Ich war einer der beteiligten Spieler in Rumpels zweiter Runde. Mir hat Numenera überraschend gut gefallen; angesichts des Hardcover-Brockens und des Namens Monte Cook hatte ich mir ein superkompilziertes D&D-Derivat erwartet. In Wahrheit ist das Spiel regelseitig superleicht, und ein Kritikpunkt von mir ist auch, dass man sich hier für eine 50-Euro-Totschlagwaffe-im-Buchformat entscheiden hat, statt ein schlankes Heftchen draus zu machen. Aber okay.
Der charmante Trick bei diesem Spiel ist ja ganz einfach, dass die Spieler auf die Fiktion einwirken, indem sie Punkte aus drei kleinen Pools einsetzen, die zugleich durch die Spielleitung angegriffen werden, also auch als Hitpoints o.ä. dienen. Es gilt also abzuwägen, ob man lieber leichter ans Ziel kommt oder etwas weniger angreifbar wird.
Das funktioniert natürlich nur, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind (und ich glaube, daran hat auch Rumpel nach seinem ersten Versuch mit dem Spiel rumgedacht): Die Spielleitung muss Situationen entwerfen und zuspitzen, in denen die Spieler auch wirklich was wollen (müssen). Es empfiehlt sich, schnell zu schneiden und ordentlich in die Vollen zu gehen, sowie Charakterhintergründe und -motivationen anzuspielen. Die Spieler ihrerseits tun gut daran, die Fiktion nicht als Mittel zum Ressourcengewinn zu behandeln, sondern gerade umgekehrt die Ressourcen einzusetzen, um auf die Fiktion einfluss zu nehmen. Spielt man rein tatktisch gegen die Spielleitung, kann man sicher in der Tat auf seinen Pools sitzen bleiben, erlebt aber auch nüscht. Versucht man hingegen, möglichst viel im erzählten Raum zu bewegen, ballert man zwar Punkte raus und kassiert auch mal einen der "Zustände", also Poolerschöpfung, dafür wird´s aber auch bunt und spannend.
Dass als D&D-inspirierter Rest noch Kämpfe im Spiel prominent vorkommen, bei denen man wechselseitig Ressourcen runterkloppt, ist da natürlich unglücklich und führt bestimmt schnell zum Abkacken des Spielkonzepts. Ich hatte sofort den Eindruck, dass Kämpfe bei Numenera auch immer Storybausteine sein müssen, bei denen es allen Beteiligten um eine klare Agenda geht, die übers Abpieksen der Gegner hinausgeht -- wie bei uns eben der Versuch, erste in einem Riesenroboter zu sein und zugleich die anderen daran zu hindern. Andere Möglichkeiten wären Kämpfe, bei denen zeitgleich irgendwie ein Countdown abläuft (Feuer breitet sich aus, Gebäude stürzt ein, magisches Portal schließt sich, Alarm wird ausgelöst usw.). Oder: Neben dem Schlachten muss man noch ein Rededuell führen, jemanden überzeugen, eine Bombe entschärfen, ein Raumschiff reparieren, eine Sterbende heilen ... so was. Drama muss also her, und Aufwärmmonster gehen gar nicht.
Ich habe das Buch nicht gelesen und weiß also nicht, was da im SL-Kapitel drinnensteht, aber mein Eindruck war, dass die SL-Techniken, mit denen so was gut geht bzw. die Haltung der Spieler für so ein Spiel eigentlich lange bekannt sind und nur einmal im Buch erklärt werden müssten.
Dass da jetzt Monsterbücher mit Stats und so erscheinen, geht dem natürlich wieder entgegen; sinnvoller wäre es, zu jedem Monster bei Numenera Agenda, persönliche Ziele und Begleitumstände zu liefern, damit man Dramakämpfe um diese (dann einzigartigen) Wesen aufziehen kann.
Wenn man diese einfachen Sachen bedenkt, ist das Spiel aber, glaube ich, ziemlich cool und funktioniert auch gut. Ich habe auf jeden Fall große Lust, das noch mal zu probieren -- und war sogar in Versuchung, mit den Schinken zu bestellen, wenn da nicht der schmerzliche Preis wäre. Und das hätte ich vorher auf keinen Fall gedacht.
Nachtrag zum Abenteuer: Wundert mich gar nicht, dass in keiner von Rumpels Runden bisher jemand gehandelt hat, wie vom Autor erwartet. Ohne jetzt zu spoilern, aber man führt erst ein, dass die Gruppe wochenlang auf der Suche nach einem X durch die Pampa irrt, und dann soll man angeblich plötzlich in Ruhe zugucken, wie eine Konkurrenzgruppe sich das Ding holt? Zumal, wenn auf Spielerebene schnell der Verdacht aufkommt, dass es sich um einen Riesenroboter hnadelt, mit dem man mechamäßig herumreisen kann! Monte Cook kennt nicht viele Rollenspieler, glaube ich.