Autor Thema: Mechanismus: Risiko sammeln  (Gelesen 2461 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Achamanian

  • Gast
Mechanismus: Risiko sammeln
« am: 6.09.2013 | 16:35 »
Ich denke ja gerne mal über mögliche innovative Mechanismen für Rollenspiele nach. Bei dem Stichwort "Death Spiral" durch Verletzungsbedingte Abzüge kam mir nun folgender Gedanke: Was wäre mit einem an sich klassischen Probensystem, indem man einen fixen Wert unterwürfeln muss; allerdings erhält man auf diesen Wert bei Verletzungen oder anderen Rückschlägen keine Abzüge. Stattdessen sammelt man durch sie Risikopunkte. Die Risikopunkte liegen auf der gleichen Skala wie die Fertigkeitswerte, und sie werden über eine Szene hindurch kontinuierlich angesammelt und aufaddiert.
Jeder Wurf wird nun mit dem Fertigkeitswert und dem Risikowert verglichen.
Liegt er unter dem Fertigkeitswert, hat man schon mal Erfolg.
liegt er gleichzeitig auch unter dem Risikowert, erleidet man irgendeine kleinere negative Konsequenz und möglicherweise einen Anstieg des Risikowerts.
Liegt er über dem Fertigkeitswert und unter dem Risikowert, erleidet man eine üble Konsequenz.

Die Vorteile dieser Methode könnten sein:
Die Erfolgswahrscheinlichkeit bleibt gleich - also kein frustrierendes Scheitern aufgrund von Abzügen.
Das angesammelte Risiko wirkt sich auf alle Fertigkeitseinsätze in einer Szene aus - wenn man allerdings Fertigkeiten verwendet, in denen man besser ist, ist das Risiko einer üblen Konsequenz (über FW und unter Risikowert) geringer. Tendenziell steigt also die Dramatik, ohne, dass die Figuren dafür an Kompetenz verlieren.

Man könnte hier auch leicht Push-Mechaniken einbauen, beispielsweise, dass man eine gescheiterte Probe in eine mit negativer Konsequenz gelungene verwandeln kann, wenn man bereit ist, die Differenz zum benötigten Ergebnis als Risiko-Punkte aufzunehmen.

Offline Turning Wheel

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 2.270
  • Username: Turning Wheel
Re: Mechanismus: Risiko sammeln
« Antwort #1 am: 6.09.2013 | 16:51 »
Hört sich interessant an.
Gib mal bitte an, was hier beispielsweise gegen was getauscht werden soll.

Bei Trauma gibt es sowas ähnliches schon. Man hat Schicksalspunkte, um schlimme Dinge zu verhindern.
Wenn man keinen hat, kann man ihn trotzdem ausgeben - im Austausch gegen eine fiese Konsequenz.
Oder hab ich das falsch verstanden?
« Letzte Änderung: 6.09.2013 | 16:53 von Black Turning Wheel »

Offline Selganor [n/a]

  • Moderator
  • Titan
  • *****
  • Beiträge: 34.339
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Selganor
Re: Mechanismus: Risiko sammeln
« Antwort #2 am: 6.09.2013 | 17:24 »
Erinnert mich an die "Stress/Trauma"-Dice bei Cortex+

Wenn man irgendwelchen "Schaden" kriegt zeigt sich der in Form eines Wuerfeltyps (von d4 bis d12).
Diesen Stress/Trauma die hat man nicht als Abzug auf eine Aktion sondern kriegt derjenige gegen den man eine Aktion macht mit in seinen Wuerfelpool (der besteht aus mehreren Wuerfeln von denen aber nur die 2 (in den meisten Faellen) hoechsten Wuerfel gezaehlt werden.
Stress/Trauma macht die Sache damit nicht immer schwerer (da der Stress/Trauma Die ja auch weniger wuerfeln kann als die normalen Wuerfel des Pools).

Andererseits hat man damit auch einen schoenen Mechanismus mit dem man spielen kann: Gegen einen Plotpoilnt kann man seinen eigenen Stress/Trauma-Die mit in seinen Pool nehmen (also: je uebler man dran ist desto potentiell besser wird der "Boost"), danach wird der Stress die aber um einen Wuerfeltyp hochgedreht (es ist nicht wirklich gut sich so anzustrengen) ;)

Deine Methodik mit den Risikopunkten:
Von welchen Groessenordnungen reden wir da?
Und wie wird da gewuerfelt?
Abraham Maslow said in 1966: "It is tempting, if the only tool you have is a hammer, to treat everything as if it were a nail."

Offline scrandy

  • im falschen Körper
  • Famous Hero
  • ******
  • Ex Urban-Brawl Profi
  • Beiträge: 2.582
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: scrandy
    • Mystix-RPG
Re: Mechanismus: Risiko sammeln
« Antwort #3 am: 6.09.2013 | 17:37 »
Also ich finde die Methode spannend. Ich hab sie gerade mal auf mein Spiel adaptiert und könnte mir vorstellen, dass das gut geht. Soweit ich das verstanden habe willst du statt Erfolgsmali die Chance auf inhaltliche Komplikationen bei Aktionen bei erhöhter Verwundung erhöhen lassen. Sprich wenn jemand verwundet ist und über einen Abhang springen will, soll das nicht erschwert sein (weil sonst Todesspirale) sondern es soll eine erhöhte Chance geben, dass er zum Beispiel bei erfolgreichem Sprung ausrutscht und auf der anderen Seite hinfällt und sich somit erst aufrappeln muss.

