Autor Thema: Warum ich nicht an Balancing glaube.  (Gelesen 63165 mal)

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Offline Feuersänger

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Re: Warum ich nicht an Balancing glaube.
« Antwort #400 am: 22.03.2013 | 17:57 »
Eine Frage, die sich mir dabei stellt, ist:
Sind Systeme, die auf Optimierung ausgelegt sind, in denen es also objektiv bessere und schlechtere Wahlmöglichkeiten gibt, per se unbalancierter?
Je mehr ich meinen Charakter minmaxen kann, desto größer ist doch die Gefahr, dass ich einen Charakter baue, der das ganze System kippen lassen kann, oder?

Das würde ich nicht unbedingt sagen. Es hängt nur davon ab, wo die Obergrenze der Optimierung sich befindet. Wenn die Designer gut aufgepasst haben, kann selbst der bestoptimierte Char das Spiel nicht sprengen, obwohl er sich klar von seinem nichtoptimierten 08/15-Kameraden abhebt.

In der Regel ist das "Geheimnis" für starke Charaktere in solchen Optimierersystemen: Synergien. Ein Feat / Edge etc für sich genommen macht das Kraut nicht fett -- und wenn doch, ist das meistens so offensichtlich, dass es sich um einen Hartholzharnisch handelt -- sondern die Verbindung aus mehreren Optionen.
Das Problem ist nun, dass manche Designer Optionen erfinden, die ungeplante und ungewollte Synergien ermöglichen. Sowas ist nicht grundsätzlich ein Mangel im Konzept, sondern lediglich ein Glitch, zu dem es freilich umso eher kommt, je mehr Material es gibt, weil dann die Designer eher den Überblick verlieren. Denn 5 oder 10 Designer können schonmal was übersehen, aber unter zigtausenden Spielern (so Gott will) gibt es garantiert jemanden, dem das auffällt.
Der :T:-Sprachführer: Rollenspieler-Jargon

Zitat von: ErikErikson
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Offline Crimson King

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Re: Warum ich nicht an Balancing glaube.
« Antwort #401 am: 22.03.2013 | 18:18 »
Eine Frage, die sich mir dabei stellt, ist:
Sind Systeme, die auf Optimierung ausgelegt sind, in denen es also objektiv bessere und schlechtere Wahlmöglichkeiten gibt, per se unbalancierter?
Je mehr ich meinen Charakter minmaxen kann, desto größer ist doch die Gefahr, dass ich einen Charakter baue, der das ganze System kippen lassen kann, oder?

Jetzt melde ich mich doch noch mal.

Nach meiner Erfahrung sind gerade Systeme, in denen es objektiv hervorstechend bessere und schlechtere Wahlmöglichkeiten gibt, von den Designern nicht als gamistische Optimierersysteme konzipiert, werden aber gerne entsprechend zweckentfremdet. Im Ergebnis ist VtM dann kein tragisches Epos von verfluchten Monstern, die versuchen, Mensch zu bleiben, sondern Antihelden mit Fängen und kewl powerz. Wenn man VtM dann aber doch im Sinne der Autoren spielt, kann man die Balancingprobleme ignorieren, weil der Fokus des Spiels auf anderen Aspekten liegt.

Sinnvoll und vor allem interessant ist Optimierung aus meiner Sicht vor allem dann, wenn sie lediglich ein paar Prozent raus kitzelt und dementsprechend das Zünglein an der Waage, den kleinen Vorteil beim Überwinden der gestellten Herausforderungen ausmacht, aber niemals das Spiel bricht.
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J.W. von Goethe

