Autor Thema: Konstitutive Antinomien des Rollenspiels  (Gelesen 6225 mal)

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Offline Minne

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Konstitutive Antinomien des Rollenspiels
« am: 11.01.2013 | 15:03 »
Personen im Lehramtsstudium kommen vielleicht die konstitutiven Antinomien des Lehrerhandels bekannt vor: Gemeint sind innere Widersprüche des Lehrerhandelns, die nicht einfach aufgelöst werden können. Statt dessen erfordern sie es für sich genommen widersprüchliche Handlungsanweisungen und Ziele immer wieder miteinander zu vermitteln und so gut wie möglich zu harmonisieren. Der Umgang mit diesen Antinomien ist ein wichtiger Aspekt professionellen Lehrerhandelns.

Beispiel: Eine Lehrperson ist angehalten, alle SchülerInnen gleich zu behandeln. Gleichzeitig muss sie auch auf die unterschiedlichen Hintergründe, Lernstände, Begabungen der SchülerInnen eingehen. Ein klarer Widerspruch, der sich nicht wegwischen lässt.

Nun ist es schon vor einiger Zeit einigen Leuten aufgefallen, dass auch Rollenspiele antinomische Strukturen aufweisen. Eine Antwort darauf war, diese zu beseitigen, etwa unter dem Stichwort Kohärenz. Sie wurden also als Fehler im System aufgefasst. Was wenn sie genauso wie jene des Lehrerhandelns für das Rollenspiel konstitutiven Charakter haben?

Ein Beispiel für eine solche Antinomie (gilt natürlich nur für eine spezifische Art des Rollenspiels): Ein SL muss für die SpielerInnen eine Herausforderung konzipieren. Doch sie müssen diese auch schaffen können. Eine nicht geschaffte Herausforderung würde ihn nicht nur unter Rechtfertigungszwang stellen, es bringt auch das Risiko frustrierter SpielerInnen oder des spaßtötenden Spielabbruchs mit sich. Dennoch muss immer die Möglichkeit des Scheiterns bestehen, da ansonsten die Handlungen der SpielerInnen entwertet würden, wären sie dann doch schließlich alle gleich gut.

Verschiedene Systeme und SpielleiterInnen gehen mit dieser Antinomie unterschiedlich um, beseitigen kann man sie jedoch imho nicht.

Ich würde in diesem Thread gerne über die These, dass es für das Rollenspiel (oder bestimmte Formen des Rollenspiels) konstituierende Antinomien gibt, diskutieren, sowie überlegen, wo weitere dieser Antinomien liegen könnten.

Ich denke, diese Überlegungen sind auch fürs Rollenspieldesign relevant. In meiner Wahrnehmung waren viele Spiele, die versuchten widersprüchliche Elemente aus dem Rollenspiel zu verbannen furchtbar schlechte Spiele, da sie die Antinomie plump in eine Richtung aufzulösen versuchten. Also etwa wie ein Lehrer, der sagt, er behandelt jetzt konsequent alle SchülerInnen gleich, einen imho dysfunktionalen Unterricht macht (abgesehen davon, dass es ihm nicht gelingen würde). Statt dessen könnte eine Beschäftigung mit den Antinomien den Blick dafür schärfen, wo und wie sich zwischen widersprüchlichen Elementen gelungen vermitteln lässt.
« Letzte Änderung: 11.01.2013 | 15:05 von Minne »

Offline Praion

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Re: Konstitutive Antinomien des Rollenspiels
« Antwort #1 am: 11.01.2013 | 15:24 »
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Re: Konstitutive Antinomien des Rollenspiels
« Antwort #2 am: 11.01.2013 | 15:28 »
Schönes Thema! Die These an sich wird glaube ich heute niemand mehr bezweifeln, da Fredi nicht mehr aktiv ist. >;D Spannend finde ich aber, konkrete solche Widersprüche mal zu sammeln, und die "guten" von den "schlechten" zu trennen. Ich habe mal ein paar aufgeschrieben, die ich spannend finde. Disclaimer: Natürlich hängt das alles sehr vom Spielstil ab.

  • Der SL soll auf Spieler eingehen, ergebnisoffen leiten, nicht railroaden. Der SL soll ein interessantes, spannendes und stimmiges Abenteuer vorbereiten und leiten.
  • Spieler sollen ihre Charaktere glaubwürdig spielen. Spieler sollen Spotlights suchen/nutzen und anderen Spielern das Spotlight nicht klauen.
  • Der SL ist der Gegenspieler der Spieler. Der SL ist der Schiedsrichter.
  • Kämpfe sollen spannend sein. Charaktere sollen keine bedeutungslosen Tode sterben.
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Re: Konstitutive Antinomien des Rollenspiels
« Antwort #3 am: 11.01.2013 | 18:17 »
Ich bin mir nicht sicher, ob der Vergleich hält. Während das Handeln von Lehrern und Schülern in einem institutionellen tradierten Rahmen stattfindet, ist dies bei einer Rollenspielrunde nicht der Fall. Anders als bei der Schule lässt sich mit relativ wenig Aufwand das System ändern.

Dein Beispiel ist, Minne, da schon interessant: Mann kann einfach die SL streichen. Mann kann auf Kampfsysteme verzichten und auf offizielle Abenteuer. Das sind alles Höllen, die wir uns selbst graben.

Offline Praion

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Re: Konstitutive Antinomien des Rollenspiels
« Antwort #4 am: 11.01.2013 | 18:30 »
Ich bin mir nicht sicher, ob der Vergleich hält. Während das Handeln von Lehrern und Schülern in einem institutionellen tradierten Rahmen stattfindet, ist dies bei einer Rollenspielrunde nicht der Fall. Anders als bei der Schule lässt sich mit relativ wenig Aufwand das System ändern.

