Das wird wohl kaum zu erreichen sein. Besonders komplexe, simulationistische Systeme kranken doch daran, dass man sich unmöglich alles merken kann, was da an Sonderregeln und Modifikatoren vielleicht noch eine Rolle spielt.
Gerade bei Gummibär wirst du da offene Türen einrennen. Er ist ja ebenfalls der Meinung, dass Gurps zu komplex sei und deswegen ein simulationistisches Spiel konzipieren möchte, das weniger komplex ist.
Meine Meinung dazu ist, dass Gurps nicht zu komplex ist. Klar, ich kann mir nicht alle Sonderregeln merken. Aber je länger man spielt, desto mehr Sonderregeln gehen einem in Fleisch und Blut über. Und wenn man eine Sonderregel nicht gerade kennt, dann wird sie ignoriert. Bei uns gilt: Entweder jemand am Tisch weiß, wie die Sonderregel angewandt wird, oder sie wird ignoriert.
Klappt zumindest bei uns wunderbar und wirft uns nicht aus der Immersion.
Btw, einige Leute hier scheinen auch Immersion mit Flow zu verwechseln.
Wenn ich mir zum Beispiel die Kampfregeln von DSA angucke, dann sind die mit den ganzen Sonderfertigkeiten und Waffen-"Specials" ja bereits extrem meta (von Zaubereischerzen wie Spontanmodifikationen ganz zu schweigen)...
Nein. Ich mag die DSA-Regeln nicht. Es gibt eine Menge, was ich an DSA-Regeln auszusetzen habe. Aber dass sie Meta sind, ist mir nicht aufgefallen.
Das schöne an den Spontanmodifikatoren ist doch gerade, dass sie NICHT Meta sind: Die Spontanmodifikatoren existieren auch ingame. Wenn sich der Spiele Gedanken macht, ob er den Zauber spontan modifizieren will, dann macht sich der SC auch Gedanken, ob er den Zauber spontan modifizieren will.
Hohe Immersion erreiche ich, wie gesagt, nur in Situationen, die gar keine mechanische Komponente haben (zum Beispiel bei Gesprächen zwischen den SCs oder Beschreibungsphasen des SLs).
OK, glaube ich dir. Und kann ich sogar nachvollziehen. Aber kannst du auch nachvollziehen, dass es bei anderen Spielern anders ist? Das es Spieler gibt, die kein Immersions-Probleme bei komplexen Regeln haben, solange diese Regeln eine ingame Entsprechung haben?
Ich würde daher im Sinne des Threadanfangs behaupten, dass jemand, der tatsächlich behauptet, die gesamte Zeit über IN-Character zu denken und die Metaebene nie betritt, übersieht, dass wir das immer tun.
Sagen wir es so: Es ist schwierig. Und wie heißt es so schön: "Der Weg ist das Ziel."
Mir geht es darum, die Meta-Ebene möglichst selten zu betreten. Und in dieser Hinsicht scheinen wir uns ja einig zu sein: Du möchtest scheinbar auch die Meta-Ebene möglichst selten betreten. Der Unterschied zwischen uns beiden ist wohl:
1) Ich betrete die Meta-Ebene, wenn Metaregeln auftauchen.
2) Du betrittst die Meta-Ebene, wenn komplexe Regeln auftauchen.
Die Abneigung gegenüber der Meta-Ebene haben wir also gemeinsam. Der Unterschied zwischen uns beiden ist quasi nur, welche Ereignisse uns in die Meta-Ebene zerren.
Dies gilt auch für die Trennung von Charakter- und Spielerwissen, die an sich bereits meta ist und auch so nicht ohne Weiteres durchführbar.
Richtig. Deswegen bevorzuge ich persönlich Spiele, wo es keine Trennung von Spieler- und Charakterwissen gibt.
Mein Charakter mag keinen Wein – und das entscheide ich, wenn er im Spiel aufgetischt wird.
Es macht aber einen Unterschied, ob ich denke:
1) "Ist es für die Geschichte eher vorteilhaft, wenn ich keinen Wein mag? Oder käme die geschichte jetzt besser voran, wenn ich Wein mag?"
2) "Ich mag Wein."
Ersteres würde mich total aus der Immersion reißen. Zweiteres überhaupt nicht. Da bin ich scheinbar sehr stark Method Actor. Und nein, das bedeutet nicht, dass der SC Sachen gerne hat, die ich auch als Spieler gerne habe. Ich hatte z.B. mal einen Char aus dem hohen Norden gespielt.
(Eigentlich tiefer Süden = Südpol.) Bei einer Reise in Wärmere Gebiete wurden ihm dann lebende Insekten (Heuschrecken, Maden etc.) angeboten und mein Charakter wollte sie. Ich habe nciht darüber nachgedacht. Ich war incharacter und fand sie incharacter einfach lecker, wollte sie mal ausprobieren und sie haben geschmeckt.
Nachträglich war ich darüber sogar leicht überrascht: Ich hatte mir vorher nie großartig Gedanken über die Essvorlieben meines SCs gemacht. Und im RL finde ich lebende Insekten als Nahrung eklig. Aber zu diesem Zeitpunkt, als ich IC war, habe ich ohne großartig nachzudenken gesagt: "Ja, gib mal her. - ... - Mhmm, lecker!"
Charakteraspekte schaffen es, mir bessere Hilfestellungen beim Spiel des Charakters an die Hand zu geben, als es irgendwelche Zahlenwerte können.
Charakteraspekte sind ja prinzipiell auch keine Meta-Sache. Charakteraspekte kann es auch in simulationistischen Regelwerken geben. Erst das Compellen bei Fate ist eine Metaregel.
Aber Charakteraspekte an sich sind überhaupt nicht Meta. Und man kann Charakteraspekte sogar regeltechnisch nutzen, ohne dass diese Nutzung Meta wäre.
Btw: Ich persönlich mag Zahlenwerte. Aber ich weise auch im RL verdammt vielen Sachen Zahlenwerten zu.
Ich denke auch, dass gute Schauspieler, sich vorher das Drehbuch durchlesen, bevor sie spielen. Das ist zwar Vorbereitung und nicht Impro (wobei sie innerhalb der Szene immer noch improvisieren können... und auch beim Rollenspiel ist es selbst mit vielen Setzungen immer noch möglich Dinge für den SC selbst zu entscheiden)... aber letztlich gewinnt ihre Darstellung dadurch an Qualität, dass sie ihre Rolle nicht von Moment zu Moment spielen, sondern sich eben überlegen, wie der Charakter kontinuierlich in die Geschichte passt und wie er sich entwickeln wird.
Ist halt die Frage, was man will:
1) Werde ich dafür bezahlt, dass die Zuschauer Spaß haben, egal, ob ich selber Spaß habe?
2) Oder gibt es keine Zuschauer und ich nehme daran teil, weil ich selber Spaß habe?
Je nachdem, welche dieser beiden Ziele man verfolgt, ist die Herangehensweise vollkommen unterschiedlich?
Man muss daher klar zwischen Charakterdarstellung und Immersion unterscheiden:
Für die erste Person ist eine gute Charakterdarstellung extrem wichtig. Bei der zweiten Person hängt es vom Geschmack der Person ab. Mir persönlich wäre im Fall 2 die Immersion deutlich wichtiger als die Charakterdarstellung.