Offline Gorilla

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Re: Warum ich nicht an Balancing glaube.
« Antwort #402 am: 22.03.2013 | 19:08 »
@gorilla: wenn ich dich richtig verstehe bist du ja eher für soziales Balancing als für mechanisches. Wie siehst du die Kosten dieser Vorgehensweise?
Ja, stimmt. Ich bin für soziales Balancing. Kosten sehe ich da allerdings keine - es ist imho eher eine Frage der Fairness. Ziel soll ja sein, dass alle am Spiel beteiligten ihren Spaß daran finden (denke ich).
Soziales Balancing kann man nun durch unterschiedliche Maßnahmen erreichen, die oftmals auch Hand in Hand gehen:
- durch mechanisches Balancing, das dafür sorgt, dass grundsätzlich jeder gleichwertige Ausgangsituationen nutzen kann
- durch Screentime-Balancing/Spotlights, das dafür sorgt, dass jeder seinen Zeitanteil am Spiel erhält
- durch Eingehen auf besondere Spielerwünsche, die ausgesprochen werden
- durch den grundsätzlichen Versuch, so weit wie möglich als Spielteilnehmer (nicht zwangsläufig als Charaktere) miteinander zu agieren
- durch Einbeziehung sonstiger formeller und informeller Regeln, die den Ablauf am Spieltisch regeln
Wichtig ist dabei ja vor allem, dass es nahezu egal ist, inwiefern das jeweils genutzte System gebalanct ist; es ist entscheidend (und imho ausschließlich entscheidend), dass die einzelne, jeweilige Spielgruppe ihre Balance findet.

Zitat
Effektiv umfährt man damit ja ein Hinderniss anstatt es aus dem Weg zu räumen. Was auch nicht ohne Effekt bleibt. Gerade größere Distanz und stärkeres OOC Denken würde ich dort als Probleme sehen.
Ich könnte jetzt nicht feststellen, wo das zu größerer Distanz/geringer Immersion führen muss. Ob jetzt ein Spieler darüber nachdenkt, wieviele Felder er sein Figürchen bewegt, wie er die Rede formulieren soll oder welche seiner Fertigkeiten er jetzt einsetzt - das kann alles in gut oder schlecht mechanisch balancierten Systemen vorkommen.
Je mehr soziales Balancing aber gegeben ist, desto mehr kann der Spieler sich darauf verlassen, "dass es schon läuft" - vorausgesetzt natürlich, das System ist in der Lage für ein vernünftiges Maß an Transparenz zu sorgen und der Spieler kann anhand seines Charakterprofils auch erkennen, dass er seine Rolle auch systemseitig umsetzen und erfüllen kann.

Zitat
Wie denkst du darüber, und warum glaubst du der Preis wäre dies wert (wenn du dies glaubst)?
Ich erkenne keinen Preis. Deshalb glaube ich, die Sache ist es wert ;)

Eulenspiegel

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Re: Warum ich nicht an Balancing glaube.
« Antwort #403 am: 22.03.2013 | 19:21 »
Ich könnte jetzt nicht feststellen, wo das zu größerer Distanz/geringer Immersion führen muss. Ob jetzt ein Spieler darüber nachdenkt, wieviele Felder er sein Figürchen bewegt, wie er die Rede formulieren soll oder welche seiner Fertigkeiten er jetzt einsetzt - das kann alles in gut oder schlecht mechanisch balancierten Systemen vorkommen.
Ich glaube, darum ging es ihm nicht.
Bei einem balancierten System kann sich der Spieler denken: "Was würde mein SC jetzt tun, wenn er real wäre?"

Bei einem unbalancierten System müsste der Spieler jedoch auch denken: "Kann ich das tun, was mein SC tun würde oder sollte ich mich meiner Mitspieler zuliebe zurückhalten?"

Die erste Überlegung unterstützt einem bei der Immersion. Die zweite Überlegung reißt einen jedoch wieder heraus.

Offline Falke359

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Re: Warum ich nicht an Balancing glaube.
« Antwort #404 am: 22.03.2013 | 19:51 »
Ich glaube, darum ging es ihm nicht.
Bei einem balancierten System kann sich der Spieler denken: "Was würde mein SC jetzt tun, wenn er real wäre?"

Bei einem unbalancierten System müsste der Spieler jedoch auch denken: "Kann ich das tun, was mein SC tun würde oder sollte ich mich meiner Mitspieler zuliebe zurückhalten?"

Die erste Überlegung unterstützt einem bei der Immersion. Die zweite Überlegung reißt einen jedoch wieder heraus.

Die These lautet also: Je weniger ich mir Gedanken darüber machen muss, ob ich mit meinen Aktionen andere Mitspieler übervorteile oder ihnen das Spotlight raube, umso einfacher ist es, mich in das Spielgeschehen zu vertiefen und Zeit für die wichtigen Dinge zu haben.

