Dieses Können ist ein handwerkliches Talent. Mit dem allein machst du keine Kunst. Und wie willst du das Können messen? Ist das eine binäre Angelegenheit? Es gibt Könner und Nichtkönner?
Diese Ansicht ist nicht gerade konsequent zu Ende gedacht.
Kunst und handwerkliches Können sind in den klassischen Betrachtungen sehr gleich und verbinden sich in antiken Überlegungen um den Begriff der
τέχνη. Seit der Zeit der Aufklärung hat dies wieder Verwendung bei Kant und seinen Überlegungen zum Genialischen in der Kritik der Urteilskraft. Die deutsche Sprache hat sich daraus und durch eigene idealisierte Bilder sicher zweckmäßige Ersatzbegriffe geschaffen, wie die Handwerkskunst, Malerkunst etc.
Diese Diskussion hier baut sicher am ehesten auf den aufklärerischen Ideen der "Schönen Künste" auf und setzt eine andere ästhetische Grunderwartung voraus, die aus Kunst das Können schließen lässt, wie es in der deutschen Sprache auch gerne und zurecht hergeleitet wird.
In der Kunst ist nicht nur das fertige Objekt, sprich Kunstwerk, von Bedeutung, sondern der Prozess und ich denke, das gerade der Prozess bei vielen Gruppen durchaus als Kunst bezeichnet werden kann. Zudem sind einige Spielrunden von vielfachen künstlerischen Versuchen begleitet. Das können Diaries sein, ebenso lassen sich in unterschiedlichen Gruppen unterschiedliche Anklänge zu den darstellenden Künsten finden, in Anwendung, aber auch bspw. in methodischer Hinsicht (Theatertheorie spielt in meinen Runden eine große Rolle). Manche Gruppen entwickeln dann selbst auch Mittel bildender Kunst, ob dies nun von Malereien bis hin zu Statuen geht (ist zwar selten, mir aber bereits untergekommen). Filmprojekte und Musik sind ebenfalls nicht unbekannt.
Des Weiteren kann sich gefragt werden, ob das exzessive Nutzen von Kunst und den diversen Kunstarten, und eine damit verbundene Zusammenstellung zu Spielzwecken nicht eine Form eines eklektizistischen Kunstprozesses ist und am Ende dadurch nicht gar ein eigenes Kunstwerk bei entsteht. Wenn jetzt die Bewertung von externen Betrachtern abhängig gemacht würde (klar, die am Werk Beteiligten haben eine andere Sicht auf das Geschehen, das Wirken und das Ergebnis), ist es dann vor allem eine Frage der Werkvermittlung oder Prozessvermittlung. Subjektiv hat Kunst sicher immer etwas mit dem Anerkennen von Kunst zu tun. Jeder kennt es bestimmt aus seiner Erstkollision mit dem Dadaismus bspw.
Und dann kommt von subjektiver Warte auch immer eine Art Willensbekundung und Planhaftigkeit dazu. Große Kunst, so will es unser Kunstverständnis gerne, kann nichts sein, welches unabsichtlich entsteht. Ist nachvollziehbar, passt es doch selten zu unseren gängigen Kunstbegriffen, die mit der Meisterschaft einhergehen. Aber das ist ja auch das Schöne am Kunststreit. Der Kampf zwischen subjektiver Einschätzung, dem Versuch des Ansprechens des Subjektes durch den Künstler und die mangelnde Objektivierbarkeit von Geschmack, welche dann auf Methodik, Handwerk etc. ausweicht, um letztendlich dann häufig nicht Handwerk und Methodik zu kennzeichnen, sondern Geschmack zu legitimieren.
Die Meinung zu meinem eigenen Wirken ist sehr ambivalent. Ich schreibe Logs, nutze sehr viel Kunst in meinen Runden zur Darstellung und Vertiefung des Geschehens (also mehr als gezeichnete Maps, NSC-Porträts und manchmal eine Landschaftsdarstellung), es entstehen ganze Kampagnenordner und die Beschäftigung mit der Runde geht weit über das Vorbereiten einer Spielsitzung und dem Spielen dieser heraus. Andererseits ist meine Motivation nicht künstlerisch (wenn wir jetzt von den "Schönen Künsten" ausgehen) gesteuert, sondern meist philosophischen Fragestellungen unterworfen. Dementsprechend könnte es sein, dass der Prozess der Runde häufig ein Kunstprozess ist, obwohl das abschließende Werk dazu es nicht mehr ist. Da aber keiner, außer meiner Spielrunde, das weitergehend beleuchten kann, lässt sich das bisher nicht ohne Weiteres falsifizieren.
Da fällt mir zum Abschluss noch eine weitere Diskussionsmöglichkeit aus dem Kunstdiskurs ein. Nämlich die Unterscheidung von Kunst und Künstlichkeit. Künstlich meint in diesem Zusammenhang das Gekünstelte, also sich auch Unnatürlich-Anfühlende. Dieser Diskurs betitelt Kunst gerne als das Natürliche. Nach dieser Prämisse kann es dann natürlich sein, dass Kunst nochmal eine andere Bedeutungswandlung bekommt und so dann viele (oder die meisten) Spielrunden, selbst jene mit Kunstanspruch, am Ende eigentlich nur einen Künstlichkeitsanspruch haben. Aber das ist vielleicht eine andere Diskussion.
Das fiel mir nur ein, wegen Arldwulfs Idee diese Prozesse eher als kreatives Werke zu bezeichnen. Darüber ließe sich sicher auch stark streiten, inwieweit jeweilige Runden wirklich kreativ sind. In Sachen Neuschöpfungen oder etwas zu erschaffen wahrscheinlich seltener, in der Bedeutung von "(gut) auswählen" sicher häufiger.