Autor Thema: Grenzen des Ausspielens  (Gelesen 3630 mal)

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Offline Holycleric5

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Re: Grenzen des Ausspielens
« Antwort #25 am: 29.03.2013 | 08:42 »
Ich und meine Mitspieler spielen häufig ziemlich "fremdartige" Charaktere.

Bei mir als SL gilt: Alles ist erlaubt, solange die Gruppe (In-character und off-Character) miteinander auskommt.

In Rolemaster fängt es z.B. damit an, dass ich (in meiner ehemaligen Gruppe) der einzige war, der weibliche Chars spielte (und meinen Mitspielern ist das in keiner Weise negativ aufgefallen), meine Mitspielerin spielte als Gegenbeispiel fast ausschließlich männliche Chars (und auch das sehr atmosphärisch). (Was mir an ihrer Spielweise auch sehr schön gefallen hat, war, dass sie NSC und Gruppenmitglieder nicht mit dem im Mittelalter eher üblichen "Ihr" angesprochen hat, sondern dass sie die anderen stets gesiezt hat.)

Wir hatten auch ein Oneshot in DnD 4th wo besagte Mitspielerin einen Tiefling-Psioniker gespielt hat. Einerseits hatte sie natürlich ein wenig auf die Werte geschaut, aber auch dort hatte sie sich bemüht, die andersartigkeit rüberzubringen (was bestimmt noch besser gelaufen wäre, wenn diese vergleichsweise große Runde noch ein zweites Mal zusammengekommen wäre) und auch ich habe die Race-Section meines Shardminds möglicht genau gelesen, um ihn authentisch darzustellen. Und die beiden Minotauren hatten sich dadurch in mein Gedächtnis gebrannt, dass einer von ihnen die verendeten Zugtiere der Karawane gefressen hat.

Ich selbst versuche mich (da ich entweder meistens SL bin oder einfach Menschen spiele) Stück für Stück an das Ausspielen von Waldelfen heranzutasten.

Bei Pathfinder (Und DnD allgemein) gebe ich offen zu, dass meine Spieler und ich eher auf die Werte schauen, damit das ausgewählte Volk die Klasse auch unterstützt (von daher gibt es dort selten (eher gar nicht) Ork-magier, Elfenbarbaren oder Zwergenhexenmeister)

Zum Geschlechtswechsel (wie oben angedeutet) sage ich: Wenn der Spieler den Charakter "glaubhaft" darstellen kann, spricht nichts dagegen, auch mal einen Char des anderen Geschlechts zu spielen. (Und im RPG wird man da zum Glück nicht (anders als im RL) komisch angeguckt)

Holycleric5
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Offline 1of3

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Re: Grenzen des Ausspielens
« Antwort #26 am: 29.03.2013 | 09:16 »
Zitat
dem im Mittelalter eher üblichen "Ihr"

So üblich war das gar nicht. Das ist ne Retrojektion.

Offline Thandbar

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Re: Grenzen des Ausspielens
« Antwort #27 am: 29.03.2013 | 12:40 »
So üblich war das gar nicht. Das ist ne Retrojektion.

Das genau ist es. Wir haben ein Bild vom Fantasy-Mittelalter im Kopf, das wir als Maßgabe für glaubhaftes, authentisches Verhalten im Rollenspiel ansehen, während tatsächliche historische Eigentümlichkeiten (orgienhafte Tierquälereien als Volksbelustigung, Massenvergewaltigungen sogar an Nonnen etc.) mit Recht keinen Einzug in eine Abenteuerrunde finden.

Ich habe vor ein paar Tagen "Das erste Horn" von Richard Schwartz zu Ende gelesen, worin der Autor ständig auf typisch weibliches / typisch männliches Verhalten verweist, das unabhängig von Kultur und Spezies einfach überall anzutreffen sei. Gerade das finde ich unglaubwürdig.