Deshalb die Rückfrage an Gorilla: Wenn man die Bedeutung von mechanischem Balancing zurückschraubt und mehr über soziales Balancing löst, kostet das dann nicht auch Zeit und Energien, die man besser ins Spiel investiert?
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Offline Seelachs

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Re: Warum ich nicht an Balancing glaube.
« Antwort #405 am: 22.03.2013 | 20:27 »
Grundgütiger. Soviele Beiträge und alle reden aneinander vorbei.
Rollenspiele sind eben nicht gleich Rollenspiele. Um zusammen eine Geschichte zu erleben braucht es kein Balancing. Solche Spiele spielt Gorilla gerne. Um ein taktisches Kampfspiel zu spielen, das mit ein wenig Fluff ausgeschmückt ist, weil ein Zettel voller Zahlen langweiliger ist, als ein Zettel voller Zahlen und bunter Bilder und dem Namen "Bob der Krieger" in der ersten Zeile, dann braucht man es schon. So wie jedes andere ordentliche Strategiespiel auch.
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Offline Glühbirne

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Re: Warum ich nicht an Balancing glaube.
« Antwort #406 am: 22.03.2013 | 20:47 »
Rollenspiele sind eben nicht gleich Rollenspiele. Um zusammen eine Geschichte zu erleben braucht es kein Balancing.

Aber Balancing hilft einem dabei.

Offline Seelachs

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Re: Warum ich nicht an Balancing glaube.
« Antwort #407 am: 22.03.2013 | 21:15 »
Es geht. Das ist dann reine SL Aufgabe meines Erachtens.

Offline Sashael

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Re: Warum ich nicht an Balancing glaube.
« Antwort #408 am: 22.03.2013 | 21:18 »
Es geht. Das ist dann reine SL Aufgabe meines Erachtens.
Was genau ist deines Erachtens reine SL Aufgabe?
"Ja natürlich ist das Realitätsflucht. Was soll daran schlecht sein? Haben Sie sich die Realität in letzter Zeit mal angesehen? Sie ist grauenhaft!"


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Offline Seelachs

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Re: Warum ich nicht an Balancing glaube.
« Antwort #409 am: 22.03.2013 | 21:41 »
Das "Balancing" in erzählorientiertem Rollenspiel. Da ist es sogar seine einzige Aufgabe. Denn einfach Erzählen könnten die Spieler auch ohne ihn. Aber damit es nicht auf "ich töte den Drachen" - "nein ich töte den Drachen" hinausläuft, ist da ein SL, der mithilfe irgendwelcher Würfelmechanismen und ähnlichem dafür sorgt, dass jeder Rolle in der Geschichte genug Bedeutung und Einfluss zukommt. Wie ausbalanciert die Charakter-darstellenden Mechanismen und das Probenmodell etc. sind, ist da sehr nebensächlich. Wie "ausbalanciert" das im Spiel letztendlich ist definiert sich nämlich sowieso dadurch, welchen Einfluss man dadurch auf die Geschichte nehmen kann, und das liegt letzten Endes immer am SL. Der ist der wohlwollende Despot am Spieltisch, der dafür sorgt, dass alle glücklich sind. Esseidenn man bespielt ein System mit Player-Empowerment-Elementen ... dann ist der SL der wohlwollende Bundespräsident, der dafür sorgt, dass alle glücklich sind.  :D

Offline Bad Horse

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Re: Warum ich nicht an Balancing glaube.
« Antwort #410 am: 22.03.2013 | 21:45 »
Gerade im erzählorientierten Spiel sollte jeder Spieler darauf achten, dass seine Mitspieler auch zum Zug kommen.

Wir haben sowas auch schon ohne SL gespielt, und es war wirklich kein Problem - weil eben jeder auf den anderen geachtet hat. Erzählorientiert zu spielen, ohne dass die Spieler selber Rücksicht aufeinander nehmen, sondern sich darauf verlassen, dass das schon der SL machen wird, funktioniert meistens nicht so gut.
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
The best lack all conviction, while the worst are full of passionate intensity.

Korrekter Imperativ bei starken Verben: Lies! Nimm! Gib! Tritt! Stirb!

Ein Pao ist eine nachbarschaftsgroße Arztdose, die explodiert, wenn man darauf tanzt. Und: Hast du einen Kraftsnack rückwärts geraucht?

