Also, erst einmal: Es geht nie darum, einen Spieler irgendwo reinzureiten oder auflaufen zu lassen. Das sind Lektionen, die hat jeder SL hoffentlich früh in seiner Jugend gelernt. Ebenso, daß uninteressante Situationen keine Würfe erfordern und man durch triviale Würfelfehlschläge nicht das Spiel vor die Wand fahren läßt. Say yes or roll the dice. Konsequenz daraus natürlich auch: Fehlschläge müssen interessant sein. Sollte soweit bei jedermann Basis sein.
Ich persönlich bin der Ansicht, dass es nicht Aufgabe der SL sein soll, Fähigkeiten abzufragen. Fähigkeiten sollten so gestrickt sein, dass die Besitzer*in sagt: "Die will ich jetzt machen."
Wenn die SL einen Fähigkeitswurf will, kann die Spieler*in nur verlieren. Ruft dagegen die Spieler*in das Regelwerk auf, ist das eine Form von Empowerment.
Ich bin nicht sicher, ob wir da jetzt wirklich anderer Meinung sind, aber ich halte es mit Vincent Baker: Wenn der Spieler etwas in der Fiktion unternimmt, das in einer nicht-trivialen Situation die Regeln aufrufen solllte, dann kommen die Regeln zur Anwendung. Und umgekehrt: Wenn er die Regeln aufruft, dann geschieht es auch in der Fiktion. Es ist absolut das Recht, ja sogar die Pflicht des SLs, Fertigkeitswürfe zu verlangen wenn der Spieler durch seinen Charakter entsprechend mit der Fiktion interagiert. (ACHTUNG – totale Verallgemeinerung und absolut vom Regelwerk und am Tisch realisierten System abhängig.)
Es geht hier hauptsächlich um die Fiktion. Pendragon, wie es als System in meiner Runde realisiert ist, überläßt mir als SL in größtem Maße die Aufgabe, die fiktive Szenerie zu erschaffen und zu beschreiben, außerdem, sie mit Problemsituationen zu bestücken, die den Spieler über seinen Charakter herausfordern und ihn in schwierige Situationen bringen. (Eigentlich alles trivialer Standardkram, aber ich sage es nochmal.) Interessant wird eine Situation in der Regel durch den Konflikt zwischen ritterlichen Tugenden (Loyalität, Mut, Hilfsbereitschaft, Todesverachtung) und dem Risiko für die Spielerfigur (Pendragon ist hardcore, und jeder Kampf einfach irrsinnig gefährlich).
Es geht aber auch darum, Spaß zu haben, indem die markanten und amüsanten Elemente der arturianischen Literatur in die fiktive Welt eingebracht werden: Löwen, bunte Ritter, Damosels in Nöten, und Boote. Das kann ich als bunte Kulisse machen, ich kann diese Elemente aber auch gleich stärker einbinden, indem sie eng mit konkreten Konfliktsituationen verknüpfe.
(Und, ja, wenn einer 6 Punkte auf Abrichten hat und die Fiktion mit Krokodilen vereinbar ist und die Gruppe das interessant findet … oh, gute Idee. Nachforschen: wenn es Löwen und Werwölfe gibt, gibt es auch Krokodile in der arturianischen Literatur? Ich bin ziemlich sicher.)
OT: In meiner letzten Mouse-Guard-Sitzung wollte eine Spielerin diesen Fuchs fangen und zureiten. (Ihre Maus hat als Hintergrund interessante Erlebnisse mit Füchsen gehabt.) Ist das möglich? Klar. Scout, um einen Fuchs aufzutreiben. Militarist, um 200 Mäuse zusammenzutrommeln. Scientist, Laborer und Carpenter, um eine Falle zu bauen, usw. Sie dachte zuerst, ich sage „Nein, das ist unmöglich, vergiß es.“ Ich habe aber gesagt: „Klar geht das, es ist aber nicht einfach, und so packst du es an.“ Es waren dann aber doch andere Sachen interessanter.