Fate Accelerated ist hier schon mal erwähnt worden. Nach den Kommentaren vermute ich mal, dass da keine praktischen Erfahrungen in diesem System mit Kindern vorliegen.
Mein jüngster Fate-Spieler war bisher sechs Jahre in einer Runde im Alter von 6, 8, 10 und 12. Es war ihr Erstkontakt mit Rollenspielen. Ich kannte die Kinder vorher nicht, da das Ganze auf einem Spiel- und Sportfest als offene Runde für interessierte Besucher lief.
Das Szenario ging recht stark in Richtung Harry Potter. Schülerinnen und Schüler an einer Zaubererschule. Da konnten die meisten direkt was mit anfangen und waren schnell im Spiel. Sehr wichtige Sache. Es geschieht sehr schnell, dass am Spieltisch unterschiedliche Vorstellungen von einem Setting, von verschiedenen Stereotypen etc. herrschen, sobald schon ein paar Jährchen Unterschied in der Gruppe vorliegen. Klischees werden halt von den Medien stark geformt und die Inhalte ändern sich nun ein Mal. Es kann dann sehr hilfreich sein, nahe an einer konkreten Vorlage zu liegen, die in vielen Altersgruppen bekannt ist.
Das Spielen lief erstaunlich flüssig. Gerade die Spielmechanik von Fate war sehr hilfreich. Eine Probe mit einem W20 und Modifikatoren hätte ich mir mit dem 6-jährigen mal spontan in die Haare schmieren können. Sicher im Zahlenraum bis wo? Negative Zahlen? Auf der Leiter konnte der die Plus- und Minus-Ergebnisse der Würfel selbst abzählen.
Aspekte und Reizen kamen bei den Kurzen großartig an. Nehmt nur wenige Aspekte, zwei oder drei sind längstens genug. Die 12-Jährige hat recht zeitig eine Probe versiebt, aber nur knapp. Also erkläre ich kurz, wozu diese grünen Pokerchips gut sind. "Dadurch könnt ihr zwei Zeilen nach oben und dann habt ihr es vielleicht doch geschafft. Und wenn ihr passend zu euren Aspekten Pech habt oder ihr was dummes macht, dann bekommt ihr so einen Chip für die Proben. Das kann zum Beispiel bei ihr das und das sein." Chaos ist die Folge. Gutes Chaos. Die sind nur noch am Reizen. "Ich mache das! Kriege ich einen Chip?" - "Mir passiert jetzt das! Fatepunkt!" - "Ich stoße gegen das da! Kann ich mir einen Punkt nehmen?" Die Belohnungsmechanik funktioniert wie eine eins. Ich stimme zu, dass Zwang hier nicht gerade weiterhilft. Aber Fatepunkte als Belohnung? Ohja, das fluppt!
Approaches laufen auch recht gut. Der 6-Jährige brauchte da noch einige Hilfe, der 8-Jährige hatte fast sofort raus, dass sein Hagrid-artiger Charakter mit seinem hohen Wert in Kräftig der Hammer in einer Welt aus Nägeln ist. Die 10- und die 12-Jährige waren da auch sehr schnell drin und benutzten halt ausgiebig ihre starken Approaches passend zu ihrer im Kernaspekt beschriebenen Rolle. Gar kein Problem nach den ersten Proben.
Stunts hatte ich draußen gelassen. Auch die "saubere" Unterscheidung zwischen den vier Aktionsarten habe ich nicht wirklich sauber durchgezogen. Eher alles ein bisschen locker im Bezug auf die Regeln. Dabei hilft übrigens ganz wunderbar die goldene Regel: "Mach was du willst und such dir dann die Regeln dazu." Die Kinder konnten spontan drauf loslegen und handeln. Manchmal kam die Frage: "Was kann ich denn machen?" Antwort: "Was du möchtest. Du musst dann nur mal schauen, ob es auch klappt." Regeleinordnung habe ich dann quasi im Hintergrund erledigt. Übrigens wurden auch Umgebungsaspekte erzeugt und genutzt. Gerade die beiden Mädchen, die beiden älteren in der Runde, haben teilweise bewusst Aspekte produziert, sind also auf Create Advantage gegangen, ohne dass die Aktion so je benannt wurde. Die Runde war proaktiver als ich das von manch einer Erwachsenenrunde kenne.
Insgesamt haben wir eine drei Viertel Stunde gespielt, dann kamen die Eltern zum Abholen an (zum zweiten Mal, als sie das erste Mal da waren, wurden sie direkt wieder von den Kurzen weggeschickt). Danach hat die Aufmerksamkeit auch nachgelassen. Kurze Szenarien machen Sinn.
Kurzum:
Fate Accelerated als System für Kinder? Sehr empfehlenswert!
[EDIT]
Ich bin übrigens mittlerweile Ende 30. Angefangen habe ich mit 12. Ich war Spielleiter und mein kleiner Bruder und meine Oma haben mit den ganz einfachen Grundregeln aus der DSA2-Box die arme Silvana befreit. Sehr einfaches System und "einfach mal machen" als Prämisse, dann kann man nicht viel verkehrt machen. Wir erwarten von 12-Jährigen, dass sie Proportionalitäten zwischen physikalischen Größen erkennen, mit negativen Zahlen umgehen und sich durch so friedfertige Bücher wie "Damals war es Friedrich" durchknabbern. Englisch gibt es ab der Grundschule, zumindest in unserem Bundesland. Zumindest einzelne Vokabeln wie eben die Approaches bei FA haben die Kinder nach ganz kurzer Erläuterung schnell drauf. Da geht auch rollenspielerisch einiges. Es läuft runder, als man vielleicht als Erwachsener erwarten mag.