Autor Thema: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur  (Gelesen 8939 mal)

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Offline Gummibär

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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #25 am: 20.11.2012 | 23:36 »
Man sagt: Der Charakter existiert für sich, ich als Spieler kann daran nichts ändern.
Und genau diese Aussage kann ich nicht akzeptieren.


Man kann den Charakter natürlich schon ändern. Es ist dann halt nur nicht mehr der Charakter, der es vorher war. Ich möchte aber gerne bei einem Charakter bleiben.

Ich gehe aber davon aus, dass man auf dieser Grundlage eben argumentieren kann, warum der Charakter so handelt und warum man den Charakter so handeln lassen will.

Das klingt mir so, als gehst du davon aus, der Spieler darüber nachdenkt, wie er seinen Charakter handeln lassen will. Genau das gilt es aber zu vermeiden. Nicht reflektieren, sondern handeln.

Weshalb ich den zweiten Schritt davon auszugehen, dass nur weil man einen Dieb zugelassen hat, man akzeptieren muss, wie dieser agiert nicht zustimmen würde.

Das hat ja auch niemand behauptet. Es geht darum: Wenn ein Dieb zugelassen wurde, dann darf man sich nicht beschweren, wenn er Diebstähle begeht. Man darf sich natürlich schon beschweren, wenn er was anderes tut.

Mich stört, dass der Spieler versucht einen als von sich unabhängigen Charakter vorzuschieben,
anstatt ehrlicherweise zuzugeben, dass er es als Spieler diesen Charakter genau so spielen will.

Natürlich will jeder den Charakter spielen, den er sich gebaut hat. Da behauptet doch niemand was anderes.

Denn, wenn der Charakter unabhängig vom Spieler ist, dann dürfte es für den Spieler vollkommen unproblematisch sein, für den Charakter Entscheidungen zu treffen, die für diesen stimmig sind, auf die er aber selbst noch nicht gekommen ist.

Das ist auch unproblematisch. Vorausgesetzt, dabei geht niemand OOC. Und natürlich, wenn du so eine Entscheidung auch in deinem realen Leben übernehmen kannst, ohne dich fremdbestimmt zu fühlen.
Du greifst Teichdragon & Co. an und äußerst jetzt Unverständnis, wenn sich einer von ihnen zu Wort meldet?

Gut gemacht.  :gaga:

Offline Beral

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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #26 am: 23.11.2012 | 11:11 »
Die Debatte scheint beendet. Würde mich über Feedback freuen, woran das liegt.

- Haben wir einander so weit verstanden, dass der Diskussionsbedarf gestillt ist? Haben wir etwa auch eine Einigung erzielt? In diesem glücklichen Fall würde ich noch eine Zusammenfassung erstellen und in den Eingangspost reineditieren.

- Hat der Diskussionsstil die Debatte erstickt? Kann sein, dass die Leute noch was zu sagen hätten, aber einfach keinen Bock haben, mit mir oder einem anderen Teilnehmer des Treads überhaupt zu debattieren.

- Sonstige Gründe?
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Offline Skiron

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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #27 am: 23.11.2012 | 11:48 »
Die Debatte scheint beendet. Würde mich über Feedback freuen, woran das liegt.

- Haben wir einander so weit verstanden, dass der Diskussionsbedarf gestillt ist? Haben wir etwa auch eine Einigung erzielt? In diesem glücklichen Fall würde ich noch eine Zusammenfassung erstellen und in den Eingangspost reineditieren.

- Hat der Diskussionsstil die Debatte erstickt? Kann sein, dass die Leute noch was zu sagen hätten, aber einfach keinen Bock haben, mit mir oder einem anderen Teilnehmer des Treads überhaupt zu debattieren.

- Sonstige Gründe?

Die Idee eines unabhängigen Charakters kann ich nachvollziehen und akzeptieren.

Was mich aber irritiert und was ich nicht verstehe ist, dass es sich für mich so anhört, als wäre der Charakter "statisch".
Er hat keine Handlungsoptionen und reagiert auch nicht auf seine Umwelt.
Vielleicht verstehe ich Euch miss, aber so wirkt es auf mich.