Offline Crimson King

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Re: Warum ich nicht an Balancing glaube.
« Antwort #411 am: 22.03.2013 | 21:51 »
Gerade im erzählorientierten Spiel sollte jeder Spieler darauf achten, dass seine Mitspieler auch zum Zug kommen.

Wir haben sowas auch schon ohne SL gespielt, und es war wirklich kein Problem - weil eben jeder auf den anderen geachtet hat.

Gerade ohne SL wird üblicherweise sehr stark darauf geachtet, wie die Szenen verteilt werden. Üblicherweise läuft das reihum. Bei Polaris, Fiasco und anderen Systemen wird das sogar durch das System vorgegeben.
« Letzte Änderung: 22.03.2013 | 21:52 von Metal King »
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Re: Warum ich nicht an Balancing glaube.
« Antwort #412 am: 22.03.2013 | 21:54 »
Gerade ohne SL wird üblicherweise sehr stark darauf geachtet, wie die Szenen verteilt werden. Üblicherweise läuft das reihum. Bei Polaris, Fiasco und anderen Systemen wird das sogar durch das System vorgegeben.

Was wiederum balancing ist, mMn.

Offline Arldwulf

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Re: Warum ich nicht an Balancing glaube.
« Antwort #413 am: 22.03.2013 | 23:11 »
Ich glaube, darum ging es ihm nicht.
Bei einem balancierten System kann sich der Spieler denken: "Was würde mein SC jetzt tun, wenn er real wäre?"

Bei einem unbalancierten System müsste der Spieler jedoch auch denken: "Kann ich das tun, was mein SC tun würde oder sollte ich mich meiner Mitspieler zuliebe zurückhalten?"

Die erste Überlegung unterstützt einem bei der Immersion. Die zweite Überlegung reißt einen jedoch wieder heraus.

Exakt.

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Re: Warum ich nicht an Balancing glaube.
« Antwort #414 am: 23.03.2013 | 06:55 »
Ich kenne keines (zumindest keines, dass das mechanische Balancing voll und ganz erfüllen würde). Vielleicht einige eher minimalistische Systeme.
Oder vielleicht Malmsturm oder andere "einfachere" FATEs - die Anzahl an "Powers" ist für alle gleich und grundsätzlich hat jeder Charakter auch die gleiche Möglichkeiten, in der Spielwelt zu agieren.
Schauen wir uns bei FATE eines der stärksten Balancingelemente an:
Jeder Spieler hat eine Menge Aspekte. Aber ob und wie diese eingesetzt werden können, ist durch die Fatepunkteanzahl limitiert. Je mehr Fatepunkte Du hast, desto mehr Einflussmöglichkeiten hast Du und desto "effektiver" ist Dein Charakter und desto mehr Spotlight bekommst Du als Spieler. Am Anfang einer Session bekommst Du eine bestimmte Anzahl an Fatepunkten. Du kannst Dir aber Fatepunkte dazubesorgen, indem Du Deine Aspekte als Nachteil Deines Charakters einsetzt. Oder Der SL setzt Deine Aspekte gegen Deinen Charakter ein und bietet Dir einen Fatepunkt an. Wenn aber Nachteile Deines Charakter beleuchtet werden, erhälst Du effektiv Spotlight. (Wenn der SL Dir den Fatepunkt angeboten hat, dann hatte das meistens die Aufgabe die aktuelle Geschichte zu dramatisieren) Du bekommst also mehr Spotlight, indem Du Dich ins Spotlight setzt. Ergo: Das Balancing macht also nicht die Charaktere gleichmächtig, sondern motiviert Dich zum Nachteilausspielen.
Zitat
Ich will kein einzelnes System erheben und kein anderes schlecht reden.
Klar. Ich finde es aber immer erleichternd an Hand von kleinen Beispielen die Probleme besser zu verdeutlichen. Im Prinzip hilft uns das glaube ich die Diskussion voranzubringen.
Btw. ich bin kein FATE-"Fanboy" oder sowas (eigentlich von keinem Rollenspielsystem). Da brauchst Du bei mir keine negativen Reaktionen zu befürchten. :)
Ich bin viel lieber suess als ich kein Esel sein will...
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Joseph Joubert (1754 - 1824), französischer Moralist

