Autor Thema: Identitätsfindung bei Vollautomation (war: Technologisches Schlaraffenland)  (Gelesen 7437 mal)

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Offline sindar

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Das ist doch eine verquere Fragestellung. Niemand fragt sich was der Welt fehlt, jeder fragt sich was einem selbst fehlt.
Das ist bei mir aber so das Gegenteil, das kann ich gar nicht ausdruecken. Ich definiere mich zu einem guten Teil ueber meinen Job, den hier an der Uni ausser mir eben einer machen kann - und den Mehrwert, den meine Arbeit hier liefert, sehe ich deutlich. Die Veroeffentlichungen werden wertvoller, die Doktor- und Masterarbeiten werden hochwertiger oder erst moeglich, und der Erkenntnisgewinn ist auch fuer sich genommen wertvoll. Ich bekomme auch rundherum zu spueren, dass mein Arbeit wertgeschaetzt wird; das ist fuer mich eine wichtige Triebfeder, auch und gerade abseits der Arbeit: Ich weiss, dass ich etwas wert bin, dass ich etwas kann, dass ich mit meiner Arbeit etwas erreiche. Fuer mein Selbstwertgefuehl ist das sehr wichtig.

Kurz: Es mag Leute wie den Dr. Boomslang geben, die sich nicht um ihren Wert fuer die Gesellschaft kuemmern, aber das geht lange nicht allen Leuten so!
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Brauchen wir dann also noch eine Vollautomatisierung wenn wir die Roboter sind?
In einem solchen Setting würde es vermutlich darauf hinauslaufen, daß alles, was Maschinen besser erledigen, automatisiert wird, und alles, was Menschen besser erledigen, von Menschen gemacht wird. Sprich, Güter würden von vollautomatisierten Lkws transportiert (und nicht etwa von Wanderern mit Rucksäcken), kreativer Input käme hingegen eher von Menschen.

Automatisierung zur Bequemlichkeit des Einzelnen würde aber wegfallen. Es gäbe vielleicht eine automatische Nahrungsmittelerzeugung und -zufuhr, "Lebensraumregulierung" in Form perfekt klimatisierter und belüfteter Habitate und eine vollautomatische Produktion aller Güter, die menschliche Elemente der Gesamtheit bräuchten, um ihre Aufgabe zu erfüllen. Wenn das Tanzschuhe beinhaltet, weil Menschen ihre Kreativität in irgendeinem Ausdruckstanz ankurbeln, dann gäbe es also auch eine automatisierte Produktion und Verteilung von Tanzschuhen.

Kurz: Es mag Leute wie den Dr. Boomslang geben, die sich nicht um ihren Wert fuer die Gesellschaft kuemmern, aber das geht lange nicht allen Leuten so!
Meiner Erfahrung nach ist diese Definition über den Wert für die Gesellschaft sogar die Norm.

Ich war 12 Jahre Softwareentwickler und habe die unterschiedlichsten Reaktionen von Auftraggebern und Endusern erlebt. Für den Enduser lief es meist darauf hinaus, daß seine gesamte Erfahrung plötzlich nichts mehr wert war; entweder wurde seine Arbeit ab da komplett von einem Computer erledigt, oder an seine Stelle rückte irgendein Jungspund, der in der Bedienung des Computers besser war als er selbst.

Verständlicherweise lehnten alle diese Enduser die neue Software ab. Aber das nicht nur aus Angst um ihr geregeltes Einkommen. Ich habe oft im Gespräch gemerkt: Durch ihre "Wegautomatisierung" nahm man diesen Leuten ihren Stolz, ihre Identität, ihren Platz in der Welt. Selbst wenn sie ihren Job behielten und weiterhin das Gehalt floß, sie haßten das neue Werkzeug.

Was die Reaktionen von Auftraggebern betrifft: Es ist eine prägende Erfahrung, einen Firmenchef dabei zu erleben, wie er händereibend davon schwärmt, wieviele Leute er dank der neuen Software entlassen kann. (Mit einer der Gründe, warum ich den Job am Ende geschmissen habe.)

EDIT: Natürlich kann man all dies als "Wachstumsschmerzen" beim Übergang in eine neue Gesellschaftsform begreifen, in der sich der Mensch nicht länger über die Arbeitskraft definiert. Aber worüber wird er sich stattdessen definieren?