Dein Beispiel ist, Minne, da schon interessant: Mann kann einfach die SL streichen. Mann kann auf Kampfsysteme verzichten und auf offizielle Abenteuer. Das sind alles Höllen, die wir uns selbst graben.

Der Rollenspiel Rahmen ist allerdings für viele doch sehr tradiert schon. 50 Jahre Tradition sind schon was. (oder wie alt sind Rollenspiele nochmal?)
Ansosnten war das auch mein Gedanke.
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Offline condor

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Re: Konstitutive Antinomien des Rollenspiels
« Antwort #5 am: 12.01.2013 | 09:55 »
Konstitutiv bedeutet dann ja wohl, dass man die Antinomie nicht einfach auflösen kann, ohne dass etwas verloren geht, ja? Ob das wirklich jeweils vorliegt, hängt aber sicher wieder von den Präferenzen der Spieler ab.

Beispiel: Risiko des Scheiterns vs. Risiko der Spannungslosigkeit. Sofern die Spieler nicht grundsätzlich frustriert sind, sobald etwas mal nicht gelingt, kann der SL Herausforderungen oft auch so konstruieren, dass ein (partielles) Scheitern keine Sackgasse für die Story bedeutet (klassisch: alle tot).
Für die einen ist es DSA - für die anderen der längste Inside-Joke aller Zeiten.

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Re: Konstitutive Antinomien des Rollenspiels
« Antwort #6 am: 12.01.2013 | 10:52 »
Ich glaube, diese Antinomien kommen nur dann zustande, wenn man versucht, bestimmte Muster, ein Rollenspiel zu spielen, auf ein dafür ungeeignetes Rollenspiel zu übertragen. Siehe die Herausforderungen: Sind die ein Zwang? Oder sind die nur tradiert und werden daher "mitgeschleppt"?

Zitat
Der SL soll auf Spieler eingehen, ergebnisoffen leiten, nicht railroaden. Der SL soll ein interessantes, spannendes und stimmiges Abenteuer vorbereiten und leiten.
--> Nur, wenn es einen SL überhaupt gibt, nur, wenn man an das Primat der Ergebnisoffenheit glaubt, nur wenn es SL-Aufgabe ist, dem Abenteuer Spannung zu verpassen

Zitat
Spieler sollen ihre Charaktere glaubwürdig spielen. Spieler sollen Spotlights suchen/nutzen und anderen Spielern das Spotlight nicht klauen.
--> "Früher" gab es sowas wie Spotlight gar nicht. Die Idee, einen Charakter *immer* ganz streng in seiner Rollenauslegung zu spielen, kommt aus einer ganz anderen stilistischen Richtung als Gedanken um die Spotlightverteilung

Zitat
Der SL ist der Gegenspieler der Spieler. Der SL ist der Schiedsrichter.
--> Dem kann ich noch am ehesten folgen, weil es eine Idee ist, die inhaltlich vermutlich wirklich aus der gleichen Richtung kommt. Wobei man mit "Gegenspieler" vorsichtig sein sollte, explizit fordern das doch auch nur ganz wenige Spiele

Zitat
Kämpfe sollen spannend sein. Charaktere sollen keine bedeutungslosen Tode sterben.
--> Der erste Punkt gilt vermutlich universell, der zweite Punkt ist doch schon wieder an einen bestimmte Stil verknüpft (und lässt sich eigentlich auch recht einfach auflösen: Kämpfe müssen immer eine Bedeutung haben und dürfen nicht sinnlos sein)

Zitat
Spieler sollen die Auswahl aus einer Vielzahl spielbarer Charaktere haben. Verlage sollen Abenteuer publizieren, die für jede Gruppe geeignet sind.
--> Gut, da muss ich gestehen, sehe ich keine einfache Lösung. Allerdings halte ich die Forderung im zweiten Teil für eher fragwürdig.

Offline rettet den wald

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Re: Konstitutive Antinomien des Rollenspiels
« Antwort #7 am: 12.01.2013 | 11:14 »
Nun ist es schon vor einiger Zeit einigen Leuten aufgefallen, dass auch Rollenspiele antinomische Strukturen aufweisen. Eine Antwort darauf war, diese zu beseitigen, etwa unter dem Stichwort Kohärenz. Sie wurden also als Fehler im System aufgefasst. Was wenn sie genauso wie jene des Lehrerhandelns für das Rollenspiel konstitutiven Charakter haben?

[...]

Ich denke, diese Überlegungen sind auch fürs Rollenspieldesign relevant. In meiner Wahrnehmung waren viele Spiele, die versuchten widersprüchliche Elemente aus dem Rollenspiel zu verbannen furchtbar schlechte Spiele, da sie die Antinomie plump in eine Richtung aufzulösen versuchten.

Ok, ich fühle mich gerade in der Stimmung einfach plump und direkt meine Meinung zu sagen: Ja, derartige Widersprüche halte ich für Fehler im System. Nein, ich glaube nicht dass sie fürs Rollenspiel konstitutiv sind. Ja, gute Systeme lösen diese Widersprüche auf (auf welche Art und Weise auch immer). Mir persönlich fällt es bei den meisten bisher gebrachten Beispielen entweder sehr leicht, mich für eine Seite zu entscheiden, oder ich sehe dort keinen echten Widerspruch.