Offline Falke359

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Re: Warum ich nicht an Balancing glaube.
« Antwort #415 am: 23.03.2013 | 12:17 »
Grundgütiger. Soviele Beiträge und alle reden aneinander vorbei.
Rollenspiele sind eben nicht gleich Rollenspiele. Um zusammen eine Geschichte zu erleben braucht es kein Balancing. Solche Spiele spielt Gorilla gerne. Um ein taktisches Kampfspiel zu spielen, das mit ein wenig Fluff ausgeschmückt ist, weil ein Zettel voller Zahlen langweiliger ist, als ein Zettel voller Zahlen und bunter Bilder und dem Namen "Bob der Krieger" in der ersten Zeile, dann braucht man es schon. So wie jedes andere ordentliche Strategiespiel auch.
Problem gelöst.

Grundgütiger, diese Erkenntnis haben wir schon längst, aber die Einteilung scheint für die meisten ziemlich grob zu sein (wenn du die Beiträge genau liest).
 :)

Nein, im Ernst, du benennst das Problem natürlich im Kern, allerdings appelliert Gorilla meiner Lesart nach dafür, dass sich Rollenspieler prinzipiell mehr vom (mechanischen) Balancing verabschieden sollen, also die ein Art, Rollenspiel zu betreiben, bevorzugen sollen, weil dies vielleicht prinzipiell die "bessere" Art sei, Rollenspiel zu betreiben. Dem widersprechen andere.
Folge: Diskussion.



@6: Die Fatepunkte müsste man aber in jedem Fall als mechanisches Balancing bezeichnen, oder? In dem Fall kann man ja das Plädoyer von Gorilla ausweiten und die Behauptung in den Raum stellen, FATE funktioniere besser, wenn ich nicht so sehr auf den Punkteverkehr achtet. Meine Erfahrung mit verschiedenen FATE-Runden in unterschiedlichen Gruppen würde diese These sogar unterstützen.

Anderes Beispiel: Ein Rollenspiel, in dem ich nicht so oft in den Regeln nachsehen muss, läuft immens flüssiger und reißt mich weniger aus der Immersion als ein System, bei dem es einfacher ist, ganze Abende zu spielen, ohne auch nur einmal in die Regeln schauen zu müssen. Jetzt ist die Annahme, je mehr Balancing, desto mehr Regeln, natürlich nicht zwingend, aber praktisch ist es doch oft so: Je mehr ein System das Balancing verbessern will, desto komplizierter werden die Regeln, um möglichst jeden Ausnahmefall abzudecken.
« Letzte Änderung: 23.03.2013 | 12:26 von Falke359 »
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Eulenspiegel

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Re: Warum ich nicht an Balancing glaube.
« Antwort #416 am: 23.03.2013 | 12:35 »
Die Fatepunkte müsste man aber in jedem Fall als mechanisches Balancing bezeichnen, oder? In dem Fall kann man ja das Plädoyer von Gorilla ausweiten und die Behauptung in den Raum stellen, FATE funktioniere besser, wenn ich nicht so sehr auf den Punkteverkehr achtet.
Balancing bei Fate ist, wenn alle ungefähr gleich viele Fatepunkte haben.

Unausbalanciert wäre Fate, wenn eine Person deutlich mehr Fatepunkte als eine andere Person hätte. Und das würde das Spiel imho schon stören.

Zitat
Jetzt ist die Annahme, je mehr Balancing, desto mehr Regeln, natürlich nicht zwingend, aber praktisch ist es doch oft so: Je mehr ein System das Balancing verbessern will, desto komplizierter werden die Regeln, um möglichst jeden Ausnahmefall abzudecken.
Gegenthese: Je weniger Regeln, desto mehr Balancing:
- DSA und Midgard haben enorm viele Regeln, sind aber unausbalanciert.
- SEUCOR und Wushu haben extrem wenig Regeln und sind sehr ausbalanciert.

Natürlich geht es auch andersrum. Natürlich gibt es auch balancierte Regelschwergewichte und unausbalancierte Regelleichtgewichte. Aber je weniger Regeln es gibt, desto leichter ist ein mechanisches Balancing herzustellen. Und je komplexer ein Regelsystem ist, desto schwieriger ist da eine Balance einzubauen und desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Autoren irgendetwas übersehen haben, das zur Inbalance führt.