Meiner Meinung nach fangen die Probleme der Darstellbarkeit nicht erst bei fremden Völkern an. Wie spielt man einen Bushi, der einem japanischen mittelalterlichen Samurai nachempfunden ist? Wie spielt man einen Magier, der per "Charm Person" und "Invisibility" die Regeln normalen sozialen Verhaltens jederzeit unterlaufen kann und der dank dreimaligen "Raise Dead" noch immer unter den Lebenden weilt?  

Edit: Ich finde dieses Zitat von Thomas Nagel sehr gut, aus dem Aufsatz "What is it like to be a bat?":

Zitat
Our own experience provides the basic material for our imagination, whose range is therefore limited. It
will not help to try to imagine that one has webbing on one's arms, which enables one to fly around at
dusk and dawn catching insects in one's mouth; that one has very poor vision, and perceives the
surrounding world by a system of reflected high-frequency sound signals; and that one spends the day 
hanging upside down by one's feet in an attic. In so far as I can imagine this (which is not very far), it tells
me only what it would be like for me to behave as a bat behaves. But that is not the question. I want to
know what it is like for a bat to be a bat. Yet if I try to imagine this, I am restricted to the resources of my
own mind, and those resources are inadequate to the task. I cannot perform it either by imagining
additions to my present experience, or by imagining segments gradually subtracted from it, or by
imagining some combination of additions, subtractions, and modifications.
« Letzte Änderung: 29.03.2013 | 12:54 von Thandbar »
"Du wirst direkt in diesem Moment von einer Zilliarde grünkarierter Kakerlakeneinhörner in Tweedanzügen umzingelt, die mit Fallschirmen aus gebeiztem Vanillepudding aus der nächstgelegenen Dattelpalme springen und dich zu ihrer Avonberaterin krönen - und die Krone ist aus Dr. Frankensteins bösartig mutiertem Killernougat! Streich dir 78000 Hirnschadenspunkte ab und mach sofort eine Jodelimprovisation!"

Offline Oberkampf

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Re: Grenzen des Ausspielens
« Antwort #28 am: 29.03.2013 | 13:24 »
Ich bin ein Freund von Klischee im Rollenspiel, deswegen freue ich mich immer, wenn ein klassisches Rollenspielvolk so klischeehaft wie irgend möglich 'rüberkommt, solange es die Gruppe nicht sprengt und PvP/Dissenz sich in den Grenzen der Absprachen hält. Den Bruch mit einzelnen Klischees kann ich hinnehmen, solange a) zumindest einige andere Klischees gewahrt bleiben und b) es nicht den Eindruck macht, als wolle der Spieler nur "weiche" Nachteile ignorieren, aber alle Vorteile der Klasse ausschöpfen.

Was andere Spieler angeht, so ist das natürlich immer ihre Sache, wie sie ihren Charakter interpretieren. Ich bevorzuge Systeme, die für das Ausspielen von Klischees Vorteile bringen (auch bei nachteiligen Klischees z.B. durch Gummipunkte) und sage als Spieler lieber, was mir am Charakterspiel eines anderen Spielers hinsichtlich der "typischen Zwergen-, Elfen- oder sonstigen Nichtmenschenmerkmale" besonders positiv aufgefallen ist/gefallen hat, als dass ich etwas unbedingt verbieten will.
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Offline Xemides

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Re: Grenzen des Ausspielens
« Antwort #29 am: 29.03.2013 | 17:44 »
Spannendes Thema, und geht in die Richtung eines schon lange geplanten Blogeintrages meinerseits, den ich vor mir herschiebe.

Ich bin durchaus ein Fan von anderen Kulturen, egal ob Fremdrassen oder Menschen. Aber ich habe auch einen gewissen Anspruch an einen Spieler, der einen solchen spielt.

Aber vorne weg sollte sich die Gruppe einig sein, einen solchen SC dabei haben zu wollen, und er muss in die Kampagne passen. Ich denke schon das man als SL grundsätzliche Vorgaben machen kann, wenn man eine Kampagne plant.