Dazu trägt auch Dein Beispiel von Angela Merkel bei.
Es ist für mich ein Unterschied ob man Angela Merkel spielt oder ob man Angela Merkel nachmacht.
Im ersten Fall entsteht die fiktive unabhängige Figur von Angela Merkel
im zweiten Fall überzeichnet man Angela Merkel um bestimmte Eigenschaften von ihr deutlicher aufzuzeigen.

Erstellt man für das Rollenspiel die Figur Angela Merkel, werden Du und ich uns an dem orientieren, was wir über Angela Merkel
wissen (dabei können wir auf den Fundus zurückgreifen, den wir selbst schon haben, oder uns via Internet einen größeren Fundus
verschaffen, was wir aus diesem Fundus auswählen, ist aber abhängig von uns.) Deshalb wird sich Deine Angela Merkel von meiner
Angela Merkel unterscheiden, weil wir unterschiedliche Entscheidungen für sie im Spiel treffen, auch wenn wir uns beide in Angela Merkel
hineinversetzen und versuchen sie möglichst glaubwürdig darzustellen. Ebenfalls spielt eine Rolle in was für einem Setting wir
Angela Merkel spielen, eine Angela Merkel auf dem Ponyhof wird sich von einer Angela Merkel in Runepunk oder Angela Merkel
während der französischen Revolution unterscheiden.

Ich muss zugeben, dass ich mich in der Hinsicht auch missverständlich ausgedrückt habe, es geht nicht darum den Charakter
zu ändern, sondern meine Annahme ist, dass ein vom Spieler unabhängiger Charakter verschiedene Handlungsoptionen in Form
von freien Entscheidungen (die natürlich durch die Vorgaben des Charakters eingeschränkt sind oder in eine bestimmte Richtung gehen) hat, die sich aber an der Umwelt des Charakters und seinen Erfahrungen orientieren. Das ist für mich ein wesentlicher Bestandteil eines glaubwürdigen Charakters, der unabhängig vom Spieler existiert. Er kann sich in einer Welt aufgrund seiner Erfahrungen und Beziehungen verändern.

Mir ist sozusagen nicht verständlich bei dieser Sichtweise: man orientiert sich an der Figur, wieso man dann die Umweltbedingungen
in Form von äußeren Umweltfaktoren und sozialen Faktoren nicht berücksichtigt?
Wie schon geschrieben, vielleicht verstehe ich es auch miss?

Mein Eindruck war, Du bist sauer und dann macht es nicht soviel Sinn weiter zu diskutieren.
« Letzte Änderung: 23.11.2012 | 13:28 von Skiron »

Offline Skiron

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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #28 am: 23.11.2012 | 12:12 »
Das klingt mir so, als gehst du davon aus, der Spieler darüber nachdenkt, wie er seinen Charakter handeln lassen will. Genau das gilt es aber zu vermeiden. Nicht reflektieren, sondern handeln.

Kann ich verstehen, aber reflektiert denn der Charakter?
Vielleicht ist es auch das was ich vermisse um einen Charakter glaubwürdig als eigenständige Person zu akzeptieren?

Und ist es ok nach dem Spiel über den Charakter zu reflektieren, also seine Motivation den Mitspielern deutlich zu machen?

Das hat ja auch niemand behauptet. Es geht darum: Wenn ein Dieb zugelassen wurde, dann darf man sich nicht beschweren, wenn er Diebstähle begeht. Man darf sich natürlich schon beschweren, wenn er was anderes tut.

Ich denke unter bestimmten Umständen darf man sich schon beschweren über Diebstähle.
Zwei davon hatte ich schon genannt.

Und mich würde wirklich interessieren, wie dann Charakterspieler zu solchen Fragestellungen stehen.

Natürlich will jeder den Charakter spielen, den er sich gebaut hat. Da behauptet doch niemand was anderes.

