Nachtrag: Ich habe das zwar alles etwas flaspig und überspitzt formuliert, weil ich die anschließende Diskussion so unglaublich fand, aber ich bleibe bei einigem Nachdenken durchaus bei der Behauptung, dass alle Rollenspielregeln halbwegs gleich gut oder schlecht sind. In den meisten Runden entsteht das Spiel ja eh nicht durch Anwendung der Regeln, sondern die Leute erzählen sich gegenseitig, was sie machen und wenden dabei ab und zu eine Regel an, um einen Faktor der Unsicherheit ins Spiel zu bringen -- es ist spannendes, wenn man nicht alles verfügen kann bzw. es reizt neue kreative Anstrengung, wenn die Verfügungsgewalt absichtlich beschnitten wird, durch einen Würfelwurf etwa. Charaktererschaffung geht in die gleiche Richtung, man zieht hier eine Ebene ein, die der eigenen Figur in der Fiktion bewusst Grenzen setzt, aber auch "Spielraum" definiert.
Wie diese beiden Ebenen miteinander korrespondieren, ist eine Frage individuellen Könnens, nicht der Regelqualität. Soll heißen, eine Gruppe, die kreativ und vielschichtig miteinander eine Vorstellung entwickeln kann, wird das immer tun, egal, mit welchen Regeln sie dabei auch noch operieren. Eine einfallslose und sozial wenig geschulte Gruppe wird das -- egal mit welchen Regeln -- eben nicht schaffen. Das gilt sogar dann, wenn das Spiel -- wie etwa viele Story-Now-Spiele -- nicht fiktive Physik. sondern Erzählinhalte und -rechte steuern will. Auch hier wird die Fiktion nicht direkt in der Grammatik der Regeln formuliert, sondern außerhalb, und dann teilweise im Nachgang übersetzt. Die qualitative Arbeit wird aber bereits vor der Übersetzung in die Regelebene zwischen den Mitspielenden vollbracht. Insofern finde ich bei der Betrachtung von Rollenspielen die Macht der Regelanwendung für die Qualität eines Spielerlebnisses zumindest wahnsinnig überschätzt und zu hoch gewichtet, während die Qualität des sozialen Miteinanders und kreativer Gruppenprozesse kaum angeschaut wird.
Schlauberger werden jetzt sagen, ja, aber das kann ja besser oder schlechter miteinander verzahnt sein, da muss man doch gucken, wie leicht die Übersetzung von gemeinsam Herbeierzähltem auf die Regelebene und umgekehrt funktioniert. Jaja, da haben sie auch recht. Nur, die allermeisten Rollenspiele versuchen ja, mit den Regeln die Fiktion, die zwischen den Mitspielenden entsteht, einfach bloß nicht zu behindern. Will sagen, man wirbelt relativ viel Staub auf bei Charaktererschaffung und -steigerung (siehe Barbiespiel), weil das Bereiche sind, die jeder schön für sich im stillen Kämmerlein machen kann, und die dann problemlos in gemeinsames Erzählen zu übersetzen sind, einfach, indem man´s verkörpert (wie man aussieht, wie man so drauf ist, was man vom Leben will, wie gut man Diamanten schleifen kann und was man im bisherigen Leben so alles dafür tun musste). Alles andere ist dann mehr oder weniger "eins hin - zwei im Sinn"-Rechnerei, bis man ein Ereignis erschaffen hat, das dem freien Erzählen entzogen ist und so für neuen kreativen Zündstoff sorgt ("Was, der Pfeil trifft nicht? Dann werdet ihr wohl doch entdeckt, weil die Wache Alarm schlägt, har har"). Man kann diese Operationen dann mehr oder weniger nervig finden, das war´s aber auch schon.
Zurtück zu Splittermond: Das Spiel setzt eben auf eine detailreiche Welt und vielfältige Anlässe zum Nachdenken über die Verortung des eigenen Tschars dort (aka Charaktererschaffung und -steigerung), wie eben das Mutterschiff DSA auch. Das Erzeugen überraschender Ereignisse von Würfelproben ist demgegenüber relativ egal, unausgesprochen legt man das meiste vertrauensvoll in die Hände der erzählenden Gruppen und die kriegen das je nach individuellem Vermögen mehr oder weniger gut hin. Insofern ist die Rede von Innovation und besseren und schlechteren Regeln wirklich nicht so zielführend.