Ein Beispiel für eine solche Antinomie (gilt natürlich nur für eine spezifische Art des Rollenspiels): Ein SL muss für die SpielerInnen eine Herausforderung konzipieren. Doch sie müssen diese auch schaffen können. Eine nicht geschaffte Herausforderung würde ihn nicht nur unter Rechtfertigungszwang stellen, es bringt auch das Risiko frustrierter SpielerInnen oder des spaßtötenden Spielabbruchs mit sich. Dennoch muss immer die Möglichkeit des Scheiterns bestehen, da ansonsten die Handlungen der SpielerInnen entwertet würden, wären sie dann doch schließlich alle gleich gut.

...Ich halte das nicht für eine Antimonie. Das Ziel ist hier im Prinzip einfach nur, eine Herausforderung zu bieten, die zwar fordernd, aber schaffbar ist. "fordernd" ist allerdings kein Widerspruch zu "schaffbar". Ein Widerspruch existiert hier nur dann, wenn nicht geschaffte Herausforderungen komplett vermieden werden sollen: "Die Spieler dürfen nicht verlieren" widerspricht tatsächlich "Die Herausforderung muss fordernd sein". Hier fällt es mir allerdings leicht, "Die Spieler dürfen nicht verlieren" rauszuschmeißen und mich für "Die Herausforderung muss fordernd sein" zu entscheiden.



Interessante Handlung gestalten wollen vs. Charakter nicht riskieren wollen

Entscheidung für "Interessante Handlung" fällt mir leicht.



Der SL soll auf Spieler eingehen, ergebnisoffen leiten, nicht railroaden. Der SL soll ein interessantes, spannendes und stimmiges Abenteuer vorbereiten und leiten.

Ok, hier sehe ich keinen Widerspruch... Kannst du hier vielleicht ein Beispiel geben, wo diese zwei Punkte sich widersprechen?



Spieler sollen ihre Charaktere glaubwürdig spielen. Spieler sollen Spotlights suchen/nutzen und anderen Spielern das Spotlight nicht klauen.

Entscheidung für "glaubwürdige Charaktere" fällt mir leicht.



Der SL ist der Gegenspieler der Spieler. Der SL ist der Schiedsrichter.

Das ist schon deutlich interessanter. Hier halte ich beide Seiten für wichtig, aber sie widersprechen sich... Doch auch dieser Widerspruch ist nicht unauflösbar: Ein System das die Rolle des Gegenspielers und des Schiedsrichters trennt wäre denkbar (von komplett SL-losen Systemen red ich hier mal gar nicht).



Kämpfe sollen spannend sein. Charaktere sollen keine bedeutungslosen Tode sterben.

Leichte Entscheidung für "spannende Kämpfe".



Spieler sollen die Auswahl aus einer Vielzahl spielbarer Charaktere haben. Verlage sollen Abenteuer publizieren, die für jede Gruppe geeignet sind.

Hmm... Ja, das ist ein Widerspruch, und nein, ich weiß keine einfache Auflösung dafür. Trifft auf mich allerdings nicht wirklich zu, weil ich kaum vorgefertigte Abenteuer spiele/leite.
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Offline Lord Verminaard

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Re: Konstitutive Antinomien des Rollenspiels
« Antwort #8 am: 12.01.2013 | 12:16 »
Anders als bei der Schule lässt sich mit relativ wenig Aufwand das System ändern.

Aber genau dieses Heilsversprechen hat sich für viele als Holzweg entpuppt. Das ist ja gerade der Punkt. Nicht jeder Widerspruch ist ein Problem, manche (und deren Auflösung durch die Spielenden) sind vielleicht sogar genau das, was Rollenspiel für viele interessant macht.
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Offline 1of3

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Re: Konstitutive Antinomien des Rollenspiels
« Antwort #9 am: 12.01.2013 | 13:56 »
Ich nehme an, ich bin einfach zu 2005. ;)

Offline Crimson King

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Re: Konstitutive Antinomien des Rollenspiels
« Antwort #10 am: 12.01.2013 | 14:22 »
Ok, hier sehe ich keinen Widerspruch... Kannst du hier vielleicht ein Beispiel geben, wo diese zwei Punkte sich widersprechen?

Handlungsoffen bedeutet, dass die Spieler sich entscheiden können, die Inhalte des Abenteuers komplett zu ignorieren und ihre eigene Suppe zu kochen. Generell kann der SL sich nicht auf jede Handlungsoption der Spieler vorbereiten. Es besteht also das Risiko, dass die Spieler Entscheidungen treffen, die aus dem Abenteuer hinaus führen.

Tatsächlich bin ich auch der Überzeugung, dass Spielrunden, die zu jedem Zeitpunkt gemeinsam einer kreativen Agenda folgen, wenig Probleme mit irgend welchen inneren Widersprüchen, die sich aus der Konstruktion des Hobbies ergeben, haben werden. Für das obige Beispiel bleibt festzuhalten, dass manche Spielstile kein Problem mit mangelnder Ergebnisoffenheit haben, während andere Stile kein Abenteuer im eigentlichen Sinn definieren, sondern die Welt als Sandkiste ansehen, in der man überhall hin gehen kann und wo überall irgend etwas passiert.

Hier zeigt sich auch ein Unterschied zum Lehrerhandeln. Der Lehrer muss mit unterschiedlichsten Schülertypen umgehen können. Als Rollenspieler sucht man sich bevorzugt Gleichgesinnte, was die Auflösung von Antinomien deutlich vereinfacht.
« Letzte Änderung: 12.01.2013 | 14:24 von Metal King »
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

J.W. von Goethe

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Re: Konstitutive Antinomien des Rollenspiels
« Antwort #11 am: 12.01.2013 | 14:31 »
Entscheidung für "Interessante Handlung" fällt mir leicht.