Es ist aber ein Unterschied in der Argumentation ob man sagt, ich will diesen Charakter auf diese Weise aus genau diesen und jenen Gründen so spielen oder ob man sagt, die Figur ist so, aus diesen und jenen Gründen, sie hat keinerlei Handlungsoptionen.

Das ist auch unproblematisch. Vorausgesetzt, dabei geht niemand OOC. Und natürlich, wenn du so eine Entscheidung auch in deinem realen Leben übernehmen kannst, ohne dich fremdbestimmt zu fühlen.

Was genau meint OOC, Of Topic?




Offline Beral

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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #29 am: 23.11.2012 | 14:39 »
Was mich aber irritiert und was ich nicht verstehe ist, dass es sich für mich so anhört, als wäre der Charakter "statisch".
Er hat keine Handlungsoptionen und reagiert auch nicht auf seine Umwelt.
Das ist ein Missverständnis. Wenn es noch da ist, lohnt es sich, weiter darüber zu sprechen. Ich bin übrigens nicht sauer.

Fangen wir mit dem an, worüber wir uns einig sind. Der Charakter ist natürlich nie unabhängig vom Spieler, aber Kraft der ihm verliehenen Eigenschaften besitzt er auch Eigenständigkeit. Der Spielereinfluss sitzt am längeren Hebel und kann potentiell die Eigenständigkeit des Charakters beliebig umändern. Genau darauf möchte der Charakterdarsteller jedoch verzichten. Er betont die Eigenständigkeit des Charakters und zieht seinen Spielspaß dadurch, sich in ihrem Rahmen zu bewegen und diesen Rahmen der Charaktereigenständigkeit nicht zu durchbrechen (ungeachtet der Möglichkeiten, die er dazu hätte).

Wenn ich dich richtig verstehe, wirkt der Filter der Charaktereigenständigkeit auf dich statisch. Durch diesen Filter presst der Charakterdarsteller seine kreative Energie. Das schränkt in der Tat den Handlungsspielraum des Spielers stark ein. Die Frage ist, ob diese Einschränkung so weit geht, dass der Charakter dadurch statisch wird und nicht mehr auf seine Umwelt reagieren kann. (Ich meine mit Charakterumwelt die Spielwelt, in die er eingebettet ist. Man könnte damit auch die Ebene der Spielgruppe meinen.)

Grundsätzlich ist das nicht der Fall. Der Charakter ist selbstverständlich flexibel und kann aus verschiedenen Handlungsoptionen wählen.

Unter welchen Bedingungen kann der Eindruck entstehen, dass das nicht der Fall ist? Wann wirkt ein Charakter statisch? Mir fallen verschiedene Möglichkeiten ein.

a) Der Spieler verteidigt die Handlung des Charakters, statt seiner Eigenschaften. Der Charakter ist so lange flexibel, wie man seine Eigenschaften festlegt. Sobald man bestimmte Handlungen als charakterbestimmend festlegt, geht die Flexibilität verloren. Beispiel: Der Charakter soll machtgierig sein. Das ist eine Eigenschaft. Sie bietet eine Fülle an Handlungsoptionen, die dazu in Abhängigkeit von der Umweltsituation variieren. Gegenüber Unterlegenen kann der Charakter seine Machtgier offensiv ausleben. Gegenüber Überlegenen Gegnern wird er sich zurückhalten, weil sie ihn komplett vernichten würden. Machtgier als Eigenschaft erlaubt also sogar gegensätzliche Handlungen - buckeln genauso wie treten - je nachdem, mit wem der Charakter es zu tun hat. Außerdem ist Machtgier nicht auf ein bestimmtes Mittel, z.B. Gewalt, angewiesen, sondern kann auch durch Intrigieren, Netzwerken, cleveres Kooperieren und sonstige Maßnahmen getragen werden. Diese Flexibilität geht verloren, wenn man den Charakter über eine spezifische Handlung definiert: "Tritt jeden in den Arsch, der sich ihm quer stellt". So ist nun keine Unterscheidung mehr zwischen verschiedenen Gegnern möglich. Der Charakter tritt den König genauso wie den Bettler, ungeachtet der unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Konsequenzen. Es steht ihm auch nicht mehr frei, sich anderer Mittel als der Gewalt zu bedienen.