Das Konzept ist eigentlich sehr interessant. Bisher hatte ich es in meinem Spiel so, dass Verletzungen den Spieler dazu aufforderten die Komplikationen selbst in die eigene Aktion hereinzuerzählen. Erst wenn sie das nicht wollten oder sich (aus taktischen Gründen) bewusst dagegen entschieden wurde ein Malus aktiviert. Der Nachteil dabei ist, dass gute (erzählorientierte) Spieler ihre Wunden stärker berücksichtigen als schlechte Spieler oder gar Powergamer.

Dein Ansatz hätte den Vorteil, das Entstehen von Komplikationen in einen festen Mechanismus zu packen und auch noch ein gewisses Glücksmoment (und somit auch eine gewisse Chance ohne Nachteil davon zu kommen) einzufügen. Sehr cool.

Da meine Probe etwas anders aussieht und nicht 1:1 adaptiert werden kann hab ich das mal etwas modifiziert. Ich glaube der Spirit deiner Idee bleibt aber erhalten: Wenn ich das auf mein Spiel anwenden würde (ich habe ein Pool-System mit 1-9 Erfolge), dann würde ich einfach pro Wunde 1-3 Punkte Risiko einplanen und diese auf die geforderte Schwierigkeit aufaddieren und zusätzlich den Risikowert als Untergrenze separat auswerten. Damit ergibt sich folgendes:
Erfolge < Risiko und Erfolge < Schwierigkeit = Schwerer Fehlschlag
Erfolge > Risiko und Erfolge < Schwierigkeit = misslungen ohne Komplikation
Erfolge > Risiko und Erfolge > Schwierigkeit = gelungen mit kleiner Komplikation
Erfolge > Schwierigkeit+Risiko = gelungen ohne Komplikation

Als Beispiel:
Ich habe eine mittlere Wunde am Bein (2 Risiko) und soll nun vor Verfolgern flüchten (Schwierigkeit 5). Wenn ich weniger als 2 Erfolge habe breche ich bei Flucht zusammen und werde gefasst. Hab ich aber zum Beispiel 4 Erfolge so entkomme ich zwar nicht, erspare mir aber, dass ich irgendwo auf dem Boden aufgelesen werde und kann erhobenen Hauptes ins Gefängnis gehen. Habe ich allerdings 6 Erfolge so entkomme ich zwar, aber hinterlasse eine deutliche Blutspur, so dass ich recht bald wieder mit meinen Verfolgern rechnen muss. Bei 5+2=7 Erfolgen entkomme ich ohne weitere Schwierigkeit.

Somit hat die Verletzung keinen Einfluss auf den Erfolg der Aktion und man kann erfolgreich weiterspielen, sorgt aber dafür, dass die Verletzung im Spiel weiter wahrgenommen wird und inhaltlich Relevanz hat. Ich werde das in der nächsten Runde mal ausprobieren. Könnte in sozialen und geistigen Konflikten auch funktionieren.

EDIT: Ach ja, aufgrund der anderen Probe würfel ich hier nur einmal und werte den Wurf doppelt aus.
« Letzte Änderung: 6.09.2013 | 17:41 von scrandy »
Der Waldfürst gibt, der Waldfürst nimmt.

Mystix: Ranken, Glyphen, Kreiselschiffe - Story-orientiertes Steamfantasy-Rollenspiel. (Homepage / Diskussion)

Mystix - Das große Erwachen: Always Hope - Never Fall!

Offline 1of3

  • Richtiges Mädchen!
  • Titan
  • *********
  • Proactive Scavenger
  • Beiträge: 19.139
  • Username: 1of3
    • Sea Cucumbers and RPGs
Re: Mechanismus: Risiko sammeln
« Antwort #4 am: 6.09.2013 | 17:41 »
Erinnert mich ein bisschen an Ripples bei Legends of the Wulin. Die gehen allerdings wieder runter, wenn sie sich einmal abreagiert haben, und werden dann neue gesammelt.

Achamanian

  • Gast
Re: Mechanismus: Risiko sammeln
« Antwort #5 am: 6.09.2013 | 17:45 »
@ Black & Selganor:
ich weiß noch gar nicht, von was für Würfeln ich hier rede, ich wollte einfach mal so die Idee in den Raum werfen. Selbst will ich das wahrscheinlich gar nicht groß ausarbeiten, weil ich gerne mal über Mechanismen nachdenke, aber keine Lust habe, Regeln zu designen.
Cortex+ kenne ich nicht, das beschriebene System klingt aber tatsächlich ziemlich ähnlich zu dem, was mir im Kopf herumspukt.


