Damit die Maschinen auf ein Niveau kommen, an dem sie den Menschen übertreffen, müssen sie erstmal das Niveau des Menschen erreichen.
Da unterstellst du dem Fortschritt wieder deutlich hehrere Ziele als ich...
Zum einen habe ich den Eindruck, daß der Mensch dem Niveau der Maschine gern entgegekommen wird. Stichwort: "unmenschliche Arbeitsbedingungen". Seit der Industrialisierung erwartet die moderne Arbeitswelt oft genug vom Menschen, sich an automatisierte Abläufe anzupassen, anstatt umgekehrt. Normkonformität ist sehr viel stärker gefragt als besonders hochwertige Arbeit. Letztere wird im Team sogar eher als ärgerlich angesehen, da sie nicht den Standards entspricht.
Zum anderen geht es mir beim Stichwort "Maschinenzivilisation" nicht wirklich darum, daß Reichtum und Vielfalt der menschlichen Kultur erhalten bleiben. Übrigbleiben wird irgendetwas "Überlebensfähiges", das nicht zwingend zu Philosophie, Kunst und Wissenschaft imstande sein muß. All das wäre lediglich ein Bonus, den wir vor der endgültigen Übergabe des Staffelstabs an die Maschinen vielleicht noch hinbekommen, vielleicht auch nicht. Aber ein System, das sich eigenständig aufrechterhält und reproduziert (und uns überflüssige Klumpen Biomasse bei der Gelegenheit noch eine Weile miternährt), werden wir wahrscheinlich auch hinbekommen, ohne bahnbrechende neue Erkenntnisse über uns selbst zu gewinnen - geschweige denn eine transzendentale Durchdringung zu erreichen.
@Lichtbringer: Alle deine Beispiele für Mensch/Maschine-Verschmelzung sind hochinteressant unter der Prämisse, daß der Mensch überhaupt noch eine Rolle spielt.
Sie sagen nur überhaupt nichts über die Aussichten des Menschen aus,
daß er weiterhin eine Rolle spielen wird. Wozu noch einen Menschen mit einem Hirnimplantat o.ä. versehen, wenn die Maschinen auch bestens ohne seine Einmischung klarkommen?
Und ja: Errungenschaften des Fortschritts wie Kleidung, Brille, Impfung und autonom arbeitende Maschinen haben allesamt gemeinsam, daß sie dem Menschen das Leben erleichtern sollen. Doch wo Kleidung, Brille und Impfung den Menschen selbst in die Lage versetzen sollen, sein Leben zu gestalten, nimmt eine autonom arbeitende Maschine ihm gewisse Arbeiten vollständig ab. Das bedeutet einen qualitativen Unterschied: sie arbeitet auch ohne ihn. Das ist bequem und effizient, keine Frage; auch ich bin gern von Routineaufgaben wie Geschirrspülen und Wäschewaschen befreit. Aber ich fühle mich zunehmend von mehr und mehr "befreit", und am Endpunkt dieser Entwicklung sehe ich, daß sich mein Leben eines fernen Tages komplett auch ohne mich leben könnte. Und wenn ich mir die lethargischen jungen Leute ansehe, die nun mal zu einer akademischen Laufbahn nicht taugen, die vor 150 Jahren als Knechte und Mägde Wäsche gewaschen und Geschirr gespült hätten, bin ich mir gar nicht mehr so sicher, daß wir uns an dieser Stelle mit dem Fortschritt einen Gefallen getan haben. Hier sind Menschen von der Entwicklung nicht "in ihrem Wirkungskreis erweitert" worden, sondern schlichtweg abgehängt.
Der Transhumanismus geht davon aus, daß die menschliche Komponente zum Mensch/Maschine-Konglomerat noch einen unverzichtbaren Beitrag leisten wird. Das aber sehe ich einfach nicht. Im derzeitigen Fortschreiten der Automatisierung beobachte ich das Bestreben, jeden Menschen durch eine Maschine austauschen zu können. Dieses Bestreben arbeitet sich durch die Kompetenzstufen langsam nach oben, bis es auch die "Denker und Entscheidungsträger" erfaßt haben wird. Der Mensch wird am Ende dieser Entwicklung - wenn sie denn tatsächlich jemals so weit gedeiht - purer Ballast sein. Ob der Ballast nun mit Hirnimplantaten an die große Überlebensmaschine angebunden ist oder nicht, ist dabei ohne Belang: er bleibt Ballast. Die Maschine wird ihm dienen und ihn versorgen, aber sie braucht ihn nicht.