Unsere Skype Runde, vier Spieler, beschlossen neulich, MALMSTURM auszuprobieren.
Wunderbarerweise gibts das 248*-seitige PDF-Regelwerk vollständig und kostenlos auf Malmsturm.de. Ebenso diverse Charakterbögen.
Die Online Plattform unserer Wahl simuliert die für Malmsturm benötigten Fudgedice (spezielle W3) und so stürzten wir -Schwerter voran!- ins stiftlose Spiel.
[*Anmerkung: die Rezension bezieht sich stets auf die PDF Seitenzahl]
PräsentationDie Gestaltung des PDFs ist ansehnlich und wirkt wie aus einem Guss.
Klare s/w-Kontraste, stimmige, rauhe Illustrationen (alle: Björn Lensig), ein einziger Textblock pro Seite ohne viel Drumherum.
Das analoge Malmsturm Regelbuch macht dank Goldrandseiten und Blackmetal-artigem Cover für Aficionados 'was her im Regal.
Daumen hoch!
Meckern können allerhöchstens diejenigen, die es gerne bunter oder ausufernder mögen.
4/5 Punkten - um es mit Malmsturm zu sagen: "True Metal"
RegelnMalmsturm nutzt als bisher einziges deutsches RPG die FATE Universalregeln.
Diese Rezension verzichtet darauf, das wackere System mit seinen Stärken und Schwächen genau unter die Lupe zu nehmen.
Hierzu findet der geneigte Geek reichlich Material im Netz.
Negativ sei dennoch die Fertigkeitenauswahl erwähnt, denn hier hätte man leicht eine ausgeglichenere Liste als die 27 vorgestellten Malmsturm-Fertigkeiten erwarten dürfen, die praktisch deckungsgleich mit denen von FATE (Free Fate) sind.
Wer eine Art "Ranger" oder "Dieb" spielen will, kommt in getreuer Fantasy-RPG Manier unverhältnismässig stark ins Grübeln:
Satte neun Fertigkeiten müsste beispielsweise ein typischer "Dieb" auswählen (Athletik, Besitz, Einbruch, Ermitteln, Fingerfertigkeit, Heimlichkeit, Fernkampf, Scharfsinn, Täuschung) .
Andere Konzepte haben es wesentlich einfacher und können mit einer einzigen Fertigkeitsauswahl wesentlich mehr bewegen.
Martialische Archetypen wählen "Nahkampf" sowie "Ausdauer", vielleicht noch "Athletik", schon sind sie unüberwindliche Kampfmaschinen.
Braucht es wirklich eine Unterscheidung zwischen "Einbruch", "Heimlichkeit" & "Fingerfertigkeit"?
Oder zwischen "Reiten" und "Fahrzeug steuern"?
Hier hätte Malmsturm sich mutiger vom Original lösen können.
Auch wird das FATE Regelwerk leider nicht übersichtlich präsentiert oder verständlich erklärt.
Vielmehr ist Malmsturm ein typisches RPG, in dem man anfangs ständig hin- und herblättert.
Dabei sind diese Regeln nicht sonderlich kompliziert.
Gliederung ist nicht das einzige Problem, die Texte sind schlicht zu lang und tendieren zur Schwafelei.
Beispiel:
"Gaben sind Gegenstände, Wertsachen und andere besondere Dinge, die eine Spielerfigur besitzt.
So trägt zum Beispiel der Priester der Friedensgöttin einen aus dem Familienbesitz stammenden
magischen Dolch mit sich.
Als Friedensmann hat er weder eine Kampffertigkeit erlernt, noch ist ihm der Dolch so wichtig,
dass er ihn als Aspekt wählen würde.
Trotzdem hat er ihn, und das Ding ist magisch!"
Das ist doppelt schade, weil das starke, minimalistische Layout einen knappen Stil besser bedient hätte.
Ärgerlich ist, das Malmsturm kein Werk für Neulinge ist, trotz der Ausführlichkeit.
Denn viel Text ist salopp formuliert, es werden Regeln ungetrennt neben Vorschlägen präsentiert und am Ohr eines RPG-Unbedarften vorbeifabuliert.
