Autor Thema: Wie wir uns Spiele zu eigen machen  (Gelesen 2124 mal)

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Online 1of3

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Wie wir uns Spiele zu eigen machen
« am: 12.10.2013 | 22:35 »
Wie wir alle wissen, spielen wir, selbst wenn wir nominell das gleiche Spiel spielen, nicht alle gleich. Mich treibt gerade die Frage um, wie und auf welche Weisen Spiele uns dazu verleiten.

  • Weglassbare Regeln: Das Spiel enthält diverse Regeln. Man kann Teile davon unbeschadet weglassen. Findet sich vornehmlich bei dicken Spielen (D&D, Gurps...). Dieses Weglassen kann bewusst oder unbewusst sein.
  • Quellenbücher: Man kann sich für das Spiel weiteres Material anschaffen, welches das Spiel erweitert.
  • Subsysteme/Sonderregeln: Es gibt gewisse Regeln, die erst aktiv werden, wenn Teilnehmer*innen die Voraussetzungen schaffen, z.B. einen Charakter wählen, der das Subsystem benutzt. Subsysteme können sich in ihrer Komplexität stark unterscheiden.
  • Leerstellen im Setting: Gewisse Dinge (z.B. Landstriche oder Mysterien) werden nicht erklärt. Es wird sogar erklärt, dass sie nicht geklärt werden. Während Storytelling-Spiele solche Sachen tatsächlich im Hintergrund oder als Kann-Regel laufen lassen, forcieren Storygames, wenn sie das tun, den Umstand häufig so, dass die Frage beantwortet werden muss. Das geht dann schon zum nächsten über...
  • Konkrete Spielvorbereitung: Chargen, Stadt-Erschaffung etc. Nach gewissen Vorlagen und Regeln werden nötige Spielinhalte generiert. Die Protagonisten, ihre Umgebung, Antagonisten.
  • Weltenbau: Anders als nötige Spielvorbereitung ist Weltenbau im Grunde immer unnötig. Besonders begünstigt scheint mir das bei Spielen zu sein, die verschiedene Versatzstücke (z.B. Rassen) anbieten, die sich zusammen setzen lassen, deren Anordnung aber zunächst unklar ist. Aber ich bin mir da nicht ganz sicher.
  • Hackability: Das Spiel lädt dazu ein, alle Seriennummern abzufeilen und neue dranzuschreiben. Kommt quasi nur bei Storygames vor. Die betreffenden Spiele zeichnen sich dadurch aus, dass ihr prägendes Merkmal gewisse Regelmechanismen oder narrative Abläufe sind, die sich leicht in ein anderes Gewand übertragen lassen. Sie sind zudem eher schmal, so dass eine Portierung in endlicher Zeit machbar ist.



Hab ich was vergessen? Gibt es weitere Umstände, die gewisse dieser Strategien begünstigen oder behindern?

Offline Turgon

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Re: Wie wir uns Spiele zu eigen machen
« Antwort #1 am: 12.10.2013 | 22:41 »
IMHO fehlt noch:

andere Interpretation des Settings:
Je nach Vorliebe der jeweiligen Spielgruppe können unterschiedliche Aspekte des Settings betont werden, so dass sich das Spiel trotz gleicher Regeln und nominell gleichem Setting unterschiedlich anfühlt.

Online 1of3

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Re: Wie wir uns Spiele zu eigen machen
« Antwort #2 am: 12.10.2013 | 22:44 »
Stimmt.

Offline Turning Wheel

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Re: Wie wir uns Spiele zu eigen machen
« Antwort #3 am: 12.10.2013 | 23:17 »
Bezieht sich deine Aufzählung auf das hypothetisch mögliche Spiel oder das tatsächlich stattfindende Spiel?

Online 1of3

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Re: Wie wir uns Spiele zu eigen machen
« Antwort #4 am: 12.10.2013 | 23:27 »
Ich weiß nicht. Wo ist der Unterschied?

Offline Archoangel

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Re: Wie wir uns Spiele zu eigen machen
« Antwort #5 am: 12.10.2013 | 23:45 »
Aufstiegsfrequenz: wenn meine Gruppe sechsmal so schnell Erfahrung gewinnt wie deine, spielen wir ebreits ein anders Spiel. Funktioniert auch mit weiteren belohnungsmechanismen, wie Geld, politische Macht etc.

Generell natürlich auch die Gruppenpräferenz bezüglich ARS/Gamismus/Simulationismus/Narrativismus. Kann ich alles mit dem selben System/Setting mehr oder weniger betonen.

Siehe auch - Charakterentzogenes Powerniveau: es macht einen Unterschied, ob ich im Setting/System die Herrscherkaste oder das Bauernvolk spiele. Und schon ... schwups ... ein unterschiedliches Spiel. Gnerell dürfte es mindestens so viele Spiele wie Spielgruppen geben.
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Re: Wie wir uns Spiele zu eigen machen
« Antwort #6 am: 13.10.2013 | 00:04 »
Aufstiegsfrequenz: wenn meine Gruppe sechsmal so schnell Erfahrung gewinnt wie deine, spielen wir ebreits ein anders Spiel. Funktioniert auch mit weiteren belohnungsmechanismen, wie Geld, politische Macht etc.

