Bei Pathfinder oder D&D scheint mir das nicht so sehr der Fall zu sein; da wird ja eher der Anschein erweckt, als ob jede Klasse gleichwertig sei und es nur auf den eigenen Geschmack ankäme, welchen SC man da bauen möchte.
Auf der einen Seite stimmt das, und schon Gary Gygax hatte eine (wie auch immer geartete) Spielbalance im Auge, als D&D noch in den Anfangstagen steckte. Auf der anderen Seite darf man aus historischer Sicht glaube ich durchaus sagen, dass dieses Designziel bis D&D 3E noch keine Hauptpriorität besaß. Die ganze Diskussion entwickelte sich ja erst in den Folgejahren unter dem Einfluss von Rollenspieltheorie und MMORPGS, und wenn man sich die Rhetorik im Vorfeld der 4E-Veröffentlichung anschaut, stößt man nicht umsonst auf einmal auf Vokabular, dass aus einer dieser Ecken stammt.
Es gibt aber auch eine Denkschule, der weniger eine systemisch erzeugte Spielbalance am Herzen liegt als ein grundsätzlich am Spieltisch zu erzeugendes Gleichgewicht der Kräfte. James Ward hat in einem frühen Dragon dafür den Begriff des Equilibriums verwendet. Gemeint war die Verantwortung des Spielleiters dafür, allen Spielern in dem, was sie tun möchten, Freiraum und Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten und Missbrauch zu verhindern. Von Monte Cook weiss ich, dass auch er der Idee einer künstlich erzeugten Spielbalance sehr skeptisch gegenübersteht und statt dessen die zentrale Verantwortung des SL betont. und ich vermute zumindest, dass auch die Paizo-Designer in diese Denkschule gehören.
Insoweit glaube ich, dass dieser Anschein prä 4E vor allem und zunehmend in die Bücher hineingelesen wurde und gerade daraus ein (vermeintlicher) Druck entstand, die 4E entsprechend auszurichten.
Übrigens finde ich den Spider-Man/Thor-Vergleich nicht so recht passend, weil in einem Crossover es doch eigentlich so ist, dass jeder Superheld die gleichen Möglichkeiten hat, auf die Story einzuwirken. Und Spider-Man je nachdem plötzlich stärker oder schwächer erscheint, je nachdem, für welche Geschichte der Autor ihn "missbrauchen" möchte.
Das sind aber zwei unterschiedliche Dinge. Natürlich müssen beide die Möglichkeit haben, auf die Story einzuwirken. Dafür müssen sie aber nicht die gleiche Stärke besitzen. Und im Allgemeinen sind sich alle einig, dass Thor kräftemäßig Spider-Man weit überlegen ist (früher gabs ja sogar mal eine genaue Beschreibung der Kräfte der Super-Helden inkl. ihrer maximalen Traglast^^). Dass das nicht immer konsistent umgesetzt ist, stimmt aber natürlich.
Wobei es gerade bei Vollcastern ja eigendlich weniger auf die Optimirung (worunter ich jetzt primär die Auswahl von Feats, Magischen Gegenständen, Klassenfähigkeiten. Archetypen u.ä. verstehe) sondern den taktisch cleveren Einsatz von Zaubern, und absichtlich "dumm" zu spielen nur damit das Abenteuer nicht kippt ist irgendwie auch nicht so spaßig.
Im Prinzip wollte ich auf das heraus, was Rhylthar angesprochen hat. Beispiel: Burnt Offerings, das erste AP-Abenteuer, enthielt einen Artikel über das alte Thassilon, in dessen Rahmen den einzelnen Todsünden bestimmte Magierspezialisierungen (also Magieschulen) zugeordnet wurden. War noch 3.5 also wurden da auch noch die verbotenen Schulen aufgelistet, auf deren Zauber ein so spezialisierter Magier also verzichten musste. Ich hab mal für eine Spielrunde eine Magierin gebastelt, die sich an einer dieser Spezialisierungen orientierte und deswegen auf Transmutationszauber verzichtete. Das war dann zwar keine "Incantatrix mit Shivering Touch", aber deswegen nicht weniger gut spielbar, obwohl sie dadurch automatisch auf einige Optionen verzichtete, andere Spieler zu übertrumpfen.
Die musste ich jedenfalls nicht absichtlich "dumm" spielen.