Das ist die Frage, die mich umtreibt und wegen der ich diesen Thread überhaupt erst gestartet habe.
« Letzte Änderung: 8.08.2013 | 12:11 von Grey »
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@Grey:

Das angeschnittene Unterthema hier ist faszinierend und zeigt unsere individuellen Prägungen auf. Ich bin selbst Softwareentwickler, hatte aber bisher nur Einsätze bei denen es darum ging die Produktivität des vorhandenen Personals zu steigern, anstatt dieses weg zu rationalisieren. Für mich zeigt sich da eine klare Linie ab, denn viele Endkunden haben verstanden dass z.B. ihr Vertrieb nur durch gut unterstützte Vertriebler läuft, der menschliche Faktor also zählt und die Automatisierung dahinter an sich nichts wert ist, nur einen Multiplikator darstellt.
Ich hatte in den letzten Jahren nur einen Fall, bei dem es um Stellen ging, das war eine großer Kunde im süddeutschen Raum, bei dem eine neue Standard-Software eingeführt wurde. Hier hatten die div. IT-Mitarbeiter der Gruppe die Wahl, sind ja alle bei Ver.di, ob sie umschulen und Mitentwickeln oder in andere Abteilungen wechseln bzw. ihren Job aufgeben. Mich hatte es sehr erstaunt dass das Festhalten an deren Eigentwicklungen so stark war, so sehr teil ihrer Identität, das nur knapp 5% der Mbetroffenen Mitarbeiter sich für die Umschulung entschieden haben.
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@Slayn: Bedeutet "Multiplikator" nicht in diesem Zusammenhang ebenfalls, Leute einzusparen? Wenn dank der neuen Software plötzlich jeder Mitarbeiter fünfmal soviel Arbeit bewältigen kann, der Markt aber nicht das fünffache Umsatzpotential bereithält, ist doch die logische Konsequenz, daß durch die neue Software 80% der Mitarbeiter ihren Job verlieren.

Ersetze in Bezug auf meine Setting-Überlegungen den Begriff "vollautomatisiert" durch "extrem hochmultipliziert" - daß also z.B. ein Einzelner in einer Schaltzentrale die Arbeit macht, die zuvor von zehntausenden erledigt wurde -, dann hast du immer noch einen menschlichen Faktor drin, aber die überwältigende Mehrheit der Menschheit hat trotzdem nichts zu tun.

EDIT: Daß bei deinem Projekt in Süddeutschland die emotionale Bindung der ITler an die Eigenentwicklung so viel stärker war als an ein neues Produkt von außen, überrascht mich als Ex-Entwickler übrigens nicht. Mir persönlich wäre es an die Programmiererehre gegangen, wenn man mir - überspitzt formuliert - gesagt hätte: "So, und jetzt kannst du deinen selbstgebastelten Müll in die Tonne treten, wir haben nämlich ein viel professionelleres System zugekauft."
« Letzte Änderung: 8.08.2013 | 12:46 von Grey »
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hatte aber bisher nur Einsätze bei denen es darum ging die Produktivität des vorhandenen Personals zu steigern, anstatt dieses weg zu rationalisieren.

Zumindest gehen potentielle zukünftige Arbeitsplätze dadurch verloren.
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@Slayn: Bedeutet "Multiplikator" nicht in diesem Zusammenhang ebenfalls, Leute einzusparen? Wenn dank der neuen Software plötzlich jeder Mitarbeiter fünfmal soviel Arbeit bewältigen kann, der Markt aber nicht das fünffache Umsatzpotential bereithält, ist doch die logische Konsequenz, daß durch die neue Software 80% der Mitarbeiter ihren Job verlieren.

Ersetze in Bezug auf meine Setting-Überlegungen den Begriff "vollautomatisiert" durch "hochmultipliziert" - daß also z.B. ein Einzelner in einer Schaltzentrale die Arbeit macht, die zuvor von zehntausenden erledigt wurde -, dann hast du immer noch einen menschlichen Faktor drin, aber die überwältigende Mehrheit der Menschheit hat trotzdem nichts zu tun.

EDIT: Daß bei deinem Projekt in Süddeutschland die emotionale Bindung der ITler an die Eigenentwicklung stärker war als an ein neues Produkt von außen, überrascht mich als Ex-Entwickler übrigens nicht. Mir persönlich wäre es an die Ehre gegangen, wenn man mir - überspitzt formuliert - gesagt hätte: "So, und jetzt kannst du deinen selbstgebastelten Müll in die Tonne treten, wir haben nämlich ein viel professionelleres System zugekauft."