b) Die Schuld liegt bei den Mitspielern: Sie bewerten die Handlungsfreiheit der Charaktere mit einem anderen Bezugssystem als der Charakterdarsteller, und können diesen daher nicht verstehen. Beispiel: Die Gruppe hat eine Burg von Bösewichten befreit. Der Baron, der die Burg ehemals besessen hat, nun aber in stark geschwächter Position da steht, bietet der Gruppe einen Auftrag an. Sie sollen noch einen Außenposten ebenfalls stürmen und von Räubern befreien. Unser machtgieriger Charakter hat also die Möglichkeiten, die Burg für sich zu beanspruchen und als Burgherr seine Position auszubauen, oder sich in den Dienst des eigentlich schwächeren Barons zu stellen und weiter Auftragsarbeit zu leisten. In dieser Situation ist nicht besonders einsichtig, warum der machtgierige Charakter sich die herrliche Chance entgehen lassen soll, Burgherr zu werden. Es passt zu seiner Eigenschaft. Die alternative Option passt nicht dazu. Die Mitspieler drängen unseren Charakterdarsteller aber zur zweiten Option, aus welchen Gründen auch immer. Sie könnte besser zum Storyverlauf passen. Vielleicht mögen die Mitspieler aber einfach das rastlose Umherziehen des Tricksterspiels und wollen sich auf eine Alternative nicht einlassen. Jedenfalls werfen sie dem Charakterdarsteller Sturköpfigkeit vor, und seinem Charakter mangelnde Flexibilität, weil der unbedingt die Burg für sich einnehmen will. 

Die Sturheit kann durchaus auf beiden Seiten liegen. Wir können konstatieren, dass konsequente Charakterdarstellung die Handlungsoptionen der dargestellten Figur deutlich reduziert, aber keinesfalls auf einen Wert von 1, also zu einer einzigen Handlungsmöglichkeit, zu der es keine Wahl gäbe. Gerade die Umweltbedingungen der Spielwelt können jedoch dazu führen, dass die grundsätzlich flexible Eigenschaft der Figur in einer speziellen Situation nur eine logische Handlungsoption zulässt.

Fingerspitzengefühl ist von allen Beteiligten gefragt. Der Charakterdarsteller sollte zusehen, dass seine Eigenschaften flexibel genug sind, um ihn nicht zu sehr einzuschränken. Die Mitspieler sollten zusehen, dass sie den Charakterdarsteller nicht sehenden Auges in die Sackgasse treiben, in der situationsbedingt nur eine einzige figurgerechte Handlungsoption übrig bleibt. Sie kennen schließlich die Eigenschaften seiner Figur und können daher voraussehen, in welcher Situation die Figur Wahlmöglichkeiten hat und wo sie wirklich nicht mehr gegeben sind.

Dazu ein Beispiel aus der eigenen Erfahrung: Als Charakterdarsteller hatte ich einen gefallen Ritter auf der Suche nach Ruhm. Er war jedem Abenteuer aufgeschlossen, solange die Moral nicht allzusehr unter die Räder geriet. Seine moralischen Ansprüche waren als Aspekte verankert, also für alle Mitspieler deutlich sichtbar. Außerdem appelierte er in sehr vielen Konflikten an die Ehre des Gegners. Der Moralkodex drückte sich nicht nur auf dem Papier, sondern auch im Verhalten aus. Die Gruppe profitierte auch mehrfach von dieser Eigenschaft. Aber dann setzten sich die anderen in den Kopf, ein Buch zu stehlen. Das wollten sie vor dem Ritter verheimlichen, weil sie wussten, dass er nicht mitmacht. Als der Diebstahl aufflog, hat der Ritter noch alles in die Wege geleitet, um das Problem für alle Seiten zufriedenstellend zu lösen. Die Gruppe kann das Buch in Ruhe studieren, der Bibliothekar bekommt es anschließend zurück. Der Moral wäre auch genüge getan. Aber nein, das Buch musste unbedingt gestohlen werden, der Kompromiss wurde abgelehnt. In der Konsequenz musste der Ritter aus der Gruppe scheiden. Was bleibt dem Charakterdarsteller übrig, wenn die Mitspieler die vorher akzeptierten Figureigenschaften konsequent ignorieren und auch Lösungskompromisse ablehnen? Wer bei solcherart Konflikten die Sturheit dem Charakterdarsteller zuschiebt, macht es sich zu einfach.