Aber angenommen, diese Bedingungen sind geklärt, und jemand will einen Elfen spielen, oder Zwerg, oder sonst was exotisches. Dann erwarte ich von dem Spieler, das er sich mit der Denkweise des SC auseinandersetzt. Das gilt aber nicht nur für Elfen, Zwerge etc., sondern auch für jeden Priester, Paladin oder sonstiges. Das heißt nicht, das der SC zum wandelnden Klischee werden soll, aber ich möchte den Typus doch wieder erkennen.

Wenn jemand einen Abweichler, Whisky Priest etc. spielen will, dann darf er das auch tun. Aber nicht , um zu rechtfertigen das er nur die Fähigkeiten haben will, sondern auch da gehört es dazu sich mit dem Hintergrund zu beschäftigen. Wenn ich einen Reformer spiele, muss ich wissen, was ich reformiere. Wenn ich einen Abweichler spiele, muss ich wissen wovon etc. Und auch der Whisky Priest muss wissen, was er denn predigt und wo seine moralische Schwäche ist.

Und wie schon jemand schrieb muss ich mit der Reaktion der Umwelt rechnen. Man kann nicht erwarten, das mein Volk, meine Glaubensgemeinschaft etc. es einfach toleriert, wenn ich zu sehr davon abweiche. Wenn es nicht sogar sowas wie Spirits of Retribution wie in Glorantha gibt.

Wer auf sowas keinen Boch hat, der muss halt was ohne Moral oder spezielles Verhalten spielen, wie einen Glücksritter, Dieb einfachen Krieger oder ähnliches.

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Offline Bentley Silberschatten

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Re: Grenzen des Ausspielens
« Antwort #30 am: 29.03.2013 | 18:00 »
Ich finde Themen Abenteuer (wie zb. die Paladine) sehr gut. Meist gibt das innerhalb viel kürzerer Zeit viel Intensivere Abenteuer. Sicher mir gefällt nicht jedes Thema (auch nicht jedes System) aber ich muss auch nicht überall mitspielen. Ist doch kein Problem die Paladine mal ihr Abenteuer durchziehen zu lassen und derweilen mit anderen Leuten was anderes zu zocken (oder andere RL Alternativen zu nutzen).

Solange Vorstellungen und evtl. Einschränkungen kommuniziert werden bevor sich die Runde zusammenfindet finde ich das vollkommen ok. Nur erst am Spieltisch drüber zu reden ist unfair.

ErikErikson

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Re: Grenzen des Ausspielens
« Antwort #31 am: 29.03.2013 | 18:03 »
Da wäre ich weniger nachsichtig. Ich erwarte von allen Spielern, das sie sich mit dem Hintergrund beschäftigen. Ich habe oft die Erfahrung gemacht, das SPieler von Kriegern oder Dieben glauben, sie bräuchten sich nicht mit der Denkweise ihres Charakters auseinandersetzen.

Dabei haben gerade Klassen wie Dieb oder Krieger einen reichhaltigen Hintergrund, und spezielle Denkweisen, die zunächst sorgfältig eruiert werden sollten.

Es ist ein Fehler anzunehmen, das Krieger oder Diebe keinen Thypus haben, und man ihnen quasi jegliches Konzept überstülpen kann. Auch solche Klassen bewegen sich innerhalb definierter Rahmenbedingungen, welche eine Komplexität aufweisen, die sich hiner denen von Elfen, Zwergen oder Paladinen nicht verstecken muss.

Offline Mann mit Ukulele

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Re: Grenzen des Ausspielens
« Antwort #32 am: 29.03.2013 | 18:05 »
Die Fremdartigkeit hat ja immer auch was mit Klischees und Erwartungen der Mitspieler zu tun.

Ich habe schon mehrmals erlebt - und nicht nur aktiv, sondern auch bei anderen: Ich spiele einen weltfremden, naturverbundenen Menschen und werde gefragt, ob ich Elf sei.
Es gibt also offensichtlich ein in den Details variierendes, aber im Kern wohl ziemlich universales Bild vom Elfen ansich.