Leichte Entscheidung für "Charakter nicht riskieren wollen".

Entscheidung für "glaubwürdige Charaktere" fällt mir leicht.

Leichte Entscheidung für "anderen Spielern das Spotlight nicht klauen".

Leichte Entscheidung für "spannende Kämpfe".

Leichte Entscheidung für "Charaktere sterben keine bedeutungslosen Tode".

Aber, was Dolge sagt, hat Hand und Fuß. Prinzipiell will ich auch Kämpfe und Konflikte mit (harten) Konsequenzen. Ein Charaktertod hat allerdings noch Konsequenzen auf der Metaebene, die die Spielweise der Runde beeinflussen und fällt als mögliche Konsequenz für mich hingegen aus.

Vielleicht banal, aber: Sämtliche Widersprüche lassen sich auflösen, indem eine Gruppe Bedingungen dafür definiert, wann welche der beiden Optionen zum Tragen kommt. So lassen sich graduelle Übergänge realisieren ("Glaubwürdige Charaktere, aber Spotlightverteilung, wo sich Spieler zu sehr in den Fordergrund drängen").

Noch ein Widerspruch ist übrigens.
"Keine Gängelung der Spieler durch NSCs und damit den SLs" Vs. "Regelgleichheit für alle/Simulation"
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline Oberkampf

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Re: Konstitutive Antinomien des Rollenspiels
« Antwort #12 am: 12.01.2013 | 14:40 »
Vielleicht ist Antinomien einfach ein zu starkes Wort, aber Konflikte zwischen unterschiedlichen Spielinteressen gibt es. Die können extern sein (zwischen einzelnen Personen) oder intern. Ein Spieler will bspw. sowohl eine gute Story geliefert bekommen, als auch seinen Charakter ohne Metawissen (= ohne eigene dramaturgische Überlegungen bei den Charakteraktionen) in einem offenen Abenteuer spielen = interner Konflikt.

Ebenso interne Rollenkonflikte z.B. in der Rolle eines Spielleiters (z.B. Schiedsrichterrolle vs. Erzählerrolle vs. Gegenspielerrolle). Natürlich kann man SLs weglassen oder versuchen, das Bündel an Anforderungen und Erwartungen an SLs zu begrenzen (eine Definition von Rolle ist genau das: ein Bündel von Anforderungen und Erwartungen an eine Person in einer sozialen Situation), aber auch an Spieler sind ja Erwartungen gerichtet, vom System oder den anderen Leuten am Tisch.

SLs sind in den Diskussionen um missglücktes Spiel lediglich in einer prominenten Position.
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Re: Konstitutive Antinomien des Rollenspiels
« Antwort #13 am: 12.01.2013 | 14:45 »
Ich denke, die größte Antinomie im klassischen Rollenspiel besteht eher in "Scheitern muss möglich sein / Alle müssen Spaß haben". Im klassischen Rollenspiel will man als Spieler nicht, dass der Charakter scheitert*. Es ist frustrierend, wenn der Charakter seine Ziele nicht erreicht oder gar aus dem Spiel genommen wird. Trotzdem sollen die Spieler an dieser potentiell frustrierenden Tätigkeit Spaß haben.

Dadurch entsteht ein Spannungsfeld, in dem sich Spieler und SL bewegen und für das sie einen passable Mittelweg finden müssen. Der ist aber für jede Gruppe anders - genau wie in einer Schulklasse. Da müssen Lehrer und Schüler das Spannungsfeld "Alle gleich behandeln / Besonderheiten berücksichtigen" auch jedes Mal neu und gruppenspezifisch auflösen. :)

*Ich rede hier explizit nicht von Spielen wie Fiasko, wo das Scheitern eben nicht zu Frust führt.
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
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Offline rettet den wald

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Re: Konstitutive Antinomien des Rollenspiels
« Antwort #14 am: 12.01.2013 | 14:56 »
Handlungsoffen bedeutet, dass die Spieler sich entscheiden können, die Inhalte des Abenteuers komplett zu ignorieren und ihre eigene Suppe zu kochen. Generell kann der SL sich nicht auf jede Handlungsoption der Spieler vorbereiten. Es besteht also das Risiko, dass die Spieler Entscheidungen treffen, die aus dem Abenteuer hinaus führen.

Ah, ok. Wenn ich höre, dass ein Spielleiter "ergebnisoffen" leiten soll, dann denke ich halt üblicherweise nicht daran, dass die Gruppe das vorbereitete Abenteuer komplett ignoriert... Ich habe mir da bisher immer ein vorbereitetes Abenteuer mit mehreren möglichen Ausgängen vorgestellt.

Aber ja, zwischen "Die Gruppe kann das Abenteuer komplett ignorieren wenn sie will" und "Der SL muss ein gutes Abenteuer vorbereitet haben, egal was die Spieler machen" besteht ein Widerspruch. Das sind allerdings meiner Ansicht nach beides keine wünschenswerten Punkte. Ich bin da eher ein Anhänger von "Die Gruppe sollte auf das Abenteuer eingehen" und "Der SL sollte ein Abenteuer vorbereitet haben, wo es für die Charaktere sinnvoll ist, darauf einzugehen", was kein Widerspruch ist.