Manche Spielstile passen nicht gut zusammen, das wissen wir. Gänzlich unverträglich sind sie deshalb nicht, wenn alle Beteiligten aufeinander Rücksicht nehmen. Die Unfähigkeit zur Rücksichtnahme ist keine Sache des Spielstils, sondern eine Sache der Spielerpersönlichkeit.
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Offline Skiron

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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #30 am: 23.11.2012 | 14:51 »
Sehr schönes Posting!
Und erklärt mir auch gut bestimmte Dinge. Danke. :-)

Offline Hróđvitnir (Carcharoths Ausbilder)

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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #31 am: 23.11.2012 | 15:04 »
Jopp. Sehr gut. Jedes Spiel, das Charaktermerkmale festzulegen verlangt (möglichst noch mit einem typischen Zitat) sollte diesen Aspekt beleuchten. Das kann später viel böses Blut sparen.

Was genau meint OOC, Of Topic?

Out-of-character (ich kenns als IC und OC (In / Off character))
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Zitat von: korknadel
Rollenspiele sollen bei Dir im besten Fall eine gewisse Schwermut, Resignation und Melancholie hervorrufen.

Zitat von: Dolge
Auf Diskussionen, was im Rollenspiel realistisch ist und was nicht, sollte man sich nie unter gar keinen Umständen absolut gar überhaupt vollständig nicht einlassen.

Offline Skiron

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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #32 am: 24.11.2012 | 16:49 »
Fangen wir mit dem an, worüber wir uns einig sind. Der Charakter ist natürlich nie unabhängig vom Spieler, aber Kraft der ihm verliehenen Eigenschaften besitzt er auch Eigenständigkeit. Der Spielereinfluss sitzt am längeren Hebel und kann potentiell die Eigenständigkeit des Charakters beliebig umändern. Genau darauf möchte der Charakterdarsteller jedoch verzichten. Er betont die Eigenständigkeit des Charakters und zieht seinen Spielspaß dadurch, sich in ihrem Rahmen zu bewegen und diesen Rahmen der Charaktereigenständigkeit nicht zu durchbrechen (ungeachtet der Möglichkeiten, die er dazu hätte).

Ich sehe es nicht so, zumindest nach meinem Regelverständnis, dass man den Charakter beliebig umändern kann.
Von daher bedarf es in meinen Augen keine Betonung, dass man sich als Spieler im Rahmen seines Charakters bewegen möchte.

a) Der Spieler verteidigt die Handlung des Charakters, statt seiner Eigenschaften. Der Charakter ist so lange flexibel, wie man seine Eigenschaften festlegt. Sobald man bestimmte Handlungen als charakterbestimmend festlegt, geht die Flexibilität verloren. Beispiel: Der Charakter soll machtgierig sein. Das ist eine Eigenschaft. Sie bietet eine Fülle an Handlungsoptionen, die dazu in Abhängigkeit von der Umweltsituation variieren. Gegenüber Unterlegenen kann der Charakter seine Machtgier offensiv ausleben. Gegenüber Überlegenen Gegnern wird er sich zurückhalten, weil sie ihn komplett vernichten würden. Machtgier als Eigenschaft erlaubt also sogar gegensätzliche Handlungen - buckeln genauso wie treten - je nachdem, mit wem der Charakter es zu tun hat. Außerdem ist Machtgier nicht auf ein bestimmtes Mittel, z.B. Gewalt, angewiesen, sondern kann auch durch Intrigieren, Netzwerken, cleveres Kooperieren und sonstige Maßnahmen getragen werden. Diese Flexibilität geht verloren, wenn man den Charakter über eine spezifische Handlung definiert: "Tritt jeden in den Arsch, der sich ihm quer stellt". So ist nun keine Unterscheidung mehr zwischen verschiedenen Gegnern möglich. Der Charakter tritt den König genauso wie den Bettler, ungeachtet der unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Konsequenzen. Es steht ihm auch nicht mehr frei, sich anderer Mittel als der Gewalt zu bedienen.