Beispiel:
Elfen, Dunkelelfen und Zwerge werden in Beispielen munter erwähnt.
Der Spieler soll Nichtmenschen selber über Aspekte und Gaben irgendwie regeln.
Wie er das genau machen könnte und warum das Buch sich scheut,
wenigstens ein bischen Hilfestellung zu leisten,
zB anhand dreier typischer Völker, dürfte RPG Lehrlinge wohl verzagen lassen.
Malmsturm unterbreitet selbst bei einigen Kernregeln nur seichte Vorschläge.
Hier muss Geduld mitgebracht werden, den Textwust zu überschauen und entsprechend ins Spiel zu integrieren.
Beispiel: "Zaubern"
Ab Seite 130 gibts den Regelteil "Magie".
Drei Optionen werden vorgestellt, mit welchen man Magie mechanisch simulieren könnte.
Eine komplett unbrauchbare, vierte Möglichkeit wird zusätzlich locker in den Raum gestellt,
als wär es die Transkription des Redaktions-Brainstormings.
"Diesunddas ginge vielleicht auch" [sinngemäss]
Ab Seite 136 steht eine Zusammenfassung "Magie in der Welt von Malmsturm in 10 Schritten".
Kurioserweise ist diese widersprüchlich im Hinblick auf die Absätze davor.
Im Fertigkeitenteil, Seite 164, findet man eine allgemeine Beschreibung des Zauberns neben möglichen Gaben & Talenten.
Je nachdem, für welche Magieoption man sich entschieden hat, ist der Eintrag essentiell, sinnlos oder verwirrend.
Unter "Angriff", Seite 93, steht dann mal konkret, wie die Praxis der Verteidigung ggü Magie funktioniert.
weitere Features
Das Spiel bietet ein Kapitel mit Strukturtipps für das Leiten von Spielen sowie ein Fertigabenteuer.
Der Eine mag das gut finden, Andere sehen darin eher Ballast fürs ohnehin zu dicke Buch.
Einen etwas ungewöhnlichen Ansatz gibt es bei der Figurenerschaffung:
Der Spieler wird angehalten, eine Art schrittweiser Zusammenfassung von Herkunft und durchlebter Abenteuer niederzuschreiben.
Ebenso muss seine Beziehung zu den anderen Parymitgliedern in möglichst knackiger Prosa formuliert werden.
Seite 48: "Auftrag an den Spieler:
1. Erfinde einen Fantasy-Romantitel und schreibe eine kurze Inhaltsangabe für dieses Abenteuer.
2. Notiere einen Aspekt, der in irgendeiner Weise mit den Ereignissen im Roman in Zusammenhang steht."
Für Eilige oder später Hinzugekommene Partymitglieder bietet Malmsturm auch schnellere Erschaffungsregeln an.
Für den Regelteil gibt es magere 2/5.
Es sind die Fateregeln, leider kaum angepasst oder gut erklärt.
die Welt von MalmsturmAb Seite 208 wird "die Welt von Malmsturm" angerissen.
Vollständig beschrieben wird sie für Hingerissene in einem separatem Buch auf 528 Seiten (das gute Stück kostet ca 50€)
Waren wir hingerissen?
Leider überhaupt nicht. Die Vorschau des Regelwerks ist eine grosse Enttäuschung.
Die vorgestellte, riesige Welt wirkt zusammengestückelt aus Sword & Sorcery Snippets und mutet lediglich wie eine grobe Löschblattskizze an.
Nach dem holprigen Anfang einer viel zu langen Figurenerschaffung für ein im Grunde flottes Spiel, wären zwei, drei prägnante Ortsbeschreibungen die ideale Möglichkeit, mit Tempo ins Abenteuer zu schnellen.
Das funktionierte aber nicht bei uns.
Genreüblich bekommt der Spieler eine Weltkarte präsentiert, diese ist im Gegensatz zum komplette Rest der Artworks jedoch miserabel(!) entworfen und wirft wie der gesamte Hintergrund-Teaser eher mehr Fragen auf.
