Das war damals aber modern.
Lovecraft wollte stilistisch gesehn ja gerade
nicht modern sein. Seine wissenschaftliche Perspektive, seine collagenhafte Erzähltechnik und seine Methode der Anverwandlung antiker Mythen machen ihn geradezu zu einem Autoren der Postmoderne, was man aber erst heute erkennt und würdigen kann. Der literarischen Moderne seiner Zeit konnte und wollte er aber nicht angehören.
Allerdings gebe ich zu, dass ich diese ganze Thematik als Rollenspiel eher weniger spannend finde. Dann lieber Schleim-Aliens und Kidnapping durch Deep Ones.
Ich denke, dass das derselbe Grund ist, warum Lovecraft aus seinem Mythos keine längeren Romane bilden konnte. Eine Figur ist durch eine einzige Begegnung mit dem kosmischen Schrecken bereits
verbraucht, und man kann keine 350 Seiten lang immer nur
Andeutungen über die Großen Alten aneinanderreihen.
Liest man die Kurzgeschichten in knapper Folge hintereinander, bemerkt man die notwendigen Mängel dieser Erzählungen: Es ist beinahe unmöglich, sie zu beenden, da das Unbegreifliche sich nicht in Worte fassen lässt. In der Konsequenz, in der Lovecraft seine Vision darstellen konnte, war es ihm nicht möglich, die Verlaufsformen der Geschichten aufzulockern oder abzuwandeln - weswegen ein Langtext von Lovecraft so ermüdend ist wie drei Symphonien von Schostakowitsch hintereinander weg zu hören.
Meine Freundin sammelt die Hörbücher der Gruselkabinett-Reihe. Und die Bearbeitungen von Lovecraft-Texten scheitern eben nicht selten daran, dass man versucht, sie zwischenmenschlich "aufzupeppen", die Charaktere interessanter macht oder gar eine Romanze einzuflechten versucht.
Lovecraft ist - künstlerisch gesehn - absolut steril, eine zusätzliche Note versaut gleich das ganze Gebilde. Deswegen ist es meiner Meinung nach so schwierig, daraus ein Rollenspiel zu machen - erst recht eine Kampagne.
Ein Mi-Go mit Hitpoints? Ein Rettungswurf gegen eine Mondleiter-Wahnsinnsattacke? Das nackte Grauen aus dem All - und das jeden zweiten Freitagabend? Ich persönlich war da immer etwas skeptisch. Für mich eignet sich Cthulhu eher zum Oneshot - oder eben, locker adaptiert, als Pulpsetting mit pfeifenden Tintenfischen, auf die man ballern kann.