Mir schwirrt gerade noch ein Kunstbegriff herum, der vielleicht fürs Rollenspiel nützlich ist, nämlich der Versuch, vermittels eines Mediums eine Botschaft, die über sich selbst hinausgeht, zu transportieren. Oder eben die Möglichkeit, aus einer Sache mehr Botschaften zu ziehen, als der Sache an sich immanent sind.
Wenn ich eine bestimmte Stimmung erwecken möchte, dann ist es Kunst (Stimmung ist Botschaft; bzw entsteht eine Stimmung dadurch, dass bestimmte Botschaften [ggf nur emotionaler Art] aufgenommen werden). Hier ist die Abgrenzung schwierig zu anderer Sprache. DIe Literaturwissenschaft fragt sich allerdings auch schon seit anno dazumal, was denn nun eigentlich ein Text ist und was Sprache und was Literatur und was nicht und was was....
Wenn ich durch das Rollenspiel etwas anderes transportieren möchte, zum Beispiel eine Aussage darüber, wieviel der einzelne Mensch inmitten des Alls (Lovecraft) wert ist, dann ist das Kunst.
Wenn ich durch das Erschaffen einer tragischen Figur etwas über Moral oder was auch immer sagen möchte, dann ist das auch Kunst (wie "tief" ihr Symbolismus auch immer sein mag).
Kann man damit arbeiten? Ich komme hier eher von der Frage, was Literatur eigentlich sei - wo das Spektrum von "alles" bis "nichts" reicht und sich teilweise irgendwo bei "Wenn der Text mehr sagt, als der Text sagt" einpendelt; wenn es quasi eine Metaebene gibt, auf der Dinge verstanden werden können und wenn die Art, wie etwas ausgesagt wird, eine Aussage darstellt.
Für das Rollenspiel finde ich diesen Ansatz unter Anderem deshalb fruchtbar, weil nach dieser Definition ein quasi unberechenbares Gesamtkunstwerk durch mehrere Künstler entstünde, die verschiedene Aussagen in diesem Kunstwerk schaffen/verkörpern wollen, und das Kunstwerk später dann ein Gemisch aus all diesen Aussagen darstellt und etwas über die Aussagenden wie auch das Zusammenspiel der Aussagen... aussagt. ('tschuldigung, zu viel Uni heute, mein Hirn ist platt)
Wenn ich als Spielleiter sage, hey, dieses Setting soll existentialistisch wirken, ist das Kunst. Die Frage ist auch, ob es Kunst ist, wenn ich mir nichts bewusst denke, jemand anders aber durch das Setting Aussagen trifft. Ich würde sagen, ja. Der Künstler "weiß" eben nicht immer, was Kunst ist. Das ist aber wieder eine ganz andere Fragestellung.
Nebenbei finde ich, dass wir uns tatsächlich eher mit der Literaturwissenschaft als mit anderer "Kunst" beschäftigen sollten. Rollenspiel ist an erster Stelle ein sprachliches Produkt (bzw entsteht aus sprachlichen Vorgängen); also sollte man sich Definitionen ansehen, die von ähnlichem Datenmaterial ausgehen. Kriterien wie gebundene Sprache sind durch Erzählrechte etc beispielsweise schon gegeben.
Kunst widerspricht nicht Spiel! Die Surrealisten haben exquisite corpse gespielt. Ich würde so weit gehen und sagen, dass in Spielen unglaublich viel künstlerisches Potential steckt.