Zeit und daraus gewonnene Erkenntnisse ändern sich.
Es gibt Jobs, die verstärkt werden, da man zur Erkenntnis gelangt ist das bestimmte menschliche Faktoren wichtiger sind als die Struktur dahinter, andere Stellen werden abgeschafft, da ihre eigentliche Funktion durch die Struktur überholt ist.
Um konkrete Beispiele zu nennen, es ist klar dass im Vertrieb und Verkauf der "Menschliche Faktor" mehr zählt als die Struktur, die Struktur hier nur, durch bereitgestellte Mittel und Wissen, den Menschen unterstützen kann, hier ist es ein echter Multiplikator. Der Vertrieb ohne den Mensch und seine zwischenmenschlichen Fähigkeiten funktioniert einfach nicht.
Bei besagtem Kunden im süddeutschen Raum habe ich auch an der strategischen Beratung für eine Tochter teilgenommen, der Kunde wollte wissen ob man klassische Kundenberater durch ein POS-Infosystem ersetzen kann. Das Fazit war: können kann man, bringen tut es nur nichts und es würde zu einem rapiden Kundenverlust führen.
Beim gleichen Kunden mussten wir uns aber auch mit der Frage befassen ob ein zentraler Einkauf den bisherigen lokalen Einkauf pro POS schlagen könnte und hier sprach dagegen alles gegen den dezentralen Einkauf, da der menschliche Faktor keine Rolle spielt und man die Effizienz steigern könnte.

Die Aussage war nie "Selbstgebastelter Müll", gerade deswegen verstehe ich die Situation nicht ganz. Die Konstellation ist eine Mutterfirma, diverse zugekaufte Töchter, eine konsolidierte IT, mit den üblichen Problemen bei Zukäufen. Das Ziel bestand darin, Mutter und Töchter unter einem einheitlichen System zu konsolidieren, wobei man eben sehr gut ausgereifte Eigenentwicklungen mitkonsolidiert hätte, in einem knapp fünf Jahre andauernden Prozess.

@tartex:
Eben nicht. Wegen gewissen NDAs kann ich nicht alles sagen, nur so viel: Ver.Di war involviert und die Gewerkschaft hatte dabei ein Mitspracherecht.

[Nachtrag] Um die Ausgangssituation noch mal zu verdeutlichen: Grey stellt die Annahme in den Raum dass der Mensch im Grunde nicht leistungsstark genug wäre und ausgetauscht werden kann. Dies stimmt so aber nicht. In bestimmten bereichen, ja, in anderen ist er eben unersetzlich. Wir würden hier eine Verschiebung erleben, ähnlich der Verschiebung die wir jetzt schon erleben.
« Letzte Änderung: 8.08.2013 | 13:17 von Slayn »
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@Slayn: Wenn du sagst, im Vertrieb war das neue System ein "echter Multiplikator", wie äußerte sich das für den User?

Wenn "nur" die Qualität der Beratung gesteigert und die Fehlerquote gesenkt wurde, ist es natürlich kein Thema. Diese Sorte Aufträge waren meinem Gewissen damals am liebsten (und leider viel zu selten, um den Rest aufzuwiegen).

Wenn es aber bedeutete, daß die gleiche Anzahl Mitarbeiter mehr Arbeit bewältigen konnte, dann läuft es trotz allem darauf hinaus, daß über kurz oder lang Arbeitsplätze eingespart werden - entweder in dieser Firma, wenn sie ihren Marktanteil nicht vergrößern kann, oder bei der Konkurrenz, die nicht mehr mithalten kann und pleite geht.

Was das Thema "Müll" betrifft: Ich weiß ehrlich nicht, was schlimmer ist - wenn die Qualität deiner Arbeit gering geschätzt wird oder wenn dir gesagt wird: "Die Qualität Ihrer Arbeit ist gleichgültig, durch neue Standards kann sie jederzeit obsolet werden."

Wenn die alten Eigenentwicklungen dann durch Integration ins neue System gerettet werden sollen, kann das ein Trost sein; es kann sich für den Entwickler, der sich in der Eigenentwicklung ein Stück weit selbst verwirklicht hat, aber genausogut anfühlen wie: "Wir sind Borg. Widerstand ist zwecklos. Du wirst assimiliert werden."

