In letzter Zeit ist mir immer wieder in diversen Threads (nicht nur in diesem Forum) und RL-Unterhaltungen ein seltsames Phänomen aufgefallen: erst schrauben die Leute an ihrem gewählten System herum, und dann jammern sie weil ihr Spiel nicht funktioniert -- schaffen aber nicht die Transferleistung, dass der Kollaps ihres Spiels etwas mit ihren übel zusammengeschusterten Bananenregeln zu tun haben könnte. Sozusagen ein Fall von kognitiver Dissonanz.
"Genialster" Fall der letzten Zeit (aber beileibe nicht der einzige):
ein Spieler, den ich im örtlichen Spieleverein kennengelernt habe, und der eigentlich auf Anhieb recht sympathisch und verständig wirkte. Er erzählt, seine seit bald drei Jahren laufende D&D 3.5-Runde wäre am auseinanderfallen, er könne sich aber nicht erklären warum. Jedenfalls scheinen die Spieler jetzt keinen großen Wert mehr aufs Weiterspielen zu legen, es ist aber auch nichts aus ihnen rauszubekommen was ihnen nicht gefällt. Ich habe ihn daraufhin einfach mal erzählen lassen, was sie da so spielen und wie das so läuft und wo es jetzt hakt.
Wie war das: er spielt Forgotten Realms, aber
Low Magic. Verdachtsmoment Nummer 1. Wie handhabt er das mit den Items? Ja, da hält er die Spieler kurz. Er wüsste aber, dass er dann auch die Herausforderungen entsprechend anpassen muss. Und auf Level 9 bräuchte man ja auch eh noch nicht so viel Ausrüstung.
Wie er die Story selber beschrieb, kam bei mir als sehr düstere, gritty, Midnight-artige Geschichte rüber, mit superbedrohlichen Bösewichten, gegen deren Welteroberungspläne man sich mit größter Anstrengung gerade so halten kann.
Ich wusste gar nicht so recht, wo ich anfangen sollte. Die spielen da also seit _drei Jahren_ und die Spieler gurken immer noch auf _Level 9_ rum; ein Bereich, den ich bei 14tägigem Spieltermin nach spätestens 6-7 Monaten hinter mir gelassen haben will. Und (das ist aber jetzt nur meine Interpretation) kämpfen wahrscheinlich gegen immer dieselben Horden schwacher Standardgegner, weil mehr können sie ja nicht mangels Ausrüstung. Und für die schwachen Encounter bekommen sie wieder keine XP, sodass sie weiterhin nicht aufsteigen können.
Und dann auch noch in einer scheinbar hoffnungslosen Situation ohne echte Lichtblicke, sodass man sich auch nicht wirklich auf die nächste Sitzung Trauer&Trübsal freut. Mal davon abgesehen, dass es eh schwierig ist, eine noch so tolle Kampagne für mehr als sagen wir 1,5 Jahre am Leben zu halten, weil man halt irgendwann wieder was anderes haben will.
Als ich ihm meine Bedenken mitgeteilt habe, guckte er mich mit großen Augen an und sagte "Ja meinst du wirklich?"
Wenn ich ihn mal wieder sehe (in ein paar Wochen), werde ich ihn mal interviewen, ob er da mal reflektiert hat. Aber mich würde auch überhaupt nicht überraschen, wenn er da zu dem "Schluss" gekommen ist, dass es an all diesen Punkten nicht liegen kann.
Ich wollte das nur mal eben so loswerden. Mich verblüfft einfach diese Kombination, erst am Spiel rumzuschrauben (wie hier: die Handbremse anzuziehen), sich dann wundern wenn es nicht funktioniert (stinkt), aber nicht auf die Idee zu kommen, dass das eine direkt kausal mit dem anderen zusammenhängen könnte.