@scrandy:
Die Anwendung im Poolsystem klingt interessant. Ich hatte mir das ganze auch schon gar nicht nur als Verwundungssystem gedacht, sondern bin gedanklich einfach von Wundsystemen her gekommen. Die Idee ist aber tatsächlich eher, das übergreifend für alle Arten von Konflikten zu verwenden, in denen mit der Zeit das Risiko steigen soll, negative Folgen zu erleben.

Offline Dr.Boomslang

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.663
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Dr.Boomslang
Re: Mechanismus: Risiko sammeln
« Antwort #6 am: 6.09.2013 | 17:48 »
Das Risiko wäre also unabhängig vom Erfolg, was für eine Situation, willst du denn damit modellieren? Was für Risiken wären das denn?

Offline Selganor [n/a]

  • Moderator
  • Titan
  • *****
  • Beiträge: 34.339
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Selganor
Re: Mechanismus: Risiko sammeln
« Antwort #7 am: 6.09.2013 | 17:59 »
Bei einem Poolsystem koennten die Risikopunkte aber eine Schwelle fuer "gute" Erfolge sein.

Wenn man beispielsweise bei einem Wurf von 5+ auf einem Wuerfel einen Erfolg hat und in den Wurf die Risikopunkte als "Risiken" rechnet kann man beispielsweise bei einem Wurf von 6, 4, 2, 4, 3, 6 bei 6d6 ein Ergebnis von 2 Erfolgen und bei Risiko 2 waere es 1 Risiko (Risiko<Erfolge). Bei Risiko 3 haette man 2 Risiken (Risiko=Erfolge) bei Risiko 4 waeren es 4 Risiken (Risiko>Erfolge) die dann noch entsprechend interpretiert werden koennen.
Abraham Maslow said in 1966: "It is tempting, if the only tool you have is a hammer, to treat everything as if it were a nail."

Achamanian

  • Gast
Re: Mechanismus: Risiko sammeln
« Antwort #8 am: 6.09.2013 | 18:16 »
Das Risiko wäre also unabhängig vom Erfolg, was für eine Situation, willst du denn damit modellieren? Was für Risiken wären das denn?

Der Klassiker wäre natürlich Kampf: Da ist die Dauer der Szene sehr klar umrissen. Während der Szene sammelt man auf die eine oder andere Art (Misslingen von Proben, Pushen von Proben) Risikopunkte, die eher abstrakt die zunehmende Gefahr repräsentieren, dass etwas ernsthaft schiefgeht. Risikopunkte können kleine Verletzungen sein, oder Ermüdungserscheinungen, oder auch einfach ein Maß dafür, dass es irgendwann mal schiefgeht ...
Wenn der Zauberer jetzt beispielsweise auf einer 20er-Skala einen 15er-Wert im Flammenstrahl hat und 10 Punkte Risiko gesammelt, dann hat er eine hohe Chance, dass es zu einer kleinen Komplikation kommt (1-10 und 16-20 auf W20), eine ebenso hohe Chance, erfolgreich zu sein (1-15) und eine relativ kleine, Komplikationsfrei erfolgreich zu sein (11-15). Ein Scheitern mit ernsten Konsequenzen ist bei dieser Aktion nicht möglich, dafür wurden noch nicht genug Risikopunkte angesammelt.
Wenn er mit demselben Risikopunktekonto gezwungen wird, in den Nahkampf zu gehen (Fertigkeitswert 5), dann wird selbst eine gelungene Probe (1-5) immer mit kleinen negativen Konsequenzen verbunden sein. darüber hinaus besteht eine ebenso hohe Chance für eine ernsthaft negative Konsequenz (6-10), die ich tendenziell als ein Ereignis definieren würde, die den SC weitgehend handlungsunfähig macht (eine schwere Verletzung, in einer sozialen Situation einen üblen Faux Pas, usw.). Der wahrscheinlichste Ausgang ist ein Scheitern (11-20) mit kleinen negativen Konsequenzen.

Die Idee wäre, dass das Risiko, eine ernste Konsequenz davonzutragen, in einer Szene wächst, dass aber gleichzeitig bis zum Schluss Handlungen auch außerhalb der Kernkompetenzen eine beständige Erfolgschance haben; nur steigt halt später tendenziell die Gefahr, sich mit dieser einen wirklich riskanten Handlung selbst auszuknocken.

Kleinere negative Konsequenzen würde das System, so wie ich es mir vorstelle, gar nicht über die Szenen hinaus abbilden, die würden einfach nur neue Risikopunkte aufs Konto packen, das dann in der nächsten Szene wieder auf 0 gesetzt wird. Nur größere Konsequenzen stellen dauerhafte "Verletzungen" (mit oder ohne Anführungszeichen) dar.

Evtl. müsste man auch eine Art Overflow einbauen - auf einer 20er-Skala hieße das Beispielsweise, dass man über zwanzig wieder anfängt, ab 1 zu zählen, aber dass man nun auch dann eine ernste Konsequenz davonträgt, wenn man unter dem Risikowert und unter dem Fertigkeitswert bleibt.