@The Board of Education:

Jup. Unterschiedliche Spieler (und unterschiedliche Gruppen) werden da natürlich unterschiedliche Präferenzen haben. Daher macht es auch Sinn, sich bei der Auflösung dieser Widersprüche in unterschiedlichen Gruppen unterschiedlich zu entscheiden. Mein Punkt ist, dass diese Widersprüche nicht "unauflösbar" sind, und dass die Auflösung wünschenswert ist, wenn nötig auch durch den kompletten Verzicht auf eine der beiden Seiten.




EDIT:

Ich denke, die größte Antinomie im klassischen Rollenspiel besteht eher in "Scheitern muss möglich sein / Alle müssen Spaß haben". Im klassischen Rollenspiel will man als Spieler nicht, dass der Charakter scheitert*. Es ist frustrierend, wenn der Charakter seine Ziele nicht erreicht oder gar aus dem Spiel genommen wird. Trotzdem sollen die Spieler an dieser potentiell frustrierenden Tätigkeit Spaß haben.

Ich persönlich halte es eben nicht für frustrierend, wenn die Charaktere auch mal scheitern. Wenn wir immer nur gewinnen würden, wäre es fad.
« Letzte Änderung: 12.01.2013 | 15:00 von rettet den wald »
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Re: Konstitutive Antinomien des Rollenspiels
« Antwort #15 am: 12.01.2013 | 15:28 »
Hey!

Danke für die Beiträge soweit. Ich glaube, das Thema wurde aber teilweise noch nicht ganz durchdrungen, ich hoffe, in Folge etwas Klärung bringen zu können :)

Ganz allgemein: Natürlich können die herausgearbeiteten Antinomien sich nur auf spezifische Typen des Rollenspiels beziehen, da wir mit Rollenspiel im weiteren Sinne eine Reihe von Spielen bezeichnen, die sich ganz erheblich voneinander unterscheiden und völlig unscharf gegen andere gemeinschaftliche Aktivitäten wie Schauspiel, Wargaming, Brettspiel und Erzählen abgrenzen. Ich würde davon auszugehen, dass jede Variante ihre eigenen Antinomien aufweist, die jedoch untersucht werden müssten. Wenn ich von Rollenspiel im engeren Sinne rede, dann meine ich "klassisches" Rollenspiel, welches von einer Arbeitsteilung von SL und SpielerInnen, einer starken Sonderrolle des Kampfes sowie sowohl von erzählerischen, schauspielerischen als auch problemorientierten Passagen (Herausforderungen) gekennzeichnet ist. Ich rede vornehmlich von diesem Spiel.

Aus diesen Feststellungen folgen Konsequenzen, die für die weitere Diskussion wichtig sind:

1. Antinomien müssen aufgrund der Unschärfe des Begriffs innerhalb einer bestimmten Form des Rollenspiels betrachtet werden.

2. Es muss unterschieden werden zwischen dem wechseln des Spiels und dem "Lösen" einer Antinomie. Wenn ich etwa den SL abschaffe, dann erschaffe ich damit ein grundsätzlich anderes Spiel. Ich mag damit zwar praktisch ein subjektives Problem, welches ich vielleicht mit der Antinomischen Struktur eines Spiels habe, lösen, aber praktisch tausche ich nur ein Problem gegen ein anders aus (auch wenn ich mit dem anderen Problem vielleicht besser umgehen kann). Einfaches Beispiel: Wenn ich Monopoly gegen Kniffel austausche, dann löse ich damit nicht die Mitleid vs Habgier Antinomie, die so viele Monopoly-Partien kennzeichnet. Ich löse überhaupt kein Problem von Monopoly. Ich löse höchstens mein Problem mit Monopoly und tausche es gegen die Probleme ein, die Kniffel hat.

3. Es muss unterscheiden werden zwischen mit einer Antinomie umgehen und eine Antinomie auflösen. Die Unterscheidung ist einfach: Wenn ich mit einer Antinomie umgehe schaffe ich es in einer Situation die widersprüchlichen Handlungsanforderungen in einer funktionalen Art und Weise zu bewältigen. Habe ich die Antinomie aufgelöst, gibt es keine Möglichkeit mehr, wie dieses Problem noch einmal auftreten könnte.

Nun möchte ich nochmal auf einzelne Beiträge eingehen:

---------------------------------------------------
@Vermi
Zitat
Der SL ist der Gegenspieler der Spieler. Der SL ist der Schiedsrichter.
Das ist ein hervorragender Punkt! Mich erinnert das daran, dass meine Großmutter mit der ich unlängst einen Familiendungeoncrawl spielte, es als Anmaßung meinerseits empfand, dass ich sowohl über die Regeln entschied als auch als Gegenspieler auftrat. Das heißt, mir ist jetzt erst klar geworden, was sie an meiner SL-Rolle so gestört hat.

Zitat
Kämpfe sollen spannend sein. Charaktere sollen keine bedeutungslosen Tode sterben.
Unterschreibe ich auch mit Nachdruck und kenne ich ua aus DnD wo mein SL im Sinne der gemeinsamen Kampagne sich Kommentarlos über meinen eigentlichen Charaktertod hinweg gesetzt hat :)