Stimmt. Und wenn z.B. die Schwierigkeiten unterschiedlich festgelegt werden auch. Vielleicht sollte man da nach der Ursache solcher Abweichungen unterscheiden. Es kann natürlich sein, dass Schwierigkeiten und XP-Vergabe z.B. einfach einer Person (also SL) übertragen werden, deren Ansicht dann maßgeblich wird. Gibts da noch andere Komplexe?


Zitat
Siehe auch - Charakterentzogenes Powerniveau: es macht einen Unterschied, ob ich im Setting/System die Herrscherkaste oder das Bauernvolk spiele. Und schon ... schwups ... ein unterschiedliches Spiel. Gnerell dürfte es mindestens so viele Spiele wie Spielgruppen geben.

Stimme ich unbedingt zu. Mich interessiert mal, worin sich jetzt solche Spielweisen tatsächlich unterscheiden und wie es dazu kommt.

Wenn du hier sagst "Unterschiedliches Powerniveau" scheint mir dein Beispiel schon ein wenig weiter zu gehen. Zwischen Bauern und Adligen sehe ich auch stilistische Unterschiede. Könnte man da von verschiedenen Kampagnenkonzepten sprechen? Ich erinnere mich, dass Shadowrun da mal vorgeschlagen hatte, z.B. ein DocWagon-Team zu spielen. Gibts solche Erwägungen noch woanders?

Offline Turning Wheel

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Re: Wie wir uns Spiele zu eigen machen
« Antwort #7 am: 13.10.2013 | 04:38 »
Ich weiß nicht. Wo ist der Unterschied?
Hmja, du sprichst z.B. von Subsystemen, die 'aktiv' werden, wenn ein Spieler einen speziellen Charakter wählt.
Wenn jetzt einer der Spieler einen Zuckerbäcker nimmt und ab sofort süße Torten herstellen kann.
Aber was heißt denn aktiv werden?

Wird süße Torten herstellen bei Charakterwahl aktiv, obwohl der SL geplant hat, dass dem Spieler niemals die nötigen Materialien
zur Verfügung stehen, weil es in der ganzen Kampagne nur Lehm zum Töpfern gibt?
Oder wird es aktiv, wenn der Charakter tatsächlich im Spiel eine süße Torte herstellt und auf backen würfelt?

Also sind Hypothesen oder Tatsachen relevant?

Das ist vielleicht auch insofern wichtig, weil tatsächlich nicht mal innerhalb einer Spielgruppe das gleiche Spiel stattfindet, weil eventuell
manche Spieler in der Gruppe bestimmte Dinge einfach gar nie tun.

Offline Arkam

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Re: Wie wir uns Spiele zu eigen machen
« Antwort #8 am: 13.10.2013 | 09:03 »
Hallo Black Turning Wheel,

ich habe die Aussage einfach Mal in Hinsicht auf Magier oder Hacker interpretiert. Wenn man die passenden Charaktere nicht in der Runde hat so wird man den entsprechenden Regelblock einfach nicht verwenden, es sei den NPCs werden entsprechend behandelt.
Die Hacker Regeln bei Shadowrun / Cyberpunk 2020 sind etwa so aufwendig das sich viele Runden entschlossen haben ohne sie zu spielen.
In Traveller ab es zwar PSI Regeln aber das Spiel funktionierte auch ohne sie. Auch der Hintergrund verändert sich eigentlich nicht.

Gruß Jochen
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Offline Archoangel

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Re: Wie wir uns Spiele zu eigen machen
« Antwort #9 am: 13.10.2013 | 09:31 »
Ich erinnere mich, dass Shadowrun da mal vorgeschlagen hatte, z.B. ein DocWagon-Team zu spielen. Gibts solche Erwägungen noch woanders?

Klar, schon AD&D-Birthright schlägt vor entweder Herrscher, oder normale Helden in der Welt zu spielen - oder nur einen Herrscher und seine Gefolgsleute. Drei verschiedene Herangehensweisen an ein und das selbe Spiel.

ARS-Magica erlaubt es dir in die Rollen deines Charakters (Magier) eines Companions eines anderen Charakters und eines Grogs (Krieger) zu schlüpfen ... und alles am selben Spielabend. Hier gilt also sogar: je nachdem wer gerade was spielt kann die selbe Gruppe am selben Abend ein sehr unterschiedliches Spiel spielen.

In V:tM Giovanni Chronicles wird empfohlen auch mal den Feind (die Giovannis) zu spielen, um das Spiel aus dem Blickwinkel des Gegners zu sehen.
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Offline Slayn

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Re: Wie wir uns Spiele zu eigen machen
« Antwort #10 am: 13.10.2013 | 13:30 »
Wenn du hier sagst "Unterschiedliches Powerniveau" scheint mir dein Beispiel schon ein wenig weiter zu gehen. Zwischen Bauern und Adligen sehe ich auch stilistische Unterschiede. Könnte man da von verschiedenen Kampagnenkonzepten sprechen? Ich erinnere mich, dass Shadowrun da mal vorgeschlagen hatte, z.B. ein DocWagon-Team zu spielen. Gibts solche Erwägungen noch woanders?

