Ich kann's schon verstehen, dass viele Alteingesessene DSAler an dem Werfen von 3W20 aus nostalgischen Gründen festhalten wollen. Würfel werden nun einmal sehr stark mit dem jeweiligen Rollenspiel assoziiert – D&D ist untrennbar verbunden mit dem einzelnen D20, GURPS mit seinen 3d6, Storyteller mit seinem d10-Pool, Shadowrun mit seinem d6-Pool, Fate mit seinen 4dF. Würfel sind einfach ein Wiedererkennungsmerkmal und somit natürlich für "alte Hasen" gewissermaßen eine "heilige Kuh".
Ich sage aber bewusst "an dem Werfen von 3W20", nicht "an dem derzeitigen 3W20-System". Das ist nämlich (meines Erachtens) unglaublich mühsam, langwierig und alles andere intuitiv. Es spricht für sich, dass es in Wege des Meisters ein eigenes Kapitel zur Wahrscheinlichkeitsrechnung gibt. Und gerade als Spielleiter ist es mir unglaublich (!) wichtig, im Vorfeld einer Probe die Erfolgswahrscheinlichkeiten und die Auswirkungen von Erschwernissen unkompliziert einschätzen zu können. Aber auch meine Spieler wollten das ganz gern beurteilen können, ohne sich dazu mathematisch betätigen zu müssen.
Damals vor 20 Jahren war es eine nette Idee, sich von der Konkurrenz abzugrenzen. Heute ist es ein Relikt, das sich im Spiel immer wieder als Hürde erwiesen hat. Es ist beiweitem nicht die zentrale Schwäche von DSA4.x. (Die ist meines Erachtens die Charaktererschaffung, wegen der mir zu früheren Zeiten, als ich tatsächlich noch mit DSA in Aventurien spielte, so mancher Spieler auf halbem Wege abgesprungen ist). Sonderlich praktisch ist die derzeitige 3W20-Probe trotzdem nicht.
Um sowohl die 3W20-Nostalgie zu bewahren als auch die mit dem jetzigen Problemsystem verbundenen Macken zu beheben, liese sich das beispielsweise so lösen: Wirf 3W20, behalte den Mittleren. Der "alte" Würfelwurf bleibt bewahrt, aber es entsteht eine schöne Normalverteilung/Glockenkurve (
siehe AnyDice; "output [middle 1 of 3d20]").
# %
1 0.72
2 2.08
3 3.27
4 4.33
5 5.22
6 5.97
7 6.58
8 7.03
9 7.33
10 7.47
11 7.47
12 7.33
13 7.03
14 6.58
15 5.97
16 5.22
17 4.33
18 3.27
19 2.08
20 0.72
Durchschnitt: 10,50
Standardabweichung: 4,48
In puncto Attributbezug der Talentproben würde ich auf "floating attributes" plädieren. Es wird immer auf das Attribut gewürfelt, das in der jeweiligen Situation am passendsten erscheint – als "Hilfestellung" und aus Nostalgie werden bei jedem Talent drei "empfohlene" Attribute angegeben.
Passen wirklich mal zwei Attribute perfekt, wird auf X/2+Y/2 (echt gerundet) gewürfelt. (X+Y+Z)/3 wäre auch möglich, in dem Fall würde ich aber massiv empfehlen, ganz oben auf dem Talentebogen die "Attribut-Drittel" (echt gerundet) anzugeben, um "Dividiererei" mitten im Spiel zu ersparen (z. B. "MU 12/4, KL 10/3, IN 11/4, CH 12/4, FF, GE 14/5, KO 13/4, KK 15/5"). Mir wäre das schon wieder zu kompliziert, Nostalgikern würde es aber vermutlich lieber sein, schließlich hat man in DSA "(fast) immer schon auf drei Attribute gewürfelt".
Für so eine "Mittlerer 3W20"-Probe sollte idealerweise auch das derzeitige "TaW-Gegenrechnungs-System" weichen: Der TaW ist jetzt ein Bonus auf den 3W20-Würfelwurf und wird vermutlich andere (geringere) Wertespannen haben. Die Talentschwierigkeit bestimmt den Grundwert, von dem aus der TaW gesteigert wird. Würde aber empfehlen, die sperrigen "Alphabet-Schwierigkeiten" durch etwas eingängigeres wie "sehr leicht, leicht, mittel, schwer, sehr schwer" zu ersetzen. Ja, das ist alles schamlos von GURPS geklaut – aber es funktioniert einfach
Außerdem wäre ich ganz stark dafür, eine "success with a cost"-Mechanik einzuführen, wie man sie von "Fate Core" kennt. Der Spieler kann sich entscheiden, einen in die Hose gegangenen Wurf einfach schiefgehen zu lassen – oder ihn mit Konsequenzen (abhängig von der Margin of Failure) doch zu schaffen. Wie immer in DSA hat der Spielleiter dabei natürlich das letzte Wort.
Beispiel: Ein Einbrecher verpatzt seine "Schlösser knacken"-Probe, als er in ein Haus einsteigen will – entweder schafft er es einfach nicht, die Türe bleibt versperrt, er muss sich einen anderen Weg suchen. Oder er schafft es – macht dabei aber beispielsweise Lärm, denn das Schloss knackt im wahrsten Sinne des Wortes, irgendjemand wird auf ihn aufmerksam.
(EDIT: Tippfehler)