---------------------------------------------------
@1of3
Zitat
Dein Beispiel ist, Minne, da schon interessant: Mann kann einfach die SL streichen. Mann kann auf Kampfsysteme verzichten und auf offizielle Abenteuer. Das sind alles Höllen, die wir uns selbst graben.
Zunächst würde ich auf Punkt zwei dessen, was ich oben geschrieben habe, verweisen. Aber wichtig scheint mir hier noch etwas anderes zu sein: Klar kann man auf den SL verzichten, aber will man das? Welche Konsequenzen hat das? Ich würde zum Beispiel sagen, dass ich in spielleiterlosem Rollenspiel nie das Gefühl hatte, etwas "erreicht" zu haben oder nie die Spannung der Bedrohung empfand. Hier zeigt sich für mich, dass die Machtantinomie zwischen SL und Spielern durchaus ein Spannungsverhältnis hervorbringt, indem ein spezifischer Reiz des Rollenspiels im engeren Sinne liegt. Nimmt man dies weg, hat man nicht unbedingt (aber meiner subjektiven Erfahrung nach oft) ein schlechtes Spiel, aber in jedem Fall ein anderes. Und hier würde ich betonen, dass die Konstitutiven Antinomien eben kein "Fehler" sind, sondern eben auch als etwas, was den Reiz eines Spiels ausmachen kann. Denn sie sind eben Quell von Problemen mit denen immer wieder umgegangen werden muss und das ist eben auch ein Element eines Spiels.

---------------------------------------------------
@Condor

Zitat
Konstitutiv bedeutet dann ja wohl, dass man die Antinomie nicht einfach auflösen kann, ohne dass etwas verloren geht, ja? Ob das wirklich jeweils vorliegt, hängt aber sicher wieder von den Präferenzen der Spieler ab.

Beispiel: Risiko des Scheiterns vs. Risiko der Spannungslosigkeit. Sofern die Spieler nicht grundsätzlich frustriert sind, sobald etwas mal nicht gelingt, kann der SL Herausforderungen oft auch so konstruieren, dass ein (partielles) Scheitern keine Sackgasse für die Story bedeutet (klassisch: alle tot).

Was du beschreibst, ist nicht das Lösen eines Problems, sondern der Umgang mit einem Problem: Statt totalem Scheitern baut man eben ein partielles Scheitern ein, welches wieder neue Möglichkeiten eröffnet. Aber auch dies ist als Prinzip ist nicht beliebig belastbar, ohne dass eine Situation erzeugt wird, in der etwa die Bedrohung oder Glaubwürdigkeit der Welt entwertet wird.

-----------------------------------------------------
@Rettet den Wald
Zitat
...Ich halte das nicht für eine Antimonie. Das Ziel ist hier im Prinzip einfach nur, eine Herausforderung zu bieten, die zwar fordernd, aber schaffbar ist. "fordernd" ist allerdings kein Widerspruch zu "schaffbar".
Der Punkt hierbei ist doch, dass es keine objektive instanz gibt, von der "schaffbar" eindeutig bewertet werden kann. Faktisch ist es doch so, dass es beim scheitern von Gruppen sehr häufig geschieht, dass dieses scheitern der Planung der sl zugeschrieben wird. Diese kann sich nur darauf zurückziehen, dass sie es sehr wohl schaffbar konzipiert habe und die SpielerInnen es eben verbockt hätten. Das Problem lässt sich außer in extremen Fällen überhaupt nicht lösen.

Ansonsten kann ich mir nicht vorstellen, dass du alle deine Entscheidungen in jedem Kontext durchziehen kannst, ohne damit anzuecken.

----------------------------------------------------
Insgesamt ist es nicht sehr hilfreich hier zu meinen, diese Probleme mit euren persönlichen Präferenzen zu lösen. Denn es geht hier eher darum, das Rollenspiel als Interaktionssystem zu beschreiben als darum, wie ihr Persönlich mit solchen Fragen umgeht. Denn dass ihr irgendwie mit diesen Antinomien umgeht ist mir klar, denn sonst würde das Rollenspiel ja garnicht funktionieren. Wenn ihr euch für eine Handlungsalternative entscheidet, impliziert das aber, dass ihr euch auch anders entscheiden könntet. Viele Diskussionen im Forum drehen sich um die unterschiedliche Bewertung der Handlungsalternativen, die sich einem im Rollenspiel bieten. Die Antinomien in den Blick zu nehmen heißt sich weniger zu fragen, wer jetzt recht hat und wer nicht, sondern wo die systematischen Widersprüche liegen, die diese Diskussionen erst hervorbringen.
« Letzte Änderung: 12.01.2013 | 15:30 von Minne »

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Re: Konstitutive Antinomien des Rollenspiels
« Antwort #16 am: 12.01.2013 | 15:47 »
Mir ist noch etwas aufgefallen, was als Antinomie gelten könnte: "Die Werte des Spielercharakters sollen von Bedeutung sein / die Kompetenz des Spielers soll von Bedeutung sein". Daraus ergeben sich viele Debatten darüber, ob soziale Interaktion ausgewürfelt oder ausgespielt werden sollte.

Das ist häufig nicht einfach auflösbar, weil eigentlich ja doch beides - Spielerkompetenz und Charakterkompetenz - Bedeutung haben sollte.
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
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Re: Konstitutive Antinomien des Rollenspiels
« Antwort #17 am: 12.01.2013 | 15:52 »
Die Formulierung passt so nicht. Erstens ist das richtige Verwenden der Werte eine Spielerhandlung: Ein Charakter spielt sich nicht selbst. Zweitens passiert dieser Gegensatz nie beim Schnetzeln von Monstern und Werfen von Feuerbällen. Die Frage tritt nur bei Kenntnissen und sozialer Interaktion auf, Dingen also, die am Spieltisch erledigt werden können.