Das ist ein sehr gutes Beispiel.
Für mich besteht die Frage, worin bestehen bei einem Charakterspieler die eigenen Interessen?

Im Falle deines Beispiels gäbe es ja mehrere Möglichkeiten, warum der machthungrige Charakter sich dagegen entscheidet die Burg einzunehmen, z.B. er bekommt die anderen Charaktere dazu nicht überredet und ist alleine dazu nicht in der Position. Es stellt sich heraus, der Burgherr hat noch einen Verbündeten in der Hinterhand. Zu einem Charakter der Gruppe besteht eine starke Bindung und dieser überredet ihn darauf zu verzichten. Usw.

Für mich ist es sehr wichtig, dass man deutlich macht, ob man Handlungsspielräume beim eigenen Charakter nicht sieht (was denke ich oft der Fall ist, wenn man sich in einen Charakter hineinversetzt),
oder ob man mit diesem Charakter eine bestimmte Handlung erleben will.

Der Grund auf meiner Seite ist, dass wenn man einen Konsens finden möchte und jemand argumentiert mit den Eigenschaften des Charakters,
ich natürlich auf dieser Grundlage Mühe und Zeit investiere um Lösungen zu finden.
Möchte jemand aber eine bestimmte Handlung spielen, weil er erleben möchte, wie sich genau diese Handlung anfühlt und der Charakter diese Möglichkeit im Spiel bietet, dann kann ich mir diese Mühe komplett sparen, weil die Lösungen auf einer anderen Ebene liegen. Dann geht es darum, wie geht man mit den Konsequenzen der Handlung um.

Um auf Dein Burgbeispiel zurückzugreifen, für den Fall, dass alle anderen Spieler nicht wollen, dass der machthungrige Charakter die Burg erobert, weil sie keine Schlossherren sein wollen, sondern umherziehen, würde ich dafür pladieren, dass der Spieler dies spielen kann, sich danach aber die Gruppe trennt, bzw. der neue Burgherr auf der Burg residiert und sich für das Zusammenspiel einen neuen Charakter baut. Kann ja auch für das Spiel interessant sein, wenn man einen Burgherrn kennt. ;-)

Leider wird bei Deinem Beispiel nicht die Motivation der Mitspieler deutlich, bzw. warum sie den Charakter zu einer anderen Option überreden wollen. Hier würde ich die Mitspieler in der Pflicht sehen ihre Interessen deutlich zu machen und zwar auch deutlich zwischen Spieler und Charakterebene getrennt.

Gerade die Umweltbedingungen der Spielwelt können jedoch dazu führen, dass die grundsätzlich flexible Eigenschaft der Figur in einer speziellen Situation nur eine logische Handlungsoption zulässt.

Meinst Du logisch?
Meiner Erfahrung nach sind dies meist emotionale und von daher auch oft irrationale Entscheidungen die ein Charakter aufgrund seiner
Eigenschaften trifft.

Fingerspitzengefühl ist von allen Beteiligten gefragt. Der Charakterdarsteller sollte zusehen, dass seine Eigenschaften flexibel genug sind, um ihn nicht zu sehr einzuschränken. Die Mitspieler sollten zusehen, dass sie den Charakterdarsteller nicht sehenden Auges in die Sackgasse treiben, in der situationsbedingt nur eine einzige figurgerechte Handlungsoption übrig bleibt. Sie kennen schließlich die Eigenschaften seiner Figur und können daher voraussehen, in welcher Situation die Figur Wahlmöglichkeiten hat und wo sie wirklich nicht mehr gegeben sind.

