze zu retten, sollten die Wahrscheinlichkeiten für einen Misserfolg mit extremen Konsequenzen nicht so hoch sein, wie wenn ich versuche an einer steilen Bergwand in 5.000 Meter Höhe hochzuklettern.
Wenn ich beim Baum Misserfolg habe und abstürze, dann prelle ich mir den Hintern. Wenn ich die Bergwand nicht schaffe, dann stürze ich ins nächste Tal und breche mir bestenfalls ein paar Rippen, schlimmstenfalls das Genick. Dennoch ist der Meter Baum nicht schwieriger als der Meter Felswand, vom Stress mal abgesehen. Man müsste das System eben umdrehen, so dass ein Wurf nicht endlos risikofrei wiederholbar ist.
Und das ist eben keine willkürliche Gängelei, da ja der Spieler bevor er sich entscheidet zu würfeln, weiß, wie das Ergebnis bei einem Fehlschlag aussieht. Und wenn er sich entschließt, dass das Risiko zu hoch ist, dann springt er nicht - dann ist das genau die Situation des von der beschriebenen "Fehlschlags": Er verpasst den richtigen Zeitpunkt und springt nicht.
Ein Spiel soll imho immer die Möglichkeit des Scheiterns mit sich bringen, aber dem Spieler (nicht dem Charakter, aber dem Spieler) sollen Risiko und potentielle Konsequenzen bekannt sein, ehe er den Wurf macht. Eine solche konsequente Spielweise macht Patzerregeln obsolet und verhindert sehr viel zuverlässiger das "I try 'till it works"-Phänomen.
Sprich: Ein kompetenter Charakter wird bei einfachen Aufgaben keine Patzer produzieren. He. Just. Will not. Weil er gut ist. Wo wird er dort "Fehlschläge mit kritischen Konsequenzen" produzieren, die schwierig sind (Wurf mit Hoher Fertigkeit gegen hohe Schwierigkeit => realistisches Risiko zu versagen) und bei denen naturgemäß viel schief gehen kann (=> harte Konsequenz beim Fehlschlag).
Gerade die von dir zitierte Operation ist ein hervorragendes Beispiel.
Einfache Medizinprobe: Sprize setzen.
Fehlschlag: Habe die Vene nicht getroffen.
Konsequenz: Muss nochmal ansetzen, für den Patienten unangenehm
Sowas würfel ich aber nicht groß aus, weil das Ergebnis schlicht irrelevant ist. Ob ich jetzt den Patienten drei mal steche, ehe ich endlich die blöde Nadel richtig setze, ist für den weiteren Storyverlauf völlig wurscht, es sei denn, ich hatte vor den Chefartzt zu beeindrucken.
In dem Fall ist aber die Konsequenz eine andere: Chefartzt nicht beeindruckt. Die Abstufung sollte hier eher über die Zahl der Erfolge geregelt werden: 1 Erfolg - Spritze richtig gesetzt, aber der Chefatzt ist nicht beeindruckt. Drei Erfolge: Perfekt beim ersten Versuch gesetzt, Chefartzt ist beeindruckt. Fehlschlag: Ewig lang gebraucht, Patient angepisst, Chefartzt verärgert.
Ein Patzer, bei dem ich mir versehentlich die eigene Spritze durch die Hand ramme würde mir nur das Spiel verderben.
Sehr schwere Medizinprobe: Operation am offenen Herzen
Fehlschlag: Schwere Verletzung des Organs
Konsequenz: Patient stirbt.
Auch hier könnte man über die Zahl der Erfolge verschiedene Abstufungen machen.
Ergo: Die schwere der Konsequenz hängt von der Art der Probe ab. Da Profis schwerere Aufgaben übernehmen, produzieren sie bei Fehlschlägen auch schwerere Konsequenzen. Aber wenn die Möglichkeit besteht, dass ich selbst als Profi bei einer Standardaufgabe in die Scheiße greife, dann ist das Bug, kein Feature, egal was auf der Packung steht.