Offline rettet den wald

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Re: Konstitutive Antinomien des Rollenspiels
« Antwort #18 am: 12.01.2013 | 16:20 »
2. Es muss unterschieden werden zwischen dem wechseln des Spiels und dem "Lösen" einer Antinomie. Wenn ich etwa den SL abschaffe, dann erschaffe ich damit ein grundsätzlich anderes Spiel. Ich mag damit zwar praktisch ein subjektives Problem, welches ich vielleicht mit der Antinomischen Struktur eines Spiels habe, lösen, aber praktisch tausche ich nur ein Problem gegen ein anders aus (auch wenn ich mit dem anderen Problem vielleicht besser umgehen kann). Einfaches Beispiel: Wenn ich Monopoly gegen Kniffel austausche, dann löse ich damit nicht die Mitleid vs Habgier Antinomie, die so viele Monopoly-Partien kennzeichnet. Ich löse überhaupt kein Problem von Monopoly. Ich löse höchstens mein Problem mit Monopoly und tausche es gegen die Probleme ein, die Kniffel hat.

Stimmt, in einem SL-losen System ist die Erfahrung eine ganz andere als in einem SL-basierten System. Ich bin allerdings skeptisch, ob sich dieser "Wenn die Antimonie nicht mehr da ist, ist es kein klassisches Rollenspiel mehr"-Ansatz auf alle Auflösungsmethoden anwenden lässt. Ich habe oben beispielsweise schon erwähnt, dass sich der Gegner/Schiedsrichter-Widerspruch auflösen lässt, indem man einem Spieler die Rolle des Gegners zuweist. Wäre das auch schon ein komplett anderes Spiel? Der Typ muss vom Regelwerk her nichtmal irgendwelche besonderen Privilegien erhalten: Er spielt einen Charakter wie alle anderen auch, nur dass dieser Charakter halt der Gegner der restlichen Gruppe ist. Wo zieht man da die Grenze zwischen "anderes Spiel" und "nicht anderes Spiel"?



3. Es muss unterscheiden werden zwischen mit einer Antinomie umgehen und eine Antinomie auflösen. Die Unterscheidung ist einfach: Wenn ich mit einer Antinomie umgehe schaffe ich es in einer Situation die widersprüchlichen Handlungsanforderungen in einer funktionalen Art und Weise zu bewältigen. Habe ich die Antinomie aufgelöst, gibt es keine Möglichkeit mehr, wie dieses Problem noch einmal auftreten könnte.

Ok, hier habe ich noch Erklärungsbedarf: Weiter oben habe ich gesagt, dass ich bei vielen dieser Antimonien ganz einfach eine der beiden sich widersprechenden Aussagen für unwichtig erklären kann, und mich dann nur nach der anderen richte. Habe ich sie dann aufgelöst, oder gehe ich damit um?



Der Punkt hierbei ist doch, dass es keine objektive instanz gibt, von der "schaffbar" eindeutig bewertet werden kann. Faktisch ist es doch so, dass es beim scheitern von Gruppen sehr häufig geschieht, dass dieses scheitern der Planung der sl zugeschrieben wird. Diese kann sich nur darauf zurückziehen, dass sie es sehr wohl schaffbar konzipiert habe und die SpielerInnen es eben verbockt hätten. Das Problem lässt sich außer in extremen Fällen überhaupt nicht lösen.

Ich halte die Schwierigkeit einer Aufgabe sehr wohl für halbwegs objektiv bewertbar: Du nimmst eine relativ große Anzahl an Datenpunkten (also Playtest-Sessions), und dann schaust du dir den Prozentsatz der Gruppen an, die erfolgreich waren. Natürlich kannst du das schlecht in deiner Privatrunde machen, aber ein Gamedesigner hat hier durchaus die Möglichkeit, die entsprechenden Daten aufzutreiben. Aus diesem Grund gibt es in D&D ja auch für die einzelnen Monster unterschiedliche Challenge-Ratings, die der SL einfach nur im Buch nachschauen muss.

Persönliche Meinung von mir: Wenn die Gruppe scheitert und dann unabhängig von der tatsächlichen Ursache zuallererst mal dem SL die Schuld dafür in die Schuhe geschoben wird, dann ist das auf gar keinen Fall ein grundsätzliches Problem des Rollenspiels, sondern einfach fehlende Sportlichkeit von Seiten der Spieler. Meiner Erfahrung nach können gute Spieler durchaus beurteilen, ob ihr Scheitern auf ihre eigenen Fehler zurückzuführen ist oder ganz einfach auf ein zu schweres Abenteuer. Wer aufgrund eigener Fehler gescheitert ist und dann den SL deswegen anjammerst, ist in meinen Augen einfach ein schlechter Verlierer.



Insgesamt ist es nicht sehr hilfreich hier zu meinen, diese Probleme mit euren persönlichen Präferenzen zu lösen. Denn es geht hier eher darum, das Rollenspiel als Interaktionssystem zu beschreiben als darum, wie ihr Persönlich mit solchen Fragen umgeht. Denn dass ihr irgendwie mit diesen Antinomien umgeht ist mir klar, denn sonst würde das Rollenspiel ja garnicht funktionieren. Wenn ihr euch für eine Handlungsalternative entscheidet, impliziert das aber, dass ihr euch auch anders entscheiden könntet. Viele Diskussionen im Forum drehen sich um die unterschiedliche Bewertung der Handlungsalternativen, die sich einem im Rollenspiel bieten. Die Antinomien in den Blick zu nehmen heißt sich weniger zu fragen, wer jetzt recht hat und wer nicht, sondern wo die systematischen Widersprüche liegen, die diese Diskussionen erst hervorbringen.