Und in welchem Maße sich Menschen - auch in "primitiveren" Jobs - über den Stolz auf ihre Arbeit definieren, erlebe ich auch heute noch im Alltag immer wieder. Unser Hausmeister hat es erst vor kurzem auf den Punkt gebracht: "Eigentlich sollte ich mich freuen, daß die Nachbarn in Haus XY ihr Treppenhaus gleich nach dem Putzen sofort wieder in einen Schweinestall verwandeln. Dadurch habe ich mehr Arbeit und verdiene mehr Geld. Aber man will doch auch das Gefühl haben, daß die Arbeit wertgeschätzt wird!"
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Würde die Sklaverei in Amerika als geschichtliches Beispiel für eine Quasivollautomation genügen?
Dazu fehlen mir im Moment Fakten über die Gesellschaft der Südstaaten vor 1860. Wenn wir für den Moment mal Sklaven mit Automaten gleichsetzen, was taten in dieser Gesellschaft diejenigen freien Weißen, die keine reichen Plantagenbesitzer waren?
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@Grey:

Es gibt ja (leider) nach wie vor Firmen, deren Vertrieb nach alten, quasi 80er Jahren Standard laufen und bei denen scheinbar messbare "Qualität" alles ist. Viele U.S./UK-Tochterfirmen bei uns fallen in dieses Schema. Hierbei wird Qualität durch eine messbare Quantität ersetzt, etwa Aussagen wie "Mind. 90 Mins Akquise-Telefonate an einem Vormittag!". Im Gegensatz dazu gibt es aber auch mehr und mehr Firmen, denen der "Faktor Mensch" bewusst ist und die es einfach schätzen wenn ein Vertriebler eine direkte Beziehung zum Kunden aufbauen kann und es auch schätzen wenn durch diese Beziehung wieder Informationen zurück fließen können, wichtige BI die man auch auswerten kann.
Ein spannender Auftrag bestand darin, ein CRM so zu erweitern dass die Mitarbeiter, die einen Auftrag an die Konkurrenz verloren hatten, dennoch die Daten des Konkurrenzauftrags eingeben konnten, damit man bei der nächsten Angebotsrunde mit dem Wissen im Hinterkopf und den Kontakten, die besagter Vertriebler geknüpft hat, trotzdem Punkten kann. Diese Firma hatte verstanden dass ein Auftragsverlust nicht bedeutet den MA zu entlassen, sondern trotzdem durch gesammeltes Wissen und die Kontakte des MA Geschäfte zu machen.
Bei meinen Projekt in Münster ging es um Zielvereinbarungen, nämlich wie der AG, der MA im Vertrieb und überwachend der örtliche Gewerkschaftsvertreter Zielvereinbarungen und Bonuszahlung realistisch und profitabel erstellen können. Auch hier hatte der Kunde erkannt dass nur der "Faktor Mensch" im Vertrieb wirklich etwas bringt, egal was die allgemeine Betriebswirtschaftslehre so sagt. (Telekom, btw.)

Ich denke, beim "Müll" reagierst du über, vielleicht aus persönlichen Gefühlen. Es gibt einfach bestimmte Standard-Software die man nicht wirklich umgehen kann, egal was man denkt. Ab einer bestimmten Größenordnung, besonders bei konsolidierten Firmen, kommt man nicht drum herum. Was mich dabei eher irritiert ist folgendes: 107 MAs haben das Angebot bekommen sich umschulen zu lassen und ihre Position/Gehaltsniveau zu behallten, alternativ könnten sie in der Holding verschoben werden, fangen aber "neu" an. 6 MAs haben das Angebot angenommen, im Laufe der Schulung aber ihren VG kontaktiert da sie sich "gezwungen fühlen" und ihre Schulung abgebrochen. Der "Faktor Mensch" verkehrt herum.

Um den Bogen zum Thema zu knüpfen: Ich denke, der "Faktor Mensch" fällt bei vielen Gedankenspielen heraus, ist aber wichtiger als man denkt und wird nie verschwinden.

Würde die Sklaverei in Amerika als geschichtliches Beispiel für eine Quasivollautomation genügen?

Spannender Einwurf und in gewisser Art und Weise: Ja.