Und zwar solche, die mehr Kopfschütteln als Neugier und Begeisterung wecken:
Man spielt auf dem Hauptkontinent, in der Nähe es Nordpols. Die Karte ist eine zylindrische Projektion eines sphärischen Körpers, der Hauptkontinent wird dabei extrem verzerrt wie häufiger Grönland oder Antarktis auf irdischen Karten.
Was zum Teufel!?
Man erkennt weder Klimazonen noch Kulturen, Seewege, Höhenlagen (Gebirge sind halbwegs erkennbar), Masstab, nichts nützliches, lediglich wenig aussagekräftige Namen, viele davon in unterschiedlichen Fonts geschrieben.
Dazu kommt ein wilder Haufen Zahlen, welche einige kleine Areale per Legende um weitere sinnfreie Namen erweitert.
Eine Detailkarte in der Karte wäre unübersichtlicher gewesen.
Die Ortsbezeichnungen lassen keine Assoziationen aufkommen.
Der nächste und grösste der folgenden Abschnitte beschreibt ein halbes Dutzend wilder Stämme, die man am ehesten bronzezeitlichen Gefilden zuordnen müsste.
Wie gross die Stämme sind, ihr Einfluss, Wirken, Feinde, Gefahren- wer weiss?
Danach wird "das Imperium" umrissen.
Wirklich schlau wird man hier nicht. Soll man sich Antike, Mittelalter, Renaissance vorstellen?
Als nächstes kommt "die Waismark", eine Halbinsel auf der anderen Seite der Welt. Hier findet man einen Kompromiss zwischen Kultur und Wildnis.
Wahrscheinlich. Denn konkret wird das Buch auch hier nicht.
Keiner aus der Gruppe konnte sich einen Reim machen, ob feudale Holzstädte mit tausend Seelen oder dezente, bunte Fäntelmetropolen gemeint sind.
Dagegen spräche zB, dass sich auf den schönen Zeichnungen fast aussschliesslich Conans tummeln.
Und: Warum sind die beschriebenen Kulturblasen so weit getrennt voneinander?
Wo leben eigentlich die ganzen Elfen, Dunkelelfen und Zwerge aus den Flavourtexten?
Wie können die ganzen Primitivlinge nördlich des Polarkreises überleben?
Fragen über Fragen.
Es folgen noch ein paar Minibeschreibungen, so knapp, dass man es sich hätte sparen sollen.
Sinngemäss steht dort in einer handvoll Sätze:
"Es gibt eine Art Afrika, mit Riesenaffen, und Savannen, und Dschungeln, und "Schlangensöhnen", und riesigen Seen."
Das macht niemanden an.
Weniger wäre so viel mehr gewesen:
Warum nicht nur zwei Stämme des Nordens veranschaulichen, dafür mit so viel Fülle, dass das Kopfkino rattert?
Eine einzige Imperiumsstadt statt zwölf reisserischer Teaser?
Nur einen Abschnitt der Waismark, dafür aber detailliert?
Das alles mit mehr passenden Zeichnungen, statt dem x-ten Muskelbarbaren.
So war am Ende niemand aus unserer Runde neugierig oder vertrauensvoll genug, um 50€ für das "Weltbuch" zu investieren.
Die vollmundige Welt-Beschreibung entpuppte sich als unverdauliches Appetithäppchen.
Schade.
1,5/5 traurige Punkte
Endbewertung & Kommentar2/5 für Gruppen, die von FATE gehört und mit einem einzigen Buch ins pralle Abenteuer einsteigen wollen.
Alternative Empfehlung: Free Fate auf Deutsch [freefate.de] & Welt-Eigenbau
2,5/5 für Gruppen, die Spass daran haben, ein neues System an ihre Bedürfnisse anzupassen.
4(?)/5 für Gruppen, die Spass daran haben, ein neues System an ihre Bedürfnisse anzupassen UND sich auf jeden Fall das Weltbuch holen möchten (Warnung: optimistische Vermutung!)
6,6/6 für Schwermetaller, die während DSA-Spiels wachträumen, wie Alrik halbnackt mit unlizensiertem Rondrakamm Ärsche tritt und auf dysfunktionale Regeln scheisst.