L5R ist da ein Paradebeispiel. Es gibt Erwägungen, Regeln und Konzeptvorschläge für alle möglichen Arten von Kampagnen vom Bauern bis Herrscher bzw. Gedanken, wie man diverse Konzepte durchsetzt und Implikationen, was diese dann bedeuten werden (so als Beispiel: Magistratenkampagne, legionskampagne, Great House Kampagne, etc.). Im gleichen Stil werden mti den beiden Imperial Histories Büchern auch komplette Alternativen dargelegt, etwa 1000 Years of Darkness oder Samurai in Space.

Ich finde die auf diese Art getroffene Aussage sehr charmant und ehrlich, nämlich das es zwar ein Grundregelwerk gibt, die ohne "Zu Eigen Machen" aber auch nicht mehr ist als nur eine Basis.
« Letzte Änderung: 13.10.2013 | 13:54 von Slayn »
Wenn wir einander in der Dunkelheit festhalten .. dann geht die Dunkelheit dadurch nicht vorbei
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Offline Turning Wheel

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Re: Wie wir uns Spiele zu eigen machen
« Antwort #11 am: 13.10.2013 | 21:46 »
ich habe die Aussage einfach Mal in Hinsicht auf Magier oder Hacker interpretiert. Wenn man die passenden Charaktere nicht in der Runde hat so wird man den entsprechenden Regelblock einfach nicht verwenden, es sei den NPCs werden entsprechend behandelt.
Die Hacker Regeln bei Shadowrun / Cyberpunk 2020 sind etwa so aufwendig das sich viele Runden entschlossen haben ohne sie zu spielen.
Hallo Jochen,
ich glaube du hast mich nicht verstanden. Es geht mir doch darum, dass man sich dafür entscheidet bestimmte Regeln zur Anwendung zu bringen, es aber tatsächlich doch nicht passiert.

Draig-Athar

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Re: Wie wir uns Spiele zu eigen machen
« Antwort #12 am: 14.10.2013 | 22:10 »
Könnte man da von verschiedenen Kampagnenkonzepten sprechen? Ich erinnere mich, dass Shadowrun da mal vorgeschlagen hatte, z.B. ein DocWagon-Team zu spielen. Gibts solche Erwägungen noch woanders?
Bei Classic D&D (Rules Cyclopedia) können sich manche Klassen aussuchen, ob sie auf höheren Stufen lieber sesshaft werden und (zusätzliches)Gefolge um sich sammeln, oder ob sie lieber "Wanderer" bleiben und (bei manchen Klassen) ein paar abenteuerrelevante Fähigkeiten dazubekommen. Das kann den Fokus des Spiels deutlich verschieben.

Offline Menthir

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Re: Wie wir uns Spiele zu eigen machen
« Antwort #13 am: 14.10.2013 | 23:28 »
Nicht vergessen werden sollte auch jenes, welches du, 1of3, schon im Bereich der "weglassbaren" Regeln ein Stück weit impliziert haben magst.
Zitat
Weglassbare Regeln: Das Spiel enthält diverse Regeln. Man kann Teile davon unbeschadet weglassen. Findet sich vornehmlich bei dicken Spielen (D&D, Gurps...). Dieses Weglassen kann bewusst oder unbewusst sein.

Ich würde es noch ein Stück weitertreiben und den großen Punkt der Faulheit stärker einbinden. Die Faulheit verhindert nicht nur bisweilen, sich in alle Einzelheiten einzulesen, sondern eben auch sich aus anderen System wirklich wegzudenken. Dies führt häufig dazu, dass eben gewisse Portierungen von einem System in das nächste vorgenommen werden und erst im Nachhinein mit einem häufig sehr subjektiven Sinn versehen werden.

Des Weiteren darf auch Unwissenheit und Unfähigkeit nicht vergessen werden. Das muss nicht angreifend verstanden werden, aber eben auch die Fähigkeiten eines Spielleiters, Spieleteams, der Spieler etc. das Wissen, welches ein Spiel ggf. voraussetzt, zu ordnen, zu überblicken und zur Anwendung zu bringen spielt eine Rolle. Nicht immer ist dieser Punkt mit Faulheit, oder mit anderen Vorlieben zu erklären, sondern hängt eben auch vom Zugang, die Vermittlungsfähigkeit eines Spiels oder des Systems, und den Fähigkeiten und Kenntnissen der Beteiligten zusammen, oder auch in sonstigen Punkten von der Komplexität. Eine gewisse Unlust, Unfähigkeit oder einfach Frust oder eben eine Mischung dieser Punkte wird ebenfalls eine bedeutende Rolle dabei spielen, ob und wie man sich ein Spiel zu eigen macht. :)
„Zutrauen veredelt den Menschen, ewige Vormundschaft hemmt sein Reifen“ - Johann Gottfried Frey

„Ein Mensch wollte immer Recht behalten:
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