Um das aber noch ein wenig zu spezifizieren, manuelle Dienste, die man "locker" durch Maschinen ersetzen kann da die menschlichen Qualitäten hier nicht zählen, gehören bestimmt dazu. Ob ich jetzt 100 Sklaven auf einer Baumwollplantage habe oder 10 Sklaven mit Vollerntern oder einen Baumwollpflückandroiden, ist egal.
Im krassen Gegensatz dazu stehen "Hausnigger", also Sklaven bei denen der "Faktor Mensch" eine Rolle für ihren Job spielen. Hier sind Maschinen kein Ersatz, außer man erschafft sich seine Sklavenmaschine.
« Letzte Änderung: 8.08.2013 | 14:02 von Slayn »
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Dazu fehlen mir im Moment Fakten über die Gesellschaft der Südstaaten vor 1860. Wenn wir für den Moment mal Sklaven mit Automaten gleichsetzen, was taten in dieser Gesellschaft diejenigen freien Weißen, die keine reichen Plantagenbesitzer waren?
So weit ich es richtig weiss, hatten die zum großen Teil genauso Sklaven. So weit ich das weiss ging das sogar so weit, dass die Handwerker auch ihre Sklaven hatten für die Handwerkarbeiten hatten.

EDIT: Übrigens das Gemeine bei dem Vergleich ist, dass die damaligen Sklavenbesitzer ihre Sklaven ähnlich sahen wie wir heute Automaten. Besonders frappierend zu erkennen, wenn Du Dir die amerikanischen Bill of Rights anschaust, und daran denkst, dass einige der Leute, die die Bill of Rights gemacht haben, selber Sklavenhalter waren. Aber das dürfte wohl weg vom eigentlichen Thema hier führen.
« Letzte Änderung: 8.08.2013 | 14:03 von 6 »
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was taten in dieser Gesellschaft diejenigen freien Weißen, die keine reichen Plantagenbesitzer waren?

In der Vollautomation sind ja alle Plantagenbesitzer, bzw. Millionenerben. Von dem her stellt sich die Frage gar nicht.

Aber es wird wohl immer noch genügend Rivalitäten geben, weil nur einer der beste in der jeweiligen Nische sein kann, sei es bei Kunst, Sport, Abenteuern oder Partnerwahl.
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So weit ich es richtig weiss, hatten die zum großen Teil genauso Sklaven. So weit ich das weiss ging das sogar so weit, dass die Handwerker auch ihre Sklaven hatten für die Handwerkarbeiten hatten.

EDIT: Übrigens das Gemeine bei dem Vergleich ist, dass die damaligen Sklavenbesitzer ihre Sklaven ähnlich sahen wie wir heute Automaten. Besonders frappierend zu erkennen, wenn Du Dir die amerikanischen Bill of Rights anschaust, und daran denkst, dass einige der Leute, die die Bill of Rights gemacht haben, selber Sklavenhalter waren. Aber das dürfte wohl weg vom eigentlichen Thema hier führen.

Nimm es, im Gegenzug, mal als Denkansatz: Jetzt "wissen" wir dass das damals "böse" war, simplifiziert ausgedrückt. Wenn wir Maschinen erschaffen könnten, mit der gleichen Intellektuellen Leistung, ggf. sogar emotionaler Leistung wie wir sie haben, wo bestünde dann der Unterschied zu damals?
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Nimm es, im Gegenzug, mal als Denkansatz: Jetzt "wissen" wir dass das damals "böse" war, simplifiziert ausgedrückt. Wenn wir Maschinen erschaffen könnten, mit der gleichen Intellektuellen Leistung, ggf. sogar emotionaler Leistung wie wir sie haben, wo bestünde dann der Unterschied zu damals?
Da gäbe es keinen Unterschied. wir sind dann bei einem sicherlich sehr interessantem Thema. Allerdings glaube ich, dass wir das eigentliche Thema hier dann verlassen haben.
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Da gäbe es keinen Unterschied. wir sind dann bei einem sicherlich sehr interessantem Thema. Allerdings glaube ich, dass wir das eigentliche Thema hier dann verlassen haben.

Hehe. Nein, hier haben wir nämlich genau den qualifizierenden Faktor für das Urspungsthema erreicht: Könnten wir eine Sklavenrasse erschaffen, die unsere Arbeit abnimmt und zu den genannten Folgeproblemen führt?
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Um mal die Ausgangsfrage fuer mich persoenlich zu beantworten, so gut ich das vermag:

Mein voriger Post hier duerfte bereits zeigen, dass ich damit ein Problem haette. Tatsaechlich sehe ich im Moment nicht, wie ich das loesen koennte. Dabei bin ich alles andere als arbeitswuetig (wie man an meinen diversen Posts hier waehrend der Arbeitszeit sieht :D). Ich glaube zwar, dass ich das eine Weile geniessen koennte, (radfahren, rollenspielen, Irland erkunden), aber mittelfristig an dem Identitaetsverlust zerbraeche.