Offline Glühbirne

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Re: Warum ich nicht an Balancing glaube.
« Antwort #417 am: 23.03.2013 | 12:58 »
Anderes Beispiel: Ein Rollenspiel, in dem ich nicht so oft in den Regeln nachsehen muss, läuft immens flüssiger und reißt mich weniger aus der Immersion als ein System, bei dem es einfacher ist, ganze Abende zu spielen, ohne auch nur einmal in die Regeln schauen zu müssen. Jetzt ist die Annahme, je mehr Balancing, desto mehr Regeln, natürlich nicht zwingend, aber praktisch ist es doch oft so: Je mehr ein System das Balancing verbessern will, desto komplizierter werden die Regeln, um möglichst jeden Ausnahmefall abzudecken.

Ich sehe es genau andersherum: Je komplexer ein System, desto mehr Gamebareaker sind drin. Einfache und kleine System haben in der Regel in engeres Machtniveau bei den SC und keine Regeln, die Bestimmten Charakterkonzepten mehr Erzählrechte zuschanzen (Decker bei Shadowrun 3: entweder sie haben mehr Spothlight als alle anderen oder bleiben links liegen)

Überhaupt sind die Komplexen System, die ich kenne in der Regel auch die die Optimierer einen spielplatz zum austoben bieten: D&D 3.5, Shadowrun 3, DSA4 ect. pp

Offline Falke359

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Re: Warum ich nicht an Balancing glaube.
« Antwort #418 am: 23.03.2013 | 13:08 »
Balancing bei Fate ist, wenn alle ungefähr gleich viele Fatepunkte haben.

Unausbalanciert wäre Fate, wenn eine Person deutlich mehr Fatepunkte als eine andere Person hätte. Und das würde das Spiel imho schon stören.

Das liegt ja weniger am Mechanismus, sondern daran, wie ein Spieler sich verhält, wieviele Punkte er sich erspielt, anderen zuschanzt usw.
Ist das Finanzsystem unausbalanciert, wenn ich kein Geld habe, weil ich alles auf den Kopp gehauen hab, während ein anderer spart? Wohl kaum.

Zitat
Aber je weniger Regeln es gibt, desto leichter ist ein mechanisches Balancing herzustellen. Und je komplexer ein Regelsystem ist, desto schwieriger ist da eine Balance einzubauen und desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Autoren irgendetwas übersehen haben, das zur Inbalance führt.

Da stimme ich dir zu, wobei komplexere Regelsysteme aus dieser Problematik heraus vielleicht mehr Anstrengungen unternehmen, Balancing herzustellen, wodurch Spieler und Entwickler dem Thema Balancing mehr Bedeutung zusprechen. Diesen Zusammenhang meinte ich.

Ich sehe es genau andersherum: Je komplexer ein System, desto mehr Gamebareaker sind drin.

Genau das meine ich: Je mehr Gamebreaker drin sind, desto mehr muss sich das System um das Balancing bemühen und umso mehr Bedeutung hat das Thema.

Zitat
Überhaupt sind die Komplexen System, die ich kenne in der Regel auch die die Optimierer einen spielplatz zum austoben bieten: D&D 3.5, Shadowrun 3, DSA4 ect. pp

Genau.
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Offline Falke359

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Re: Warum ich nicht an Balancing glaube.
« Antwort #419 am: 23.03.2013 | 13:10 »
Aber um nochmals kurz auf FATE zu kommen:
Ist es nicht bereits mechanisch unausbalanciert, wenn das System die Möglichkeit bietet, dass der eine Spieler als Aspekt "guter Zuhörer" und der andere "Interstellares Kriegsschiff" hat?