Hier sehe ich ein Problem, denn meist hat man als Mitspieler diese Dinge nicht im Blick, mein Verdacht wäre sogar, dass sich nach Deinen Beschreibungen gerade Charakterspieler gegenseitig im Spiel nicht besonders gut ergänzen.

Die beste Möglichkeit ist immer noch die anderen darauf aufmerksam zu machen.
Dies kann Ingame und Outgame erfolgen.

Dazu ein Beispiel aus der eigenen Erfahrung: Als Charakterdarsteller hatte ich einen gefallen Ritter auf der Suche nach Ruhm. Er war jedem Abenteuer aufgeschlossen, solange die Moral nicht allzusehr unter die Räder geriet. Seine moralischen Ansprüche waren als Aspekte verankert, also für alle Mitspieler deutlich sichtbar. Außerdem appelierte er in sehr vielen Konflikten an die Ehre des Gegners. Der Moralkodex drückte sich nicht nur auf dem Papier, sondern auch im Verhalten aus. Die Gruppe profitierte auch mehrfach von dieser Eigenschaft. Aber dann setzten sich die anderen in den Kopf, ein Buch zu stehlen. Das wollten sie vor dem Ritter verheimlichen, weil sie wussten, dass er nicht mitmacht. Als der Diebstahl aufflog, hat der Ritter noch alles in die Wege geleitet, um das Problem für alle Seiten zufriedenstellend zu lösen. Die Gruppe kann das Buch in Ruhe studieren, der Bibliothekar bekommt es anschließend zurück. Der Moral wäre auch genüge getan. Aber nein, das Buch musste unbedingt gestohlen werden, der Kompromiss wurde abgelehnt. In der Konsequenz musste der Ritter aus der Gruppe scheiden. Was bleibt dem Charakterdarsteller übrig, wenn die Mitspieler die vorher akzeptierten Figureigenschaften konsequent ignorieren und auch Lösungskompromisse ablehnen? Wer bei solcherart Konflikten die Sturheit dem Charakterdarsteller zuschiebt, macht es sich zu einfach.

Das ist keine schöne Situation und auch nicht fair.
Wie haben denn Deine Mitspieler begründet, warum sie einen Kompromiss ablehnen?

@Hróðvitnir (Carcharoths Ausbilder) Danke. :-)

Offline Gummibär

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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #33 am: 25.11.2012 | 04:26 »
OOC = Out Of Character
IC = In Character
 
Immer, wenn man nicht IC ist, ist man OOC. IC sind Handlungen, die man in der Rolle des SCs durchführt, also wenn man beschreibt, was der SC tut „ich öffne die Tür“ oder sagt „seid gegrüßt, verehrter Priester“. Wichtig dabei ist die 1. Person Singular, die ausdrückt, dass man die Rolle spielt und nicht bloß über die Rolle redet.

Kann ich verstehen, aber reflektiert denn der Charakter?

Der SC kann reflektieren. Es geht lediglich um eine Synchronisation zwischen Spieler und SC. Der SC hat dabei das volle Handlungsspektrum. So kann er z.B. auch seine Ziele, Bedürfnisse und Gefühle mitteilen.

Und ist es ok nach dem Spiel über den Charakter zu reflektieren, also seine Motivation den Mitspielern deutlich zu machen?

Da würde ich erstmal fragen, warum das notwendig ist. Mit dem SL im Gespräch bleiben ist ne sinnvolle Sache. Wenn man den anderen Mitspielern den eigenen Charakter erklären muss, dann ist vermutlich schon etwas schief gelaufen.