Aehnlich wie Slayn halte ich den "Faktor Mensch" in manchen Gebieten ebenfalls fuer grundsaetzlich nicht ersetzbar.
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Würdest du nicht einfach unbezahlt weiterarbeiten, wenn es dir Spass macht?
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Würdest du nicht einfach unbezahlt weiterarbeiten, wenn es dir Spass macht?

Das ist wiederum die Frage mit Bedürfnissen und Identität.
Die Antwort kannst du dir jetzt selbst ableiten.
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Ich denke, ich würde es zwar prinzipiell gerne machen, aber trotzdem im Endeffekt nie rechtzeitig aus dem Bett kommen...
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In der Vollautomation sind ja alle Plantagenbesitzer, bzw. Millionenerben. Von dem her stellt sich die Frage gar nicht.
Nicht ganz. Die Plantagenbesitzer waren die Oberschicht ihrer Gesellschaft. Es können aber per definitionem nicht alle zur Oberschicht gehören. Auch in der vollautomatisierten Gesellschaft wird es Leute geben, die reicher sind als andere; z.B. Anteilseigner großer Roboterbetriebe oben, einfache Grundversorgungsempfänger unten. (Wobei die Grundversorgung vermutlich immer noch luxuriös sein wird, verglichen mit dem heutigen Lebensstandard des Durchschnitts-Arbeitsnehmers. Aber gemessen an den Standards ihrer Gesellschaft werden sie die Unterschicht darstellen.)

Wenn tatsächlich in den Südstaaten auch Handwerker ihre Sklaven hatten, die die eigentliche Arbeit erledigt haben, kommen wir an die Situation der Vollautomatisierung schon relativ dicht ran; allerdings hatten dann die Handwerker immer noch ihren Beruf erlernt - ich gehe mal davon aus, daß sie ihre Sklaven auch noch selbst angelernt haben -, so daß sie zumindest eine Beziehung zu dem hatten, was da in ihrer Werkstatt gemacht wurde. Einzelne, kleine Werkstätten wären allerdings in einer modernen Infrastruktur ineffizient und auf Dauer nicht konkurrenzfähig. Folglich würde sich vermutlich das produzierende Gewerbe komplett auf durchautomatisierte Fabrikkomplexe verschieben, fernab der menschlichen Habitate, deren Bewohner keine Ahnung haben, wo und wie ihre Güter des täglichen Bedarfs produziert werden.

Die Frage nach vernunftbegabten Robotern mit Ichbewußtsein ist in diesem Kontext natürlich auch interessant. ;) Es wäre die Frage, ob deren Arbeitsverhältnis irgendwann auch emotional mit der Sklaverei vergleichbar wäre oder ob wir unsere Roboter so bauen können, daß sie mit ihrer Rolle als reine Arbeiter gründlich und zufrieden bleiben.

Würdest du nicht einfach unbezahlt weiterarbeiten, wenn es dir Spass macht?
Für mich selbst gesprochen: Eine Zeitlang vielleicht; und dann würde ich wegen der schieren Sinnlosigkeit meines Treibens irgendwann den Kram vor die Wand pfeffern. Wenn es zu nichts nütze ist und auch sonst keine Anerkennung bei irgendeinem Publikum findet, wozu weitermachen?
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Du ignorierst den Beitrag von heute Morgen: letztendlich können wir uns, durch Konsens, dazu zwingen glücklich zu sein.
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letztendlich können wir uns, durch Konsens, dazu zwingen glücklich zu sein.

Oder durch Medikamente.
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Du bestätigst genau das was ich meinte. Alles was du aus deiner Sicht in deiner Umwelt bewegst definiert dich. Es ist nur im Bezug zu dir von Interesse. Ob am anderen Ende der Welt irgendwer eine hochwertige Arbeit leistet interessiert dich nicht (zumindest erwähnst du es hier nicht). Es würde dich wahrscheinlich auch nicht interessieren was in deiner jetzigen Umgebung passieren würde wärst du nie da gewesen. Dein Selbstwertgefühl speist sich aus dem was du als deinen Einfluss auf deine Umwelt wahrnimmst. Das heißt es interessiert dich dein eigener Einfluss nicht die Gesellschaft oder gar die Welt.
Genau das meinte ich.