(Und ich finde es fantastisch, dass das in FATE geht, weil es für mich ein Zeichen dafür ist, dass das System auf Balancing im Sinne der Einflussmöglichkeiten der Charaktere auf die Spielwelt keinen übermächtigen Wert legt).
« Letzte Änderung: 23.03.2013 | 13:12 von Falke359 »
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Re: Warum ich nicht an Balancing glaube.
« Antwort #420 am: 23.03.2013 | 13:12 »
@6: Die Fatepunkte müsste man aber in jedem Fall als mechanisches Balancing bezeichnen, oder?
Na klar. Aber zur Präzisierung: Die Limitierung der Einsatzmöglichkeiten der Aspekte ist da das Balancing und nicht die genaue Anzahl der Fatepoints.
Zitat
In dem Fall kann man ja das Plädoyer von Gorilla ausweiten und die Behauptung in den Raum stellen, FATE funktioniere besser, wenn ich nicht so sehr auf den Punkteverkehr achtet.
Das Balance besagt einfach: Benutz Deine Aspekte als Nachteil und Du kannst sie als Vorteil benutzen. Oder kürzer: Aspekt als Nachteil zu nutzen ist gut. EDIT: Auf den Punkteverkehr achtest Du höchstens drauf, wenn Dir die Fatepunkte ausgehen.
Zitat
Anderes Beispiel: Ein Rollenspiel, in dem ich nicht so oft in den Regeln nachsehen muss, läuft immens flüssiger und reißt mich weniger aus der Immersion als ein System, bei dem es einfacher ist, ganze Abende zu spielen, ohne auch nur einmal in die Regeln schauen zu müssen.
Kurzer Einschub:
Du hast Dein Beispiel bereits eingegrenzt: Dieses Beispiel bezieht sich nur darauf, dass Du Immersion erreichen willst. Es gibt aber auch eine ganze Menge andere Spielmotivationen.
Zitat
Jetzt ist die Annahme, je mehr Balancing, desto mehr Regeln, natürlich nicht zwingend, aber praktisch ist es doch oft so: Je mehr ein System das Balancing verbessern will, desto komplizierter werden die Regeln, um möglichst jeden Ausnahmefall abzudecken.
Und diese Annahme ist falsch. Das eigentliche Fatebalancing besteht aus einer handvoll ziemlich intuitiver Regeln (wie wir oben gesehen haben. Nachteile einsetzen ist gut. Mehr muss der Spieler nicht wissen.).

Wie ich schonmal sagte:
Balancing ist ein Werkzeug, um den Fokus immer wieder auf die Vorlieben der Spieler zurückzubringen. Auch im Immersionsspiel benötigist Du eine steuernde Kraft, die Dich immer wieder in Deinen Charakter zurück führt. Wenn diese Kraft fehlt, ist das Spiel unbalanciert und Du fliegst relativ schnell aus der Immersion. Von Gleichmacherei ist da wirklich nicht die Rede. :)
« Letzte Änderung: 23.03.2013 | 13:21 von 6 »
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Re: Warum ich nicht an Balancing glaube.
« Antwort #421 am: 23.03.2013 | 13:46 »
Das liegt ja weniger am Mechanismus, sondern daran, wie ein Spieler sich verhält, wieviele Punkte er sich erspielt, anderen zuschanzt usw.
Ja, aber:
1) Alle starten mit der gleichen Anzahl an Fatepunkten.
2) Alle haben die gleiche Möglichkeit Fatepunkte zu bekommen.

Es ist nicht so, dass ein Spieler oder eine Charakterklasse hier bevorzugt wird.

Ist es nicht bereits mechanisch unausbalanciert, wenn das System die Möglichkeit bietet, dass der eine Spieler als Aspekt "guter Zuhörer" und der andere "Interstellares Kriegsschiff" hat?
Nein. Denn regelmechanisch sind beide Aspekte gleich mächtig.
Man kann mit "Guter Zuhörer" regelmechanisch genau so viel reißen wie mit "interstellares Kriegsschiff".

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Re: Warum ich nicht an Balancing glaube.
« Antwort #422 am: 23.03.2013 | 14:08 »
Naja, Fate hab ich zwar nie gespielt, aber das Prinzip hört sich ähnlich an wie bei Unknown Armies, wo man sich auch seine Zentralfähigkeiten (wie immer die da heissen) selber frei ausdenken kann. Da habe ich auch mal bei einer Con-Runde, ohne das System zu kennen, für die Charaktererschaffung gesagt bekommen, ich soll mir als Obsession einfach was ausdenken was ich cool finde, was den Charakter quasi zentral definieren soll. Ich hatte die Idee, einen zweitklassigen Rockmusiker zu spielen, also hab ich als Obsession "Gitarre" gesetzt. Und war gespannt, wie das dann im Spiel eingesetzt werden würde - prinzipiell habe ich mich darauf verlassen, dass das System entsprechende Mechanismen zur Verfügung stellen würde. Eine andere Spielerin hatte "Kochen". Dann waren da noch zwei weitere Spieler, die sich ihre Charaktere schon mitgebracht hatten: einer hatte "Feuerwaffen" und der letzte "Computer". (Das Mädchen war allerdings die Freundin des Waffennarren, wenn ich das richtig in Erinnerung habe; also die Spieler meine ich)

