Ich als Spielleiter habe noch nie versucht, etwas derartiges zu machen... Einige Spielleiter unter denen ich gespielt habe haben es versucht, aber ich war davon eigentlich immer ziemlich frustriert. Wenn ich das Gefühl habe, dass es eh komplett egal ist, was ich mache, weil die schlimmen Dinge ohnehin passieren werden, dann fühlt sich das für mich zu sehr nach Railroading an. Kann sein dass man dieses Konzept besser umsetzen kann, aber hier habe ich keine Erfahrungen aus erster Hand (die hier genannten Systeme habe ich noch nicht gespielt).
Ich denke nicht, dass ein Spielsystem gutes Storytelling und Rollenspiel ersetzen kann, oder überhaupt diese Aufgabe haben sollte, aber das nur am Rande.
Ich denke der Trick ist hier, dass ein Railroading nicht zu spürbar ist. Spürbar wird es immer dann, wenn man künstlich alle Versuche der Spieler vereiteln muss, das Übel abzuwenden. Stattdessen muss man das Szenario schon so aufbereiten, dass es keine reelle Chance gibt, es abzuwenden, wenn es für den weiteren Spielverlauf wichtig ist, dass die Tragödie passiert, und wenn das der Fall ist, kann man nämlich auch mit der Hoffnung der Spieler arbeiten. Man kann ihnen dann ihre Teilerfolge beim Versuch das Unglück abzuwenden erlauben, was den Spielern die Aussicht gibt, etwas verändern zu können, und nicht nur Marionette des Spielverlaufs zu sein. Und umso gemeiner trifft es, wenn man am Ende offenbart wie das Gesamtdilemma aussieht.
Beispiele:
Angriff auf eine Stadt/Festung, in der die Helden versuchen bei der Verteidigung zu helfen. Übermächtige Kräfte brechen über die Verteidiger herein, und es sieht so aus als können die Helden nur zusehen, wie alles abgeschlachtet und abgebrannt wird. Wenn die Spieler aber sehr engagiert sind, das nicht zu zulassen, dann könnten sie versuchen die Zivilisten aus der Stadt zu eskortieren und zu retten, und das darf ihnen dann auch gelingen, ohne dass es etwas an den Gesamtgeschehnissen ändern muss.
Die Helden erreichen ihr Ziel, konnten einige oder sogar viele Leute retten, aber als sie mit den Flüchtlingen auf einem Hügel ausserhalb der Stadt ihre Flucht stoppen, um zurück zu blicken, sehen sie von der Stadt nur noch brennende Ruinen. Eine gerette Frau fragt wo ihr Mann sei, und als klar wird, dass er und viele, viele andere es nicht aus der Stadt schafften, wird das Ausmaß der Tragödie klar. Die Helden konnten zwar ihren Teil tun, aber die gescriptete Tragödie war unabwendbar. Ein Kompromiss aus Einflussnahme und Geschichte voran treiben.
Anderes Beispiel:
Der Charakter begeht einen fatalen Fehler und wird aus seinem Heimatdorf geprügelt und verbannt. Frei von schlechten Intentionen und vielleicht auch Schuld ist das für den Charakter tragisch, und er versucht, dass ihm irgendwie verziehen wird, oder der Missstand behoben wird. Hier wäre es auch wieder zu hartes Railroading, dem Charakter sämtliche Versuche zu verwehren.
Stattdessen könnte der Charakter bei seiner besten Freundin im Dorf Gehör finden, vielleicht einiges wieder gut machen, und eine Wahrheit ans Licht bringen, die ihn von der Schuld befreit. Am Ende ist ihm versichert, dass die Freundin ihm glaubt und weiß, dass er keine schlechte Absichten hegte, ABER sie teilt ihm auch mit, dass die Dorfbewohner trotz ihrer wiederholten Bemühungen nichts davon hören wollen und seine Verbannung weiterhin besteht.
So hatte der Spieler wiederum die Möglichkeit, sich mit seinem Schicksal zu messen und Erfolge zu erzielen, aber letztlich setzt sich doch der Spielverlauf durch und die Geschichte kann in geplanten Bahnen fortlaufen. Und im Grunde wurde es durch seinen Einsatz nur noch tragischer, da die Bemühungen nicht fruchten konnten, und die Freundin im Dorf verbleibt, und er sie nicht mehr sehen kann, obwohl sie doch an seine Unschuld glaubt.
Also letztlich ist es denke ich einfach eine Sache von guter Inszenierung, dass man Tragödie absichtlich als Storyelement einbauen kann. Wenn das aber zu niederschlagend auf die Spieler wirken könnte, sollte man wohl immer auch einen Sündenbock inszenieren. Jemand der Schuld an der Tragödie hat und der seiner gerechten Strafe zugeführt werden muss, so dass für die Spieler eher ein Antrieb entsteht als Demotivation.
Im Grunde muss man einfach simple Psychologie beachten. Wenn der Spieler Einsatz zeigt, etwas zu verändern, dann sollte man ihm Erfolgshäppchen zukommen lassen. Schließlich ist das ja erwünscht und muss belohnt werden, sonst wird sich der Spieler zum passiven Beobachter entwickeln, wenn man ihn einfach nur gegen eine unsichtbare Spielleiter-Mauer laufen lässt.