Und ich muss nichtmal nach Wodka verlangen, es langt der Akzent, um klarzumachen "hey, ich spiele einen Russen."
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Offline Auribiel

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Re: Grenzen des Ausspielens
« Antwort #33 am: 30.03.2013 | 02:17 »
@rettet den wald:

Ich setz es mal hinter den Spoiler, da OT:

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@Xemides:



Feuersänger:
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Offline Lichtschwerttänzer

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Re: Grenzen des Ausspielens
« Antwort #34 am: 30.03.2013 | 06:32 »


Dabei haben gerade Klassen wie Dieb oder Krieger einen reichhaltigen Hintergrund, und spezielle Denkweisen, die zunächst sorgfältig eruiert werden sollten.

Es ist ein Fehler anzunehmen, das Krieger oder Diebe keinen Thypus haben, und man ihnen quasi jegliches Konzept überstülpen kann.
Dann definiere die bitte ?
Ist der Krieger selbst auf dem Weg in die Schlacht ein friedfertiger Mann oder haut er jedem Gemeinen, der sich nicht schnell und tief genug verbeugt den Kopf ab?
“Uh, hey Bob?”
“What Steve?”
“Do you feel like we’ve forgotten anything?”
Sigh. “No Steve. I have my sword and my bow, and my arrows and my cloak and this hobbit here. What could I have forgotten?”
“I don’t know, like, all of our stuff? Like the tent, the bedroll, my shovel, your pot, our cups, the food, our water, your dice, my basket, that net, our spare nails and arrowheads, Jim’s pick, my shovel, the tent-pegs…”
“Crap.”

Offline Xemides

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Re: Grenzen des Ausspielens
« Antwort #35 am: 30.03.2013 | 09:35 »
@Auribel, wenn du mir was mitteilen wolltest, hast du den perfekten Spoilertag genommen, der den Text löscht  ;D
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Sun Wukong

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Re: Grenzen des Ausspielens
« Antwort #36 am: 30.03.2013 | 12:35 »
Meiner Meinung nach fangen die Probleme der Darstellbarkeit nicht erst bei fremden Völkern an. Wie spielt man einen Bushi, der einem japanischen mittelalterlichen Samurai nachempfunden ist? Wie spielt man einen Magier, der per "Charm Person" und "Invisibility" die Regeln normalen sozialen Verhaltens jederzeit unterlaufen kann und der dank dreimaligen "Raise Dead" noch immer unter den Lebenden weilt?  

Edit: Ich finde dieses Zitat von Thomas Nagel sehr gut, aus dem Aufsatz "What is it like to be a bat?":


Genau. Rein aus philosophischer Sicht fängt das Problem der Darstellung und des Hineinversetzens schon außerhalb des eigenen Körpers und Geistes an. Trotz unserer phänomenalen Fähigkeit zur Kommunikation unserer Gedanken ist es beinahe unmöglich, die Gedankenwelt oder das Empfinden des Menschen neben mir in seiner Gänze zu verstehen. Ich kann auch hier nur meinen eigenen Erfahrungsschatz heranziehen und ihn mittels Kommunikation mit dem abgleichen, was der andere mir beschreiben und vermitteln kann. Das klassische "sieht dein Blau genauso aus wie meins?"-Problem.

Deswegen ist es auch nicht schlimm, wenn die Darstellung von etwas noch Exotischerem als "dem Menschen neben mir", von anderen, kaum erlebten oder nur durch Bücher und Medien kommunizierten, kulturellen Bewusstsein, immer nur ein Derivat aus eigenen Vorstellungsmöglichkeiten ist. Wenn der Anspruch da ist, das möglichst - den eigenen Erwartungen und denen der Mitspieler entsprechend - detailgetreu zu tun kann man trotzdem ein hohes Level von Authentizität erreichen, je nachdem wie intensiv man sich damit beschäftigt. Diese Authentizität misst sich eben auch nur immer an dem gemeinsamen Wissen- und Erwartungshorizont.
« Letzte Änderung: 30.03.2013 | 12:40 von Sun Wukong »