Der Unterschied zwischen Freiform und flexiblen Zeiteinheiten liegt darin, dass auch bei zeitlich flexiblen Runden die Spieler (inkl. SL) feste, vorgegebene Regelmechaniken anwenden, während bei Freiform je nach Ausprägung Erfolg und Effekt einer Handlung der willkürlichen Entscheidung (des Spielleiters/des Anwenders/der gesamten Spielgruppe) unterworfen ist.
Freiform ist sicherlich nicht gänzlich regellos, aber die Regeln sind in vielen Punkten derart abhängig vom Konsens der Gruppe, dass bestimmte überraschende Wendungen, die unkonventionelle Entscheidungen oder unvorhersehbare Würfelergebnisse gelegentlich hervorbringen, tendenziell seltener werden, wenn nicht gar verschwinden. Gerade in Kämpfen (oder anderen Actionszenen) geht dabei viel Spannung verloren.
Ein weniger feinkörniges (Kampf-)System, das nicht jede einzelne Teilaktion, jeden Meter Bewegung und jede Sekunde genau verregelt, bleibt trotzdem noch ein in weiten Fällen von spontaner Entscheidung unabhängiges System. Ich würde sogar behaupten, es ist nicht weniger unabhängig als ein starr verregeltes System. Wie oft erlebt man am Tisch Diskussionen, was man alles in den 6 oder 10 Sekunden einer Kampfrunde tun kann und muss einen spontanen Konsens finden (oder eine SL-Bauch-Entscheidung akzeptieren)? Egal wie exakt alles mögliche festgelegt ist, es gibt immer wieder Schlupflöcher, die trotzdem Entscheidungen am Tisch notwendig machen.
Mal ein Beispiel für ein eher abstraktes, weniger feinkörniges System:
Kämpfe werden in Runden unterteilt. In jeder Runde hat jeder am Kampf beteiligte eine Hauptaktion, eine Bewegung und beliebig viele Abwehrreaktionen. Die Dauer der Kampfrunde in der Spielwelt wird anhand der Art des Konflikts grob abgeschätzt, wenn es aus spieltechnischen Gründen notwendig ist. Bei einem Schwertkampf dauert eine Kampfrunde zwischen 2 und 10 Sekunden, in einer Seeschlacht dagegen mehrere Minuten oder sogar eine halbe Stunde.
Initiative wird erzählerisch weitergegeben. Wer seine Aktion in der Runde hatte, sucht aus, wer nach ihm am Zug ist (System von MHR).
Entfernung wird in Zonen gemessen (wie z.B. bei FATE oder Warhammer 3). Die Größe einer Zone wird ebenfalls abgeschätzt nach der Art des Konflikts und der Geschwindigkeit der Teilnehmer. Jeder Charakter kann sich pro Runde eine Zone bewegen.
Signifikant schnellere Teilnehmer können sich um ein oder mehrere zusätzliche Zonen bewegen. Wenn ein Charakter seine Hauptaktion zur Fortbewegung ausgibt, darf er sich noch so viele weitere Zonen bewegen, wie er Erfolgsgrade in einem Wurf auf Sportlichkeit (oder Fahren, Pilot, Reiten etc.) hat.
Alle Aktionen hinterlassen einen Effekt in der Spielwelt, der sich i.d.R. in einem Spielwert niederschlägt. Beispielweise Schaden, Heilung, Vorteil (positive Würfelmodifikation), Nachteil (negative Würfelmodifikation), Bewegung. Um den Erfolg und Effekt einer Handlung zu ermitteln, wird einmal gewürfelt. Wichtig ist dabei, dass jedem Spielwelteffekt ein Zahlenwert oder Würfelwert zugeordnet ist. Was keinen Spielwelteffekt auslöst, ist i.d.R. keinje Aktion, sondern eine Nebenaktion.
Die vielen einzeln aufgeführten Nebenaktionen in feinkörnigeren Regelsystemen, wie bspw. das Ziehen einer Waffe, das Herauskramen eines Trankes aus dem Rucksack usw., werden entweder ignoriert oder in eine geringwertige Würfelmodifikation der Erfolgsprobe übersetzt, deren Höhe gleichbleibend festgelegt ist. In einem W20-Systen z.B. immer -2 auf die Hauptaktion pro Nebenaktion, unabhängig davon, was die Nebenaktion konkret ist. In einem Poolsystem könnte das so aussehen, dass pro Nebenaktion ein Würfel um eine Stufe heruntergedreht wird (W8 z.B. zu W6).
Wenn der Charakter in seiner Hauptaktion mehrere Dinge gleichzeitig unternehmen will, die alle einen Spielwelteffekt haben sollen, wirkt sich das auf seine Erfolgsprobe aus: Die Schwierigkeit wird pro Aktion deutlich erhöht (W20: -5), oder er muss bei einem Poolsystem pro Zusatzaktion Würfel aus seinem Vorrat nehmen usw.
Taktisches Ausnutzen der Umwelt und (je nach cinematischer Vorliebe) elegante Beschreibungen cooler Aktionen schlagen sich in einem pro Runde einmaligen positiven Würfelmodifikator nieder. Auch da gibt es zwei festgelegte Stufen (+5 und +2 auf W20), und Richtlinien zur Verteilung der Boni.
Spezialaktionen: Unser Regelsystem kennt für die vom Genre her erwartbaren häufigsten Kämpfe ein paar Spezialangriffe und Spezialaktionen, die von jedem Charakter (evtl. klassenabhängig) einzeln erlernt werden müssen. In einem Fantasysystem währen das evtl. Kampfmanöver, in einer Space Opera Pilotenmanöver usw. In der Regel schlagen sich die in Würfelmodifikationen oder Zusatzwürfeln aus, selten auch spezielle Zusatzaktionen. Beispielsweise: Gelegenheitsangriffe auf Gegner, die ihre Bewegung in der gleichen Zone wie der Charakter beginnen. Um das System übersichtlich zu halten, schränken wir die Zahl der erlernbaren Zusatzmanöver ein (bspw. + 1 Manöver alle 2 Stufen).
Man kann das sicherlich noch abstrakter machen, indem man die Boni vereinheitlicht oder ganz weglässt, oder auf Spezialaktionen verzichtet. Aber dieses System erspart schonmal das Auswürfeln von Initiative, das Abzählen von Kästchen, teilweise das Synchronisieren von Zeiteinheiten und das Nachschlagen von unterschiedlichen Boni bzw. Mali.