Im Ausgangspost hast du behauptet, diese Antimonien sind fürs Rollenspiel konstitutiv, das heißt du kannst sie nicht auflösen. Ich habe widersprochen, indem ich aus meiner persönlichen Erfahrung heraus sage, dass man das sehr wohl kann. Wenn es auch nur eine Rollenspielgruppe gibt, für die diese Antimonien nicht existieren, sind sie fürs Rollenspiel nicht konstitutiv.

Weiters hast du behauptet, die Auflösung dieser Antimonien durch "kohärentes" Systemdesign wäre schlecht. Und das halte ich einfach nur für Blödsinn, weshalb ich diese Aussage nicht unkommentiert stehen lassen wollte.

...Soweit zu meinen Gründen, warum ich mit persönlichen Präferenzen argumentiere.
« Letzte Änderung: 12.01.2013 | 16:22 von rettet den wald »
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Re: Konstitutive Antinomien des Rollenspiels
« Antwort #19 am: 12.01.2013 | 16:59 »
Die Formulierung passt so nicht. Erstens ist das richtige Verwenden der Werte eine Spielerhandlung: Ein Charakter spielt sich nicht selbst. Zweitens passiert dieser Gegensatz nie beim Schnetzeln von Monstern und Werfen von Feuerbällen. Die Frage tritt nur bei Kenntnissen und sozialer Interaktion auf, Dingen also, die am Spieltisch erledigt werden können.

Die Spielerkompetenz ist beim Werfen von Feuerbällen ja auch nicht vorhanden, daher wird automatisch die Charakterkompetenz genommen.

In Bereichen jedoch, in denen der Spieler kompetent ist (soziale Interaktion, Kenntnisse), tritt eben der Widerspruch auf zwischen dem, was der Spieler kann, und dem, was der Charakter laut der Spielregeln kann.

Was dir an der Formulierung nicht passt, ist mir schleierhaft. Natürlich spielt der Charakter sich nicht selbst, aber darum geht es auch gar nicht. Es geht einerseits um den Unterschied zwischen Spieler- und Charakterkompetenz (und der Tendenz, am liebsten die höchste Kompetenz verwenden zu wollen), und um den Unterschied zwischen "der Ausgang einer Szene soll an meiner Darstellung der Rolle hängen" und "der Ausgang der Szene soll von den benutzten Regeln abhängen".
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Re: Konstitutive Antinomien des Rollenspiels
« Antwort #20 am: 12.01.2013 | 17:11 »
In Bereichen jedoch, in denen der Spieler kompetent ist (soziale Interaktion, Kenntnisse), tritt eben der Widerspruch auf zwischen dem, was der Spieler kann, und dem, was der Charakter laut der Spielregeln kann.

Das passiert auch bei Leuten, die da nicht kompetent sind.
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Re: Konstitutive Antinomien des Rollenspiels
« Antwort #21 am: 12.01.2013 | 17:39 »
Na, ergänz es um "vermeintlich kompentent".  ;)
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Re: Konstitutive Antinomien des Rollenspiels
« Antwort #22 am: 13.01.2013 | 12:48 »
@Minne: Die Argumentation für die deine ursprüngliche These liest sich für mich, bei allem Respekt, wie eine petitio principii:

Macht jemand einen Vorschlag, warum die "Antinomie" eben nicht zwingend konstitutiv ist, erklärst du, dass sie damit nur umgangen wird, das Spiel verändert etc. Du setzt die Zwangsläufigkeit deines Problems voraus statt sie zu beweisen.

Wenn das deiner Spielerfahrung entspricht, dann ist es eben so und kann tatsächlich nicht geändert werden. Andere Spieler haben andere Erfahrungen.

Was ich interessanter finde, ist die Frage: Sind die Widersprüche nun in irgendeiner Weise funktional oder grundsätzlich dysfunktional?
Für die einen ist es DSA - für die anderen der längste Inside-Joke aller Zeiten.

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Re: Konstitutive Antinomien des Rollenspiels
« Antwort #23 am: 13.01.2013 | 13:40 »
Was ich interessanter finde, ist die Frage: Sind die Widersprüche nun in irgendeiner Weise funktional oder grundsätzlich dysfunktional?
In höchstem Maße funktional ist die Integration von Widersprüchen. Wenn der SL sich entweder aus der Position des Schiedsrichters oder der des Gegners entzieht, ist der Widerspruch zwar gelöst, aber das Spiel um eine wesentliche Facette ärmer. Wenn der SL es aber schafft, beides trotz des Widerspruchs zu integrieren, ist es eine Bereicherung für das Spiel.

Das Prinzip der Widerspruchsintegration ist übrigens sehr elementar und wird von der Natur auf verschiedenen Organisationsebenen immer wieder hervorgebracht, weil es so gewinnbringend ist. Unsere beiden Gehirnhälften arbeiten beispielsweise widersprüchlich. Die linke Gehirnhälfte dekontextualisiert das Geschehen, um Einzelheiten zu fokussieren, während die Rechte alles in den Kontext einbindet und kein Auge für Einzelheiten hat. Das ist ein Widerspruch insofern, als man beides nicht gleichzeitig haben kann. Die gewinnbringende Lösung besteht aber keinesfalls darin, auf die eine oder die andere Funktion komplett zu verzichten (es gibt mehr als genug Genossen, die es tun, aber sie sind allesamt kein Gewinn), sondern darin, die Synthese trotz des Widerspruchs zu suchen und zu finden. Dieses Prinzip, das viel elementarer ist als das Rollenspiel, findet seine Anwendung selbstverständlich auch im Rollenspiel.
Spielertyp: Modellbauer. "Ich habe das Rollenspiel transzendiert."

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