Tja, was soll ich sagen? Pusteblume! Abgesehen von komplett charakterunabhängigen Ideen meinerseits wurde das Abenteuer (genauer gesagt: drei Episoden) ausschließlich von Waffennarr und Hacker gerockt. Meine Gitarre kam ebensowenig zum Einsatz wie die Kochkünste des Mädchens. Ich glaube, der einzige sinnvolle Wurf, den ich überhaupt gemacht habe, war auf einen Sekundärskill -- und den hab ich auch nicht besonders gut hinbekommen und es hat am Ende sowieso keinen Unterschied gemacht.

Kurz und gut, bedingt durch die ach so freie Auswahl der Zentraleigenschaften waren die Charaktere absolut _gar nicht_ gebalanced. Die Gruppenpower teilte sich 50-50 zwischen zwei Charakteren auf, während die anderen beiden mehr oder weniger schmückendes Beiwerk waren.
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Re: Warum ich nicht an Balancing glaube.
« Antwort #423 am: 23.03.2013 | 14:41 »
Es gibt bei Fate noch einen Balance-Mechanismus abseits der Fatepunkte - den Grundwert, also die Menge an Fatepunkten, mit dem der Charakter eine Sitzung startet. Dieser Grundwert sinkt in verschiedenen Inkarnationen des Spiels, wenn man sich cool powerz kauft - bei Dresden Files ist das sehr ausgeprägt: Da fängt der relativ mächtige Magier mit einem Fatepunkt an (und muss erstmal gucken, dass er seine Nachteile anspielt, um FPs zu bekommen), während die mundane Strickoma, wenn sie sonst nix will, mit 12 FPs startet und der Spieler gleich mal anfangen kann, die Welt zu gestalten (Fakten schaffen kostet eben auch FPs).

@Unknown Armies: Das ist aber auch kein System, das sich Balancing auf die Fahne geschrieben hat - man kann es als Powergamer schon extrem pimpen. Das verhehlt das System aber auch gar nicht, und es ist eigentlich auch kein System, wo man mit Waffeneinsatz allzuviele Probleme lösen können sollte (dafür hat es sogar Mechanismen).
Aber bei deinem Beispiel sieht man sehr schön, dass soziales Balancing eben nicht nur in die Verantwortung des SLs fallen sollte - die Spieler sollten da auch mitziehen.
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Re: Warum ich nicht an Balancing glaube.
« Antwort #424 am: 24.03.2013 | 01:10 »
@Feuersänger: Interessante Story, nur stellt sich mir die Frage, ob die Sache aus regeltechnischen Gründen nicht funktioniert hat oder weil der SL versagt hat. Ich würde auf Letzteres tippen.

@all: Die Beiträge zu FATE finde ich anregend und hilfreich. Ich merke nur, wie wenig ich es noch gewohnt bin, auf Balancing zu achten. Selbst bei Fate-Runden, die ich im letzten Jahr gespielt (oder geleitet) habe, war der Punkteverkehr eigentlich nie wirklich wichtig, zumindest nicht so wichtig, dass irgendein Spieler bewussst darauf geachtet hätte, dass er jetzt mehr Punkte bekommen müsse. Das Spiel lief auch einfach so flüssig durch.
Einzige Ausnahme war eine Malmsturm-Runde auf nem Tanelorn-Treffen, aber da erschien mir die ganze Fatepunkte-Ökonomie, der florierende Handel und Austausch von massig Punkten fast schon exotisch bzw. fremdartig.  :)

Es kommt wohl tatsächlich massiv auf die Spieler an, mit denen man unterwegs ist, ob die Betonung von Balancing wichtig ist. Ich verstehe inzwischen, wieso es vielen Spielern so wichtig ist, auch wenn es meiner jüngeren Spieleerfahrung überhaupt nicht mehr entspricht.
« Letzte Änderung: 24.03.2013 | 01:14 von Falke359 »
Früher war mehr Lametta.