Ein Problem ergibt sich hier, da ich mir wünsche, dass die Spieler nur das Wissen haben, was die SCs haben. Wenn man jetzt den Spielern irgendwelche Informationen gibt, dann weicht Spieler- und Charakterwissen voneinander ab. Es sei denn, dass die SCs das Wissen eigentlich haben oder es schlussfolgern können, es nur irgendwie missverstanden oder nicht drüber nachgedacht wurde.

Und mich würde wirklich interessieren, wie dann Charakterspieler zu solchen Fragestellungen stehen.

Mein Ausgangspunkt ist folgender:

1.   Baue dir einen SC, der gruppentauglich ist. Sozialkompetent, nett, tolerant, ohne inakzeptable Eigenschaften. Dazu gehört auch ein moralisches Verhalten.

2.   Baue dir einen SC, der kampagnentauglich ist. Er sollte motiviert sein, abenteuerliche Aufgaben zu erledigen.

Ein Abweichen davon ist nur mit Einverständnis der Gruppe in Ordnung. Kein Spieler hat ein Recht darauf, davon abweichen zu dürfen.

Ergo: Einen ehemaligen Dieb spielen ist okay. Einen Dieb zu spielen, der immer noch Dieb ist, ist normalerweise einfach nicht drin.

Ausnahmen sind möglich. In dem Fall sollten die möglichen Probleme vorhergesehen und eine Lösung zurechtgelegt werden. Ob etwas überhaupt ein Problem ist, kann in unterschiedlichen Gruppen unterschiedlich sein.

Es ist aber ein Unterschied in der Argumentation ob man sagt, ich will diesen Charakter auf diese Weise aus genau diesen und jenen Gründen so spielen oder ob man sagt, die Figur ist so, aus diesen und jenen Gründen, sie hat keinerlei Handlungsoptionen.

Die Figur selbst hat in manchen Situationen nur eine logische Handlungsoption. Der Spieler hat natürlich immer die Wahl, sich darüber hinwegzusetzen. Das Ergebnis ist aber, dass man dann nicht mehr den SC spielt, der es vorher war. Denn der SC hätte so nicht gehandelt. Insofern ist für den Charakterspieler die logische Konsequenz, wenn er also nicht mehr den SC spielen darf, den er bisher gespielt hat, dass er dann einen neuen SC generiert. Das ist dann auch Rücksichtnahme auf die Gruppe: Er erstellt sich einen SC, der besser in die Gruppe passt, weil der alte SC anscheinend nicht gut genug in die Gruppe gepasst hat.

Wenn man die Spielweltsituation ändert, können sich die Handlungsoptionen natürlich erweitern. Pausen sind z.B. eine Möglichkeit, mal über den eigenen SC zu reflektieren und ggfs. dem SL zu signalisieren, dass sich ein Problem ergeben könnte. Der SL kann ja einfach Spielweltfakten setzen, ohne dass dadurch die Konsistenz von Charakteren gefährdet ist.
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Offline dunklerschatten

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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #34 am: 25.11.2012 | 10:52 »
Imho gibt es eine klare Abgrenzung. Alles andere ist Wunschdenken.

Und zum Glück gibt es die klare Abgrenzung, denn sonst sähe der Spieltisch nach einem totalen Party-Wipe-Out ziemlich ecklig aus. ~;D

Daher sind RPG-Charaktäre "nur" Spielfiguren, die in der Regel keine "harten Einflüsse" auf die Realität haben.
"Stellt Euch den Tatsachen, dann handelt danach!"
Quellcrist Falconer

Offline Hróđvitnir (Carcharoths Ausbilder)

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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #35 am: 26.11.2012 | 17:20 »
Setze "Realität" auch noch in Anführungsstriche; ergibt der Satz dann noch denselben Sinn? SC haben nämlich durchaus Einfluß auf ihre Realität.
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Zitat von: korknadel
Rollenspiele sollen bei Dir im besten Fall eine gewisse Schwermut, Resignation und Melancholie hervorrufen.

Zitat von: Dolge
Auf Diskussionen, was im Rollenspiel realistisch ist und was nicht, sollte man sich nie unter gar keinen Umständen absolut gar überhaupt vollständig nicht einlassen.