Der Knackpunkt für mich ist halt der, daß die Fiktion und die mechanischen Teile ineinandergreifen müssen. Man kann ein Rollenspiel natürlich streng einseitig entwerfen (oder auch einseitig als System am Tisch umsetzen): entweder mit dem Primat der Fiktion (sieht man oft so, daß die Spieler „einfach sagen, was sie machen“, und der SL dann die Rolle übernimmt, das in regeltechnische Begriffe umzusetzen und abzuhandeln: „würfel mal 3W6, ich sag dir dann, was passiert“), oder mit dem Primat der Technik.
Anders ausgedrückt: In manchen Spielen kann man immer nur an dem einen Rädchen drehen, und das andere dreht sich dann mit (oder auch nicht). Ich mag gerne an beiden Rädchen drehen, und das andere soll sich bitte mitdrehen, so lange es nicht nur um colour geht.
Meine persönliche goldene Mitte ist also da, wo Fiktion und Regeltechnik immer ineinandergreifen und sich in einem geschlossenen Kreislauf bei der Hand nehmen. Wenn also z.B. Charaktere, die sich konsistent in der Fiktion auf eine bestimmte Weise verhalten, mit der Zeit mit Hilfe der Regeln dann auch auf dem Charakterbogen diesen, öhm, Charakter annehmen. Und umgekehrt: Das, was auf dem Charakterbogen steht, trägt dann zum Verhalten in der Fiktion bei. Und so weiter.
Also keine Paladine oder Was-weiß-ich-Geweihten, die dann beliebig Leute vergiften und mürbe foltern und trotzdem ihren Heiligenschein polieren, sondern z.B. der Ritter, der solange Grausamkeiten begeht, bis er „Grausam“ auf dem Datenblatt über die kritische Schwelle gesteigert hat und in kritischen Situationen dann unter Umständen auch in der Fiktion nicht anders kann. Der Spieler, der einen Trait oder Tag aktiviert, was dann in die Fiktion umgesetzt wird, was wieder eine Auswirkung hat, die den Charakter dann auch regeltechnisch verändert, was sich wieder in der Fiktion anders auswirkt.
Die beiden Extreme und die goldene Mitte sind natürlich selten. Meist versucht der Spieldesigner, mehr oder weniger in eine Richtung zu gewichten, scheint mir. Die Rückkopplungsmechanismen werden allerdings oft vernachlässigt und z.B. durch generische XP nach Spielleiterwillen ersetzt, oder auf das Kampfsystem beschränkt.